BGer I 742/1999
 
BGer I 742/1999 vom 02.11.2000
[AZA 7]
I 742/99 Vr
III. Kammer
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer;
Gerichtsschreiberin Riedi Hunold
Urteil vom 2. November 2000
in Sachen
C.________, 1945, Beschwerdeführerin, vertreten durch lic.
iur. Thomas Pap, Talstrasse 40, Arlesheim,
gegen
IV-Stelle Basel-Landschaft, Hauptstrasse 109, Binningen,
Beschwerdegegnerin,
und
Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft, Liestal
A.- Die 1945 geborene C.________, welche über die Aufenthaltsbewilligung C verfügt, arbeitete seit 3. Januar 1972 bei der Y.________ AG. Ab 24. Mai 1994 blieb sie der Arbeit aus gesundheitlichen Gründen zu 50 % und ab 15. August 1994 zu 100 % fern. Nach stationärer Behandlung im August und September 1994 musste sie sich am 19. Januar 1995 einer Diskushernienoperation unterziehen. Mit Schreiben vom 14. Februar 1995 wurde ihr die Stelle vom Arbeitgeber auf Ende Mai 1995 gekündigt. Am 22. Mai 1995 meldete sich C.________ bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die IV-Stelle Basel-Landschaft holte nebst einem Bericht des Arbeitgebers ein Gutachten vom 31. Oktober 1995 ein, in welchem Dr. med. H.________, Spezialarzt für orthopädische Chirurgie, ein lumboischialgisches Schmerzsyndrom bei degenerativen Veränderungen lumbosakral sowie bei Status nach Diskushernienoperation feststellte und eine Tätigkeit ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und in wechselnder Position bei Vermeidung irgendwelcher Arbeiten in Zwangshaltung halbtags für zumutbar hielt. Daraufhin ermittelte die IV-Stelle einen Invaliditätsgrad von 54 %. Demgemäss sprach sie C.________ mit Verfügung vom 12. November 1996 eine halbe Invalidenrente ab 1. Mai 1995 zu.
B.- In ihrer hiegegen erhobenen Beschwerde liess C.________ unter Hinweis auf ein Gutachten des Dr. med. S.________, Spezialarzt für Innere Medizin und Rheumaerkrankungen, vom 26. November 1996, wonach ein lumbo-radikuläres Restsyndrom S1 links bei Status nach Diskushernienoperation, ein reaktives weichteilrheumatisches Syndrom sowie eine Instabilität lumbosakral diagnostiziert und eine Arbeitsunfähigkeit von 100 % attestiert wurden, die Ausrichtung einer ganzen Invalidenrente beantragen. Ein von der IV-Stelle veranlasstes Gutachten der Dres. med. W.________, Assistenzarzt, und A.________, Oberarzt, Rheumatologische Klinik, Spital X.________, vom 7. Januar 1998 kam zum Schluss, dass C.________ an einem chronischen lumbospondylogenen Schmerzsyndrom links bei Fehlhaltung der Wirbelsäule, beginnenden degenerativen Veränderungen, muskulärer Dekonditionierung und Status nach Diskushernienoperation leide; eine leichte Arbeit mit Möglichkeit zur Wechselbelastung, ohne Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und ohne repetitives Überkopfarbeiten sei ihr halbtags zumutbar. C.________ gab einen weiteren Bericht des Dr. med. S.________ vom 30. April 1998 zu den Akten, in welchem er im Wesentlichen seine Schlussfolgerungen im Gutachten vom 26. November 1996 wiederholte.
Mit Entscheid vom 13. Oktober 1999 wies das Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft die Beschwerde ab.
C.- Hiegegen lässt C.________ Verwaltungsgerichtsbeschwerde einreichen und die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheids sowie die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente, eventualiter die Einholung eines weiteren medizinischen Gutachtens beantragen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Nach ständiger Rechtsprechung beurteilt das Sozialversicherungsgericht die Rechtmässigkeit der Verwaltungsverfügungen in der Regel nach dem Sachverhalt, der bis zum Zeitpunkt des Verfügungserlasses eingetreten war (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen). Tatsachen, die jenen Sachverhalt seither verändert haben, sollen im Normalfall Gegenstand einer neuen Verwaltungsverfügung sein (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweis).
2.- a) Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und Abs. 1bis IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG und Art. 25 Abs. 1 IVV) sowie die Bedeutung ärztlicher Auskünfte für die Invaliditätsbemessung (BGE 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.
b) Führen die von Amtes wegen vorzunehmenden Abklärungen die Verwaltung oder das Gericht bei pflichtgemässer Beweiswürdigung zur Überzeugung, ein bestimmter Sachverhalt sei als überwiegend wahrscheinlich zu betrachten und es könnten weitere Beweismassnahmen an diesem feststehenden Ergebnis nichts mehr ändern, so ist auf die Abnahme weiterer Beweise zu verzichten (antizipierte Beweiswürdigung; Kieser, Das Verwaltungsverfahren in der Sozialversicherung, S. 212, Rz 450; Kölz/Häner, Verwaltungsverfahren und Verwaltungsrechtspflege des Bundes, 2. Aufl. , S. 39, Rz 111 und S. 117, Rz 320; Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. , S. 274; vgl. auch BGE 122 II 469 Erw. 4a, 122 III 223 Erw. 3c, 120 Ib 229 Erw. 2b, 119 V 344 Erw. 3c mit Hinweis).
In einem solchen Vorgehen liegt kein Verstoss gegen das rechtliche Gehör gemäss Art. 4 Abs. 1 BV (BGE 124 V 94 Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d mit Hinweis). Diese Rechtsprechung gilt auch unter der Herrschaft von Art. 29 Abs. 2 der auf den 1. Januar 2000 in Kraft getretenen BV (nicht veröffentlichtes Urteil S. vom 8. Februar 2000 [I 362/99]).
3.- a) Streitig ist, ob die Beschwerdeführerin anstelle der halben eine ganze Invalidenrente beanspruchen kann.
b) Die Vorinstanz legte ihrem Entscheid die Berichte des Dr. med. H.________ vom 31. Oktober 1995, des Dr. med. S.________ vom 26. November 1996 und vom 30. April 1998 sowie der Dres. med. W.________ und A.________ vom 7. Januar 1998 zugrunde, wobei sie in Würdigung der ärztlichen Stellungnahmen zum Ergebnis gelangte, dass der Versicherten eine leidensangepasste Erwerbstätigkeit im Ausmass von 50 % einer Vollzeitbeschäftigung zumutbar wäre.
c) Die hiegegen erhobenen Einwendungen sind nicht stichhaltig. Entgegen der Beschwerdeführerin stellen die von der IV-Stelle bei versicherungsexternen Ärzten eingeholten Stellungnahmen keine Parteigutachten dar (BGE 125 V 353 Erw. 3b/bb; nicht veröffentlichtes Urteil V. vom 24. Januar 2000 [I 128/98]). Hingegen sind die von der Versicherten veranlassten und bei der Vorinstanz aufgelegten Berichte des Dr. med. S.________ vom 26. November 1996 und 30. April 1998 Parteigutachten. Zwar kommt ihnen nicht derselbe Rang zu wie den von der IV-Stelle in Auftrag gegebenen Gutachten. Dessen ungeachtet verpflichten sie aber den Richter zur Prüfung, ob sie in rechtserheblichen Fragen die Auffassung und Schlussfolgerungen einer von der IV-Stelle im Rahmen des Abklärungsverfahrens eingeholten Expertise derart zu erschüttern vermögen, dass davon abzuweichen ist (BGE 125 V 354 Erw. 3c; nicht veröffentlichtes Urteil V. vom 24. Januar 2000 [I 128/98]).
Die Berichte des Dr. med. S.________ sind nicht geeignet, die Schlussfolgerungen der von der IV-Stelle beauftragten Gutachter Dr. med. H.________ und Dres. med. W.________ und A.________ zu entkräften: Zum einen stimmen sie mit der Diagnose der Gutachter überein, zum anderen begründet Dr. med. S.________ nicht, weshalb der Beschwerdeführerin überhaupt keine Arbeit mehr zugemutet werden kann. Auch fallen seine Berichte eher knapp aus. Zum anderen ist sodann der Tatsache Rechnung zu tragen, dass Dr. med. S.________ im Anmeldeformular als Hausarzt bezeichnet worden war und dass Hausärzte mitunter im Hinblick auf ihre auftragsrechtliche Vertrauensstellung in Zweifelsfällen eher zu Gunsten ihrer Patienten aussagen (BGE 125 V 353 Erw. 3b/cc mit Hinweisen). Da der rechtserhebliche medizinische Sachverhalt umfassend abgeklärt wurde und von weiteren Untersuchungen keine neuen Erkenntnisse erwartet werden können, die zu einem abweichenden Resultat zu führen vermöchten, ist dem Eventualantrag auf Anordnung eines Obergutachtens nicht stattzugeben (Erw. 2b hievor).
d) Nach dem Gesagten ist mit der Vorinstanz davon auszugehen, dass der Versicherten eine ihrem Rückenleiden angepasste Tätigkeit halbtags zumutbar ist. Zu prüfen bleibt, wie sich diese gesundheitliche Einschränkung in erwerblicher Hinsicht auswirkt.
4.-a)Beim hypothetischen Einkommen ohne Invalidität (Valideneinkommen) kann vom zuletzt erzielten Lohn von monatlich Fr. 2980. - zuzüglich eines 13. Monatslohnes ausgegangen werden (Auskunft der Arbeitgeberin vom 5. Juli 1995). Unter Berücksichtigung der Nominallohnentwicklung bis 1996 gingen IV-Stelle und Vorinstanz von einem Valideneinkommen von Fr. 39'786. - aus, was sich nicht beanstanden lässt.
b) Das hypothetische Invalideneinkommen wurde von der IV-Stelle auf Fr. 18'304. - im Jahr festgesetzt. Sie stützte sich dabei auf den von der Berufsberatung mit Fr. 16.- in der Stunde ermittelten Lohn bei zumutbarer leichter Arbeit sowie eine zumutbare Arbeitszeit von täglich vier Stunden. Daraus ergab sich im Vergleich zum Valideneinkommen ein Invaliditätsgrad von 54 %.
Zum gleichen Ergebnis führt, wenn - wie die Vorinstanz beiläufig erwogen hat - für die Bestimmung des Invalideneinkommens auf statistische Löhne abgestellt wird. Diese können nach der Rechtsprechung namentlich dann beigezogen werden, wenn der Versicherte nach Eintritt des Gesundheitsschadens keine oder jedenfalls keine ihm an sich zumutbare neue Erwerbstätigkeit aufgenommen hat (BGE 124 V 322 Erw. 3b/aa).
Laut Tabelle TA1 der Schweizerischen Lohnstrukturerhebung 1996 belief sich der Zentralwert für die mit einfachen und repetitiven Aufgaben (Anforderungsniveau 4) beschäftigten Frauen im privaten Sektor auf Fr. 3455. -. Unter Berücksichtigung einer betriebsüblichen durchschnittlichen Arbeitszeit von 41,9 Wochenstunden (Statistisches Jahrbuch 1998 S. 157) ergibt sich bei einem Pensum von 50 % ein Einkommen von Fr. 21'715. -. Ferner gilt es zu berücksichtigen, dass gesundheitlich beeinträchtigte Personen, die selbst bei leichten Hilfsarbeitertätigkeiten behindert sind, im Vergleich zu voll leistungsfähigen und entsprechend einsetzbaren Arbeitnehmern lohnmässig benachteiligt sind und deshalb in der Regel mit unterdurchschnittlichen Löhnen rechnen müssen (BGE 124 V 323 Erw. 3b/bb). Diesem Umstand wird mit einem Abzug Rechnung getragen, der neben der leidensbedingten Einschränkung andere die Lohnhöhe allenfalls negativ beeinflussende persönliche und berufliche Merkmale wie Alter, Dauer der Betriebszugehörigkeit, Nationalität/Aufenthaltskategorie sowie Beschäftigungsgrad berücksichtigt und insgesamt höchstens 25 % betragen kann (BGE 126 V 78 ff. Erw. 5).
Da die Beschwerdeführerin nur noch halbtags arbeiten kann und zudem unter anderem beim Heben und Tragen von Lasten beeinträchtigt ist, steht ausser Frage, dass hier vom statistischen Lohn ein Abzug vorzunehmen ist. Ob dieser 10 % oder 25 % zu betragen hat, kann offen bleiben, weil sich im einen wie im andern Fall im Vergleich mit dem Valideneinkommen ein Invaliditätsgrad ergibt (51 % oder 59 %), der nur den Anspruch auf eine halbe Invalidenrente begründet.
Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde erweist sich somit als unbegründet.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Basel-Landschaft und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 2. November 2000
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer:
Die Gerichtsschreiberin: