«AZA 7»
U 423/99 Gb
IV. Kammer
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiberin Hofer
Urteil vom 25. Juli 2000
in Sachen
J.________, 1965, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Reto Zanotelli, Weinbergstrasse 43, Zürich,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Luzern, Beschwerdegegnerin,
und
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
A.- Die 1965 geborene J.________ war seit dem 1. Juli 1995 arbeitslos und bezog seitdem Taggelder der Arbeitslosenversicherung. Am 22. März 1996 erlitt sie einen Autounfall, als ein von hinten nahendes Fahrzeug in ihren vor einem Rotlicht stehenden Wagen fuhr. Der am 29. März 1996 konsultierte Dr. med. B.________ diagnostizierte im Arztzeugnis vom 17. Juni 1996 eine Distorsion der Halswirbelsäule (HWS) mit Kopfschmerz. Am 15. April 1996 suchte die Versicherte den Neurologen Dr. med. H.________ auf, welcher eine starke Druckdolenz der Nacken-Schulter-Muskulatur und eine eingeschränkte Beweglichkeit der HWS ohne neurologische Ausfälle vorfand und ein indirektes HWS-Trauma diagnostizierte. Das von ihm durchgeführte CT zeigte eine leichte mediane Protrusion C4/5 bei normaler Bandscheibe C5/6 und C6/7, Halsrippen an C7 beidseits und Streckhaltung bis leichte Kyphosierung der HWS. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA) führte eine persönliche Befragung der Versicherten durch (Bericht vom 5. Juli 1996) und holte die Stellungnahme ihres Kreisarztes Dr. med. S.________ vom 9. Juli 1996 ein. Zudem zog sie die Akten der Krankenkasse und der Orthopädischen Universitätsklinik X.________ über den Verlauf der vorbestehenden Rückenbeschwerden bei. Mit Verfügung vom 8. August 1996 lehnte sie ihre Leistungspflicht für den gemeldeten Unfall ab. Auf Einsprache hin, welcher die Berichte des Dr. med. H.________ vom 16. August 1996 und des Dr. med. L.________ vom 5. März 1996 und 11. September 1996 beilagen, hielt die Anstalt gestützt auf eine Beurteilung des Dr. med. V.________, Ärzteteam Unfallmedizin, vom 25. März 1997 an ihrem Standpunkt fest (Einspracheentscheid vom 16. April 1997).
B.- Die hiegegen eingereichte Beschwerde mit dem Antrag, die SUVA sei zu verpflichten, die gesetzlich geschuldeten Leistungen zu erbringen, wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 25. Oktober 1999 ab.
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt J.________ den im vorinstanzlichen Verfahren gestellten Antrag erneuern.
Während die SUVA unter Hinweis auf den kantonalen Gerichtsentscheid auf eine Vernehmlassung verzichtet, hat sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen lassen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Das kantonale Gericht hat die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers primär vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang zwischen Unfallereignis und Gesundheitsschaden (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) und zu dem im Sozialversicherungsrecht geltenden Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit (BGE 119 V 338 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen) zutreffend wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden.
2.- Die Vorinstanz hat die Ergebnisse der bei den Akten liegenden medizinischen Unterlagen vollständig zusammengefasst, sodass darauf verwiesen werden kann. Das kantonale Gericht hat sodann erwogen, dass gestützt auf die Angaben der Versicherten und die medizinischen Berichte nicht mit rechtsgenüglicher Sicherheit festgestellt werden könne, ob und allenfalls wie lange zwischen dem Unfallereignis und dem Auftreten der Schmerzen ein beschwerdefreies Intervall bestand, weshalb die Unfallkausalität aufgrund anderer Anhaltspunkte zu bestimmen sei. Angesichts der erst sieben Tage nach dem Unfall erfolgten ersten Arztkonsultation und der Ausführungen in den ärztlichen Berichten, welche unter anderem mehrere Hinweise auf ein nicht ausgeheiltes, vorbestehendes Rückenleiden beinhalteten, kam es zum Schluss, dass der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfallereignis und den geltend gemachten Beschwerden zwar als möglich erscheine, jedoch nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erstellt sei. Insbesondere könne nicht in genügendem Ausmass ausgeschlossen werden, dass die Verschlechterung der gesundheitlichen Situation auf eine bestehende Rückenproblematik zurückzuführen sei, welche bereits vor dem Unfall zu ähnlichen, akut aufgetretenen Beschwerden geführt habe.
3.- a) Bei der Beschwerdeführerin standen nach dem Unfall subjektiv Kopfschmerzen im Vordergrund. Dazu kamen ausstrahlende Schmerzen im Bereich Halswirbelsäule-Schulter-Lendenwirbelsäule, welche die Versicherte veranlassten, am 29. März 1996 einen Arzt aufzusuchen (SUVA-Rapport vom 5. Juli 1996, Logbuch, Arztzeugnis des Dr. med. B.________ vom 17. Juni 1996). Nach den Darlegungen des Dr. med. V.________ lassen die klinischen Befunde an der HWS isoliert betrachtet keine Rückschlüsse auf eine traumatische Ursache zu. Denn ein schmerzhaftes Cervicalsyndrom trete sehr oft spontan auf. Eine Verletzung der HWS sei bei der Versicherten nicht nachgewiesen worden. Die im CT festgestellte Protrusion der Bandscheibe C4/5 entspreche einer altersentsprechenden degenerativen Veränderung ohne jeglichen Krankheitswert. Für den SUVA-Arzt kommt daher dem Kriterium des erstmaligen Auftretens der Beschwerden entscheidende Bedeutung zu. Denn es sei bekannt, dass eine Weichteilverletzung der HWS nach Beschleunigungsmechanismen um so schwerwiegender und prognostisch ungünstiger sei, je früher nach dem Unfall Symptome einsetzten. Dabei müsse die natürliche Kausalität von Beschwerden verneint werden, wenn diese später als 3 Tage oder 72 Stunden nach dem Unfall aufgetreten seien. Bei einem erstmaligen Auftreten der Kopfschmerzen fünf Tage nach dem Unfall sei der natürliche Kausalzusammenhang als lediglich möglich zu erachten. Gehe man hingegen vom in der Einsprache geschilderten Ablauf aus, wonach die Kopfschmerzen am Tag nach dem Unfall auftraten und sich in den folgenden Tagen zu Schmerzen mit Ausstrahlung in den Nacken, Rücken und beide Schultern sowie eine empfindliche Bewegungseinschränkung des Kopfes steigerten, wäre der natürliche Kausalzusammenhang als wahrscheinlich zu erachten. Dr. med. L.________, welcher die natürliche Kausalität bejaht, setzt sich mit der Problematik des beschwerdefreien Intervalls nicht auseinander (Arztzeugnis vom 11. September 1996). Dr. med. H.________ äussert sich in seinem Bericht vom 16. August 1996 - soweit ersichtlich - nicht zur Unfallkausalität.
b) Das Eidgenössische Versicherungsgericht geht in seiner Rechtsprechung ebenfalls davon aus, dass die Beschwerden und medizinischen Befunde in der Halsregion oder an der Halswirbelsäule im Anschluss an ein Schleudertrauma der HWS binnen 24 bis höchstens 72 Stunden nach dem Unfall auftreten müssen, damit sie diesem zugerechnet werden können. Aufgrund der medizinischen Erkenntnisse über die Latenzzeit sei somit wichtig, was sich am Unfall- und an den folgenden Tagen zugetragen habe, wie genau Angaben des Verunfallten wiedergegeben würden und was die Ärzte abgeklärt oder sonstwie festgestellt und - auch zeitlich fixiert - festgehalten hätten (RKUV 2000 Nr. U 359 S. 29). Wie bereits die Vorinstanz zutreffend festgehalten hat, geben die Akten diesbezüglich zu Zweifeln Anlass. Unklar ist namentlich, weshalb Dr. med. B.________ den Beginn der Arbeitsunfähigkeit auf das Datum des Arztbesuches festlegte, obwohl die Beschwerdeführerin über bereits seit einigen Tagen bestehende Kopfschmerzen klagte und weshalb er den Zeitpunkt des erstmaligen Auftretens der Beschwerden nicht genauer erfragte. Ebensowenig ist ersichtlich, weshalb er gegenüber der Arbeitslosenversicherung am 1. April 1996 angab, die Versicherte sei ab 29. März 1996 bis auf weiteres voll arbeitsunfähig, während er im Arztzeugnis UVG vom 17. Juni 1996 eine 100 %-ige Arbeitsunfähigkeit von drei Tagen, beginnend ab 29. März 1996 vermerkte. Die Unfallkausalität lässt sich unter diesen Umständen nicht schwergewichtig über die Latenzzeit beurteilen, wie dies Dr. med. V.________ getan hat, sondern es müssen weitere Aspekte - wie der klinische Vorzustand des Rückens und eine allfällige richtunggebende Verschlimmerung dieser Problematik - miteinbezogen werden. Da auch die weiteren - nur fragmentarisch begründeten - ärztlichen Atteste keine abschliessende Beurteilung der Frage nach dem natürlichen Kausalzusammenhang zulassen, drängt sich eine differenzierte fachärztliche Untersuchung durch einen unabhängigen Experten auf. Zur Vornahme dieser ergänzenden Abklärung ist die Sache an die SUVA zurückzuweisen, welche gestützt auf die Erkenntnisse des Gutachters über ihre Leistungspflicht neu verfügen wird.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird in dem Sinne
gutgeheissen, dass der Entscheid des Sozialversiche-
rungsgerichts des Kantons Zürich vom 25. Oktober 1999
und der Einspracheentscheid der SUVA vom 16. April
1997 aufgehoben werden und die Sache an die SUVA
zurückgewiesen wird, damit sie, nach erfolgter Abklä-
rung im Sinne der Erwägungen, über den Leistungsan-
spruch neu verfüge.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Die SUVA hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren
vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Par-
teientschädigung von Fr. 2500.- zu bezahlen.
IV. Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wird
über eine Parteientschädigung für das kantonale Ver-
fahren entsprechend dem Ausgang des letztinstanzlichen
Prozesses zu befinden haben.
V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversiche-
rungsgericht des Kantons Zürich und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 25. Juli 2000
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer:
Die Gerichtsschreiberin: