[AZA]
I 30/00 Ge
II. Kammer
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari;
Gerichtsschreiber Fessler
Urteil vom 19. April 2000
in Sachen
F.________, Beschwerdeführer, vertreten durch lic. iur.
K.________,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, Zürich, Beschwerdegegnerin,
und
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
A.- Der 1957 geborene F.________ war nach verschiedenen Anstellungen u.a. als Operator in einer Firma der Microprozessoren-Elektronik (März 1988 bis März 1992) ab August 1992 als Mitarbeiter in der Abteilung Rollenoffset der Druckerei X.________ AG tätig. Nach dem Verlust dieser Stelle Ende Juli 1996 war er arbeitslos und bezog ab 16.
September 1996 Taggelder. Wegen eines seit Geburt bestehenden Augenleidens (Marfan-Syndrom) wurde er im Januar und August 1996 operativ behandelt (Cerclage wegen einer amotio retinae und Abriegelung eines Netzhautrisses).
Im März 1997 ersuchte F.________ die Invalidenversicherung um berufliche Massnahmen (Berufsberatung, Umschulung) und eine Rente. Im Abklärungsverfahren äusserte er u.a. den Wunsch, zum PC-Supporter umgeschult zu werden. Mit Vorbescheid vom 16. Januar 1998 teilte die IV-Stelle des Kantons Zürich mit, das Leistungsbegehren müsse abgelehnt werden. Damit war F.________ nicht einverstanden und beantragte die nochmalige Überprüfung der Anspruchsberechtigung.
Überdies ersuchte seine damalige Rechtsvertreterin um Zustellung der Akten zur Einsichtnahme und um angemessene Erstreckung der Frist zur Stellungnahme. Ohne dieses und ein zweites gleich lautendes Gesuch beantwortet zu haben, erliess die IV-Stelle am 14. Mai 1998 eine Verfügung, womit sie den Anspruch auf Umschulung zum PC-Supporter und auf eine Invalidenrente ablehnte.
Am 28. Mai 1998 kam die Verwaltung dem Akteneditionsbegehren nach.
B.- F.________ liess Beschwerde erheben und beantragen, die Verfügung vom 14. Mai 1998 sei aus formellen und materiellen Gründen (Verweigerung der Akteneinsicht, ungenügende Abklärungen in medizinischer und beruflicher Hinsicht) aufzuheben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Verwaltung zurückzuweisen.
Nach Einholung der Vernehmlassung der IV-Stelle und nach Durchführung eines zweiten Schriftenwechsels wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich die Beschwerde mit Entscheid vom 15. November 1999 ab.
C.- F.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung von Entscheid und Verfügung sei die Sache "zur eingehenden Abklärung in beruflicher Hinsicht (...) und zum abschliessenden neuen Entscheid über den Rentenanspruch" an die Verwaltung zurückzuweisen.
Die IV-Stelle beantragt die Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird wie schon im kantonalen Verfahren eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör durch die IV-Stelle gerügt. Die Verwaltung habe "ohne nachvollziehbaren Grund" die Erhebung von Einwendungen gegen die im Vorbescheid vom 16. Januar 1998 in Aussicht gestellte Ablehnung des Leistungsbegehrens "verweigert", indem sie die von der damaligen Rechtsvertreterin des Beschwerdeführers beantragte Einsichtnahme in die Akten und eine angemessene Erstreckung der Frist zur Stellungnahme nicht gewährt habe.
Nach Auffassung der Vorinstanz stellen die beanstandeten verfahrensrechtlichen Versäumnisse zwar einen Verstoss gegen die auch im Abklärungsverfahren der kantonalen IV-Stellen sinngemäss geltende Beweisvorschrift des Art. 38 BZP dar, wonach den Betroffenen Gelegenheit zu geben ist, in die vorgelegten Urkunden Einsicht zu nehmen. Der Mangel könne indessen als im Rahmen des Beschwerdeverfahrens geheilt gelten, nachdem dem Versicherten noch vor Ablauf der Beschwerdefrist Einblick in die Akten gewährt worden sei und der Beschwerdeinstanz volle Kognition zustehe, weshalb ihm "keine erkennbaren, nicht wieder gutzumachenden Nachteile erwachsen sind".
Das Bundesgesetz über das Verwaltungsverfahren (VwVG) und der darin enthaltene Verweis auf die Vorschriften des Bundesgesetzes über den Bundeszivilprozess (BZP; vgl. Art. 19 VwVG) ist entgegen dem kantonalen Gericht im Verfahren vor den kantonalen IV-Stellen nicht anwendbar (BGE 125 V 401).
2.- Die integrale Verweigerung der Akteneinsichtnahme im Vorbescheidverfahren stellt eine schwere Form der Verletzung des verfassungsrechtlichen Anspruchs auf rechtliches Gehör dar. Denn ohne Kenntnis der tatsächlichen Entscheidungsgrundlagen ist eine gehörige Stellungnahme zur vorgesehenen Erledigung des Verwaltungsverfahrens nicht möglich (vgl. BGE 115 V 302 Erw. 2e). Art. 73bis Abs. 1 IVV hält denn auch ausdrücklich fest, dass die IV-Stelle, bevor sie über die Ablehnung eines Leistungsbegehrens oder über den Entzug oder die Herabsetzung einer bisherigen Leistung beschliesst, dem Versicherten oder seinem Vertreter Gelegenheit zu geben hat, sich mündlich oder schriftlich zur geplanten Erledigung zu äussern und die Akten seines Falles einzusehen. Daher kann entgegen dem kantonalen Gericht für die allfällige Heilung des festgestellten Verfahrensmangels (als eine Frage des Bundessozialversicherungsrechts) nicht genügen, dass es als Beschwerdeinstanz nach Art. 85 Abs. 2 lit. c und d AHVG in Verbindung mit Art. 69 IVG volle Kognition hat (vgl. auch Art. 128 und Art. 98a Abs. 3 OG sowie Art. 132 OG). Ebenso lässt der Umstand, dass die Akten zwar erst nach Verfügungserlass, aber noch vor Ablauf der Beschwerdefrist der damaligen Rechtsvertreterin des Versicherten zur Einsichtnahme zugestellt wurden, die unbestrittene Gehörsverletzung in einem milderen Licht erscheinen, zumal die Verwaltung nicht damit rechnen durfte, dieser werde auf die Einlegung eines Rechtsmittels verzichten.
3.- Eine Heilung der Verletzung des Akteneinsichtsrechts (im Rahmen des Vorbescheidverfahrens) ist nur möglich, und es kann von der Rückweisung der Sache zur Gewährung des rechtlichen Gehörs an die Verwaltung nur abgesehen werden, wenn und soweit dieses Vorgehen zu einem formalistischen Leerlauf und damit zu unnötigen Verzögerungen führen würde, die mit dem (der Anhörung gleichgestellten) Interesse des Versicherten an einer möglichst beförderlichen Beurteilung seines Anspruchs nicht zu vereinbaren sind (BGE 116 V 187 Erw. 3d mit Hinweis).
a) Unter diesem verfahrensökonomischen Gesichtspunkt ist vorliegend zu differenzieren. In Bezug auf die Invalidenrente ist der Sachverhalt genügend abgeklärt, dessen Würdigung durch das kantonale Gericht richtig, und die darauf beruhende Ermittlung des Invaliditätsgrades entspricht Gesetz (Art. 28 Abs. 2 IVG) und Rechtsprechung (statt vieler BGE 104 V 136 f. Erw. 2b). Da die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, insbesondere das neu aufgelegte ärztliche Zeugnis des Universitätsspitals Zürich, Dept. für Innere Medizin, Abteilung Kardiologie, vom 11. Januar 2000, keine Zweifel an der vorinstanzlichen Invaliditätsbemessung zu erwecken vermögen, käme insoweit die Rückweisung der Sache zur Gewährung des Akteneinsichtsrechts einem blossen Formalismus gleich, weshalb davon abzusehen ist. Vielmehr ist unter Verweisung auf die schlüssigen Darlegungen im angefochtenen Entscheid mit dem kantonalen Gericht abschliessend festzustellen, dass aufgrund einer Invalidität von lediglich rund 33 % bei Verfügungserlass am 14. Mai 1998, bis zu welchem Zeitpunkt sich die Prüfung erstreckt (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen), kein Rentenanspruch entstanden ist.
b) Anders hingegen verhält es sich hinsichtlich der abgelehnten Umschulung zum PC-Supporter. Hier erscheint der rechtserhebliche Sachverhalt sowohl unter dem Gesichtspunkt der Eingliederungsfähigkeit (dazu AHI 1997 S. 172 Erw. 3a und ZAK 1963 S. 37 Erw. 2) als auch der Eingliederungswirksamkeit (BGE 122 V 214 f. Erw. 2c in Verbindung mit 79 f.
Erw. 3b/bb und cc), welche beiden Anspruchsvoraussetzungen die Vorinstanz im Wesentlichen mangels genügender Deutsch- und fundierter Englischkenntnisse verneint hat, als nicht hinreichend abgeklärt. Die Berufsberatung der IV-Stelle hat sich zwar in ihrem Bericht vom 12. Januar 1997 gegen eine Umschulung zum PC-Supporter ausgesprochen, da ein solcher Lehrgang ein zu hohes Niveau wäre und auch wegen den mangelnden Deutschkenntnissen nicht möglich sei. Dagegen wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit Recht eingewendet, dass der Beschwerdeführer im Zeitraum 1988 bis 1992 als Operator in einer im Bereich Microprozessoren-Elektronik tätigen Unternehmen gearbeitet hatte. Des Weitern wird ihm von der Firma P.________ SA, wo er seit 1. Oktober 1998 teilzeitlich tätig ist, ein sehr gutes handwerkliches Geschick sowie technisches und elektronisches Verständnis attestiert, weshalb ihm die Verantwortung für die Sandwichverpackungs- und Etikettiermaschinen anvertraut worden sei (Bestätigungsschreiben vom 12. Januar 2000).
Diese Tätigkeit umfasst, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde näher ausgeführt wird, u.a. auch die selbständige Computer-Einstellung der Maschinen, deren Programmierung sowie das Eingreifen bei technischen Problemen.
Auch wenn es sich dabei um den Zeitraum nach Verfügungserlass betreffende Umstände handelt, zeigen sie doch, dass der Beschwerdeführer, wie er schon im kantonalen Verfahren unter Hinweis auf seine Tätigkeit als Operator geltend gemacht hatte, neben autodidaktisch angeeignetem Wissen im Informatik-Bereich auch über verwertbare praktische Erfahrungen auf diesem Gebiet verfügt, was wiederum die angeblich mangelhaften Sprachkenntnisse als Ablehnungsgrund relativiert. In diesem Zusammenhang wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geltend gemacht, dass (auch) die Veranstalterin des Lehrganges zum PC-Supporter, die Pro Didacta, mündlich bestätigt habe, dass die sprachlichen Fähigkeiten beim Versicherten für das erfolgreiche Bestehen des Kurses genügten. Im Übrigen kann die Tatsache, dass seine Muttersprache Italienisch ist, durchaus auch einen Vorteil darstellen, insbesondere wenn es um die Frage der Anstellungschancen bei einer erfolgreichen Absolvierung der von ihm gewünschten Umschulung zum PC-Supporter oder allenfalls einer anderen geeigneten Massnahme beruflicher Art geht. Soweit schliesslich die Vorinstanz mit der Begründung, bei der sehr stark fortgeschrittenen Computerisierung würden an eine Person, die in diesem Bereich als Berater oder Entwickler tätig werden und mit dieser Tätigkeit ein genügendes Einkommen erzielen möchte, realistischerweise hohe Anforderungen auch hinsichtlich der englischen Sprache gestellt, erscheint fraglich, ob ein PC-Supporter lediglich in solchen Funktionen tätig ist. Diese Annahme lässt sich jedenfalls aus der in diesem Verfahren aufgelegten Broschüre 03/98 der Genossenschaft SIZ (Schweizerisches Informatik-Zertifikat), die in Zusammenarbeit mit Wirtschafts- und Informatikfachverbänden die einschlägigen Ausbildungsrichtlinien erarbeitet hat, nicht entnehmen. Vielmehr gehören zum Berufsbild eines PC-Supporters SIZ auch Tätigkeiten wie die Installation von Hard- und Software, deren Ausbau und benutzergerechte Konfiguration, das Erkennen von Störungen und deren Behebung, was neben technischem Verständnis auch manuelles Geschick und handwerkliche Fähigkeiten erfordert, wie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde vorgebracht wird.
Im Sinne der vorstehenden Ausführungen wird die IV-Stelle weitere Abklärungen zur Frage der Umschulung zum PC-Supporter vorzunehmen und je nach Ergebnis allenfalls andere Möglichkeiten der Umschulung zu prüfen haben.
4.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG).
Dem Prozessausgang entsprechend hat der Beschwerdeführer Anspruch auf eine reduzierte Parteientschädigung (Art. 159 Abs. 1 und 3 in Verbindung mit Art. 135 OG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne
teilweise gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 15. November
1999 und die Verfügung vom 14. Mai 1998, soweit
die Umschulung zum PC-Supporter betreffend, aufgehoben
werden und die Sache an die IV-Stelle des Kantons Zürich
zurückgewiesen, damit sie im Sinne der Erwägungen
verfahre und über den Anspruch auf Massnahmen beruflicher
Art, insbesondere Umschulung zum PC-Supporter
neu befinde. Im Rentenpunkt wird die Verwaltungsgerichtsbeschwerde
abgewiesen.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von
Fr. 1400.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
IV. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird über eine Parteientschädigung für das kantonale Verfahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen
Prozesses zu befinden haben.
V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 19. April 2000
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: