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Original
 
«AZA 7»
I 267/00 Ge
II. Kammer
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; Gerichtsschreiberin Bucher
Urteil vom 15. Januar 2001
in Sachen
B.________, 1978, Beschwerdeführerin, vertreten durch ihre Mutter S.B.________,
gegen
IV-Stelle des Kantons Solothurn, Allmendweg 6, Zuchwil, Beschwerdegegnerin,
und
Versicherungsgericht des Kantons Solothurn, Solothurn
A.- Die 1978 geborene B.________ leidet an einem angeborenen Autismus infantum (Kanner-Syndrom). Sie bezieht eine ganze Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 100 % und eine Hilflosenentschädigung bei Hilflosigkeit schweren Grades. Am 1. Juli 1999 wurde ein Gesuch um Gewährung eines Beitrags der Invalidenversicherung an den behinderungsgerechten Bau des elterlichen Einfamilienhauses gestellt. Nach Einholung eines Abklärungsberichts der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft Hilfsmittelberatung für Behinderte und Betagte vom 16. August 1999 lehnte die IVStelle des Kantons Solothurn dieses Begehren mit Verfügung vom 7. März 2000 ab.
B.- Das Versicherungsgericht des Kantons Solothurn wies die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 19. April 2000 ab.
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Mutter der Versicherten sinngemäss, der kantonale Entscheid und die angefochtene Verfügung seien aufzuheben und dem Gesuch um einen Beitrag der Invalidenversicherung an den behinderungsgerechten Bau des elterlichen Einfamilienhauses sei stattzugeben.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung hat sich nicht vernehmen lassen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Gemäss Art. 21 Abs. 1 IVG hat die versicherte Person im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste Anspruch auf jene Hilfsmittel, deren sie für die Ausübung der Erwerbstätigkeit oder der Tätigkeit in ihrem Aufgabenbereich, für die Schulung, die Ausbildung oder zum Zwecke der funktionellen Angewöhnung bedarf. Nach dem hier interessierenden Abs. 2 derselben Bestimmung hat eine versicherte Person, die infolge ihrer Invalidität für die Fortbewegung, für die Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt oder für die Selbstsorge kostspieliger Geräte bedarf, im Rahmen einer vom Bundesrat aufzustellenden Liste ohne Rücksicht auf die Erwerbsfähigkeit Anspruch auf solche Hilfsmittel. Der Bundesrat, der gemäss Art. 21 Abs. 4 IVG nähere Vorschriften erlassen kann, hat in Art. 14 IVV das Eidgenössische Departement des Innern beauftragt, eine Verordnung zu erlassen, die sowohl die Liste der im Rahmen von Art. 21 IVG abzugebenden Hilfsmittel als auch nähere Bestimmungen unter anderem über die Beiträge an die Kosten von invaliditätsbedingten Anpassungen von Immobilien zu umfassen hat. Gestützt darauf hat das Departement die Verordnung über die Abgabe von Hilfsmitteln durch die Invalidenversicherung (HVI) mit anhangsweise aufgeführter Hilfsmittelliste erlassen.
Die im Anhang zur HVI enthaltene Liste ist insofern abschliessend, als sie die in Frage kommenden Hilfsmittelkategorien aufzählt. Dagegen ist bei jeder Hilfsmittelkategorie zu prüfen, ob die Aufzählung der einzelnen Hilfsmittel (innerhalb der Kategorie) ebenfalls abschliessend oder bloss exemplifikatorisch ist (BGE 121 V 260 Erw. 2b mit Hinweisen).
2.- Streitig und zu prüfen ist, ob die Versicherte Anspruch auf die beantragten baulichen Massnahmen in Form insbesondere eines eigenen WC/Bades, eines eigenen Therapiezimmers, einer separaten Ecke in der Küche, bruchsicherer Fensterscheiben, speziell gestalteter Schlafzimmerwände sowie eines eigenen Gartenbereichs mit 2,4 Meter hoher Umzäunung und Sichtschutz hat.
3.- a) Praxisgemäss ist unter einem Hilfsmittel im Sinne des IVG ein Gegenstand zu verstehen, dessen Gebrauch den Ausfall gewisser Teile oder Funktionen des Körpers zu ersetzen vermag (BGE 115 V 194 Erw. 2c).
In Anbetracht dieser Definition fragt sich, ob auch bauliche Massnahmen (Art. 14 lit. b IVV) nur dann Hilfsmittel im Sinne des Gesetzes darstellen können, wenn sie dem Ausfall gewisser Körperteile oder -funktionen abhelfen, indem sie bewirken, dass bestimmte Handlungen trotz eines solchen Ausfalls bewerkstelligt werden können. Diesfalls wären die beantragten Massnahmen nicht vom Begriff des Hilfsmittels erfasst, sodass eine Leistungspflicht der Invalidenversicherung schon aus diesem Grunde zu verneinen wäre. Die streitigen Massnahmen dienen nämlich dazu, die Versicherte selbst, die infolge ihrer Behinderung beispielsweise unkontrolliert Gegenstände wirft, und ihre Umgebung vor unberechenbaren Handlungen der Versicherten zu schützen, indem sie dieser eigene, speziell eingerichtete, abgegrenzte Aufenthaltsbereiche zuweisen; sie helfen nicht dem Ausfall gewisser Körperteile oder -funktionen ab.
b) Allerdings hat der Begriff des Hilfsmittels, gemessen an der angeführten hergebrachten Umschreibung, durch die in den HVI-Anhang aufgenommenen Hilfsmittelkategorien eine deutliche Ausdehnung erfahren (nicht veröffentlichtes Urteil H. vom 7. Juni 1999, I 68/99).
Ob die fraglichen Massnahmen als Hilfsmittel qualifiziert werden können, kann indessen offen gelassen werden, weil ein Anspruch auf eine Kostenbeteiligung der Invalidenversicherung an den beantragten Massnahmen, wie im Folgenden darzulegen ist, selbst dann zu verneinen ist, wenn man diese Massnahmen den Hilfsmitteln zuordnet.
4.- Zunächst ist zu untersuchen, ob sich die von der Versicherten beantragten Massnahmen einer der im HVI-Anhang aufgeführten Hilfsmittelkategorien zuordnen lassen.
a) Die beantragten baulichen Massnahmen können innerhalb der abschliessenden Aufzählung der Hilfsmittelkategorien von vornherein nicht einer der in den Ziffern 1-13 und 15 erwähnten Hilfsmittelkategorien (Prothesen; Orthesen; Schuhwerk und orthopädische Fusseinlagen; Hilfsmittel für den Kopfbereich, Brillen und Kontaktlinsen; Rollstühle; Motorfahrzeuge und Invalidenfahrzeuge; Hilfsmittel für Blinde und hochgradig Sehschwache; Gehhilfen; Hilfsmittel am Arbeitsplatz, im Aufgabenbereich, zur Schulung und Ausbildung sowie bauliche Vorkehren zur Überwindung des Arbeitsweges; Hilfsmittel für den Kontakt mit der Umwelt) zugeordnet werden. In Betracht fallen einzig die in Ziffer 14 aufgeführten Hilfsmittel für die Selbstsorge, welche WC-, Dusch- und -Trockenanlagen sowie Zusätze zu bestehenden Sanitäreinrichtungen (sofern Versicherte ohne einen solchen Behelf nicht zur Durchführung der betreffenden Körperhygiene fähig sind) (Ziffer 14.01), Krankenheber (Ziffer 14.02), Elektrobetten (Ziffer 14.03) und invaliditätsbedingte bauliche Änderungen in der Wohnung (Ziffer 14.04) umfassen. Von diesen unter der Kategorie der Hilfsmittel für die Selbstsorge (Ziffer 14) abschliessend (SVR 1996 IV Nr. 90 S. 270 Erw. 2b) genannten Hilfsmitteln kommt lediglich jenes der invaliditätsbedingten baulichen Änderungen in der Wohnung (Ziffer 14.04) in Frage. Darunter fallen nach der ihrerseits abschliessenden (SVR 1999 IV Nr. 27 S. 84 Erw. 3a) Aufzählung von Ziffer 14.04 der Hilfsmittelliste das Anpassen von Bade-, Dusch- und WC-Räumen an die Invalidität, das Versetzen oder Entfernen von Trennwänden, das Verbreitern oder Auswechseln von Türen, das Anbringen von Haltestangen, Handläufen und Zusatzgriffen, das Entfernen von Türschwellen oder Erstellen von Schwellenrampen sowie die Installation von Signalanlagen für hochgradig Schwerhörige, Gehörlose und Taubblinde.
b) Keine der von der Beschwerdeführerin beantragten baulichen Massnahmen lässt sich unter eine der in Ziffer 14.04 des Anhangs zur HVI vorgesehenen baulichen Änderungen subsumieren. Dies gilt nicht nur für das eigene Therapiezimmer, die separate Ecke in der Küche, die bruchsicheren Fensterscheiben, die speziellen Schlafzimmerwände und die Gestaltung des Gartens, die sich auf Anhieb keiner der in Ziffer 14.04 erwähnten Massnahmen zuordnen lassen, sondern auch für das eigene WC/Bad, nachdem in der abschliessenden Aufzählung lediglich von der Anpassung entsprechender Räume an die Invalidität, nicht aber von der Erstellung separater Räume die Rede ist. Die beantragten Massnahmen werden folglich von der Hilfsmittelliste nicht erfasst.
c) Allein der Umstand, dass ein Hilfsmittel von der versicherten Person benötigt wird, zweckmässig ist und der Selbstsorge dient, vermag eine Zuordnung zur Hilfsmittelkategorie von Ziffer 14 des HVI-Anhanges nicht zu rechtfertigen. Der Gesetzgeber hat in Art. 21 IVG dem Bundesrat die Kompetenz übertragen, in der von ihm aufzustellenden Liste - der Bundesrat hat diese Aufgabe ans Eidgenössische Departement des Innern delegiert - aus der Vielzahl zweckmässiger Hilfsmittel eine Auswahl zu treffen. Dabei nahm er in Kauf, dass mit einer solchen Aufzählung nicht sämtliche sich stellenden Bedürfnisse gedeckt werden. Lässt sich ein Hilfsmittel keiner der im HVI-Anhang aufgeführten Kategorien zuordnen, ist es nicht zulässig, den Anspruch auf Kostenübernahme durch die Invalidenversicherung direkt aus der Zielsetzung des Gesetzes abzuleiten, da damit das dem Bundesrat bzw. dem Departement eingeräumte Auswahlermessen durch dasjenige der Verwaltung und des Richters ersetzt würde. Art. 21 IVG beschränkt den Leistungsanspruch ausdrücklich auf Hilfsmittel, die in der entsprechenden Liste enthalten sind (SVR 1996 IV Nr. 90 S. 269 Erw. 2b).
d) Da sich die streitigen baulichen Massnahmen keiner der im HVI-Anhang erwähnten Kategorien zuordnen lassen, hat die Versicherte nach dem Gesagten auch unter der Annahme, der Hilfsmittelbegriff sei erfüllt, keinen Leistungsanspruch.
5.- Zu prüfen bleibt die Gesetzes- und Verfassungskonformität dieser Nichtaufnahme in den HVI-Anhang.
a) Nach ständiger Rechtsprechung steht dem Bundesrat und dem Departement eine grosse Freiheit in der Ausgestaltung der Hilfsmittelliste zu, weil das Gesetz nicht ausdrücklich sagt, nach welchen Gesichtspunkten die Auswahl vorzunehmen ist (BGE 126 V 71 Erw. 4b/aa, 117 V 181 Erw. 3b; SVR 1996 IV Nr. 90 S. 270 Erw. 3b). In Anbetracht des sehr weiten Spielraums des Verordnungsgebers in der Auswahl der Hilfsmittel und in der Ausgestaltung der Hilfsmittelliste kann nicht gesagt werden, die Nichtaufnahme der streitigen Behelfe in den HVI-Anhang falle offensichtlich aus dem Rahmen der delegierten Kompetenzen heraus oder sei sonstwie gesetzwidrig. Unter diesen Umständen darf das Gericht nur dann eine schwerwiegende, durch richterliches Eingreifen auszufüllende Lücke der HVI (vgl. SVR 1996 IV Nr. 90 S. 270 Erw. 3 Ingress) annehmen, wenn die Nichtaufnahme der fraglichen Massnahmen in die Hilfsmittelliste das Willkürverbot (Art. 9 BV) oder das Gebot der rechtsgleichen Behandlung (Art. 8 Abs. 1 BV) und dadurch die Bundesverfassung verletzt (vgl. BGE 126 V 52 Erw. 3b, 71 Erw. 4a, 125 V 30 Erw. 6a, 117 V 180 Erw. 3a und 181 Erw. 3b; AHI 2000 S. 240 Erw. 2b; RKUV 2000 Nr. KV 102 S. 19 Erw. 4a, Nr. U 373 S. 171 Erw. 3; SVR 1996 IV Nr. 90 S. 270 Erw. 3a und 3b).
b) Inwiefern die HVI bezüglich der Hilfsmittelliste sinn- oder zwecklos sein sollte (Willkür) oder dem Verordnungsgeber eine Unterlassung vorzunehmender Unterscheidungen vorgeworfen werden könnte (rechtsungleiche Behandlung), ist nicht ersichtlich; zu prüfen ist hingegen, ob die HVI, indem sie die beantragten Massnahmen nicht enthält, sich nicht auf ernsthafte Gründe stützen lässt (Willkür) oder rechtliche Unterscheidungen trifft, für die sich ein vernünftiger Grund nicht finden lässt (rechtsungleiche Behandlung) (vgl. BGE 126 V 52 Erw. 3b, 124 I 299 Erw. 3b, 117 V 180 Erw. 3a; AHI 2000 S. 240 Erw. 2b; RKUV 2000 Nr. KV 102 S. 20 Erw. 4a, Nr. U 373 S. 172 Erw. 3, 1999 Nr. KV 94 S. 501 Erw. 3a; SVR 1996 IV Nr. 90 S. 270 Erw. 3a). Zu beurteilen ist mit anderen Worten, ob das Departement durch die Nichtaufnahme der fraglichen Massnahmen in die Hilfsmittelliste innerlich unbegründete Unterscheidungen getroffen oder sonstwie unhaltbare, nicht auf ernsthaften sachlichen Gründen beruhende Kriterien aufgestellt hat (BGE 117 V 182 Erw. 3b; SVR 1996 IV Nr. 90 S. 270 Erw. 3b). Ein Eingreifen des Gerichts ist dann zulässig und geboten, wenn die Nichtaufnahme eines bestimmten Behelfs das Erreichen der gesetzlichen Eingliederungsziele in einem bestimmten Bereich in schlechthin unannehmbarer, stossender und innerlich unbegründeter Weise in Frage stellt (SVR 1996 IV Nr. 90 S. 270 Erw. 3c; vgl. BGE 117 V 183 Erw. 3c).
c) Die von der Beschwerdeführerin beantragten Massnahmen stehen zwar in dem Sinne den Hilfsmitteln für die Selbstsorge nahe, als sie insbesondere dazu bestimmt sind, die Versicherte vor ihren eigenen Handlungen zu schützen. Auch weisen sie insofern einen Zusammenhang mit der Fortbewegung und der Herstellung des Kontaktes mit der Umwelt auf, als sie die Mobilität und den Kontakt zur Umwelt im Sinne einer Gefahrenminimierung einschränken sollen. Indessen sind die beantragten Behelfe, indem sie die Mobilität und den Kontakt mit der Umwelt im Sinne der Zuweisung bestimmter Aufenthaltsbereiche einschränken und die Versicherte und ihr Umfeld vor bestimmten Handlungen schützen sollen, den in der HVI aufgeführten Hilfsmitteln nicht derart ähnlich, dass dem Departement vorgeworfen werden könnte, durch die Nichtaufnahme der fraglichen Massnahmen in die Hilfsmittelliste innerlich unbegründete Unterscheidungen getroffen oder sonstwie unhaltbare, nicht auf ernsthaften sachlichen Gründen beruhende Kriterien aufgestellt und das Erreichen der gesetzlichen Eingliederungsziele in schlechthin unannehmbarer, stossender und innerlich unbegründeter Weise in Frage gestellt zu haben. Der Verordnungsgeber kann demnach gerichtlich nicht zur Aufnahme der fraglichen Behelfe in die Hilfsmittelliste verpflichtet werden.
6.- Zusammenfassend ist festzuhalten, dass eine Leistungspflicht der IV-Stelle für die beantragten Massnahmen auch dann zu verneinen ist, wenn die fraglichen Vorkehren unter den Hilfsmittelbegriff fallen, weil diese Massnahmen nicht in der Hilfsmittelliste enthalten sind und letztere diesbezüglich keine durch das Gericht auszufüllende Lücke aufweist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungs-
gericht des Kantons Solothurn und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 15. Januar 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer:
Die Gerichtsschreiberin: