![]() ![]() | |||
| |||
Bearbeitung, zuletzt am 16.03.2020, durch: Sabiha Akagündüz, A. Tschentscher | |||
![]() | ![]() |
21. Auszug aus dem Urteil |
vom 3. März 1971 |
i.S. Verein Freie Evangelisch-Theologische Hochschule Basel gegen Regierungsrat und Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt. | |
Regeste |
Staatsrechtliche Beschwerde. Voraussetzungen, unter denen mit dem Entscheid der letzten kantonalen Instanz auch derjenige der untern Instanz angefochten werden kann (Erw. 1). Legitimation juristischer Personen zur Beschwerde wegen Verletzung von Art. 49 BV? (Erw. 3 a). |
Bezeichnung von Privatschulen. Kantonale Vorschrift, wonach Privatschulen sich so zu bezeichnen haben, dass über ihren nichtstaatlichen Charakter kein Zweifel besteht. Verbot, eine private Schule zur Ausbildung von Pfarrern auf Hochschulstufe als "Freie Evangelisch-Theologische Hochschule" zu bezeichnen. Vereinbarkeit dieses Verbots mit Art. 49 BV (Erw. 3 b), 56 und 31 BV (Erw. 4) und.Art. 4 BV (Erw. 5)? | |
![]() | |
A. | |
Das basel-städtische Schulgesetz vom 4. April 1929 (SchulG) enthält in den §§ 130-135 Bestimmungen über Privatschulen. Nach § 130 bedarf es zur Errichtung von Schulen oder Erziehungsanstalten für allgemeine Bildung oder Berufsbildung durch Private, Gesellschaften, Vereine oder Korporationen einer Bewilligung des Regierungsrates. Diese Bewilligung ist an sechs in § 131 unter Ziff. 1-6 aufgezählte Bedingungen geknüpft, von denen die letzte lautet:
| 1 |
"6. Privatschulen sind in Ankündigungen als solche so zu bezeichnen, dass über ihren nichtstaatlichen Charakter kein Zweifel besteht."
| 2 |
B. | |
Der Beschwerdeführer ist ein Verein mit Sitz in Basel. Er trägt den Namen "Verein Freie Evangelisch-Theologische Hochschule Basel" und bezweckt laut Statuten vom 16. März 1968 die Eröffnung und Führung einer privaten, von den bestehenden staatlichen Fakultäten unabhängigen Hochschule zur Ausbildung evangelischer Pfarrer. Am 31. Mai 1968 ersuchte er um die Bewilligung, eine solche Schule in Basel zu errichten. Der Regierungsrat beschloss am 8. Dezember 1968, die Bewilligung zur Errichtung der geplanten Lehrstätte unter der Bezeichnung "Freie Evangelisch-Theologische Hochschule Basel" oder "Internationale nicht-staatliche Evangelisch-Theologische Hochschule Basel" zu verweigern.
| 3 |
Nach Eröffnung dieses Entscheids reichte der Beschwerdeführer gleichzeitig beim Verwaltungsgericht des Kantons Basel-Stadt einen Rekurs und beim Regierungsrat ohne Präjudiz für den Rekurs ein Wiedererwägungsgesuch ein, dieses mit dem Antrag, es sei ihm die Errichtung und Führung der geplanten ![]() ![]() | 4 |
Der Regierungsrat entsprach diesem Gesuch durch Beschluss vom 3. Februar 1970.
| 5 |
Das Appellationsgericht als Verwaltungsgericht wies den Rekurs am 29. Mai 1970 ab, im wesentlichen aus folgenden Gründen: Der angefochtene Entscheid stehe mit § 131 Ziff. 6 SchulG im Einklang, da die Verwendung der Bezeichnung "Hochschule" den Eindruck erwecken würde, die Lehrstätte sei mit der Universität verbunden. Zweifel über ihren nichtstaatlichen Charakter würden auch durch Zusätze nicht in der vom SchulG verlangten eindeutigen Weise ausgeschlossen, selbst nicht durch das Wort "frei". Das Schwergewicht der gewünschten Bezeichnung liege eindeutig auf dem Ausdruck "Hochschule", und jedes Adjektiv verblasse vor diesem Hauptwort und werde im Verkehr bald weggelassen. Dem Einwand, der angefochtene Entscheid verletze die Glaubens- und Gewissensfreiheit, sei entgegenzuhalten, dass das Verwaltungsgericht an das Gesetz gebunden sei und es nicht auf seine Verfassungsmässigkeit überprüfen könne. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit wäre übrigens nur verletzt, wenn dem Beschwerdeführer die Führung des geplanten Instituts überhaupt verweigert worden wäre; dagegen werde sie durch den Zwang zur Wahl einer andern Bezeichnung als "Hochschule" nicht in Frage gestellt (wird näher ausgeführt).
| 6 |
C. | |
Mit der staatsrechtlichen Beschwerde stellt der Beschwerdeführer den Antrag, es seien die Entscheide des Regierungsrates vom 8. Dezember 1969 und des Verwaltungsgerichtes vom 29. Mai 1970 aufzuheben. Zur Begründung wird im wesentlichen vorgebracht: An den schweizerischen Universitäten gebe es keine theologische Fakultät, an der alle Professoren sich zur uneingeschränkten göttlichen Autorität der ganzen Bibel bekennen. Es bestehe daher ein Bedürfnis nach einer solchen Lehrstätte für die Ausbildung von Pfarrern. Die Lehrstätte des Beschwerdeführers sei eine Hochschule im Sinne des allgemeinen Sprachgebrauchs, da nur Studierende mit Maturität oder gleichwertigem Zeugnis zugelassen würden und die theologische Schlussprüfung derjenigen der theologischen Fakultäten anderer Hochschulen entspreche. Die vom Regierungsrat vorgeschlagenen Bezeichnungen deuteten nicht auf eine Institution mit Hochschulcharakter, auch der Name "Akademie" nicht. ![]() | 7 |
![]() | 8 |
D. | |
Der Regierungsrat des Kantons Basel-Stadt beantragt Abweisung der Beschwerde. Das Appellationsgericht hat auf Gegenbemerkungen verzichtet.
| 9 |
Auszug aus den Erwägungen: | |
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
| 10 |
Erwägung 1 | |
11 | |
Gemäss Art. 86 Abs. 2 (und Art. 87) OG ist die staatsrechtliche Beschwerde wegen Verletzung der vom Beschwerdeführer angerufenen Art. 4 und 49 BV erst gegen letztinstanzliche Entscheide zulässig. Das bedeutet nach der ständigen Rechtsprechung, dass sich die Beschwerde nur gegen den Entscheid der letzten kantonalen Instanz mit freier Prüfungsbefugnis richten kann, nicht auch gegen vorausgegangene Entscheide unterer Instanzen (BGE 95 I 115 E. 1 mit Hinweisen auf frühere Urteile, 96 I 14 E. 1). Das will jedoch nicht heissen, dass vorausgegangene Entscheide immer dann mit angefochten werden können, wenn die kantonale Rechtsmittelinstanz nach dem massgebenden kantonalen Recht nicht alle Rügen, die bei ihr erhoben werden können, frei überprüfen kann. Massgebend ist vielmehr ihre Prüfungsbefugnis inbezug auf diejenigen Fragen, die Gegenstand der staatlichen Beschwerde sind. Soweit die kantonale Rechtsmittelinstanz diese Fragen frei prüfen ![]() ![]() | 12 |
Im vorliegenden Falle konnte das Verwaltungsgericht völlig frei prüfen, ob der Regierungsrat § 131 Ziff. 6 SchulG richtig ausgelegt und angewendet habe (§§ 8 und 18 des basel-städtischen Verwaltungsrechtspflegegesetzes vom 14. Juni 1928). Anderseits glaubte es (freilich zu Unrecht; vgl. BGE 82 I 219 E. 1, 91 I 313, 92 I 482), es könne ebenso wenig wie der Regierungsrat prüfen, ob diese Bestimmung gegen die Glaubens- und Gewissensfreiheit verstosse. Hat das Verwaltungsgericht somit die den Gegenstand der staatsrechtlichen Beschwerde bildenden Fragen gleich wie der Regierungsrat teils völlig frei, teils überhaupt nicht geprüft, so kann sich die staatsrechtliche Beschwerde nur gegen den verwaltungsgerichtlichen Entscheid richten. Soweit auch der Entscheid des Regierungsrates angefochten wird, ist daher auf die Beschwerde nicht einzutreten.
| 13 |
Erwägung 2 | |
14 | |
Erwägung 3 | |
15 | |
16 | |
b) Sie erweist sich indessen als unbegründet. Die Glaubens- und Gewissensfreiheit umfasst neben dem Recht des Einzelnen, in seiner religiösen Überzeugung keinen Zwang zu erleiden, ![]() ![]() | 17 |
Erwägung 4 | |
4.- Da der Beschwerdeführer ein Verein ist, könnte sich fragen, ob der angefochtene Entscheid nicht gegen die Vereinsfreiheit (Art. 56 BV) verstosse. Diese Rüge wird indessen vom Beschwerdeführer nicht erhoben und wäre denn auch unbegründet. Abgesehen davon, dass die Berufung auf die Vereinsfreiheit wohl nur den einzelnen, sich zu einem Verein zusammenschliessenden Bürgern zusteht (FLEINER-GIACOMETTI, Bundesstaatsrecht S. 380; AUBERT, Droit constitutionnel suisse Nr. 2139), kann von einer Verletzung dieser Freiheit nicht die Rede sein, da der angefochtene Entscheid sich nicht auf den Bestand, die Tätigkeit oder den Namen des Vereins bezieht, sondern lediglich auf die Bezeichnung der von ihm betriebenen Ausbildungsstätte. Ebensowenig kann die vom Beschwerdeführer ebenfalls nicht angerufene Handels- und Gewerbefreiheit (Art. 31 BV) verletzt sein. Der Betrieb einer Schule steht wie jede andere Tätigkeit nur dann unter dem Schutz dieser Freiheit, wenn damit Erwerbszwecke verfolgt werden (vgl. 80 I 143), was beim Beschwerdeführer offensichtlich nicht der Fall ist, denn er verfolgt einen rein idealen Zweck. Zudem kann auch ![]() ![]() | 18 |
Erwägung 5 | |
19 | |
a) Der Beschwerdeführer behauptet, dadurch werde insofern eine Rechtsungleichheit geschaffen, als es in der Schweiz verschiedene private Ausbildungsstätten gegeben habe und noch heute gebe, die sich als Hochschulen bezeichnen, wie z.B. die "Hochschule für Geisteswissenschaften" in Dornach (SO) und die "Schweizerischen Talmudhochschule" in Kriens (LU). Dieser Einwand ist indessen zum vornherein untauglich zur Begründung des Vorwurfs einer Verletzung von Art. 4 BV, da - wie das Bundesgericht stets entschieden hat - aus dem Gesichtspunkt des Art. 4 BV nichts dagegen einzuwenden ist, dass kantonales Recht von Kanton zu Kanton verschieden ist oder verschieden gehandhabt wird (BGE 91 I 491, 93 I 336 und 715 oben). Wegen rechtsungleicher Behandlung im Sinne von Art. 4 BV könnte sich der Beschwerdeführer nur beklagen, wenn Behörden des Kantons Basel-Stadt private Schulen mit der Bezeichnung "Hochschule" zugelassen hätten, was er nicht behauptet. Es kann sich daher nur fragen, ob Art. 4 BV dadurch ![]() ![]() | 20 |
21 | |
c) Wie der Regierungsrat, so scheint auch das Verwaltungsgericht anzunehmen, dass alle Beiwörter vor dem Hauptwort "Hochschule" verblassen und kein Zusatz geeignet sei, einer als "Hochschule" bezeichneten Lehranstalt den Anschein der Staatlichkeit zu nehmen. Ob man ohne Willkür so weit gehen kann, erscheint zweifelhaft. Richtig ist freilich, dass Beiwörter im Verkehr mit der Zeit oft weggelassen werden. Das mag es rechtfertigen, die Bezeichnung "Internationale nicht-staatliche Evangelisch-Theologische Hochschule Basel", die der Beschwerdeführer im regierungsrätlichen Verfahren neben dem heute streitigen Namen vorgeschlagen hat, abzulehnen, denn es ist nicht zu erwarten, dass ein so langer Namen sich im ![]() ![]() | 22 |
23 | |
24 | |
Entscheid: | |
Demnach erkennt das Bundesgericht: | |
Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist. ![]() | 25 |
© 1994-2020 Das Fallrecht (DFR). |