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Bearbeitung, zuletzt am 15.03.2020, durch: DFR-Server, A. Tschentscher | |||
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64. Auszug aus dem Urteil der I. Zivilabteilung |
vom 14. September 1999 |
i.S. S. gegen X. Tagblatt AG |
(Berufung) | |
Regeste |
Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV, Art. 3 GlG; Anspruch von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit. |
Direkte Anwendbarkeit des verfassungsrechtlichen Grundsatzes von Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV auf privatrechtliche Arbeitsverhältnisse (E. 2). |
Diskriminierungstatbestände, bei denen spezifische bundesrechtliche Anforderungen an die Erhebung des Sachverhalts gelten; Prüfungsbefugnis des Bundesgerichts im Berufungsverfahren (E. 3). |
Glaubhaftmachen einer Lohndiskriminierung nach Art. 6 GlG; ist eine solche Diskriminierung glaubhaft gemacht, obliegt es der Arbeitgeberin, Umstände nachzuweisen, aus denen sich ergibt, dass die Lohndifferenz auf sachlichen Gründen ohne geschlechterdiskriminierende Wirkung beruht (E. 4). Im vorliegenden Fall hat die Vorinstanz den Nachweis zu Unrecht als geleistet betrachtet (E. 5). | |
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S. war vom 1. Oktober 1987 bis zum 31. August 1998 bei der X. Tagblatt AG angestellt, wo sie als Redaktorin in der Lokalredaktion A. des «Y. Tagblatt» tätig war. Ihre Arbeit bestand darin, täglich eine Seite mit regionalen Nachrichten über den Ort A. und Umgebung zu füllen. Abgesehen vom Zeitraum zwischen dem 1. Juli 1989 und dem 30. Mai 1990, in welchem sie zu 90% arbeitete, betrug ihr Arbeitspensum 60%. Darin eingeschlossen waren Sonntags-, Abend- und Nachtdienst. Nach Ablauf des Einführungsmonats bezog S. einen Grundlohn von Fr. 2'100.-- im Monat, was 50% eines VollzeitBasislohns von Fr. 4'200.-- entsprach, sowie eine pauschale Abgeltung von monatlich Fr. 840.-- für die in der Redaktion übliche Mehrarbeitszeit. In den folgenden Jahren wurde ihr Gehalt erhöht. Ab 1. Januar 1997 betrug es Fr. 3'979.-- brutto im Monat, entsprechend Fr. 6'632.-- für eine Vollzeitstelle.
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Im Jahre 1990 stellte die X. Tagblatt AG T. als Lokalredaktor mit einem Pensum von 100% an, wobei sie ihm einen Anfangslohn von Fr. 6'700.-- brutto im Monat ausrichtete. In der Folge stieg sein monatliches Bruttogehalt auf Fr. 7'675.--.
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Nachdem S. von der X. Tagblatt AG wiederholt erfolglos die lohnmässige Gleichstellung mit T. verlangt hatte, gelangte sie am 1. Oktober 1996 an die zuständige Schlichtungsstelle gemäss Gleichstellungsgesetz. Die Schlichtungsverhandlung vom 6. November 1996 erbrachte keine Einigung, worauf die Schlichtungsstelle am 12. November 1996 den Leitschein ausstellte.
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Am 10. Februar 1997 reichte S. Klage gegen die X. Tagblatt AG ein, mit den Begehren, die Beklagte sei zu verpflichten, einerseits rückwirkend für die Dauer von fünf Jahren von der Einreichung des ![]() ![]() | 4 |
Gegen diesen Entscheid legte die Klägerin Berufung an das Kantonsgericht Z. ein. Da das Arbeitsverhältnis inzwischen beendet worden war, änderte sie während des kantonsgerichtlichen Verfahrens ihre Begehren dahin, dass die Beklagte zu verpflichten sei, ihr rückwirkend für die Dauer von fünf Jahren von der Einreichung des Schlichtungsbegehrens an bis zum 31. August 1998 die Lohndifferenz zwischen dem Gehalt von T. und ihrem Gehalt nachzuzahlen, zuzüglich Zins zu 5% seit 1. April 1993. Am 17. März 1999 wies das Kantonsgericht die Berufung ab.
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Das Bundesgericht heisst die von der Klägerin eingelegte Berufung teilweise gut, hebt das angefochtene Urteil auf und weist die Streitsache zu neuer Entscheidung im Sinne der Erwägungen an die Vorinstanz zurück.
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Auszug aus den Erwägungen: | |
Aus den Erwägungen:
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Erwägung 2 | |
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Der Anspruch auf Lohngleichheit zwischen den Geschlechtern ist nicht nur in Art. 3 GlG, sondern bereits in Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV verankert. Diese Verfassungsbestimmung ist auf privatrechtliche Arbeitsverhältnisse direkt als zwingende Norm des Bundesprivatrechts anwendbar, deren Verletzung im Berufungsverfahren gerügt werden kann (BGE 113 Ia 107 E. 1a und b, S. 110 f.; vgl. auch 124 II 409 E. 1a S. 411, mit Hinweisen). Das Gleichstellungsgesetz konkretisiert das Lohngleichheitsgebot. Es hat insbesondere ![]() ![]() | 9 |
Erwägung 3 | |
3.- Nach Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV und Art. 3 GlG haben Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit und dürfen aufgrund ihres Geschlechts weder direkt noch indirekt benachteiligt werden (BGE 125 I 71 E. 2 S. 78 ff.; 124 II 409 E. 7 - 9 S. 424 ff., 529 E. 4 S. 530 f.; 113 Ia 107 E. 4a S. 116 f.). Dieses Verbot gilt gleichermassen für öffentlichrechtliche wie für privatrechtliche Arbeitsverhältnisse (vgl. BGE 124 II 409 E. 1e/dd S. 419). Eine geschlechtsbezogene Lohn-Diskriminierung kann sich dabei sowohl aus einer generellen Einstufung bestimmter Funktionen im Rahmen eines Lohn- oder Tarifsystems wie auch aus der konkreten Entlöhnung einer bestimmten Person im Vergleich zu jener von Personen des anderen Geschlechts ergeben (BGE 125 I 71 E. 2b S. 79; 124 II 529 E. 3b S. 531). Sie kann in beiden Fällen insbesondere darauf zurückzuführen sein, dass Arbeitsleistungen nach direkt oder indirekt diskriminierenden Kriterien bewertet werden (vgl. BGE 124 II 409 E. 8 S. 425 f., 436 E. 8 S. 442 ff.; 117 Ia 270 E. 2b S. 273) oder dass neutrale, sachlich als solche zulässige Bewertungskriterien tatsächlich inkonsequent zu Lasten eines Geschlechts angewandt werden, sei es dass ein zur Begründung einer ungleichen Bewertung herangezogenes Kriterium tatsächlich gar nicht vorhanden ist (vgl. BGE 124 II 409 E. 11 S. 432) oder für die Ausübung einer konkreten Tätigkeit keine Rolle spielt (vgl. BGE 117 Ia 270 E. 4a S. 276, wo im Hinblick darauf als fraglich bezeichnet wird, dass ein Vorsprung in der Ausbildung generell einen höheren Lohn rechtfertigt) oder die Bewertung von Arbeitsleistungen nur in einzelnen Fällen beeinflusst hat (vgl. BGE 118 Ia 33 E. 3b S. 40). In Bezug auf solche Diskriminierungstatbestände trifft das Gericht eine unmittelbar aus Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV fliessende minimale Prüfungspflicht. Daraus leitet die Rechtsprechung für Gleichstellungsangelegenheiten spezifische bundesrechtliche Anforderungen an die Erhebung des Sachverhalts ab (BGE 124 II 529 E. 6a</a> S. 537; 118 Ia 35 E. 2d und e S. 38 f.; vgl. auch 117 Ia 262 E. 4 S. 268 ff.). ![]() | 10 |
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Erwägung 4 | |
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Das Kantonsgericht hat zwar im angefochtenen Urteil offen gelassen, ob die Klägerin die Lohndiskriminierung im Sinne von Art. 6 GlG glaubhaft gemacht habe. Aus seinen Feststellungen ergibt sich indes, dass die bundesrechtlichen Anforderungen an eine Glaubhaftmachung erfüllt sind. Dem angefochtenen Urteil ist zu entnehmen, dass die Redaktion des «Y. Tagblatt» in verschiedene Lokalredaktionen unterteilt ist und sowohl die Klägerin als auch T. bei der Lokalredaktion A. tätig waren. Dort verrichteten sie die gleiche Arbeit. Alle Lokalredaktoren hatten die Aufgabe, täglich eine Zeitungsseite mit lokaler bzw. regionaler Berichterstattung zu füllen. T. und die Klägerin arbeiteten abwechslungsweise auf der Redaktion, ohne dass jemand von ihnen Vorgesetzter des anderen gewesen wäre. Die jeweils auf der Redaktion tätige Person war Ansprechpartner für Dritte und betreute die Korrespondenten. Die Klägerin bezog ab 1. Juni 1990 ein Monatseinkommen von Fr. 2'550.- brutto für ein Pensum von 50%, entsprechend Fr. 5'116.- für eine Anstellung zu 100%, sowie eine Pauschalentschädigung von Fr. 295.- für jeden geleisteten Wochenendienst. T. begann im Jahre 1990 mit einem Lohn von Fr. 6'700.- im Monat. Per 31. August 1998 betrug der auf 100% umgerechnete Bruttolohn der Klägerin Fr. 6'645.- im Monat, während T. zu diesem Zeitpunkt ein monatliches ![]() ![]() | 13 |
Nach der bundesrechtlichen Beweisvorschrift von Art. 6 GlG liegt es daher an der Beklagten, Umstände nachzuweisen, aus denen sich ergibt, dass die festgestellte Lohndifferenz auf sachlichen Gründen ohne geschlechterdiskriminierende Wirkung beruht (vgl. STEIGER-SACKMANN, in: BIGLER EGGENBERGER/KAUFMANN (Hrsg.), Kommentar zum Gleichstellungsgesetz, Basel 1997, N. 59-61 zu Art. 6 GlG). Das Kantonsgericht vertritt im angefochtenen Urteil den Standpunkt, die Beklagte habe solche Umstände nachgewiesen. Diese Auffassung wird in der Berufung als bundesrechtswidrig beanstandet. Die Klägerin rügt einerseits in verschiedener Hinsicht Verletzungen des bundesrechtlich vorgeschriebenen Untersuchungsgrundsatzes (Art. 12 GlG in Verbindung mit Art. 343 OR). Anderseits hat die Vorinstanz nach Ansicht der Klägerin den Lohngleichheitsanspruch verletzt, indem sie Umstände, die unter objektiven Gesichtspunkten für die Arbeitsbewertung irrelevant sind, berücksichtigt und umgekehrt objektiv bedeutsame Umstände ausser Acht gelassen hat.
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Erwägung 5 | |
5.- Nicht diskriminierend sind nach der Rechtsprechung in der Regel Lohnunterschiede, die auf objektiven Gründen beruhen. Dazu gehören zunächst Gründe, die den Wert der Arbeit selbst beeinflussen können, wie Ausbildung, Dienstalter, Qualifikation, Erfahrung, konkreter Aufgabenbereich, Leistung oder Risiken (BGE 124 II 409 E. 9c S. 428, 436 E. 7a S. 441 je mit Hinweisen). Darüber hinaus können Lohnunterschiede aber auch aus Gründen gerechtfertigt sein, die nicht unmittelbar die Tätigkeit der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers berühren, sondern sich - wie etwa familiäre Belastungen und das Alter - aus sozialen Rücksichten ergeben (vgl. BGE 118 Ia 35 E. 2c S. 37 f.; 117 Ia 270 E. 4a S. 276). Schliesslich kommt als Rechtfertigungsgrund für Lohnunterschiede die konjunkturelle Lage in Betracht, soweit ihre Berücksichtigung einem wirklichen unternehmerischen Bedürfnis entspricht (vgl. BGE 125 I 71 E. 4d/aa S. 84 f.; 118 Ia 35 E. 2c S. 38; 113 Ia 107 E. 4a S. 116 f.; siehe zum Ganzen auch ANDREAS C. ALBRECHT, Der Begriff der gleichwertigen Arbeit im Sinne des Lohngleichheitssatzes «Mann und Frau haben Anspruch auf gleichen Lohn für gleichwertige Arbeit», Diss. Basel ![]() ![]() | 15 |
a) Die Vorinstanz ist der Beklagten nicht gefolgt, soweit diese zur Rechtfertigung der Lohndifferenz geltend gemacht hatte, der Kollege der Klägerin habe mehr journalistische Erfahrung mitgebracht und sei in der Region stärker verwurzelt gewesen als die Klägerin. Dabei ist die Vorinstanz zutreffend davon ausgegangen, dass die Kriterien der journalistischen Berufserfahrung und der Verwurzelung in der Region für die Qualität der Arbeit in der Lokalredaktion einer Regionalzeitung bestimmend sind und daher grundsätzlich einen Lohnunterschied zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts zu rechtfertigen vermöchten. Sie hat aber auch bundesrechtskonform geprüft, ob die behaupteten Unterschiede tatsächlich bestehen. Nach den Feststellungen im angefochtenen Urteil hatte die Klägerin vor ihrer Anstellung bei der Beklagten gelegentlich Leserbriefe oder Berichte über Vereinsanlässe geschrieben sowie das «Echo von A.» mitgestaltet. Im Zeitpunkt der Anstellung ihres Kollegen hatte sie drei Jahre Berufserfahrung bei der Beklagten erwerben können. Ihr Kollege hatte demgegenüber vor seiner Anstellung während rund acht Jahren als Korrespondent für die von der Beklagten vertriebene Zeitung und für zwei andere Zeitungen gearbeitet und dabei über Kulturelles sowie politische Angelegenheiten und Vereinsanlässe berichtet. In Bezug auf die regionale Verwurzelung ist dem angefochtenen Urteil zu entnehmen, dass der Kollege der Klägerin in der Region aufgewachsen ist, der Stadtmusik A. angehört hat und zwanzig Jahre lang als Primarlehrer in Y. tätig gewesen ist. Die Klägerin ihrerseits wohnte seit 1976 in A. und war ![]() ![]() | 16 |
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Aus diesen Feststellungen geht nicht hervor, wie sich die höhere technische Begabung des Kollegen der Klägerin auf die Qualität oder Quantität seiner Arbeitsleistung auswirkte. Die allgemeine Feststellung, dass sich die höhere Leistungsfähigkeit - irgendwie - auf die Arbeit ausgewirkt habe, reicht dafür nicht aus. Eine höhere individuelle Speditivität oder Leistungsfähigkeit bleibt unter dem Gesichtspunkt besserer Arbeitsleistung solange bedeutungslos, als sie sich nicht in zusätzlichen oder besseren Arbeitsergebnissen niederschlägt. Zwar sind an den Nachweis besserer Arbeitsresultate bei erwiesener höherer Leistungsfähigkeit keine allzu hohen Anforderungen zu stellen. Dass aber vorliegend die Arbeitsergebnisse des T. quantitativ oder qualitativ diejenigen der Klägerin übertroffen hätten, ![]() ![]() | 18 |
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Die Arbeitsmarktlage kann somit Lohnunterschiede stets nur begrenzt und vor allem nur vorübergehend rechtfertigen. Das relative Gewicht, das der konjunkturellen Lage unter den lohnbestimmenden Faktoren zusteht, darf ohnehin nicht überschätzt werden. Der Wert einer Arbeit hängt in erster Linie von den objektiven Anforderungen (Anforderungswert) und von der individuellen Leistungsfähigkeit und Leistungsbereitschaft der Arbeitskraft (Leistungswert) ab. Die Verhältnisse auf dem Arbeitsmarkt sind im Vergleich zu diesen Faktoren von untergeordneter Bedeutung. Die Unternehmen sind den Regeln von Angebot und Nachfrage denn auch nicht vollständig ausgeliefert. Ihr finanzieller Spielraum erlaubt regelmässig ein diskriminierungsfreies Lohnsystem (vgl. STEINER, a.a.O., S. 295). ![]() ![]() | 21 |
Der Arbeitsmarkt ist wenig transparent. Er zerfällt in geografisch, branchenmässig und berufsspezifisch aufgesplittete Teilmärkte, die von den allgemeinen Konjunkturschwankungen in unterschiedlichem Ausmass beeinflusst werden (vgl. HEGNER, a.a.O., S. 25 f.). Soll die konjunkturelle Lage zur Rechtfertigung einer Lohnentscheidung, die zu unterschiedlichen Löhnen für Männer und Frauen geführt hat, dienen, so ist unerlässlich, dass der relevante Arbeitsmarkt definiert wird. Weiter ist abzuklären, welche Faktoren diesen Markt wie stark beeinflusst haben. Soweit das Vorhandensein und das Gewicht der massgebenden Faktoren nicht notorisch sind, müssen sie durch Wirtschaftsdaten und Statistiken belegt sein. In Betracht fallen nur Faktoren, die wirklich vorhanden waren und den konkreten Lohnentscheid tatsächlich beeinflusst haben. Zu bezeichnen und zu belegen ist im Übrigen auch das konkrete unternehmerische Bedürfnis nach einer marktbedingten vorübergehenden Abweichung von der Lohngleichheit. Nur unter diesen Voraussetzungen ist es möglich, im Blick auf das Lohngleichheitsgebot zu prüfen, ob und wieweit die konjunkturelle Lage einen Lohnunterschied zwischen einer männlichen und einer weiblichen Arbeitskraft zu rechtfertigen vermag.
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bb) Die Vorinstanz sieht einen konjunkturellen Grund für die höhere Entlöhnung des T. darin, dass dieser im Zeitpunkt seiner Anstellung der Wunschkandidat der Beklagten gewesen sei und dass er nur zu einem seinem bisherigen Primarlehrergehalt entsprechenden Lohn habe angestellt werden können. Individuelle Anforderungen oder besondere Motive der Arbeitgeberin definieren indessen bloss das Profil der für eine bestimmte Stelle in Betracht kommenden Person und bilden insofern den Ausgangspunkt für die Umschreibung des in Frage kommenden Arbeitsmarkts. Sie können ![]() ![]() | 23 |
cc) Damit ist ein Gesichtspunkt angesprochen, der zwar nur im weiteren Sinne zur konjunkturellen Lage gehört, unter Umständen aber ähnlich wie diese zur Rechtfertigung einer unterschiedlichen Entlöhung von männlichen und weiblichen Arbeitskräften herangezogen werden kann. Eine solche Rechtfertigung ergibt sich allerdings nicht bereits daraus, dass der Lohn eines einzelnen oder einiger weniger Angestellter als Ausnahmelohn oder, wie sich die Beklagte ausdrückt, als «Ausreisser» erscheint. Das Lohngleichheitsgebot steht auch einer bloss «ausnahmsweisen» Lohndiskriminierung zwischen Angestellten verschiedenen Geschlechts entgegen. Im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV und Art. 3 GlG schuldet die Arbeitgeberin eine sachliche Begründung dafür, weshalb ihr die Arbeit einer bestimmten Person mehr wert ist als jene anderer Personen, die dem andern Geschlecht angehören. Der Ausnahmecharakter des Lohnes eines bestimmten Angestellten vermag eine solche Begründung nicht zu ersetzen. Eine lohnmässige Ungleichbehandlung ![]() ![]() | 24 |
Sind konkrete Lohnunterschiede für gleichwertige Arbeit glaubhaft gemacht, so bedarf daher auch ein angeblicher Ausnahmelohn der sachlichen Rechtfertigung. In besonderen Situationen kann zwar ein unternehmerisches Bedürfnis danach bestehen, eine bestimmte Position mit einer genau dafür ausgesuchten Person zu besetzen, die jedoch die Stelle nur anzunehmen bereit ist, wenn sie den von ihr geforderten Lohn erhält, weil sie auf entsprechende Konkurrenzangebote oder auf ein entsprechendes Gehalt am bisherigen Arbeitsplatz verweisen kann (vgl. ALBRECHT, a.a.O., S. 158). Wenn ein Unternehmen einem neuen Arbeitnehmer aufgrund einer derartigen Situation einen Lohn bezahlt, der höher liegt als derjenige, den früher eingestellte Arbeitskräfte des anderen Geschlechts beziehen, so kann dies eine Abweichung von der Lohngleichheit aber wiederum nur in engen Grenzen und für eine beschränkte Dauer rechtfertigen. Das Prinzip des gleichen Lohnes für gleichwertige Arbeit darf nicht dadurch unterlaufen werden, dass die Arbeit von Frauen bloss deshalb andauernd und in erheblichem Ausmass schlechter entlöhnt wird als jene von Männern, weil Frauen in Lohnverhandlungen eher bereit oder gezwungen sind, niedrigere Löhne zu akzeptieren (vgl. STEINER, a.a.O., S. 296). Eine derartige Perpetuierung vorhandener geschlechtsspezifischer Marktwertunterschiede wäre mit dem Lohngleichheitsgebot nicht zu vereinbaren (vgl. ALBRECHT, a.a.O., S. 158). Auch Lohnunterschiede, die auf eine besonders starke Verhandlungsposition eines Arbeitnehmers bei seiner Anstellung zurückzuführen sind, lassen sich im Hinblick auf Art. 4 Abs. 2 Satz 3 BV und Art. 3 GlG nur rechtfertigen, soweit und solange die Verhältnismässigkeit gewahrt ist, das heisst, soweit die unterschiedliche Entlöhnung einem Ziel dient, das einem wirklichen unternehmerischen Bedürfnis entspricht, sowie zur Erreichung dieses Ziels geeignet und erforderlich ist und soweit sie auch in zeitlicher Hinsicht auf das Notwendige beschränkt bleibt.
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dd) Im vorliegenden Fall fehlt es indessen bereits an hinreichenden Belegen dafür, dass der Kollege der Klägerin in der Tat einen Ausnahmelohn bezog. Die Vorinstanz hat die Lohndaten von männlichen Angestellten anderer Lokalredaktionen zum Vergleich herangezogen. Gestützt darauf hält sie im angefochtenen Urteil fest, die Klägerin habe bei ihrer eigenen Einstellung im Jahre 1987 im Vergleich zu fünf männlichen Kollegen teils mehr, teils weniger verdient; ![]() ![]() | 26 |
ee) Lohnunterschiede aufgrund unterschiedlicher Verhandlungsmacht sind - wie solche aufgrund von Konjunkturschwankungen - im Rahmen der periodischen Bereinigung der Lohnstruktur zu beseitigen, sobald dies möglich und zumutbar ist. Dabei gilt es mitzuberücksichtigen, dass im Hinblick auf das Betriebsklima und die Motivation der Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen eine möglichst rasche Wiederherstellung der Lohngleichheit auch im wohlverstandenen Interesse des Unternehmens selbst liegt. Dieses muss daran interessiert sein zu verhindern, dass ungerechtfertigte Lohndifferenzen das Betriebsklima vergiften, Leistungsabfälle verursachen und Personalwechsel mit Leistungseinbussen während der Kündigungs- und Einarbeitungszeiten auslösen. Eine auf Dauer angelegte lohnmässige Ungleichbehandlung zwischen Arbeitskräften verschiedenen Geschlechts kann daher keinem wirklichen unternehmerischen Bedürfnis entsprechen. Auch in dieser Hinsicht sind im vorliegenden Fall weitere Abklärungen nötig. Die Vorinstanz wird im Einzelnen zu prüfen haben, ob die Beklagte ihrer Pflicht hinreichend nachgekommen ist, die Lohndifferenz zwischen der Klägerin und T. - soweit sie auf dessen starke Verhandlungsposition bei der Anstellung und nicht auf Unterschieden in der Arbeitsleistung beruht - innert angemessener Frist abzubauen. ![]() | 27 |
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