BGer 4C.94/2000 |
BGer 4C.94/2000 vom 20.07.2000 |
[AZA 3]
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4C.94/2000/rnd
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I. ZIVILABTEILUNG
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20. Juli 2000
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Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter,
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Präsident, Leu, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler,
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Ersatzrichter Schwager und Gerichtsschreiberin Zähner.
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In Sachen
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Scherrer Immobilien AG, Hof, 8880 Walenstadt, Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Paul Schwizer, Ilgenstrasse 7, Postfach, 9201 Gossau,
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gegen
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1. Niéves Traber, Obere Heslibachstrasse 78,
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8700 Küsnacht,
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2. Peter Traber, Regensdorferstrasse 44b, 8049 Zürich, Beklagte und Berufungsbeklagte, beide vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Jakob Rhyner, St.Gallerstrasse 5, 9471 Buchs,
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betreffend
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Mäklervertrag, hat sich ergeben:
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A.- Am 7. Februar 1995 schloss Niéves Traber (Beklagte 1) mit der Scherrer Immobilien AG (Klägerin) einen als "Exklusiv-Vermittlungsauftrag" bezeichneten Mäklervertrag über den Nachweis eines Käufers für die Liegenschaft Hotel Schwanen in St. Gallen ab. Als Verkaufsrichtpreis wurde darin zunächst der Betrag von Fr. 2'900'000.-- festgelegt mit einem Mindestverkaufspreis von Fr. 2'750'000.-- zuzüglich Fr. 100'000.-- für das Inventar. Als Vermittlungsprovision wurden 3% des Verkaufspreises vereinbart. In der Folge schloss sich Peter Traber (Beklagter 2) diesem Mäklervertrag an.
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Mit öffentlich beurkundetem Kaufvertrag vom 30. Januar 1996 verkauften die Beklagten die Liegenschaft an Francesco Ventrici zum Preis von Fr. 2'400'000.--. Am 3. Oktober 1996 stellte die Klägerin der Beklagten 1 Rechnung für die Vermittlungsprovision von Fr. 72'000.-- sowie Fr. 944. 95 für Inseratekosten. Diese Forderung wurde seitens der Beklagten bestritten.
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B.- Am 27. Mai 1997 reichte die Scherrer Immobilien AG gegen Niéves und Peter Traber beim Bezirksgericht Sargans Klage für den Betrag von je Fr. 36'472. 50 nebst Zins ein.
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Mit Urteil vom 21. April 1998 hiess das Bezirksgericht die Klage vollumfänglich gut. Auf Berufung der Beklagten hin wies das Kantonsgericht St. Gallen mit Urteil vom 15. Dezember 1999 die Klage ab.
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C.- Gegen das Urteil des Kantonsgerichts vom 15. Dezember 1999 führt die Klägerin eidgenössische Berufung mit dem Antrag, das Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen.
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Die Beklagten schliessen auf Abweisung der Berufung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.- Der zwischen den Parteien am 7. Februar 1995 geschlossene Vertrag enthält u.a. die nachstehenden Bestimmungen:
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"4. Der Auftraggeber erteilt dem Auftragnehmer
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diesen Verkaufsvertrag exklusiv für die Dauer
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dieses Auftrages.
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5. Bei Verkauf der Liegenschaft während der
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Vertragsdauer an einen nicht durch den
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Auftragnehmer zugeführten Interessenten, hat der
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Beauftragte gegenüber dem Auftraggeber in jedem
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Falle Anspruch auf die volle Provision.. "
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Das Kantonsgericht hielt im angefochtenen Urteil fest, dass die in Ziff. 4 des Vertrages vom 7. Februar 1995 vereinbarte Exklusivität nur eine sogenannte einfache Exklusivklausel darstellt, bei welcher ein eigenes Tätigwerden des Auftraggebers vorbehalten blieb und auch keine Pflicht zur Verweisung von Interessenten an den Mäkler begründet wurde.
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Ziff. 5 des Vertrages enthält eine Wegbedingung des Kausalitätsnachweises.
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Diesen Verzicht auf den Nachweis, dass der Vertragsschluss (auch) auf Bemühungen des Mäklers zurückzuführen sei, beschränkte das Gericht auf den Fall der Zuführung eines Interessenten durch andere Mäkler oder durch Dritte, nicht betroffen sei jedoch der Fall des Vertragsschlusses aufgrund direkter Verhandlungen zwischen dem Auftraggeber und dem Interessenten. Aufgrund der durchgeführten Zeugeneinvernahmen und Parteibefragungen stellte das Kantonsgericht fest, dass die Klägerin keine Handlungen vorgenommen hatte, welche für den Erwerb der Liegenschaft durch Francesco Ventrici kausal gewesen wären.
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2.- In der Berufung rügt die Klägerin die vom Kantonsgericht vorgenommene Auslegung von Ziff. 5 des Vertrages. Nach ihrer Auffassung soll diese Vertragsbestimmung eine absolute Provisionsgarantie enthalten, welche auch beim Vertragsabschluss aufgrund eigener Bemühungen des Auftraggebers gelte.
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Soweit sich die gegenteilige Auslegung des Kantonsgerichts auf den natürlichen Konsens der Parteien beziehe, liege ein offensichtliches Versehen vor. Bezüglich des normativen Konsenses verstosse die Auslegung der kantonalen Instanz gegen die bundesrechtlichen Grundsätze der Vertragsauslegung.
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a) Was die Beteiligten beim Vertragsabschluss dachten und wollten, ist tatsächlicher Natur und wird deshalb vom kantonalen Sachgericht für das Bundesgericht verbindlich festgestellt (Art. 63 Abs. 2 OG). Wird eine Übereinstimmung des inneren Willens der Parteien festgestellt, so ist dieser tatsächliche (natürliche) Konsens massgebend und es braucht nicht nach dem allfälligen Vorliegen und Inhalt eines normativen Konsenses geforscht zu werden (BGE 123 III 35 E. 2b S. 39; 121 III 118 E. 4b.aa S. 123). Nur wenn ein natürlicher Konsens fehlt oder unbewiesen bleibt, gelangt das Vertrauensprinzip zur Anwendung. Die Ermittlung der Bedeutung, die den Willensäusserungen der Parteien beim Abschluss eines Vertrages nach Treu und Glauben zukommt, ist dann eine der freien Überprüfung durch das Bundesgericht unterliegende Rechtsfrage.
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Auch dabei ist das Bundesgericht jedoch an die Feststellungen der letzten kantonalen Instanz hinsichtlich der äusseren Tatsachen und des inneren Willens der Parteien gebunden (BGE 121 III 118 E. 4b.aa S. 123 mit Hinweisen).
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Für die Annahme, dass Ziff. 4 des Vertrages nur eine sogenannte einfache und keine verschärfte Exklusivklausel darstellt, hat das Kantonsgericht einen natürlichen Konsens der Parteien bejaht, welcher auch dem Ergebnis bei objektiver Auslegung entspreche. Über den tatsächlichen Willen der Parteien bezüglich der streitigen Auslegung von Ziff. 5 des Vertrages enthält das angefochtene Urteil keine Feststellungen.
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Vielmehr stützt sich die Annahme des Kantonsgerichts auf eine objektive Auslegung nach dem bundesrechtlichen Vertrauensprinzip.
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b) In der Berufung führt die Klägerin aus, gemäss dem Wortlaut von Ziff. 5 des Vertrages sei die Provision "in jedem Falle", also auch unabhängig von kausalen Bemühungen ihrerseits geschuldet. Aufgrund des unzweideutigen Wortlautes bestehe kein Anlass, am entsprechenden wirklichen Willen der Parteien zu zweifeln, so dass diese Bestimmung keiner normativen Auslegung bedürfe. Damit behauptet die Klägerin in Abweichung von den tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Entscheid das Vorliegen eines natürlichen Konsenses. Aufgrund der Bindung des Bundesgerichts an die tatsächlichen Feststellungen des kantonalen Gerichts (Art. 63 Abs. 2 OG) ist sie damit nicht zu hören. Entgegen der Auffassung der Klägerin liegt auch kein offensichtliches Versehen der Vorinstanz vor, welches nach Art. 63 Abs. 2 OG von Amtes wegen zu berichtigen wäre. Nach der Rechtsprechung ist ein solches nur gegeben, wenn die Vorinstanz eine bestimmte Aktenstelle übersehen oder unrichtig wahrgenommen hat (BGE 115 II 399 E. 2a mit Hinweisen). In seinem Urteil hat das Kantonsgericht Ziff. 5 des Vertrages indessen sehr wohl und auch mit dem richtigen Wortlaut berücksichtigt. Wenn es daraus nicht auf einen tatsächlichen Willen beider Parteien im Sinne der Argumentation der Klägerin geschlossen hat, bedeutet das kein Versehen.
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c) Bezüglich der normativen Auslegung weist die Klägerin darauf hin, dass Ziff. 4 und Ziff. 5 des Vertrages unterschiedliche Regelungsbereiche, nämlich einerseits die Exklusivität und andererseits das Kausalitätserfordernis für den Provisionsanspruch betreffen. Eine zusätzliche Provisionsgarantie mache auch bei einer nur einfachen Exklusivität Sinn. Dies trifft zu, soweit die zusätzliche Provisionsgarantie bzw. der Verzicht auf den Kausalitätsnachweis beschränkt bleibt auf den Fall, wo der Vertragsabschluss mit einem Interessenten zustande kommt, der in Verletzung der Exklusivität von einem anderen Mäkler oder unentgeltlich von einem Dritten zugeführt wird. In einem solchen Fall könnte die Exklusivitätsklausel für sich allein nur einen Schadenersatzanspruch begründen, während eine zusätzliche Provisionsgarantie bzw.
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der Verzicht auf das Kausalitätserfordernis dem Mäkler einen Anspruch auf die volle vereinbarte Provision verschafft (BGE 100 II 361 E. 4 S. 366; Marquis Christian, Le contrat de courtage immobilier et le salaire du courtier, Diss. Lausanne 1992, S. 471 f.). Wie das Kantonsgericht zutreffend ausführt, darf Ziff. 5 des Vertrages jedoch nicht so verstanden werden, dass dem Auftraggeber das in Ziff. 4 zugestandene eigene Tätigwerden indirekt wieder verwehrt wird, indem auch in diesem Fall ein Provisionsanspruch entsteht. Ein solches Auslegungsergebnis wäre mit dem Grundsatz von Treu und Glauben unvereinbar.
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Wenn das Kantonsgericht bei der Auslegung von Ziff. 5 auch die übrigen Vertragsbestimmungen, insbesondere Ziff. 4 mitberücksichtigt hat, so ist dies ebenfalls nicht zu beanstanden.
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Im Gegenteil verlangen die bundesrechtlichen Auslegungsregeln gerade, dass nicht nur eine einzelne Vertragsbestimmung isoliert in Betracht gezogen, sondern die Gesamtheit der im Vertrag getroffenen Regelungen berücksichtigt wird (BGE 123 III 165 E. 3a S. 168 mit Hinweisen). Gegenüber dem sich aus dem Gesamtzusammenhang nach Treu und Glauben ergebenden Auslegungsergebnis kann sich der Kläger auch nicht auf den für sich allein eindeutigen Wortlaut von Ziff. 5 des Vertrages berufen. Auch wo der Wortlaut für sich allein einen klaren Sinn hat, bedarf dieser bei der Anwendung des Vertrauensgrundsatzes der Überprüfung aufgrund aller Umstände des Vertragsschlusses (BGE 119 II 368 E. 4b S. 372; Gauch/Schluep/Schmid/Rey, Schweizerisches Obligationenrecht, Allgemeiner Teil, 7. Aufl. , Bd. I Nr. 1221 mit Hinweisen). Wenn in BGE 117 II 609 E. 6c.bb S. 622 der Wortlaut als "primäres Willensindiz" bezeichnet wurde, gilt dies in erster Linie für die Ermittlung des natürlichen Konsenses (Kramer, Berner Kommentar, N 22 zu Art. 18 OR). Bei der Auslegung nach dem Vertrauensprinzip hingegen kann er keinen Vorrang vor dem Ergebnis einer ganzheitlichen Auslegung beanspruchen (BGE 122 III 118 E. 2c S. 122).
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3.- Die Berufung ist somit abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann. Entsprechend dem Verfahrensausgang ist die Klägerin kosten- und entschädigungspflichtig.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und das Urteil des Kantonsgerichts (III. Zivilkammer) des Kantons St. Gallen vom 15. Dezember 1999 wird bestätigt.
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2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 4'000.-- wird der Klägerin auferlegt.
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3.- Die Klägerin hat die Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit insgesamt Fr. 6'000.-- zu entschädigen.
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4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht (III. Zivilkammer) des Kantons St. Gallen schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 20. Juli 2000
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Im Namen der I. Zivilabteilung
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident:
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Die Gerichtsschreiberin:
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