BGer 2P.280/1999 |
BGer 2P.280/1999 vom 24.07.2000 |
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2P.280/1999/bol
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II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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24. Juli 2000
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Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hartmann, Hungerbühler,
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Müller, Ersatzrichter Zünd und Gerichtsschreiberin Müller.
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In Sachen
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X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Martin Frey, Vorstadt 40/42, Schaffhausen,
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gegen
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StaatsratdesKantons Wallis, vertreten durch das Finanz- und Volkswirtschaftsdepartement,
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betreffend
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Art. 31 und Art. 4 aBV,
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(Verordnung über die Echtheit der Walliser Rebpflanzen), hat sich ergeben:
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A.- Seit 1992 verfolgt der Kanton Wallis in Zusammenarbeit mit der Eidgenössischen Forschungsanstalt Changins und den Walliser Rebschulisten ein Programm zur Erhaltung des genetischen Erbes des Walliser Weinbaus. Dabei soll der Gefahr entgegengewirkt werden, dass die genetische Vielfalt einer Sorte verlorengeht, weil nur wenige Klone in grossem Stil vermehrt und angebaut werden. Zunächst werden nach diesem Programm alte Rebstöcke ermittelt, welche nicht aus der Klonenselektion hervorgegangen sind und unterschiedliche Charakteristika aufweisen. Diese Rebstöcke werden einer längeren Beobachtung sowie virologischen Kontrollen unterzogen. Die Vermehrung wird nach dem Verfahren der Massalselektion vorgenommen, d.h. es erfolgt im Unterschied zur Klonenselektion eine Vermischung verschiedener Typen einer Sorte auf der gleichen Parzelle. Abgesehen davon, dass mit diesem Vorgehen die genetische Vielfalt der Rebsorten bewahrt werden soll, wird angenommen, dass aus einer solchen Selektion ein Wein gekeltert werden kann, dessen Qualität organoleptisch einem Wein aus Rebstöcken von einem einzigen Klon überlegen ist. Das Programm zur Erhaltung des genetischen Erbes des Walliser Weinbaus ist auf die autochthonen und traditionellen Rebsorten wie Petite Arvine, Humagne rouge, Cornalin, Pinot gris, Amigne, Humagne blanc, Païen (Heida), Rèze, Ermitage und Pinot noir ausgerichtet.
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B.- Am 7. Juli 1999 hat der Staatsrat des Kantons Wallis eine Verordnung über die Echtheit der Walliser Rebpflanzen erlassen, die im kantonalen Amtsblatt vom 3. September 1999 publiziert wurde. Die Verordnung führt die Bezeichnung "Walliser Auslese" für die Rebpflanzen ein, die aus der Auswahl alter Walliser Rebstöcke und ihrer Vermehrung durch Massalselektion hervorgegangen sind. Die Art. 1 bis 3 der Verordnung lauten: - Art. 1Zweck
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Die vorliegende Verordnung bezweckt, die Echtheit der Walliser Rebpflanzen zu garantieren, die genetische Vielfalt der Rebsorten (verschiedene Typen) zu bewahren, das Erbgut des Kantons zu erhalten und die Wiederherstellung der Rebberge mit gesunden und für die Verbesserung der Echtheit, der Eigenart und der Qualität der AOC-Weine geeigneten Rebpflanzen zu ermöglichen.
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- Art. 2 Bezeichnung
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Die Bezeichnung Walliser Auslese oder alle anderen Bezeichnungen, die sich direkt oder indirekt auf die Echtheit einer Walliser Auslese beziehen, sind ausschliesslich den Rebpflanzen reserviert, die den Bestimmungen der vorliegenden Verordnung genügen.
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- Art. 3 Geographische Region
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Die Auswahl der Rebpflanzen, die Aufzucht der Edelreiser und die Vermehrung in der Rebschule dürfen nur auf Walliser Staatsgebiet erfolgen.
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Die weiteren Vorschriften (Art. 4 - 10) der Verordnung regeln die Voraussetzungen, denen eine "Walliser Auslese" genügen muss, namentlich was ihre Qualität und genetische Vielfalt betrifft, sowie die Kontrolle.
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C.- Am 16. September 1999 gelangte X.________, Rebschule, A.________, mit einem Gesuch an das Finanz- und Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Wallis, die genannte Verordnung zu überprüfen, allenfalls eine Feststellungsverfügung zu erlassen. Das Departement leitete die Eingabe an das Bundesgericht weiter. Auf Anfrage des Präsidenten der II. öffentlichrechtlichen Abteilung erklärte X.________ mit Eingabe vom 4. Oktober 1999, staatsrechtliche Beschwerde führen zu wollen. Er beantragt, die Verordnung vom 7. Juli 1999 über die Echtheit der Walliser Rebpflanzen vollumfänglich aufzuheben.
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Das Finanz- und Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Wallis hat seine Vernehmlassung (für den Staatsrat) am 23. November 1999 eingereicht. Am 10. April 2000 nahm der Beschwerdeführer die Gelegenheit zur Beschwerdeergänzung wahr. Das Finanz- und Volkswirtschaftsdepartement nahm dazu am 11. Mai 2000 Stellung.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.- a) Die staatsrechtliche Beschwerde ist zulässig gegen kantonale Erlasse wegen Verletzung verfassungsmässiger Rechte der Bürger (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG). Bei der angefochtenen Verordnung handelt es sich, da der Kanton Wallis die Möglichkeit einer abstrakten Normenkontrolle nicht kennt, um einen letztinstanzlichen kantonalen Hoheitsakt (Art. 86 OG), der mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden kann. Die 30-tägige Beschwerdefrist gemäss Art. 89 Abs. 1 OG, welche mit der Veröffentlichung im kantonalen Amtsblatt vom 3. September 1999 zu laufen begann, ist eingehalten, und zwar auch bezüglich der Eingabe vom 4. Oktober 1999.
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b) Zur staatsrechtlichen Beschwerde gegen einen kantonalen Erlass ist legitimiert, wer durch die angefochtene Bestimmung unmittelbar oder virtuell, d.h. mit einer minimalen Wahrscheinlichkeit früher oder später einmal, in seinen rechtlich geschützten Interessen betroffen ist. Das Anrufen bloss tatsächlicher oder allgemeiner öffentlicher Interessen genügt zur Begründung der Legitimation nicht (BGE 125 I 104 E. 1a S. 106 f.; 125 II 440 E. 1c S. 442; 123 I 41 E. 5b S. 43). Der Beschwerdeführer betreibt einen Rebschulbetrieb in A.________ im Kanton B.________. Er beliefert Rebbauern in der ganzen Schweiz, auch im Kanton Wallis, mit Rebpflanzen. Dies ist ihm auch inskünftig nicht verwehrt, so dass er insoweit in rechtlich geschützten Interessen nicht betroffen ist. Er ist auch nur faktisch, nicht aber in rechtlich geschützten Interessen, davon betroffen, wenn Rebbauern sich nicht für sein Angebot, sondern für dasjenige aus der Selektion "Walliser Auslese" entscheiden. Hingegen scheint der Beschwerdeführer die Meinung vertreten zu wollen, die Handels- und Gewerbefreiheit sowie das Rechtsgleichheitsgebot würden dadurch verletzt, dass er aufgrund der angefochtenen Verordnung davon ausgeschlossen sei, für seine in A.________ gezogenen Rebpflanzen die Bezeichnung "Walliser Auslese" verwenden zu dürfen. Es ist materiell zu prüfen, ob der Beschwerdeführer insoweit in den von ihm angerufenen Grundrechten verletzt ist.
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c) Der Beschwerdeführer ficht die Verordnung insgesamt an. Die Begründung der Beschwerdeschrift bezieht sich aber allein auf die Bestimmungen von Art. 2 und 3, welche die Bezeichnung "Walliser Auslese" einführen und festschreiben, dass Auswahl, Aufzucht und Vermehrung für die so bezeichneten Rebpflanzen auf Walliser Staatsgebiet zu erfolgen haben. Nicht zu überprüfen sind die weiteren Bestimmungen der Verordnung, da es hiefür an einer Begründung in der staatsrechtlichen Beschwerde fehlt (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG).
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2.- a) Der Beschwerdeführer sieht die Handels- und Gewerbefreiheit und das Rechtsgleichheitsgebot verletzt, weil er als ausserkantonaler Anbieter davon ausgeschlossen wird, Rebpflanzen mit der Bezeichnung "Walliser Auslese" anzubieten. Der Kanton Wallis betreibe mit der vom Staatsrat erlassenen Verordnung "Heimatschutz" und missachte damit die Anstrengungen, die der Beschwerdeführer durch Lieferung einwandfreier Rebpflanzen seit Jahren für den Walliser Weinbau leiste.
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Dazu ist zunächst zu wiederholen, dass der Beschwerdeführer weiterhin berechtigt bleibt, Rebpflanzen für Walliser Weinbauern zu liefern. Er täuscht sich im Weiteren, wenn er annimmt, die Bezeichnung "Walliser Auslese" beziehe sich auch auf den produzierten Wein. Das trifft nicht zu. Die Verordnung nimmt zwar in Art. 1 Bezug auf die AOC-Weine, deren Eigenart und Qualität durch die Bemühungen um die genetische Vielfalt der Rebsorten verbessert werden soll. Doch regelt die Verordnung die Ursprungsbezeichnungen der Weine nicht. Dies ist vielmehr Gegenstand des kantonalen Beschlusses vom 7. Juli 1993 über die Ursprungsbezeichnungen der Walliser Weine (AOC-Beschluss 93). Den Walliser Weinbauern, welche Rebpflanzen des Beschwerdeführers beziehen, ist es nicht verwehrt, daraus Wein zu keltern, der mit Ursprungs- oder Herkunftsbezeichnung nach dem AOC-Beschluss 93 in Verkehr gebracht wird.
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b) Die Regelung in der Verordnung über die Echtheit der Walliser Rebpflanzen stützt sich auf Art. 29 des Walliser Gesetzes vom 28. September 1993 über die Landwirtschaft, der dem Staatsrat die Kompetenz verleiht, Vorschriften über Gütezeichen, Ursprungs- und andere Bezeichnungen zu erlassen. Der Beschwerdeführer stellt die gesetzliche Grundlage nicht in Frage. Es ist deshalb darauf nicht weiter einzugehen. Er macht aber - sinngemäss - geltend, der getroffenen Regelung fehle es an einem überwiegenden öffentlichen Interesse und sie sei nicht geeignet, die genetische Vielfalt der Rebsorten sicherzustellen. Der Einwand trifft nicht zu. Wohl hat jede Selektion zur Folge, dass bestimmte Pflanzen von der Vermehrung ausgeschlossen bleiben, was - wenn man so will - zu einer genetischen Verarmung führt. Doch ist offensichtlich, dass das von den Behörden des Kantons Wallis in Gang gesetzte Projekt bemüht ist, eine möglichst vielfältige Auswahl zu treffen. Es ist ferner darauf ausgerichtet, dass die verschiedenen Typen der einzelnen Rebsorten in den Rebbergen vermischt angebaut werden. Dass die Zielsetzung der Erhaltung des Erbgutes im Walliser Weinbau auf diese Weise erreichbar ist, kann ernsthaft nicht angezweifelt werden, ebenso nicht, dass dafür ein erhebliches öffentliches Interesse namhaft gemacht werden kann. Daran ändert nichts, dass es möglich ist, mit Genbanken die Erhaltung des Erbgutes für die Zukunft sicherzustellen. Die Walliser Zielsetzung geht weiter; sie will, dass die genetische Vielfalt der Rebsorten beim heutigen Weinbau effektiv zum Tragen kommt.
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c) Der Beschwerdeführer betrachtet sich als benachteiligt, weil er für die von ihm selektionierten und in A.________ vermehrten Rebpflanzen die Bezeichnung "Walliser Auslese" nicht verwenden darf. Es kann dahingestellt bleiben, ob ihm dies nicht schon aufgrund der Regelung über die Herkunftsangaben in Art. 47 ff. des Bundesgesetzes vom 28. August 1992 über den Schutz von Marken und Herkunftsangaben (Markenschutzgesetz, MSchG; SR 232. 11) verboten ist. Jedenfalls wird weder die Handels- und Gewerbefreiheit noch das Rechtsgleichheitsgebot verletzt, wenn eine täuschende Bezeichnung über die Herkunft untersagt wird. 3.- Der Beschwerdeführer verweist darauf, dass das Bundesrecht die Zertifizierung von Vermehrungsmaterial regle (vgl. namentlich die Verordnung des Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartementes vom 11. Juni 1999 über die Produktion und das Inverkehrbringen von anerkanntem Vermehrungsmaterial und Pflanzgut von Obst, Beerenobst und Reben [Obst-, Beerenobst- und Rebenpflanzgutverordnung des EVD; SR 916. 151.2]). Er beruft sich allerdings nicht auf das verfassungsmässige Individualrecht der derogatorischen Kraft des Bundesrechts und legt auch nicht substantiiert dar, inwiefern die angefochtene Regelung mit dem Bundesrecht unvereinbar wäre. Es sei immerhin darauf hingewiesen, dass das Walliser Projekt die Zertifizierung des Vermehrungsmaterials nicht zum Gegenstand hat. Auch sonst wird keine substantiierte Rüge gestützt auf die derogatorische Kraft des Bundesrechts erhoben.
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4.- Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich damit als unbegründet, soweit darauf einzutreten ist.
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Entsprechend diesem Verfahrensausgang sind die bundesgerichtlichen Kosten dem Beschwerdeführer aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und Art. 153a OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000. -- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer und dem Finanz- und Volkswirtschaftsdepartement des Kantons Wallis schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 24. Juli 2000
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident:
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Die Gerichtsschreiberin:
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