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Original
 
[AZA 0]
6S.723/1996/bue
KASSATIONSHOF
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Sitzung vom 7. April 2000
Es wirken mit: Bundesgerichtspräsident Schubarth, Präsident des Kassationshofes, Bundesrichter Wiprächtiger, Kolly und Gerichtsschreiber Briw.
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In Sachen
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Lorenz Erni, Ankerstrasse 61, Zürich,
gegen
StaatsanwaltschaftdesKantons Zürich,
betreffend
Bestechen (Art. 288 StGB)(Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich [I. Strafkammer] vom 28. Juni 1996 [S1/U/SB950740/jv]), hat sich ergeben:
A.- In einer Nachtragsanklage vom 17. November 1994 war X.________ vorgeworfen worden, A.________ in den Jahren 1987 bis 1991 durch fünf verdeckt eigenfinanzierte Rückzahlungen von je Fr. 50'000. -- einen Schulderlass von Fr. 250'000. -- auf ein B.________ am 25. Mai 1984 gegebenes und von A.________ übernommenes Darlehen gewährt zu haben.
Relevant ist einzig noch ein Schulderlass vom 8. Mai 1991: X.________ habe bei der Zürcher Kantonalbank (Zweigstelle Wipkingen) einen Privatbezug von Fr. 50'000. -- tätigen (um 10.07 Uhr) und den ausbezahlten Barbetrag anschliessend (zwischen 10.00 und 11.00 Uhr) auf dem Postamt Wipkingen zu Gunsten des Darlehens B.________/A. ________ einzahlen lassen, und zwar mit B.________ als aufgeführter Einzahlerin. X.________ habe diesen Vorteil A.________ in der Absicht gewährt, diesen allgemein für die Zukunft zu einer ihm günstigen Behandlung von Bewilligungsgesuchen zu veranlassen und ihn damit in seinen Amtshandlungen zu beeinflussen (Urteil des Obergerichts S. 16).
B.- Das Bezirksgericht Zürich (I. Abteilung) sprach X.________ am 21. August 1995 schuldig des Bestechens im Sinne von Art. 288 StGB (hinsichtlich der Zuwendung vom 8. Mai 1991) sowie des Steuerbetrugs im Sinne von § 192 des Steuergesetzes. Es sprach ihn von verschiedenen Vorwürfen frei. Es bestrafte ihn mit 9 Monaten Gefängnis und mit einer Busse von Fr. 40'000. --, unter Aufschub des Vollzugs der Freiheitsstrafe bei einer Probezeit von 2 Jahren.
Das Obergericht des Kantons Zürich bestätigte am 28. Juni 1996 das Urteil des Bezirksgerichts.
C.- X.________ erhob kantonale und eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerden. Die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde ist zurzeit beim Kassationsgericht des Kantons Zürich noch hängig.
Er beantragt in der eidgenössischen Nichtigkeitsbeschwerde, das Urteil des Obergerichts (den
Schuldspruch wegen Bestechens) aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung (Freisprechung) an die Vorinstanz zurückzuweisen.
D.- Das Obergericht des Kantons Zürich verzichtete auf eine Stellungnahme. Die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich verzichtete auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Ist gegen den angefochtenen Entscheid bei der zuständigen kantonalen Behörde ein Kassationsbegehren wegen Verletzung kantonalen Rechts oder ein Revisionsbegehren anhängig, so wird bis zur Erledigung der Sache vor der kantonalen Behörde die Entscheidung des Kassationshofes ausgesetzt (Art. 275 Abs. 1 BStP).
In gleicher Weise wird die Entscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde in der Regel bis zur Erledigung der staatsrechtlichen Beschwerde ausgesetzt (Art. 275 Abs. 5 BStP). Denn es wäre verfahrensrechtlich unlogisch und prozessökonomisch nicht sinnvoll, auf Nichtigkeitsbeschwerde hin die Anwendung von Bundesrecht aufgrund eines Sachverhalts (Art. 277bis Abs. 1 BStP) zu beurteilen, der im Falle der Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde eine Änderung erfahren kann. Von dieser Regel kann jedoch abgewichen werden, insbesondere dann, wenn sich das Verfahren durch die vorgängige Behandlung der Nichtigkeitsbeschwerde vereinfacht oder gegebenenfalls durch die Beurteilung der Nichtigkeitsbeschwerde die staatsrechtliche Beschwerde gegenstandslos wird. Doch muss selbst die Aufhebung des angefochtenen Urteils im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde nicht notwendig zur Gegenstandslosigkeit der Nichtigkeitsbeschwerde führen (vgl. BGE 117 IV 401 E. 2).
Nach dem Wortlaut von Art. 275 Abs. 1 BStP wäre hingegen ausnahmslos der Entscheid eines kantonalen Kassationsgerichts abzuwarten. Das Gesetz geht dabei offensichtlich davon aus, dass das kantonale Beschwerdeverfahren innert angemessener Frist abgeschlossen wird. Im vorliegenden Fall sind nunmehr seit dem Urteil des Obergerichts vom 28. Juni 1996 rund 3 3/4 Jahre vergangen (seit dem Versand des ausgefertigten Urteils am 30. August 1996 mehr als 3 1/2 Jahre). In dieser Situation überwiegt die Verpflichtung des Kassationshofs, in Beachtung der allgemeinen Verfahrensgarantien, insbesondere des Anspruchs auf Beurteilung innert angemessener Frist (Art. 29 Abs. 1 BV; Art. 6 Ziff. 1 EMRK), die Nichtigkeitsbeschwerde soweit möglich zu beurteilen, obwohl die Sache von der kantonalen Behörde noch nicht erledigt ist. Diese Möglichkeit ist hier zu bejahen. Aufgrund der tatsächlichen Feststellungen des Obergerichts können die in der Nichtigkeitsbeschwerde aufgeworfenen Rechtsfragen ohne weiteres beurteilt werden. Sollte jedoch der vorliegend massgebliche Sachverhalt wegen Gutheissung der kantonalen Nichtigkeitsbeschwerde Änderungen erfahren und zu einer Neubeurteilung durch das Obergericht des Kantons Zürich führen, wäre dessen Neubeurteilung erneut mit eidgenössischer Nichtigkeitsbeschwerde anfechtbar, soweit sich daraus eine veränderte bundesrechtliche Fragestellung ergibt.
2.- Des Bestechens im Sinne von Art. 288 StGB macht sich unter anderem schuldig, wer einem Beamten ein Geschenk oder einen Vorteil anbietet, verspricht, gibt oder zukommen lässt, damit er seine Amts- oder Dienstpflicht verletze.
a) Art. 288 StGB setzt voraus, dass die Zuwendung erfolgt, um den Beamten zur Verletzung einer Amts- oder Dienstpflicht zu veranlassen. Es genügt, dass der Bestechende im Sinne des dolus eventualis annimmt, der Beamte rechne möglicherweise mit dem Vorteil und lasse sich allenfalls dadurch beeinflussen. Erfolg muss er mit seinem Vorhaben beim Beamten nicht haben, weil Art. 288 StGB die Reaktion des Beamten auf das Ansinnen des Täters nicht erfasst (BGE 100 IV 56 E. 2a). Die aktive
Bestechung (Art. 288 StGB) setzt nicht die passive Bestechung voraus.
Die vom Bestechenden angestrebte Pflichtverletzung muss nicht durch eine Amtshandlung erfolgen (BGE 72 IV 179 E. 2 S. 183); es genügt, dass der Vorteil den Beamten überhaupt zu einer Verletzung der Amtspflicht veranlassen soll (BGE 77 IV 39 E. 2 S. 49; vgl. Rehberg, Strafrecht IV, 2. Auflage, Zürich 1996, S. 291). Die Beeinflussung braucht auch nicht hinsichtlich einer bestimmten einzelnen Amtshandlung zu erfolgen; es reicht die Absicht aus, den Beamten allgemein für die Zukunft zu einer dem Versprechenden günstigen Geschäftserledigung zu veranlassen (BGE 71 IV 139 E. 3 S. 147 betr. Art. 316 StGB). Dabei muss zwischen der Vorteilsgewährung und dem zukünftigen Verhalten des Beamten ein genügender Zusammenhang bestehen (BGE 118 IV 309 E. 2a), ein gewissermassen rechtsgeschäftlicher Zusammenhang zwischen Amtshandlung und Vorteil (Daniel Jositsch, Der Tatbestand des Anfütterns im Korruptionsstrafrecht, ZStrR 118/2000 S. 53, 55). Die Gegenleistung muss bestimmbar sein (Pieth, Die Bestechung schweizerischer und ausländischer Beamter, FS Rehberg, Zürich 1996, S. 243; Trechsel, Schweizerisches Strafgesetzbuch, 2. Auflage, Zürich 1997, Art. 288 N 5a). Als verbotenes Verhalten können auch eine verzögernde (Marco Balmelli, Die Bestechungstatbestände des schweizerischen Strafgesetzbuches, Basler Diss. 1996, Bern 1996, S. 194; Rolf Kaiser, Die Bestechung von Beamten unter Berücksichtigung des Vorentwurfs zur Revision des Schweizerischen Korruptionsstrafrechts, Zürcher Diss. 1998, Zürich 1999, S. 226) oder dilatorische Behandlung oder das Unterlassen einer Amtshandlung in Betracht fallen (Rudolf Gerber, Zur Annahme von Geschenken durch Beamte des Bundes, ZStrR 96/1979 S. 243, 251). Hingegen sind nach geltendem Recht Sachverhalte wie das blosse "Anfüttern" oder die reine "Klimapflege" nicht strafbar (vgl. Botschaft über die Änderung des Schweizerischen Strafgesetzbuches und des Militärstrafgesetzes [Revision des Korruptionsstrafrechts] sowie über den Beitritt der Schweiz zum Übereinkommen über die Bekämpfung der Bestechung ausländischer Amtsträger im internationalen Geschäftsverkehr vom 19. April 1999, BBl 1999 VI 5497, S. 5509).
b) Der Beschwerdeführer macht geltend, A.________ habe keine Amtspflicht verletzt. Die Feststellung dieser kantonalrechtlichen Amtspflicht ist als Frage des kantonalen Rechts der Prüfung des Bundesgerichts im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde entzogen (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP; BGE 117 IV 14 E. 4b; 94 IV 68 E. 1). Frage des Bundesrechts bildet, ob die festgestellte kantonalrechtliche Amtspflicht unter den bundesrechtlichen Begriff der "Amts- oder Dienstpflicht" im Sinne von Art. 288 StGB fällt. Das ist hier der Fall, so dass hierauf nicht weiter einzutreten ist.
c) Nach dem Anklagesachverhalt veranstaltete der Beschwerdeführer die sogenannte verdeckt eigenfinanzierte "Darlehensrückzahlung" vom 8. Mai 1991 in der Absicht, A.________ allgemein zu einer günstigen Behandlung der Bewilligungsgesuche zu veranlassen und ihn damit in seinen Amtshandlungen zu beeinflussen (oben Bst. A). Die Vorinstanz kommt zum Ergebnis, der eingeklagte Sachverhalt sei bezüglich der Zuwendung vom 8. Mai 1991 in der Höhe von Fr. 50'000. -- erstellt und der Konnex zwischen dieser Zuwendung und der Amtspflichtverletzung von A.________ im Verfahren Z.________ sei gegeben (angefochtenes Urteil S. 27). Die Vorinstanz bejaht somit aufgrund des tatsächlichen Konnexes den Kausalzusammenhang (vgl. BGE 77 IV 39 E. 2 S. 50) und qualifiziert den ganzen Vorgang zu Recht als Vorteilsgewährung im Sinne von Art. 288 StGB.
In subjektiver Hinsicht sieht es die Vorinstanz im Sinne des Anklagesachverhalts als erwiesen, dass der Beschwerdeführer den finanziellen Vorteil vom 8. Mai 1991 in der Absicht gewährte, A.________ allgemein zu einer günstigen Behandlung der Bewilligungsgesuche zu veranlassen und ihn damit in seinen Amtshandlungen zu beeinflussen (vgl. angefochtenes Urteil S. 20 f., 27). Das Bezirksgericht, auf dessen Urteil die Vorinstanz verweist, führte aus, es stehe aufgrund der konkreten Umstände mit rechtsgenügender Sicherheit fest, dass der Beschwerdeführer A.________ den unmittelbar vor der eigenfinanzierten Darlehensrückzahlung vom 8. Mai 1991 gewährten Schulderlass vor Fr. 50'000. -- auch in der Erwartung gewährt habe, A.________ würde amtspflichtwidrig von der Einleitung des Widerrufsverfahrens hinsichtlich der Betriebsbewilligung absehen (Urteil des Bezirksgerichts S. 134). Es ging dem Beschwerdeführer darum, A.________ in seinen Amtshandlungen zu beeinflussen, um jahrelang einen Betrieb mit Alkoholausschank führen zu können, obwohl dafür die Voraussetzungen nicht gegeben waren, wie der Beschwerdeführer bereits vor der Eröffnung wusste. Dabei muss der Täter um die Amtsträgereigenschaft des Bestochenen und um die Pflichtwidrigkeit des angesonnenen Verhaltens wissen und mindestens in Kauf nehmen, den Amtsträger mit der Zuwendung beeinflussen zu können (Kaiser, a.a.O., S. 259; vgl. Marco Borghi/Nicolas Queloz, Lücken und beschränkte Wirksamkeit des schweizerischen Rechts gegenüber Korruption: die Voraussetzungen für eine interdisziplinäre Untersuchung, recht 1997 S. 16, 21). Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Die Vorinstanz bejaht deshalb einen Bestechungsvorsatz im Sinne der Anklage zu Recht.
3.- Der Schuldspruch verletzt kein Bundesrecht. Die Nichtigkeitsbeschwerde ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Der Beschwerdeführer trägt die Kosten (Art. 278 BStP).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000. -- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Obergericht (I. Strafkammer) sowie dem Kassationsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 7. April 2000
Im Namen des Kassationshofes
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Der Gerichtsschreiber: