Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
[AZA 1/2]
1A.125/2000/hzg
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
**********************************
23. August 2000
Es wirken mit: Bundesrichter Aemisegger, Präsident
der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Aeschlimann, Ersatzrichterin Geigy-Werthemann und Gerichtsschreiber Pfäffli.
---------
In Sachen
Gemeinde Samnaun, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Gieri Caviezel, Vazerolgasse 2, Postfach 731, Chur,
gegen
Departement des Innern und der VolkswirtschaftG r a u b ü n d e n, Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Kammer 4,
betreffend
Anbau einer WC-Anlage, hat sich ergeben:
A.- Die Gemeinde Samnaun beabsichtigt den Anbau einer WC-Anlage an den bestehenden, ausserhalb der Bauzone gelegenen Kontrollraum der Talstation des Skilifts Musella, die sich in der Gefahrenzone 1 befindet. Mit Verfügung vom 7. Oktober 1999 lehnte das Departement des Innern und der Volkswirtschaft Graubünden das Gesuch ab.
B.- Gegen diese Verfügung erhob die Gemeinde Samnaun Rekurs an das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden. Mit Entscheid vom 16. Dezember 1999 wies die 4. Kammer des Verwaltungsgerichts den Rekurs ab. Zur Begründung verwies das Verwaltungsgericht auf Art. 17 Abs. 1 der Raumplanungsverordnung für den Kanton Graubünden vom 26. November 1986 (KRVO), wonach in der Gefahrenzone 1 keine Bauten erstellt und erweitert werden dürfen, die dem Aufenthalt von Mensch und Tier dienen. Die Ablehnung des Bauvorhabens sei auch unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit nicht zu beanstanden.
C.- Die Gemeinde Samnaun hat am 6. April 2000 gegen diesen Entscheid des Verwaltungsgerichts Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht eingereicht. Sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und es sei ihrem Bauvorhaben zuzustimmen. Zur Begründung wird ausgeführt, für standortgebundene Bauten bestehe innerhalb der Gefahrenzone 1 kein generelles Bauverbot. Nach Sinn und Zweck von Art. 17 Abs. 1 KRVO verbiete diese Bestimmung nur Bauten, die das Gefahrenpotential für Mensch und Tier erhöhen. Beim vorliegend geplanten WC-Anbau an die seit langem bestehende Talstation des Skilifts werde kein neues Gefahrenpotential geschaffen. Ein Aufenthalt im Sinne von Art. 17 Abs. 1 KRVO sei darin nicht vorgesehen. Die Anlage entspreche einem echten Bedürfnis.
D.- Das Departement des Innern und der Volkswirtschaft Graubünden stellt in seiner Vernehmlassung den Antrag, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden beantragt, die Verwaltungsgerichtsbeschwerde sei abzuweisen, soweit darauf einzutreten ist. Das Bundesamt für Raumentwicklung hat auf eine Stellungnahme verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- a) Gemäss Art. 34 Abs. 2 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (RPG; SR 700) sind die Kantone und Gemeinden berechtigt, gegen Entscheide letzter kantonaler Instanzen über Bewilligungen im Sinne von Art. 24 RPG beim Bundesgericht Verwaltungsgerichtsbeschwerde zu führen. Der angefochtene Entscheid betrifft unbestrittenermassen ein Gesuch zur Errichtung einer Baute ausserhalb der Bauzone im Sinne von Art. 24 Abs. 1 RPG. Die Beschwerdeführerin, deren Baugesuch für einen Anbau ausserhalb der Bauzone von den kantonalen Instanzen abgewiesen worden ist, ist somit zur Verwaltungsgerichtsbeschwerde gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid des Verwaltungsgerichts legitimiert (Art. 103 lit. c OG).
b) Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts stützt sich nicht auf Art. 24 RPG, sondern auf Art. 17 der Raumplanungsverordnung für den Kanton Graubünden vom 26. November 1986 (KRVO). Obwohl es sich dabei um kantonales Recht handelt, welches als Ausführungsrecht zu Art. 24 RPG zu betrachten ist, sind darauf gestützte Verfügungen wegen des Sachzusammenhangs mit Art. 24 RPG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde anzufechten (BGE 116 Ib 8 E. 1).
c) Das Bundesgericht prüft im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde frei, ob das entsprechende kantonale Ausführungsrecht sich an den Rahmen von Art. 24 RPG hält. Ist das der Fall, so wird die weitere Prüfung der Anwendung dieses kantonalen Rechts zwar ebenfalls im Rahmen der Verwaltungsgerichtsbeschwerde durchgeführt. Soweit dabei selbständiges kantonales Recht in Frage steht, richtet sich die Kognition des Bundesgerichts indessen nach den für die staatsrechtliche Beschwerde geltenden Grundsätzen (BGE 116 Ib 8 E. 1 mit Hinweisen).
2.- Mit der Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Beschwerdeführerin eine Verletzung von Bundesrecht einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens sowie unrichtige oder unvollständige Feststellung des rechtserheblichen Sachverhalts rügen (Art. 104 lit. a und b OG). Allerdings ist das Bundesgericht an die Sachverhaltsfeststellung des Verwaltungsgerichts gebunden, soweit sie nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen zustande gekommen ist (Art. 105 Abs. 2 OG).
3.- Gemäss Art. 24 Abs. 1 RPG können Bewilligungen für die Errichtung von Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen erteilt werden, wenn der Zweck der Bauten und Anlagen einen Standort ausserhalb der Bauzone erfordert (lit. a) und keine überwiegenden Interessen entgegenstehen (lit. b). Beide Voraussetzungen müssen kumulativ erfüllt sein (BGE 124 II 252 E. 4 mit Hinweis).
a) Das Departement des Innern und der Volkswirtschaft Graubünden hat für den von der Beschwerdeführerin geplanten Anbau einer WC-Anlage an die Talstation des Skilifts Musella die Frage der Standortgebundenheit gemäss Art. 24 Abs. 1 lit. a RPG sowie Art. 6 KRVO bejaht, was auch vom Verwaltungsgericht nicht in Frage gestellt wird.
Die Anlage könnte daher, wie das Departement ausdrücklich festgehalten hat, bewilligt werden, sofern keine überwiegenden Interessen gemäss Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG entgegenstehen.
Als solche haben jedoch beide kantonalen Instanzen den Umstand gewertet, dass sich der Standort der geplanten Anlage in einer Zone mit hoher Gefahr (Gefahrenzone 1) befindet, in welcher gemäss Art. 17 Abs. 1 KRVO keine Bauten erstellt oder erweitert werden dürfen, die dem Aufenthalt von Menschen und Tieren dienen.
b) Die kantonalen Instanzen sind ohne weiteres davon ausgegangen, dass die WC-Anlage dem Aufenthalt von Menschen dienen soll, wobei das Verwaltungsgericht ergänzend ausgeführt hat, es liege auf der Hand, dass sich die Benützer der geplanten Anlage länger an Ort und Stelle aufhalten als Personen, welche nur den Skilift benützen.
Die Beschwerdeführerin stellt dies in Abrede und macht geltend, die WC-Anlage werde lediglich durch Personen benutzt, die sich sowieso schon beim Skilift aufhalten. Ein zusätzliches Gefahrenpotential für Menschen würde dadurch nicht entstehen. Dem ist entgegen zu halten, dass nicht auszuschliessen ist, dass sich auch Personen ausschliesslich zwecks Benutzung der WC-Anlage in den Bereich des Skilifts begeben könnten. Ferner könnte es vorkommen, dass beispielsweise bei Unwettern die WC-Anlage auch länger aufgesucht wird als dies von ihrer Zweckbestimmung her erforderlich wäre. Eine potentielle zusätzliche Gefährdung lässt sich somit nicht von vornherein ausschliessen.
c) Art. 17 Abs. 1 KRVO unterscheidet nicht zwischen längerem und kurzem Aufenthalt, sondern verbietet in der Zone mit hoher Gefahr Bauten, die dem Aufenthalt von Menschen und Tieren dienen, schlechthin. Das Verwaltungsgericht ist dementsprechend davon ausgegangen, dass mit Ausnahme von Unterhaltsarbeiten in der Gefahrenzone 1 jegliche bauliche Vorkehren verboten sind, welche dem Aufenthalt von Menschen und Tieren dienen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts ist eine Bestimmung in erster Linie nach ihrem Wortlaut auszulegen. Ist der Text nicht ganz klar und sind verschiedene Auslegungen möglich, so muss unter Berücksichtigung aller Auslegungselemente, namentlich des Zwecks, des Sinnes und der dem Text zugrunde liegenden Wertung nach seiner wahren Tragweite gesucht werden (BGE 125 II 192 E. 3a S. 196; 124 V 29 E. 4b S. 36). Dafür, dass von Art. 17 Abs. 1 KRVO nur längere Aufenthalte betroffen sein sollen, wie die Beschwerdeführerin annimmt, fehlt jeder Anhaltspunkt.
Die Bestimmung bezweckt zu verhindern, dass Menschen oder Tiere durch den Aufenthalt in Bauten in der Gefahrenzone 1 zu Schaden kommen. Um dieser Zweckbestimmung nachzukommen, rechtfertigt es sich, den Begriff des Aufenthalts eng auszulegen. Wie das Departement des Innern und der Volkswirtschaft in seiner Vernehmlassung zutreffend feststellt, lässt nur eine konsequente und restriktive Anwendung dieser Bestimmung den in den Zonen mit hoher Gefahr immanenten Gefahren wirksam begegnen.
4.- Gemäss Art. 16 KRVO wird die Gefahrenzone in zwei Stufen eingeteilt, nämlich in eine Gefahrenzone hoher Gefahr und eine solche geringer Gefahr. Der zur Diskussion stehende Anbau soll unbestrittenermassen in einer Zone mit hoher Gefahr errichtet werden. In einer solchen Gefahrenzone 1 dürfen gemäss Art. 17 Abs. 1 KRVO keine Bauten erstellt oder erweitert werden, die dem Aufenthalt von Menschen und Tieren dienen. Dass keine Bauten erstellt werden, wo wegen drohender Naturgewalten Menschen oder Tiere zu Schaden kommen könnten, ist als eines der wichtigen Anliegen der Raumplanung und damit als überwiegendes Interesse im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. b RPG zu betrachten (vgl.
nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 19. August 1991 i.S. C. c. Gemeinde Maladers E. 3b). Dieses Interesse überwiegt das zweifellos bestehende Interesse der Beschwerdeführerin, beziehungsweise des Personals und der Benützer ihres Skilifts Musella, an der Errichtung der geplanten WC-Anlage. In der Gefahrenzone 1 erweckt bereits der hier nicht zur Diskussion stehende Betrieb eines Skilifts Bedenken. Hinzu kommt, wie bereits das Verwaltungsgericht in seinem Entscheid festgestellt hat, dass sich die fragliche Skiliftstation in unmittelbarer Nähe der Bauzone befindet.
Den Benützern der Skiliftanlage kann daher zugemutet werden, in der Bauzone gelegene WC-Anlagen aufzusuchen. Die Ablehnung der geplanten WC-Anlage ist wegen der ihr entgegenstehenden wichtigen Anliegen der Raumplanung nicht zu beanstanden.
5.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich daher als unbegründet und ist abzuweisen.
Bei diesem Ausgang des Verfahrens hat die Beschwerdeführerin die bundesgerichtlichen Kosten zu tragen (Art. 156 Abs. 1 OG). Es besteht kein Anlass, sie in Anwendung von Art. 156 Abs. 2 OG von der Übernahme der Gerichtskosten zu befreien. Der Betrieb eines Skilifts bzw. der an dessen Talstation geplante Anbau einer WC-Anlage gehören nicht zum amtlichen Wirkungskreis der Beschwerdeführerin.
Zudem ist davon auszugehen, dass zwar nicht mit der geplanten WC-Anlage, wohl aber mit dem Betrieb des Skilifts, zu dessen Komfort die WC-Anlage dienen soll, ein Vermögensinteresse der Beschwerdeführerin verbunden ist.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 1'500.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
3.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Departement des Innern und der Volkswirtschaft Graubünden und dem Verwaltungsgericht des Kantons Graubünden, Kammer 4, sowie dem Bundesamt für Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.
______________
Lausanne, 23. August 2000
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Der Gerichtsschreiber: