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1P.475/2000/boh
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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14. August 2000
Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident der
I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter Nay, Bundesrichter
Féraud und Gerichtsschreiber Sassòli.
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In Sachen
B.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Mario Bortoluzzi, Münchhaldenstrasse 24, Postfach, Zürich,
gegen
Bezirksanwaltschaft Zürich, Büro C-4, Bezirksgericht Zürich, Haftrichteramt,
betreffend
Art. 5 Ziff. 4 EMRK
(Haftentlassung; Replikrecht), hat sich ergeben:
A.- B.________ wurde am 25. Juni 2000 verhaftet und vom Haftrichter des Bezirksgerichts Zürich am nächsten Tag wegen des Verdachts verschiedener Delikte, insbesondere des Raubes und von Verstössen gegen das Betäubungsmittelgesetz in Untersuchungshaft versetzt. Am 24. Juli 2000 stellte er ein Haftentlassungsgesuch. Die Bezirksanwaltschaft Zürich übermittelte dieses Gesuch am 25. Juli 2000 der Haftrichterin des Bezirksgerichts Zürich mit dem begründeten Antrag, es abzuweisen. Daraufhin wies die Haftrichterin das Haftentlassungsgesuch am 27. Juli 2000, um 11.00 Uhr ab.
B.- B.________ führt gegen die Verfügung der Haftrichterin staatsrechtliche Beschwerde und beantragt deren Aufhebung sowie eine Zurückweisung der Sache an die Haftrichterin zur Neubeurteilung. Er rügt eine Verletzung von Art. 5 Ziff. 4 EMRK, weil er keine Gelegenheit erhalten habe, zum begründeten Antrag der Bezirksanwaltschaft Stellung zu nehmen.
Die Haftrichterin und die Bezirksanwaltschaft verzichten auf eine Vernehmlassung.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Der Beschwerdeführer rügt eine Verletzung seines in Art. 5 Ziff. 4 EMRK vorgesehenen Anspruchs auf ein kontradiktorisches Haftprüfungsverfahren. Dazu ist er als Untersuchungsgefangener, dessen Haftentlassungsgesuch durch den an- gefochtenen Entscheid abgelehnt wurde, legitimiert (Art. 88 OG). Die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen sind ebenfalls erfüllt und geben zu keinen Bemerkungen Anlass.
2.- a) Nach der übereinstimmenden Praxis des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR) und des Bundesgerichtes gibt Art. 5 Abs. 4 EMRK dem Angeschuldigten im Haftprüfungsverfahren das Recht, zu jeder Vernehmlassung der Strafverfolgungsbehörde zu replizieren, und zwar unbekümmert darum, ob die Behörde neue Tatsachen vorbringt oder nicht (BGE 125 I 113 E. 2a S. 115; 116 Ia 295 E. 4a S. 300; 115 Ia 293 E. 4b S. 301; Urteil des EGMR i.S. Sanchez-Reisse c.
Schweiz vom 21. Oktober 1986, Série A, Band 107, Ziff. 51; vgl. auch Urteil des EGMR i.S. Nideröst-Huber c. Schweiz vom 18. Februar 1997, Recueil des arrêts et décisions 1997-I, S. 101 = VPB 61 [1997] Nr. 108, Ziff. 24 ff.; Andreas Donatsch, in: Donatsch/Schmid, Kommentar zur Strafprozessordnung des Kantons Zürich, Zürich 1996/98, § 61 N. 17).
§ 61 Abs. 1 des Zürcher Gesetzes betreffend den Strafprozess vom 4. Mai 1919 (StPO/ZH, LS 321) schreibt vor, dass der Haftrichter dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger Gelegenheit geben muss, sich zu den Vorbringen der Untersuchungsbehörde zu äussern. Im Lichte der erwähnten Praxis zu Art. 5 Ziff. 4 EMRK hat das Bundesgericht entschieden, dass diese Vorschrift nicht nur bei der Haftanordnung, sondern auch im Haftprüfungsverfahren zur Anwendung gelangen muss (vgl. Entscheid des Bundesgerichts vom 29. September 1995 i.S. C., E. 2a/aa in EuGRZ 1996 S. 469; Donatsch, a.a.O. § 61 N. 17 und § 64 N. 29 f.).
b) Die Haftrichterin hat dem Beschwerdeführer keine Gelegenheit eingeräumt, zur ausführlichen Vernehmlassung der Bezirksanwaltschaft zu seinem Haftentlassungsgesuch Stellung zu nehmen, sondern dieses unmittelbar abgelehnt. Damit hat sie Art. 5 Ziff. 4 EMRK offensichtlich verletzt.
3.- Aufgrund der formellen Natur des rechtlichen Gehörs führt dessen Verletzung ungeachtet der Erfolgsaussichten in der Sache selbst grundsätzlich zur Aufhebung des angefochtenen Entscheids (BGE 121 I 230 E. 2a S. 232). Allerdings kann eine Gehörsverweigerung unter bestimmten Voraussetzungen auch im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde geheilt werden (vgl. BGE 126 I 68 E. 2 S. 72 mit Hinweisen). Im vorliegenden Fall sind die Voraussetzungen für eine Heilung offensichtlich nicht erfüllt. Es ist daher nicht zu prüfen, welche Konsequenzen im Fall einer Heilungsmöglichkeit daraus zu ziehen wären, dass es der Beschwerdeführer unterlassen hat, sich vor Bundesgericht zur Stellungnahme der Bezirksanwaltschaft zu äussern.
4.- Bei diesem Ergebnis ist die Beschwerde nach Art. 36a Abs. 1 lit. c OG als offensichtlich begründet gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben. Die kantonale Behörde hat dem Beschwerdeführer das rechtliche Gehör zu gewähren und unverzüglich neu über seinen Haftentlassungsantrag zu entscheiden.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens sind keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). Der Kanton Zürich hat dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer jedoch eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten (Art. 159 OG). Der Antrag des Beschwerdeführers auf unentgeltliche Rechtspflege ist somit gegenstandslos.
Demnach erkennt das Bundesgericht
im Verfahren nach Art. 36a OG:
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen und der Entscheid der Haftrichterin des Bezirksgerichts Zürich vom 27. Juli 2000 aufgehoben.
2.- Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
3.- Der Kanton Zürich hat den Beschwerdeführer für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 800.-- zu entschädigen.
4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Bezirksanwaltschaft Zürich, Büro C-4, und dem Bezirksgericht Zürich, Haftrichteramt, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 14. August 2000
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Der Gerichtsschreiber: