BGer I 309/1999
 
BGer I 309/1999 vom 14.02.2000
«AZA»
I 309/99 Ca
III. Kammer
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiber Arnold
Urteil vom 14. Februar 2000
in Sachen
IV-Stelle Luzern, Landenbergstrasse 35, Luzern, Beschwerdeführerin,
gegen
R.________, 1949, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt H.________
und
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
A.- Der 1949 geborene R.________ war seit der Beendigung der Schule auf dem elterlichen Hof in der Gemeinde X.________ tätig. Er pachtete den landwirtschaftlichen Betrieb im Jahre 1978 und übernahm ihn 1981 zu Eigentum. Neben der Bewirtschaftung des Bauernhofes war der verheiratete Familienvater seit Dezember 1982 gelegentlich stundenweise für die Küchenbaufirma M.________ AG tätig und half Nachbarn bei Holzarbeiten.
Am 27. Februar 1986 verunfallte R.________ bei Waldarbeiten, wobei er sich eine Fraktur eines Lendenwirbelkörpers zuzog. Im Februar 1987 meldete er sich wegen der daraus resultierenden Beeinträchtigungen bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Nach Abklärung der Verhältnisse in medizinischer und erwerblicher Hinsicht sprach ihm die IV-Stelle Luzern mit zwei Verfügungen vom 29. August 1988 auf Grund eines Invaliditätsgrades von 100 % ab 1. Februar 1987 bis 31. Januar 1988 eine ganze und basierend auf einer Erwerbsunfähigkeit von 60 % ab 1. Februar 1988 eine halbe Invalidenrente zu. Mit Verfügung vom 11. Januar 1989 bestätigte die Verwaltung die Zusprechung einer halben Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von nach wie vor 60 %. Verschiedene Revisionsverfahren änderten nichts daran, dass dem Versicherten weiterhin eine halbe Rente ausgerichtet wurde (Beschluss vom 19. Dezember 1990, Verfügungen vom 5. August 1994 und vom 6. September 1995).
Anlässlich einer im Juli 1996 eingeleiteten Revision
holte die Verwaltung unter anderem einen Bericht des Dr. med. T.________ (vom 7. Februar 1997) und Auskünfte beim Versicherten (Fragebogen für Landwirte vom 9. Juli 1996) ein. Mit Verfügung vom 18. September 1997 hob die IV-Stelle die bisher zugesprochene halbe Rente auf den 31. Oktober 1997 auf, weil der nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs ermittelte Invaliditätsgrad nur mehr 16 % betrage. Einer allfälligen Beschwerde wurde die aufschiebende Wirkung entzogen.
B.- Die von R.________ eingereichte Beschwerde, mit welcher er die Aufhebung der Verfügung vom 18. September 1997 und die Zusprechung einer halben Invalidenrente über den 31. Oktober 1997 hinaus beantragte, hiess das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern in dem Sinne gut, als es den strittigen Verwaltungsakt aufhob und die Sache zwecks ergänzender Abklärungen im Sinne der Erwägungen und zum anschliessenden Erlass einer neuen Verfügung an die Verwaltung zurückwies. Das Gesuch um Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Beschwerde erklärte das Gericht als erledigt (Entscheid vom 13. April 1999).
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die IV-Stelle die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und die Bestätigung ihrer Verfügung vom 18. August (recte: 18. September) 1997.
R.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen und beantragen, der kantonale Entscheid sei zu bestätigen und ihm sei weiterhin eine halbe Rente zuzusprechen. Das Bundesamt für Sozialversicherung reicht keine Vernehmlassung ein.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Das kantonale Gericht hat die hier massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über den Begriff der Invalidität (Art. 4 Abs. 1 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei erwerbstätigen Versicherten nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG), das Erwerbseinkommen eines invaliden Selbstständigerwerbenden, der zusammen mit Familiengliedern einen Betrieb bewirtschaftet (Art. 25 Abs. 1 und 2 IVV), die Bedeutung ärztlicher Auskünfte bei der Ermittlung des Invaliditätsgrades (BGE 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1) und die Revision der Invalidenrente (Art. 41 IVG; BGE 113 V 275 Erw. 1a) sowie die dabei zu vergleichenden Sachverhalte (BGE 112 V 372 Erw. 2b und 390 Erw. 1b, 109 V 265 Erw. 4a) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob der Beschwerdegegner über den 31. Oktober 1997 hinaus Anspruch auf eine Rente der Invalidenversicherung hat.
3.- Zu Recht allseits unbestritten ist, dass die Verwaltung den der rentenaufhebenden Verfügung (vom 18. September 1997) zu Grunde liegenden Invaliditätsgrad von 16 % nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs ermittelte. Nachdem eine zuverlässige Ermittlung oder Schätzung der beiden hypothetischen Erwerbseinkommen vorliegend möglich ist, besteht kein Anlass, ausnahmsweise das ausserordentliche Bemessungsverfahren anzuwenden (BGE 104 V 136 Erw. 2c, 105 V 154 ff. Erw. 2). Bereits bei der Zusprechung der halben Rente (mit Verfügung vom 29. August 1988 ab 1. Februar 1988) und den übrigen Revisionsverfahren wurde denn auch nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs vorgegangen.
Mit Bezug auf den Gesundheitszustand des Versicherten ist weiter unbestritten und steht auf Grund des Berichtes des Dr. med. T.________ (vom 7. Februar 1997) fest, dass dieser im massgeblichen Vergleichszeitraum zwischen der Rentenverfügung (vom 29. August 1988), mit welcher eine halbe Invalidenrente zugesprochen wurde, und dem Erlass der strittigen Revisionsverfügung (vom 18. September 1997) insoweit keine wesentliche Aenderung erfahren hat, als trotz im Jahre 1993 nachgewiesener linksseitiger Diskushernie und Verdacht auf beginnende Gonarthrose rechts weiterhin von einer 50 %igen Arbeitsfähigkeit als Landwirt auszugehen ist.
4.- a) Die Verwaltung ging für die Ermittlung des hypothetischen Einkommens ohne Invalidität (Valideneinkommen) vom beitragspflichtigen Einkommen der Jahre 1983/84 aus, rechnete dieses mittels der sogenannten "Bruggerzahlen" auf das Jahr 1996 um (Fr. 15'206.-) und brachte den unentlöhnten Arbeitsanteil der Familienglieder zum Abzug (Fr. 1382.-). Weiter berücksichtigte sie die Einkünfte aus der Nebenerwerbstätigkeit bei der Firma M.________ AG im Jahre 1985 und rechnete diese ebenfalls auf das Jahr 1996 um (Fr. 366.-), woraus ein Valideneinkommen von Fr. 14'190.- resultierte. Für das Invalideneinkommen, also den Verdienst, den der eingegliederte Beschwerdegegner trotz gesundheitlicher Beeinträchtigung zumutbarerweise erzielen könnte, stellte die IV-Stelle auf das beitragspflichtige Einkommen 1993/94 ab und ermittelte für das Jahr 1996 mittels der "Bruggerzahlen" einen Betrag von Fr. 21'793.-. Hievon zog sie den unentlöhnten Arbeitsanteil der Familienglieder - fünf von insgesamt elf Arbeitsstunden täglich - ab (Fr. 9906.-), woraus sich ein Invalideneinkommen von Fr. 11'887.- ergab. Aus dem Vergleich der beiden Einkommen resultierte ein Invaliditätsgrad von 16 %.
b) Das kantonale Gericht beanstandete die Ermittlung des Invaliditätsgrades in zweierlei Hinsicht. Einerseits sei die IV-Stelle mit Blick auf die revisionsrechtlichen Grundsätze über den massgeblichen Vergleichszeitraum (vgl. Erw. 1 in fine) für die Ermittlung der Vergleichseinkommen zu Unrecht nicht von den entsprechenden Werten im Februar 1988 ausgegangen. Diese seien auf das Jahr 1997 hochzurechnen und zu vergleichen. Andererseits ergäbe sich aus den Akten nicht schlüssig, wie die Verwaltung zur Feststellung komme, der Arbeitsanteil der Familie betrage insgesamt fünf Stunden pro Tag.
c) Aus der Rechtsprechung über den massgeblichen Vergleichszeitraum für die Anpassung von Renten (BGE 112 V 372 Erw. 2b und 390 Erw. 1b, 109 V 265 Erw. 4a) lässt sich entgegen der Auffassung der Vorinstanz nicht schliessen, wie die hypothetischen Erwerbseinkommen revisionsweise zu ermitteln sind. Selbst wenn wie vorliegend im Revisionsverfahren an der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs festgehalten wird, lässt sich daraus namentlich nicht ableiten, dass auf die Einkommensverhältnisse bei Erlass der ursprünglichen Rentenverfügung oder einer Revisionsverfügung, welche eine Aenderung der laufenden Rente brachte, abzustellen ist und diese Zahlen hochzurechnen sind. Es sind vielmehr die beiden hypothetischen Erwerbseinkommen ziffernmässig möglichst genau zu ermitteln und in Relation zu stellen (BGE 104 V 136 Erw. 2b). Beim Valideneinkommen gilt es demnach, ausgehend vom Einkommen, welches vor Eintritt der Invalidität erzielt wurde, festzustellen, wieviel der Versicherte ohne invalidisierenden Gesundheitsschaden nunmehr verdienen würde. Hinsichtlich des Invalideneinkommens ist mit Blick auf Art. 41 IVG zu prüfen, ob sich dieses seit der revisionsrechtlich massgeblichen Verfügung in einer für den Anspruch erheblichen Weise geändert hat. Die IV-Stelle hat diesen Grundsätzen vorliegend Rechnung getragen (vgl. Erw. 4a hievor), weshalb ihre Verwaltungsgerichtsbeschwerde insoweit begründet ist.
Für die Ausscheidung der Einkommensanteile, welche auf der Mitarbeit der Familienglieder beruhen, geht die Verwaltung zu Recht von der landwirtschaftlichen Expertise vom 14. April 1988 aus. Diese weist für die Zeit vor dem Unfallereignis (vom 27. Februar 1986) einen Aufwand zur Bewirtschaftung des Hofes (inkl. Nebenerwerb) von jährlich 3153 Arbeitsstunden aus. Nimmt man einen um 40 % reduzierten Betriebsaufwand an (um 44 % verminderte Betriebsgrösse, Reduktion des Viehbestandes), resultieren rund 1890 Stunden. Bei einem um 20 % kleineren Aufwand ergeben sich 2520 Stunden. Wenn die Verwaltung letztinstanzlich darlegt, mit der Anerkennung von fünf Stunden Fremdhilfe pro Tag (1800 Stunden pro Jahr) sei den aktuellen Verhältnissen in eher grosszügiger Weise Rechnung getragen worden, ist dem daher vollumfänglich beizupflichten. Dies um so mehr, als die Zeitersparnis wegen der behinderungsbedingt nicht mehr ausgeübten Nebenerwerbstätigkeiten bei der Ermittlung des aktuellen Betriebsaufwandes unberücksichtigt blieb.
Soweit schliesslich der Beschwerdegegner einwendet, die von der Verwaltung vorgenommene Aufrechnung des täglichen Aufwandes von 8.75 auf 11 Arbeitsstunden, wirke sich entgegen deren Auffassung zu seinen Ungunsten aus, ist ihm beizupflichten. Ins Gewicht fällt dabei, dass die von der Familie geleistete Mitarbeit bei kleinerem täglichen Gesamtaufwand stärker zum Tragen kommt und sich das Invalideneinkommen im Verhältnis zum Valideneinkommen stärker reduziert. Stellt man auf einen täglichen Aufwand von 8.75 Stunden ab, resultiert bei ansonsten gleich bleibenden Berechnungsgrössen indes ebenfalls ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von rund 32 % (Invalideneinkommen: Fr. 9340.-; Valideneinkommen: Fr. 13'835.-).
Nach dem Gesagten ist die am 18. September 1997 verfügte Rentenaufhebung auf den 31. Oktober 1997 im Ergebnis zu Recht erfolgt.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
der Entscheid des Verwaltungsgerichts des Kantons
Luzern vom 13. April 1999 aufgehoben.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsge-
richt des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrecht-
liche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons
Luzern und dem Bundesamt für Sozialversicherung zuge-
stellt.
Luzern, 14. Februar 2000
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: