BGer 2P.85/2000 |
BGer 2P.85/2000 vom 18.08.2000 |
[AZA 0]
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2P.85/2000/leb
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II. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG ***********************************
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18. August 2000
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Es wirken mit: Bundesrichter Wurzburger, Präsident der
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II. öffentlichrechtlichen Abteilung, Hartmann, Müller und
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Gerichtsschreiber Fux.
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In Sachen
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A.________, Beschwerdeführer,
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gegen
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Arbeitsamt der Stadt Zürich, Arbeitslosenhilfe, Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, I. Kammer,
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betreffend
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Arbeitslosenhilfe; Verzugszins
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(Art. 4 aBV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK),
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wird festgestellt und in Erwägung gezogen:
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1.- A.________ war am 5. Dezember 1994 als Arbeitsloser ausgesteuert. Mit Schreiben vom 22. Juni 1996 verlangte er Arbeitslosenhilfe für die Maximaldauer von 150 Tagen (6. Dezember 1994 bis 3. Juli 1995), zumindest aber für die Zeitperiode, in der er der Stempelkontrolle nachgekommen sei.
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Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich stellte (als letzte kantonale Instanz) mit Urteil vom 29. Februar 2000 fest, die Ansprüche für die Monate Dezember 1994 bis Juli 1995 seien am Tag der Gesuchseinreichung bereits erloschen gewesen, weil sie nicht je innerhalb von drei Monaten seit Ende der jeweiligen Kontrollperioden geltend gemacht worden seien. Für die in die Zeit vom 6. April 1995 bis Anfang Juli 1995 fallenden Ansprüche lägen keine entschuldbaren Gründe für die verspätete Geltendmachung vor, weshalb eine Fristwiederherstellung ausgeschlossen sei. Für die Zeit vom 6. Dezember 1994 bis 5. April 1995 anerkannte das Sozialversicherungsgericht hingegen solche Gründe, stellte die Frist für die Geltendmachung der entsprechenden Ansprüche wieder her und sprach dem Rekurrenten Taggelder der Arbeitslosenhilfe zu. Die vom Rekurrenten verlangten Verzugszinsen auf seiner Taggeldforderung lehnte es jedoch ab.
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Gegen dieses Urteil hat A.________ am 14. April 2000 staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht erhoben.
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Er rügt eine Verletzung von Art. 4 aBV sowie von Art. 6 Ziff. 1 EMRK.
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2.-Der Beschwerdeführer hat gegen sämtliche Mitglieder der II. öffentlichrechtlichen Abteilung sowie gegen einen Ersatzrichter ein Ausstandsgesuch gestellt (Art. 22 ff. OG).
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Dieses wurde mit Beschluss der I. öffentlichrechtlichen Abteilung vom 17. Mai 2000 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
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3.- a) Auf den Antrag des Beschwerdeführers, die Sache sei zur Neubeurteilung in einem Art. 6 EMRK gerecht werdenden Verfahren an das Sozialversicherungsgericht zurückzuweisen, kann schon wegen der grundsätzlich rein kassatorischen Natur der staatsrechtlichen Beschwerde nicht eingetreten werden (BGE 125 I 104 E. 1b S. 107, mit Hinweisen).
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b) Gemäss Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze inwiefern durch den angefochtenen Entscheid verletzt worden sind. Das Bundesgericht wendet im Verfahren der staatsrechtlichen Beschwerde das Recht nicht von Amtes wegen an, sondern prüft nur klar erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen (BGE 110 Ia 1 E. 2 S. 3 f.; 122 I 70 E. 1c S. 73, mit Hinweis). Wird - wie hier - eine Verletzung des Willkürverbots geltend gemacht, muss der Beschwerdeführer anhand der angefochtenen Begründung im Einzelnen darlegen, welche Vorschriften oder allgemein anerkannten Rechtsgrundsätze die kantonalen Behörden in einer gegen Art. 4 aBV verstossenden Weise verletzt ha-ben sollen (BGE 117 Ia 10 E. 4b S. 11 f., mit Hinweis). Auf bloss allgemein gehaltene, appellatorische Kritik tritt das Bundesgericht nicht ein (BGE 107 Ia 186 E. b), da die staatsrechtliche Beschwerde nicht einfach das kantonale Verfahren weiterführt (BGE 117 Ia 393 E. 1c S. 395).
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c) Nach ständiger Rechtsprechung ist ein Entscheid willkürlich, wenn er offensichtlich unhaltbar ist, zur tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft (BGE 125 I 166 E. 2a S. 168; 125 II 129 E. 5b S. 134, je mit Hinweisen).
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d) Der Beschwerdeführer beruft sich auf verschiedene Teilgehalte von Art. 4 aBV (Verbot des überspitzten Formalismus, des Rechtsgleichheitsgebots, des Willkürverbots, des Grundsatzes von Treu und Glauben sowie des Anspruchs auf rechtliches Gehör). Was er zur Begründung jeweils vorbringt, erschöpft sich aber im Ergebnis in einem Willkürvorwurf, so dass den einzelnen Rügen daneben keine selbständige Bedeutung zukommt. Die weitschweifigen Ausführungen genügen insgesamt den aufgezeigten Erfordernissen des Art. 90 Abs. 1 lit. b OG kaum und vermögen im Übrigen das angefochtene Urteil nicht als willkürlich im Sinn der Rechtsprechung oder als konventionswidrig erscheinen zu lassen.
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4.- a) Die Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe für die Monate Dezember 1994 bis Juli 1995 waren nach dem einschlägigen kantonalen Recht am 22. Juni 1996, als der Beschwerdeführer sie erstmals geltend machte, bereits erloschen gewesen (vgl. im Einzelnen §§ 6 ff. des Zürcher Gesetzes vom 3. März 1991 über Leistungen an Arbeitslose; Art. 20 Abs. 3 des hier sinngemäss als kantonales Recht anwendbaren Bundesgesetzes vom 25. Juni 1982 über die obligatorische Arbeitslosenversicherung und die Insolvenzentschädigung; Arbeitslosenversicherungsgesetz, AVIG; SR 837. 0). Das wird auch vom Beschwerdeführer nicht bestritten. Wenn das Sozialversicherungsgericht erkannte, eine Fristwiederherstellung für die in die Zeit vom 6. April 1995 bis Anfang Juli 1995 fallenden Ansprüche sei ausgeschlossen, weil es dem Beschwerdeführer ohne weiteres möglich gewesen wäre, diese rechtzeitig, d.h.
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innert dreier Monate nach dem Ende der jeweiligen Kontrollperiode (Art. 20 Abs. 3 AVIG), geltend zu machen, so ist das nicht willkürlich. Tatsächlich wusste der Beschwerdeführer um seine Aussteuerung per 5. April 1995 (wenn auch nachträglich korrigiert auf den 5. Dezember 1994), war ihm doch für diesen Monat nur noch eine geringe Arbeitslosenentschädigung ausbezahlt worden und war er zudem mit Meldung der Arbeitslosenkasse des Kantons Zürich vom 26. Mai 1995 nochmals über die Aussteuerung und die Möglichkeit zum Bezug von Arbeitslosenhilfe informiert worden. Damit blieb aber höchstens noch für die Zeit vor dem 6. April 1995 überhaupt Raum für allfällige Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe. Das Sozialversicherungsgericht ist deshalb weder in überspitzten Formalismus noch sonstwie in Willkür verfallen, wenn es dem Beschwerdeführer Ansprüche für die Zeit vom 6. Dezember 1994 bis 5. April - und nicht bis 30. April - 1995 zusprach. Da sich die massgebenden Daten und die rechtserheblichen Umstände aus den Akten ergaben, konnte das Sozialversicherungsgericht ferner von weiteren Beweiserhebungen absehen, ohne dadurch verfassungs- oder konventionsgeschützte Rechte des Beschwerdeführers zu beeinträchtigen. Dieser macht zwar geltend, ihm hätte auch für die Zeit vom 6. April bis
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30. April 1995 Arbeitslosenhilfe zugestanden, doch kritisiert er das Urteil des Sozialversicherungsgerichts rein appellatorisch und setzt sich mit der ausführlichen Begründung im angefochtenen Entscheid nicht auseinander. Im Übrigen widerspricht er sich selber, wenn er an einer Stelle behauptet, er habe "erwiesenermassen seine Kontrollpflicht für die gesamte Zeit bis zum 30. April 1995 erfüllt" (Beschwerde, S. 9), und an anderer Stelle ausführt, er habe "ja die Kontrollvorschriften ab 1.1.95 gar nicht mehr erfüllt" (Beschwerde S. 27). Ob die Kontrollvorschriften nun eingehalten wurden oder nicht, ist freilich unerheblich, da das Sozialversicherungsgericht wie gesagt ohne jede Willkür davon ausgehen durfte, dass allfällige Ansprüche für die Zeit nach dem 5. April 1995 ohnehin erloschen waren und auch keine Fristwiederherstellung möglich war.
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b) Das Sozialversicherungsgericht lehnte den vom Beschwerdeführer verlangten Verzugszins auf seiner Taggeldforderung ab, weil das anwendbare Recht keine Verzugszinse vorsehe und auch keine besonderen Umstände im Sinn der bundesgerichtlichen Rechtsprechung (BGE 119 V 78 E. 3a S. 81) vorlägen. Wohl habe das (damalige) Kantonale Amt für Industrie, Gewerbe und Arbeit den Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung für die Monate März, April und Mai 1994 vorerst verneint; nachdem der Beschwerdeführer die erforderlichen Unterlagen nachträglich eingereicht habe, habe es ihn jedoch anerkannt. Den Angaben des Beschwerdeführers lasse sich nicht entnehmen, inwiefern darin ein widerrechtliches und schuldhaftes Vorgehen erblickt werden könnte, weshalb sich der Beizug weiterer Akten erübrige. Einzuräumen sei auch, dass das erwähnte Amt das Gesuch des Beschwerdeführers vom 22. Juni 1996 richtigerweise an die zuständige Stelle (Arbeitsamt der Stadt Zürich) hätte weiterleiten müssen; mit dem Schreiben vom 2. Juli 1996 sei es dann aber seiner Pflicht zur sorgfältigen Aufgabenerfüllung dennoch nachgekommen.
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Das Arbeitsamt seinerseits habe die Angelegenheit sofort nach Kenntnis (am 15. Juli 1997) an die Hand genommen und innert nützlicher Frist geprüft. Insgesamt könne somit nicht von "widerrechtlichen und trölerischen Machenschaften der beteiligten Verwaltungsorgane" ausgegangen werden.
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Diese Begründung, mit der sich der Beschwerdefüh-rer wiederum nicht rechtsgenügend auseinandersetzt, ist jedenfalls nicht offensichtlich unhaltbar. Insbesondere liegt keine Willkür darin, dass das Sozialversicherungsgericht das fragliche Schreiben vom 2. Juli 1996 mitberücksichtigt hat, obwohl der Beschwerdeführer es angeblich nie erhalten hatte:
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das Schreiben befand sich tatsächlich bei den Akten und durfte somit als Beleg dafür gewertet werden, dass das betreffende Amt tätig geworden war. Einzig darum ging es in diesem Zusammenhang; mit einer unzulässigen Umkehr der Beweislast hat dies nichts zu tun. Die Behauptung des Beschwerdeführers, ohne die "widerrechtliche Unterlassung" jenes Amtes wäre das Verfahren "mindestens um zwei Jahre früher beendet gewesen", entbehrt jeglicher Grundlage, zu-mal er selber hätte nachfragen können, nachdem er auf sein Gesuch vom 22. Juni 1996 angeblich keine Antwort erhielt; stattdessen erneuerte er sein Gesuch (ebenfalls an die unzuständige Stelle) erst am 2. Juni 1997. Der Verfahrensablauf bezüglich der streitigen Ansprüche auf Arbeitslosenhilfe sowie das Verhalten der beteiligten Behörden standen auf Grund der Akten fest, weshalb das Sozialversicherungsgericht auch zur Frage, ob allenfalls ein widerrechtliches Verhalten angenommen werden müsse, keine zusätzlichen Beweismittel abzunehmen brauchte.
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c) Der Beschwerdeführer rügt als Verstoss gegen Art. 6 Ziff. 1 EMRK eine "überlange Verfahrensdauer". Durch den Entscheid in der Sache ist das aktuelle praktische Interesse an der Beurteilung dieser Rüge indessen dahingefallen, weshalb darauf nicht einzutreten ist. Soweit im Übrigen der Beschwerdeführer seinerseits untätig blieb, indem er etwa mit der Erneuerung seines Begehrens um Arbeitslosenhilfe beinahe ein Jahr zuwartete oder nicht um Beschleunigung des gerichtlichen Verfahrens ersuchte, könnte die lange Verfahrensdauer ohnehin nicht den Gerichten angelastet werden.
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d) Der Beschwerdeführer rügt, dass entgegen der zwingenden Vorschrift von Art. 6 Ziff. 1 EMRK keine öffentliche Urteilsverkündung stattgefunden habe. Im Verfahren vor dem Sozialversicherungsgericht hatte er indessen ausdrücklich bloss die Durchführung einer öffentlichen Verhandlung verlangt; diese wurde am 2. Februar 2000 durchgeführt. Darin ist ein (stillschweigender) Verzicht auf die öffentliche Verkündung des Urteils zu erblicken, zumal eine solche nach dem anwendbaren kantonalen Recht, das dem Rechtsvertreter des Beschwerdeführers bekannt sein musste, nicht üblich und damit nicht selbstverständlich zu erwarten ist (vgl. § 27 des Zürcher Gesetzes vom 7. März 1993 über das Sozialversicherungsgericht).
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e) Das Sozialversicherungsgericht erhob keine Verfahrenskosten; es verpflichtete jedoch das Arbeitsamt der Stadt Zürich, im Rahmen des Unterliegens dem unentgeltlichen Rechtsvertreter des Beschwerdeführers eine Prozessentschädigung zu bezahlen (Fr. 2'160.--), und richtete jenem zudem aus der Gerichtskasse eine Entschädigung von Fr. 785.-- ("Honorar und Auslagenersatz, inkl. Mehrwertsteuer") aus.
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Der Beschwerdeführer verlangt, das angefochtene Urteil sei insoweit aufzuheben, als ihm, dem Beschwerdeführer, ein "Anteil an den Honorarkosten in Höhe von Fr. 785.-- für die unentgeltliche Rechtsvertretung" auferlegt worden sei.
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Abgesehen davon, dass Willkür im wiedergegebenen Kostenspruch weder ersichtlich ist noch behauptet wird, ist auch das Rechtsbegehren selber nicht genügend begründet. Es ist darauf schon deshalb nicht einzutreten, womit offen bleiben kann, ob der Beschwerdeführer diesbezüglich überhaupt ein rechtlich geschütztes Interesse hätte (vgl. Art. 88 OG).
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5.- Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich damit, soweit überhaupt darauf einzutreten ist, als unbegründet.
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Entsprechend diesem Verfahrensausgang hat der Beschwerdeführer die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 153 und 153a OG).
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Seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit der Rechtsbegehren nicht entsprochen werden (Art. 152 Abs. 1 OG). Sein Gesuch um unentgeltliche Verbeiständung für den Fall einer mündlichen und öffentlichen Verhandlung vor Bundesgericht ist gegenstandslos, weil auf dem Weg der Aktenzirkulation entschieden wird.
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Eine Parteientschädigung ist nicht geschuldet (Art. 159 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht
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im Verfahren nach Art. 36a OG:
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1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
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3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Arbeitsamt (Arbeitslosenhilfe) der Stadt Zürich und dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 18. August 2000
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Im Namen der II. öffentlichrechtlichen Abteilung
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident:
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Der Gerichtsschreiber:
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