BGer 2P.18/2000 |
BGer 2P.18/2000 vom 25.04.2000 |
[AZA 0]
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2P.18/2000/bol
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II. ÖFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG **********************************
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25. April 2000
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Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
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II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
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Betschart, Ersatzrichter Zünd und Gerichtsschreiberin Marantelli.
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In Sachen
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M.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Advokat Stefan Hofer, Spalenberg 20, Basel,
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gegen
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Ausgleichskasse Basel-Landschaft, Versicherungsgericht des Kantons B a s e l - L a n d -s c h a f t,
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betreffend
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Art. 4 aBV und Art. 2 UebBest. aBV(individuelle Prämienverbilligung bei der Krankenversicherung), hat sich ergeben:
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A.- Mit Verfügung vom 27. Mai 1997 gewährte die Ausgleichskasse Basel-Landschaft M.________ als individuelle Prämienverbilligung bei der Krankenversicherung einen Betrag von je Fr. 502.-- für die Jahre 1996 und 1997 sowie von Fr. 168.-- für vier Monate des Jahres 1995 (1/3 des Betrages für 1996). Dabei wurden die Einkommensverhältnisse der Ehegatten M.________ des Jahres 1994 gemäss rechtskräftiger Staatssteuerveranlagung 1995/96 zu Grunde gelegt. Dass die Ehegatten seit dem 1. April 1995 getrennt leben, blieb unberücksichtigt.
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B.- Mit Urteil vom 30. November 1999 wies das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft eine gegen diese Verfügung gerichtete Beschwerde ab.
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C.- Mit Eingabe vom 24. Januar 2000 hat M.________ staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Er beantragt, das Urteil des Versicherungsgerichts aufzuheben.
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Für das bundesgerichtliche Verfahren ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung.
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Die Ausgleichskasse Basel-Landschaft und das kantonale Versicherungsgericht haben auf Vernehmlassung verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.- a) Die staatsrechtliche Beschwerde ist nur zulässig, wenn die behauptete Rechtsverletzung durch kein anderes bundesrechtliches Rechtsmittel gerügt werden kann (Art. 84 Abs. 2 OG). Das ist vorliegend der Fall. Der angefochtene Entscheid beruht nicht auf Bundesrecht, sondern auf kantonalem Recht. Wie das Bundesgericht entschieden hat, stellt das kantonale Recht, welches den in Art. 65 des Bundesgesetzes vom 18. März 1994 über die Krankenversicherung (KVG; SR 832. 10) enthaltenen Grundsatz der individuellen Prämienverbilligung konkretisiert, autonomes kantonales Recht dar, dessen Verletzung nicht mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde gerügt werden kann (BGE 124 V 19 E. 2a S. 20 f.).
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b) Der Beschwerdeführer stützt die mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 24. Januar 2000 erhobenen Rügen der Verletzung des Willkürverbots und der derogatorischen Kraft des Bundesrechts sowohl auf die alte wie auch auf die neue Bundesverfassung, die am 1. Januar 2000 in Kraft getreten ist. Da der angefochtene Entscheid am 30. November 1999 erging, bleiben die Bestimmungen der alten Bundesverfassung massgebend.
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2.- a) Gemäss Art. 65 KVG gewähren die Kantone den Versicherten in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen Prämienverbilligungen. In der Ausgestaltung der Prämienverbilligung besitzen sie nach dem Willen des Bundesgesetzgebers weitgehende Autonomie: Die Kantone sollen die Prämienverbilligung in eigener Kompetenz und Verantwortung durchführen können (Kreis der Begünstigten, Verfahren, Auszahlungsmodus usw.); sie sind dabei nicht verpflichtet, die Anspruchsberechtigung in einem eigenständigen Verfahren abzuklären, sondern können etwa an das Ergebnis des steuerrechtlichen Veranlagungsverfahrens anknüpfen (vgl. Art. 58 Abs. 1 und 3 des Entwurfs des Bundesrates zum Krankenversicherungsgesetz, BBl 1992 I 277 f.; BGE 122 I 343 E. 3f und 3g S. 346 ff.).
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b) Der Regierungsrat des Kantons Basel-Landschaft hat mit der Verordnung vom 3. Oktober 1995 über die provisorische Regelung der Prämienverbilligung in der Krankenversicherung 1995, 1996 und 1997 von der Ermächtigung in Art. 97 Abs. 2 KVG Gebrauch gemacht, eine provisorische Regelung zu treffen, wenn die Ausführungsbestimmungen zum Bundesgesetz nicht bis zu dessen Inkrafttreten am 1. Januar 1996 erlassen werden können. Ebenfalls mit Datum vom 3. Oktober 1995 hat der Regierungsrat eine Verordnung über den Vollzug der Prämienverbilligung in der Krankenversicherung (Verordnung I zur Prämienverbilligung) erlassen. § 5 Abs. 1 der Verordnung I zur Prämienverbilligung bestimmt, dass der Anspruch ausschliesslich auf Grund rechtskräftiger Steuerdaten ermittelt wird. Massgebend ist nach § 6 Abs. 1 das Einkommen des geraden Jahres einer 2-jährigen Veranlagungsperiode (Einkommen 1994 ist massgebend für die Prämienverbilligung in der Berechtigungsperiode 1996/1997 usw.). § 10 legt weiter fest, dass als relevante Mutationen nur der Tod einer anspruchsberechtigten Einzelperson sowie die Aufgabe des Wohnsitzes und Aufenthaltes im Kanton gelten (Abs. 1); andere Mutationen wie Geburten oder Scheidung sowie Mutationen der massgebenden Steuerdaten infolge Zwischentaxationen werden dagegen nicht berücksichtigt, auch wenn diese Mutationen nachträglich einen Anspruch begründen, erhöhen oder vermindern würden (Abs. 2). Schliesslich ist festgelegt, dass bei Trennung oder Scheidung die Vergütung gesplittet werden kann (§ 13), ein eigener Anspruch auf Prämienverbilligung durch Trennung oder Scheidung in der Berechtigungsperiode aber nicht begründet wird (§ 17 Abs. 2).
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c) aa) Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, das kantonale Recht sei in seinem Fall willkürlich und damit verfassungswidrig angewendet worden, vielmehr verstösst nach seiner Auffassung die vom Regierungsrat getroffene Regelung selber gegen das Willkürverbot und den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts, weil sie die Berücksichtigung einer steuerlichen Zwischenveranlagung ausschliesse und im Ergebnis nicht gewährleiste, dass die Prämienverbilligung Personen in bescheidenen wirtschaftlichen Verhältnissen zugute komme.
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bb) Ein Erlass verstösst gegen das Willkürverbot, wenn er sich nicht auf ernsthafte sachliche Gründe stützen lässt oder sinn- und zwecklos ist (BGE 123 II 16 E. 6a S. 26; 122 I 18 E. 2b/cc S. 25; 116 Ia 81 E. 6b S. 83). Das System der Prämienverbilligung, wie es auf Grund der vom Regierungsrat erlassenen Verordnungen gehandhabt wird, stellt ausschliesslich auf rechtskräftige Steuerdaten ab, wobei das Einkommen des geraden Jahres einer 2-jährigen Veranlagungsperiode massgebend ist, für die Berechtigungsperiode 1996/97 mithin das Einkommen 1994; allfällige Zwischenveranlagungen bleiben unberücksichtigt. Mit dieser Regelung wollte der Regierungsrat gewährleisten, dass die Ermittlung der Anspruchsberechtigung für die Prämienverbilligung auf möglichst einfache Weise erfolgt und mit möglichst geringem Aufwand verbunden ist. Da die Prämienverbilligung der Massenverwaltung zuzurechnen ist und im Einzelfall Beiträge in einer Höhe zugesprochen werden, für deren Ermittlung leicht höhere Administrationskosten entstehen könnten, wenn eine eigenständige Abklärung der Anspruchsberechtigung vorgenommen werden müsste, lässt sich nicht bestreiten, dass ernsthafte sachliche Gründe für die vom Regierungsrat getroffene schematische Regelung sprechen. Willkürlich ist diese Regelung damit nicht.
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cc) Der Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts (Art. 2 UebBest. BV) schliesst in Sachgebieten, welche die Bundesgesetzgebung abschliessend geregelt hat, eine Rechtsetzung durch die Kantone aus. In Sachgebieten, die das Bundesrecht - wie hier - nicht abschliessend ordnet, dürfen die Kantone nur solche Vorschriften erlassen, die nicht gegen den Sinn und Geist des Bundesrechts verstossen und dessen Zweck nicht beeinträchtigen oder vereiteln (BGE 125 II 56 E. 2b S. 58; 125 II 315 E. 2a S. 316 f.; 125 II 440 E. 2a S. 444).
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Es ist schon ausgeführt worden, dass den Kantonen weitgehende Autonomie bei der Ausgestaltung der Prämienverbilligung zusteht und es namentlich ihnen obliegt, den Kreis der Begünstigten festzulegen. Den Kantonen ist auch nicht verwehrt, an das Ergebnis des steuerrechtlichen Veranlagungsverfahrens anzuknüpfen. Mit dem in der Schweiz bis anhin vorherrschenden System der Praenumerandobesteuerung mit Vergangenheitsbemessung ist allerdings notwendigerweise verbunden, dass Steuerdaten Bemessungsgrundlage sind, welche nicht mehr die aktuellen wirtschaftlichen Verhältnisse der betroffenen Person widerspiegeln. Das ist hinzunehmen, ergäbe sich doch sonst, dass nicht auf rechtskräftige Steuerdaten abgestellt werden könnte, sondern ein eigenständiges Abklärungsverfahren erforderlich würde, was der Bundesgesetzgeber aber gerade nicht vorschreiben wollte.
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Der Beschwerdeführer macht geltend, dass steuerliche Zwischenveranlagungen berücksichtigt werden müssten.
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Es kann jedoch nicht übersehen werden, dass eine Zwischenveranlagung im Steuerrecht nicht schon dann vorgenommen wird, wenn sich die wirtschaftlichen Verhältnisse erheblich verändert haben, sondern nur, wenn gesetzlich bestimmte Zwischenveranlagungsgründe vorliegen. Den Kantonen vorzuschreiben, einer Zwischenveranlagung für die Prämienverbilligung Rechnung zu tragen, vermöchte daher nur in Einzelfällen zu gewährleisten, dass die Prämienverbilligung auf aktuellen wirtschaftlichen Verhältnissen beruht; im Regelfall blieben vergangene Faktoren massgebend, die ebenso sehr oder noch stärker von den aktuellen Faktoren abweichen können.
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dd) Der Beschwerdeführer beruft sich auf ein Urteil des Bundesgerichts vom 8. Oktober 1999 (2P. 118/1999). Der darin entschiedene Fall lag jedoch wesentlich anders als der vorliegende: Anders als hier waren dort nämlich nicht definitive, sondern je nach Fortgang der Bearbeitung des Steuerdossiers auch provisorische Steuerfaktoren für die Prämienverbilligung massgebend, wobei dem Beschwerdeführer verwehrt wurde, auf Grund der nachträglich erst ermittelten definitiven Faktoren die Prämienverbilligung überprüfen zu lassen.
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Das Bundesgericht erachtete es als verfassungswidrig, die Prämienverbilligung ohne jede Korrekturmöglichkeit auf provisorischer Grundlage zu ermitteln. Nach der hier massgebenden Regelung des Kantons Basel-Landschaft sind indessen definitive Steuerfaktoren massgebend, die bei der steuerlichen Vergangenheitsbemessung notwendigerweise die wirtschaftlichen Verhältnisse eines Bemessungsjahres widerspiegeln, das nicht mit der Berechtigungsperiode für die Prämienverbilligung identisch ist. Das verstösst weder gegen das Willkürverbot noch gegen den Grundsatz der derogatorischen Kraft des Bundesrechts.
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3.- Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich damit als unbegründet und ist abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist.
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Bei diesem Verfahrensausgang wird der Beschwerdeführer grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).
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Indessen hat er ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt (Art. 152 OG). Dieses Gesuch ist gutzuheissen, da die prozessuale Bedürftigkeit ausgewiesen ist und das Beschwerdebegehren nicht zum vornherein als aussichtslos erscheinen musste (BGE 124 I 304 E. 2a S. 306).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung wird gutgeheissen. Dem Beschwerdeführer wird für das bundesgerichtliche Verfahren Advokat Stefan Hofer als unentgeltlicher Rechtsvertreter beigegeben.
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3.- Es werden keine Kosten erhoben.
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4.- Dem Vertreter des Beschwerdeführers, Advokat Stefan Hofer, wird aus der Bundesgerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 1'600.-- ausgerichtet.
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5.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Ausgleichskasse Basel-Landschaft und dem Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 25. April 2000
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin:
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