[AZA 0/2]
5P.456/2000/SAT/bnm
II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
16. Januar 2001
Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
Bundesrichter Bianchi, Ersatzrichter Zünd und
Gerichtsschreiber Schett.
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In Sachen
M.H.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Hans Hurter, Habsburgerstrasse 20, 6003 Luzern,
gegen
Obergericht des Kantons Luzern, Justizkommission,
betreffend
(unentgeltliche Rechtspflege),
wird festgestellt und in Erwägung gezogen:
1.- M.H.________ lebt von ihrem Ehemann nach ihren Angaben seit dem 1. Oktober 1996 getrennt. Am 24. Mai 2000 reichte sie beim Amtsgericht Entlebuch Scheidungsklage ein.
Sie berief sich auf den Scheidungsgrund der Unzumutbarkeit (Art. 115 ZGB), eventuell des Getrenntlebens (Art. 114 ZGB).
Das Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Prozessführung wies der Amtsgerichtspräsident Entlebuch mit Entscheid vom 11. August 2000 sowohl für das Scheidungsverfahren wie auch für das Massnahmeverfahren ab, dies wegen Aussichtslosigkeit des Begehrens.
Einen Rekurs gegen diesen Entscheid wies das Obergericht, Justizkommission, des Kantons Luzern am 18. Oktober 2000 ab.
M.H.________ hat mit Eingabe vom 21. November 2000 staatsrechtliche Beschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, den Entscheid des Obergerichts aufzuheben. Für das bundesgerichtliche Verfahren beantragt sie ebenfalls die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung.
Das Obergericht des Kantons Luzern beantragt in seiner Vernehmlassung vom 12. Dezember 2000, die staatsrechtliche Beschwerde abzuweisen, soweit darauf einzutreten sei.
Die Beschwerdeführerin hat am 19. Dezember 2000 unaufgefordert eine weitere Stellungnahme eingereicht.
2.- Nach Art. 93 Abs. 2 OG kann der Beschwerdeführerin eine Frist zur Ergänzung der Beschwerde angesetzt werden, wenn die Entscheidungsgründe erst in der Vernehmlassung der Behörde enthalten sind. Die Beschwerdeführerin hat mit der staatsrechtlichen Beschwerde unter anderem die Rüge erhoben, das Obergericht habe den ausdrücklich gestellten Antrag, die unentgeltliche Rechtspflege für das Massnahmeverfahren zu erteilen, unbeurteilt gelassen. In der Vernehmlassung des Obergerichts wird ausgeführt, ein Massnahmeverfahren nach Art. 137 ZGB habe für sich alleine nie Bestand, sondern sei zwingend an ein Hauptverfahren geknüpft. Hierin mag die (nachgeschobene) Begründung für die Abweisung des Gesuchs um Erteilung der unentgeltlichen Prozessführung erblickt werden, so dass die Ausführungen der Beschwerdeführerin dazu als Beschwerdeergänzung entgegengenommen werden könnten. Der Beschwerdeergänzung ist diesbezüglich allerdings nichts zu entnehmen, was nicht schon in der ursprünglichen Beschwerdeschrift geltend gemacht worden wäre. Was die Beschwerdeführerin in ihrer Eingabe vom 19. Dezember 2000 zum weiteren Fortgang des Scheidungsverfahrens ausführt, ist für den Entscheid, ob die unentgeltliche Rechtspflege verweigert werden durfte oder nicht, ohne Belang, und es ist darauf nicht näher einzugehen.
3.- a) Jede Person, die nicht über die erforderlichen Mittel verfügt, hat nach Art. 29 Abs. 3 BV Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, wenn ihr Rechtsbegehren nicht aussichtslos erscheint. Soweit es zur Wahrung ihrer Rechte notwendig ist, hat sie ausserdem Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand. Als aussichtslos sind nach der bundesgerichtlichen Praxis Prozessbegehren anzusehen, bei denen die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren und die deshalb kaum als ernsthaft bezeichnet werden können. Dagegen gilt ein Begehren nicht als aussichtslos, wenn sich Gewinnaussichten und Verlustgefahren ungefähr die Waage halten oder jene nur wenig geringer sind als diese.
Massgebend ist, ob eine Partei, die über die nötigen Mittel verfügt, sich bei vernünftiger Überlegung zu einem Prozess entschliessen würde; eine Partei soll einen Prozess, den sie auf eigene Rechnung und Gefahr nicht führen würde, nicht deshalb anstrengen können, weil er sie nichts kostet (BGE 124 I 304 E. 2c; 122 I 267 E. 2b; 119 Ia 251 E. 3b; 109 Ia 5 E. 4 mit Hinweisen).
b) Das Obergericht und vor ihm der Amtsgerichtspräsident von Entlebuch haben das Scheidungsbegehren der Beschwerdeführerin für aussichtslos erachtet und deshalb die Erteilung der unentgeltlichen Rechtspflege abgelehnt, weil bei Einreichung des Begehrens die vierjährige Trennungszeit (Art. 114 ZGB) noch nicht abgelaufen war und für eine Scheidung gestützt auf Art. 115 ZGB wegen Unzumutbarkeit der Fortsetzung der Ehe nicht hinreichende Gründe bestünden. Diese Beurteilung wird mit der staatsrechtlichen Beschwerde nicht mehr in Frage gestellt. Hingegen macht die Beschwerdeführerin geltend, der Amtsgerichtspräsident hätte gestützt auf § 133 Abs. 2 ZPO/LU die Parteibefragung durchführen müssen. Die Rüge ist nicht leicht verständlich. Es soll wohl geltend gemacht werden, im Rahmen einer solchen Parteibefragung hätte die Beschwerdeführerin auf die Möglichkeit einer Teileinigung (Art. 112 ZGB) hinweisen können, womit die Scheidungsklage nicht mehr als aussichtslos erschiene. Indessen ist festzuhalten, dass die Beschwerdeführerin und ihr Anwalt an der fraglichen Verhandlung zugegen waren und sie Gelegenheit gehabt hätten, diesen Scheidungsgrund anzurufen, als der Gerichtspräsident sie auf die Aussichtslosigkeit des auf die Art. 115 und 114 gestützten Scheidungsbegehrens hinwies. Im Übrigen lag unstreitig im damaligen Zeitpunkt eine Teileinigung nicht vor. Die blosse Möglichkeit, dass der beklagte Ehemann irgendwann im Verlaufe des Verfahrens der Scheidung zustimmen könnte, führt nicht dazu, dass das Scheidungsbegehren im damaligen Zeitpunkt hätte als aussichtsreich qualifiziert werden müssen. Da der Ehemann zur Verhandlung nicht erschienen war, ist auch nicht ersichtlich, was eine Parteibefragung an der Aussichtslosigkeit des Scheidungsbegehrens hätte ändern können, ganz abgesehen davon, dass der Beschwerdeführerin und ihrem Anwalt unbenommen war, zu äussern, was sie für angebracht erachteten.
c) Der Amtsgerichtspräsident und das Obergericht haben die unentgeltliche Rechtspflege nicht nur für das Scheidungsbegehren, sondern auch für das Massnahmebegehren abgelehnt. Eine Begründung dafür lässt sich dem Entscheid des Obergerichts nicht entnehmen. Hingegen wird in der Vernehmlassung des Obergerichts darauf hingewiesen, dass das Massnahmebegehren nicht selbstständig Bestand haben könne, womit gemeint sein dürfte, dass für dieses die unentgeltliche Rechtspflege ebenfalls zu verweigern sei, wenn das Scheidungsbegehren selber keine Aussicht auf Erfolg habe. Diese Auffassung lässt sich indessen nicht halten. Nach Art. 137 ZGB kann jeder Ehegatte nach Eintritt der Rechtshängigkeit der Scheidungsklage für die Dauer des Verfahrens den gemeinsamen Haushalt auflösen, wobei das Gericht die nötigen vorsorglichen Massnahmen trifft. Die Bestimmungen über die Massnahmen zum Schutz der ehelichen Gemeinschaft sind sinngemäss anwendbar, und Unterhaltsbeiträge können für die Zukunft und für das Jahr vor der Einreichung des Begehrens gefordert werden.
Diese Massnahmen haben zwar vorläufigen Charakter, doch regeln sie die Beziehungen zwischen den Ehegatten für die Dauer des Verfahrens definitiv. Sie stützen sich auf Rechte und Pflichten der Ehegatten bei noch bestehender Ehe und legen den ehelichen Unterhalt fest. Von der Aussichtslosigkeit der Scheidungsklage kann daher nicht auf das Massnahmebegehren geschlossen werden. Dieses ist denn auch gutgeheissen und der Ehemann verpflichtet worden, der Beschwerdeführerin für die Dauer des Scheidungsverfahrens, mit Wirkung schon ab
24. Mai 1999, Unterhaltsbeiträge von monatlich Fr. 680.-- zu bezahlen. Von Aussichtslosigkeit des Massnahmebegehrens kann mithin nicht die Rede sein. Der angefochtene Entscheid ist in diesem Punkt aufzuheben.
4.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, die Kosten des Verfahrens betreffend die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege, namentlich ihre eigenen Anwaltskosten, hätten dem beklagten Ehemann auferlegt werden müssen, weil dieser nicht zur Verhandlung erschienen sei. Die Rüge genügt der Begründungspflicht einer staatsrechtlichen Beschwerde nicht (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 110 Ia 1 E. 2a), denn die Verfassungswidrigkeit ergibt sich nicht schon aus der von der Beschwerdeführerin behaupteten Analogie zum Sühneverfahren, für das im Luzerner Prozessrecht die Kostenpflicht der nichterschienenen Partei vorgesehen ist (§ 192 Abs. 2 ZPO/LU).
5.- Die staatsrechtliche Beschwerde erweist sich damit als begründet, soweit die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege für das Massnahmeverfahren verweigert worden ist. Im Übrigen ist die Beschwerde aber abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann.
Entsprechend diesem Verfahrensausgang sind keine Kosten zu erheben ( Art. 156 Abs. 1 und 2 OG ) und ist der Beschwerdeführerin entsprechend ihrem teilweisen Obsiegen eine reduzierte Parteientschädigung zu Lasten des Kantons Luzern zuzusprechen ( Art. 159 Abs. 1 und 2 OG ). Die Beschwerdeführerin hat für das bundesgerichtliche Verfahren ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung gestellt. Dieses ist gegenstandslos, soweit die Beschwerdeführerin obsiegt, da die Beschwerdeführerin die Parteientschädigung vom Kanton Luzern ohne Zweifel ausbezahlt erhalten wird (vgl.
Art. 152 Abs. 2 OG). Soweit die Beschwerdeführerin unterliegt, musste die Beschwerdeführung allerdings zum vornherein als aussichtslos erscheinen und ist das Gesuch folglich abzuweisen.
Die Ausführungen der Beschwerdeführerin im Hauptpunkt erscheinen als gekünstelter Versuch, den Fehler der verfrühten Klageeinreichung zu korrigieren. Über die Kosten des kantonalen Verfahrens wird das Obergericht neu befinden müssen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird teilweise gutgeheissen und der Entscheid vom 18. Oktober 2000 des Obergerichts des Kantons Luzern, Justizkommission, aufgehoben, soweit damit für das Massnahmeverfahren die unentgeltliche Prozessführung verweigert worden ist. Im Übrigen wird die staatsrechtliche Beschwerde abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann.
2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege und Verbeiständung im bundesgerichtlichen Verfahren wird abgewiesen, soweit es nicht gegenstandslos geworden ist.
3.- Es werden keine Kosten erhoben.
4.- Der Kanton Luzern hat der Beschwerdeführerin für das bundesgerichtliche Verfahren eine reduzierte Parteientschädigung von Fr. 1'200.-- auszurichten.
5.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Obergericht des Kantons Luzern, Justizkommission, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 16. Januar 2001
Im Namen der II. Zivilabteilung des
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: