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Original
 
[AZA 0]
5C.100/2000/bnm
II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
20. Juli 2000
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
Bundesrichter Weyermann, Bundesrichter Bianchi
und Gerichtsschreiber von Roten.
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In Sachen
A.________, Kläger, Widerbeklagter und Berufungskläger, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Romano Kunz, Ottoplatz 19, 7001 Chur,
gegen
B.________, Beklagte, Widerklägerin und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwältin Irmgard Camenisch, Quaderstrasse 5, 7002 Chur,
betreffend
Ehescheidung,
wird festgestellt und in Erwägung gezogen:
1.- A.________, und B.________, heirateten am 24. Juni 1977. Aus ihrer Ehe ging die Tochter C.________ hervor, geboren am 9. März 1985. Die Parteien führten einen Hotelbetrieb in x.________. Der Eheverlauf während über fünfzehn Jahren war offenbar - von stressbedingten Auseinandersetzungen im Berufsalltag abgesehen - unauffällig und eigentliche Schwierigkeiten traten erst in den letzten drei bis vier Jahren auf. Anfangs Juli 1998 zog B.________ aus der ehelichen Wohnung aus. Die anschliessende Scheidungsklage von A.________ beantwortete sie mit einer Widerklage auf Ehescheidung.
Das Bezirksgericht Imboden schied die Ehe der Parteien in Gutheissung der Klage, wies hingegen die Widerklage wie auch die Begehren von B.________ auf Zahlung von Unterhaltsbeiträgen und auf hälftige Beteiligung an der von A.________ während der Ehe erworbenen Austrittsleistung der Pensionskasse ab. Es verpflichtete B.________ zu einer güterrechtlichen Ausgleichszahlung von Fr. 24'661. 50 an A.________. Im Weiteren wurden die Kindesbelange geregelt (Urteil vom 30. September 1999).
Auf Berufung von B.________ hin schied das Kantonsgericht (Zivilkammer) von Graubünden die Ehe der Parteien in Gutheissung von Klage und Widerklage. Es verpflichtete A._________, indexierte Unterhaltsbeiträge gemäss [a]Art. 152 ZGB im Betrage von Fr. 1'000.-- pro Monat vorschüssig an B.________ zu bezahlen, und zwar ab Rechtskraft des Scheidungsurteils bis 31. März 2001. Gestützt auf [a]Art. 22 FZG wurde ihr eine Austrittsleistung von Fr. 51'906. 55 zugesprochen, verbunden mit der entsprechenden Anweisung an die Pensionskasse von A.________. Ihn verurteilte das Kantonsgericht schliesslich, B.________ aus Güterrecht Fr. 208'444.-- zu leisten. Die Kindesbelange waren - von der Indexklausel abgesehen - unangefochten geblieben (Urteil vom 13. Dezember 1999).
Berufungsweise beantragt A.________ dem Bundesgericht, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben und dasjenige des Bezirksgerichts zu bestätigen; demnach seien die Widerklage von B.________ wie auch deren Begehren auf Unterhaltsleistungen (Rente und Anteil an der Austrittsleistung) abzuweisen, und sie zu verpflichten, ihm in Abgeltung aller gegenseitigen güterrechtlichen Ansprüche Fr. 24'661. 50 zu bezahlen. Das Kantonsgericht hat auf Abweisung geschlossen, soweit auf die Berufung eingetreten werden könne. B.________ trägt ebenfalls Abweisung an.
Die von A.________ gleichzeitig gegen das nämliche Urteil erhobene staatsrechtliche Beschwerde hat die II. Zivilabteilung des Bundesgerichts heute teilweise gutgeheissen, soweit darauf eingetreten werden konnte, und DispositivZiffer 6 des kantonsgerichtlichen Urteils aufgehoben.
2.- Durch die teilweise Gutheissung der staatsrechtlichen Beschwerde ist die Berufung gegenstandslos geworden (BGE 112 II 95 E. 3 S. 96), was die güterrechtliche Auseinandersetzung betrifft. Zur Beurteilung verbleiben der Scheidungs- und der Unterhaltsanspruch der Beklagten. Die Zulässigkeitsvoraussetzungen geben zu keinen weiteren Erörterungen Anlass (Art. 44 ff. OG). Anwendbar sind mit Blick auf den Tag der Urteilsfällung die Bestimmungen über die Ehescheidung von 1907/12 (aArt. 137 ff. ZGB; Art. 7b SchlTZGB).
3.- Das Kantonsgericht hat den strittigen Scheidungsanspruch der Beklagten bejaht. Es ist davon ausgegangen, beide Ehegatten seien für die unheilbare Zerrüttung ihrer Ehe verantwortlich; daneben hätten auch unverschuldete Umstände zum Scheitern der Ehe beigetragen. Der Kläger macht geltend, eine umfassende Verschuldensbeurteilung, die zwingend eine Gesamtwürdigung aller relevanten Sachverhaltselemente erfordere, lasse die Beklagte als vorwiegend schuldig an der Zerrüttung erscheinen. Sie habe deshalb keinen Klage- und damit verbunden auch keinen Unterhaltsanspruch.
a) Der Kläger hält die Tatsachenfeststellungen des Kantonsgerichts für unvollständig. Der Einwand betrifft zunächst seine Qualitäten als Ehegatte, Vater und Berufsmann während der gesamten Ehedauer, dann aber auch die falschen Anschuldigungen der Beklagten ihm gegenüber im Prozess. Freilich darf bei Bewertung der Kausalität mehrerer Zerrüttungsursachen der Gesamtverlauf der Ehe nicht ausgeblendet werden (Bühler/Spühler, Berner Kommentar, N. 127 zu aArt. 142 ZGB), und es ist dem Kläger darin beizupflichten, dass das kantonsgerichtliche Beweisergebnis lediglich die letzten drei bis vier Jahre einer über zwanzig Jahre dauernden Ehe umfasst und die Vorwürfe der Beklagten gegen den Kläger im angefochtenen - anders noch im bezirksgerichtlichen - Urteil keine Rolle gespielt haben. Indessen ist das Kantonsgericht durchaus im Sinne des Klägers davon ausgegangen, dass die Ehe bis auf die letzten drei bis vier Jahre ohne Schwierigkeiten verlaufen ist, hat es doch den Zeugenaussagen mehrfach entnommen, für diesen Zeitraum seien Ehetrübnisse von Dritten wahrnehmbar gewesen (insbesondere Zeugin W.________), und auf die Aussage der Zeugin U._________, Hotelangestellte von April 1990 bis 1992, verwiesen, die damals noch keine Unstimmigkeiten feststellen konnte (abgesehen von Auseinandersetzungen in berufsbedingten Stresssituationen). Insoweit kann mit dem Kläger bejaht werden, dass er, aber auch die Beklagte sich während knapp zwanzig Ehejahren nichts vorzuwerfen und eine "normale" Ehe geführt hatten. Zu ergänzen bleibt - wie die Beklagte betont - nichts (vgl. im Übrigen zum Beweisergebnis: E. 4 des Urteils über die staatsrechtliche Beschwerde).
b) In seiner Verschuldensanalyse hat das Kantonsgericht dem Kläger Entgleisungen in einem ehezerrüttenden Ausmass angelastet; vor allem für die letzten Ehejahre sei ein übermässiger Alkoholkonsum und ein gegenüber der Beklagten herabwürdigendes Verhalten erstellt. Auf Grund des Beweisergebnisses ist das Kantonsgericht davon ausgegangen, die Drittbeziehung der Beklagten sei zunächst rein freundschaftlicher Natur gewesen, habe sich jedoch mit der Zeit auf ein Mass intensiviert, das als ehewidrig zu bezeichnen sei; dass die Beklagte dem Wunsch des Klägers, diese Beziehung abzubrechen, nicht Folge geleistet und die Beziehung fortgesetzt habe, gereiche ihr zum Verschulden, wobei unerheblich sei, ob ihre Beziehung bereits im Juli 1998 oder erst im Herbst 1998 intimer Natur geworden sei. Schliesslich hat das Kantonsgericht als gewiss angenommen, dass auch objektive Gründe zum Scheitern der Ehe geführt hätten; so habe das Paar offenbar unter massiven Kommunikationsschwierigkeiten und unter dem Fehlen gemeinsamer Interessen gelitten (E. 2c S. 12 ff. mit Zusammenfassung auf S. 15 des angefochtenen Urteils).
c) Für das Bundesgericht verbindlich fest steht, dass die Ehe der Parteien nicht, wie die Beklagte behauptet hatte, bereits vor Aufnahme ihrer Beziehung zu einem Dritten zerrüttet gewesen ist. Mag ihre Beziehung zunächst auch rein freundschaftlicher Natur gewesen sein (Gesprächspartnerschaft über schulische Belange der Tochter), hat sie doch bewirkt, dass die Beklagte sich vom Kläger abgewendet hat und innert kurzer Zeit eine regelrechte Entfremdung unter den Ehegatten eingetreten ist, die die Beklagte durch zumutbare Anstrengungen im Frühjahr 1998 noch hätte beheben können, als der Kläger dazu Hand geboten hatte; der eigentliche Ehebruch steht erst ab Juli 1998 zur Diskussion. Sie hat indessen nicht eingelenkt, sondern die Ehe fahren lassen. Die von der Beklagten gesetzte und ihr anzulastende Zerrüttungsursache wiegt schwer (s. dazu Hinderling/Steck, Das schweizerische Ehescheidungsrecht,
4. A. Zürich 1995, S. 31 f.) und reichte im Sinne der vom Kläger implicite angerufenen Rechtsprechung aus, ihr den Scheidungsanspruch abzuerkennen: Vorwiegend schuldig ist der Ehegatte, der nach jahrelanger, nicht ernsthaft gestörter Ehe eine ehewidrige Drittbeziehung anknüpft (z.B. BGE 88 II 241 Nr. 35) und diese auch zur Rettung der Ehe nicht abzubrechen gewillt ist (z.B. BGE 78 II 300 Nr. 51); untergeordnete Verfehlungen des andern Ehegatten fallen umso eher ausser Betracht, wenn er sich um die Erhaltung der Ehe aktiv bemüht hat (z.B. BGE 111 II 1 E. 1e, nicht veröffentlicht).
Indessen ist jeder Einzelfall auf Grund seiner konkreten Umstände zu beurteilen und hervorzuheben, dass der Scheidungsanspruch einem Ehegatten nur abgesprochen werden darf, wenn dessen Verschulden dasjenige des andern Ehegatten zusammen mit objektiven Zerrüttungsursachen an kausaler Bedeutung deutlich übertrifft (statt vieler: Lüchinger/Geiser, Basler Kommentar, N. 18 f. zu aArt. 142 ZGB mit Nachweisen).
Auch dem Kläger sind grobe Entgleisungen vorzuwerfen gewesen, selbst wenn eingeräumt werden muss, dass sein übermässiger Alkoholkonsum und seine herabwürdigenden Äusserungen über die Beklagte in dem Zeitpunkt auftreten, in dem ihre Drittbeziehung das Eheleben ernsthaft zu beeinträchtigen anfängt, und dass in den ihm anzulastenden Ehewidrigkeiten - obschon nicht als bloss reaktives Verhalten festgestellt - doch ein weitaus geringeres Zerstörungspotenzial liegt als in ihrer Hinwendung zu einem Dritten, die die Ehe als Geschlechtsgemeinschaft im Kern getroffen hat; zu beachten ist dabei gewiss auch, dass er - im Gegensatz zu ihr - um die Erhaltung der Ehe bemüht gewesen war und zu diesem Zweck mehrfach einen Ehetherapeuten aufgesucht hatte (E. 2b S. 11 des angefochtenen Urteils), was seine Verhaltensweise abermals in einem milderen Licht erscheinen lässt. Andererseits haben zusätzlich objektive Gründe für die Zerrüttung eine Rolle gespielt.
Insgesamt kann dem Kantonsgericht nicht ernsthaft vorgeworfen werden, es habe - nach Massgabe des Prozessstoffes - nicht alle im Sinne des Gesetzes beachtlichen Umstände einbezogen; dass seine Entscheidung bei den gegebenen Verhältnissen als offensichtlich unbillig erschiene, darf selbst bei einem Grenzfall wie dem vorliegenden nicht leichthin bejaht werden (vgl. dazu Bühler/Spühler, N. 74 zu aArt. 146 ZGB). Die Annahme, das der Beklagten anzulastende Verhalten überwiege die übrigen Zerrüttungsfaktoren nicht deutlich genug, verletzt Bundesrecht nicht.
4.- Zur vorausgesetzten Schuldlosigkeit im Sinne von aArt. 152 ZGB hat das Kantonsgericht unter Verweis auf seine bisherigen Ausführungen festgehalten, das Scheitern der Ehe der Parteien sei auf objektive und subjektive Ursachen zurückzuführen; das Verschulden der Beklagten trete dabei gegenüber den objektiven Faktoren und dem Verschulden des Klägers in den Hintergrund und erscheine als untergeordnet im Sinne der Rechtsprechung (E. 4a S. 24 f. des angefochtenen Urteils). Die beantwortete Frage ist für die Beurteilung der Scheidungsschuld im Sinne der aArt. 151 f. ZGB falsch gestellt:
Anspruchsberechtigt ist der Ehegatte, dessen Verschulden ohne ganz nebensächlich zu sein, nur eine untergeordnete Rolle gespielt hat, und für sich allein ("en soi", BGE 103 II 168 E. 2 S. 169) nicht zur Scheidung geführt hätte; ob sein Verschulden an sich noch als leicht erscheint, ist nicht bloss durch einen Vergleich mit dem Verschulden des andern Ehegatten zu ermitteln, sondern es ist als solches zu würdigen (statt vieler: Lüchinger/Geiser, N. 3 zu aArt. 152 i.V.m. N. 4 zu aArt. 151 ZGB). Die Fremdbeziehung der Beklagten hat auf Grund ihrer Intensität die eheliche Gemeinschaft als umfassende und vorrangige Beziehung der Partner in Frage gestellt und ist damit klar ehewidrig (vgl. Bühler/Spühler, Berner Kommentar, Ergänzungsband, N. 76 f. zu aArt. 142 ZGB mit Nachweisen). Dass sie für sich allein bereits als Scheidungsgrund genügt hätte, steht damit ausser Zweifel. Fehlt es folglich an der Voraussetzung der Schuldlosigkeit, entfällt mit dem Anspruch auf Unterhaltsbeiträge auch derjenige auf Teilhabe an der Austrittsleistung der Pensionskasse des andern Ehegatten (aArt. 22 FZG; BGE 124 III 52 E. 2b S. 55 mit Hinweis).
5.- Der Kläger obsiegt nur teilweise, soweit seine Berufung nicht gegenstandslos geworden ist. Die Verschuldenswürdigung des Kantonsgerichts hat auch im Scheidungspunkt berechtigten Anlass zur Einlegung einer Berufung gegeben. Mit Blick darauf ist es angezeigt, die Gerichtskosten zu halbieren und die Parteikosten wettzuschlagen (Art. 156 Abs. 3 und Art. 159 Abs. 3 OG). Das Kantonsgericht wird die kantonalen Prozesskosten neu zu verlegen haben (Art. 157 und Art. 159 Abs. 6OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Berufung wird teilweise gutgeheissen, soweit sie nicht gegenstandslos geworden ist und soweit darauf einzutreten ist. Die Dispositiv-Ziffern 1, 3, 4 (betreffend Indexierung der Unterhaltsbeiträge für die Beklagte), 5 und 7 des Urteils des Kantonsgerichts (Zivilkammer) von Graubünden vom 13. Dezember 1999 werden aufgehoben, und die Widerklagebegehren auf Bezahlung von indexierten Unterhaltsbeiträgen und auf Beteiligung an der vom Kläger während der Ehe erworbenen Austrittsleistung der Pensionskasse werden abgewiesen. Dispositiv-Ziffer 2 des angefochtenen Urteils wird bestätigt.
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 6'000.-- wird den Parteien je zur Hälfte auferlegt.
3.- Es werden keine Parteientschädigungen zugesprochen.
4.- Die Sache wird zur Neuverlegung der Kosten und Entschädigung für das kantonale Verfahren an das Kantonsgericht (Zivilkammer) von Graubünden zurückgewiesen.
5.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht (Zivilkammer) von Graubünden schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 20. Juli 2000
Im Namen der II. Zivilabteilung des
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: