[AZA 0/2]
1P.144/2001/boh
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
**********************************
9. März 2001
Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Nay, Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiberin Widmer.
---------
In Sachen
D.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Thomas Schütz, Freiestrasse 13, Postfach 117, Uster,
gegen
Bezirksanwaltschaft Uster, Bezirksgericht Uster, Haftrichter,
betreffend
Art. 10 Abs. 2, 29 Abs. 1 und 31 BV, Art. 5 und 6 EMRK
(Haftprüfung), hat sich ergeben:
A.- D.________ wird verdächtigt, im Herbst 2000 während zwei Monaten gemeinsam mit T.________ rund 30 Gramm Heroin pro Woche an einen Abnehmer verkauft und trotz Einreisesperre einige Wochen später wiederum ohne Ausweis und Visum in die Schweiz eingereist zu sein. Er wurde am 11. Februar 2001 von der Polizei festgenommen und am 14. Februar 2001 vom Einzelrichter in Strafsachen des Bezirksgerichts Uster wegen der erwähnten Verdachtsgründe sowie Flucht- und Kollusionsgefahr in Untersuchungshaft gesetzt.
B.- Gegen diese Haftanordnung führt D.________ staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht wegen Verletzung der persönlichen Freiheit, des Beschleunigungsgebots sowie weiterer Verfassungsrechte. Er beantragt die unverzügliche Haftentlassung, eventuell die Begrenzung der Untersuchungshaft auf maximal 30 Tage. Für das bundesgerichtliche Verfahren beantragt er die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege.
Das Bezirksgericht sowie die Bezirksanwaltschaft Uster haben auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Der Beschwerdeführer ist als Inhaftierter legitimiert, gegen die Haftanordnung staatsrechtliche Beschwerde zu erheben (Art. 88 OG) und die Verletzung verfassungsmässiger Rechte (Art. 84 Abs. 1 lit. a OG) sowie bundesrechtlicher Vorschriften über die Abgrenzung der sachlichen und örtlichen Zuständigkeit der Behörden (Art. 84 Abs. 1 lit. d OG) zu rügen. Seine Anträge auf Anordnung der Haftentlassung resp. zeitliche Begrenzung der Haft sind zulässig (BGE 124 I 327 E. 4a und b S. 332 f.; 115 Ia 293 E. 1a). Da auch die übrigen Sachurteilsvoraussetzungen erfüllt sind, ist auf die Beschwerde einzutreten.
2.- Umstritten ist zunächst die Zuständigkeit für die Haftanordnung. Ob die vom Beschwerdeführer diesbezüglich angerufenen Vorschriften des Bundesrechts verletzt sind, prüft das Bundesgericht mit freier Kognition (BGE 116 II 721 E. 3; 112 II 517 E. 2a).
a) Der Beschwerdeführer wirft dem Haftrichter vor, Art. 1 der Verordnung 1 zum Schweizerischen Strafgesetzbuch (VStGB 1; SR 311. 01) falsch angewendet und als Folge davon zu Unrecht die Bestimmungen über das Strafverfahren gegen Erwachsene zur Anwendung gebracht zu haben. Er ist der Auffassung, zur Prüfung der Haftvoraussetzungen wäre der Jugendgerichtspräsident zuständig gewesen. Der Beschwerdeführer beruft sich auf Art. 1 Abs. 1 VStGB 1, welcher auf den Täter, der zur Zeit der Tat ein Jugendlicher war und gegen den die Untersuchung vor dem zurückgelegten 20. Altersjahr eingeleitet wird, das Verfahren gegen Jugendliche als anwendbar erklärt. Er macht geltend, das 18. Altersjahr erst am 11. Januar 2001 erreicht zu haben. Die Einreisesperre habe er jedoch bereits im Dezember 2000 gebrochen. Den Straftatbestand der rechtswidrigen Einreise und des Aufenthaltes in der Schweiz (Art. 23 Abs. 1 al. 4 ANAG) habe er demnach noch als Jugendlicher im Sinn von Art. 89 StGB vollendet.
Mit dem fortgesetzten Verweilen in der Schweiz nach Erreichen der Volljährigkeit habe er keinen neuen Straftatbestand gesetzt, sondern lediglich die bereits vollendete Tat fortgeführt. Aufgrund des Umstands, dass es sich beim rechtswidrigen Aufenthalt in der Schweiz um ein Dauerdelikt handle, sei die Anwendung von Art. 1 Abs. 2 VStGB 1 ausgeschlossen, gestützt auf welchen der Haftrichter das Verfahren gegen Erwachsene angewendet habe.
Der Haftrichter geht demgegenüber davon aus, der Beschwerdeführer habe sich aufgrund des fortgesetzten Verweilens in der Schweiz teils vor und teils nach dem zurückgelegten
18. Altersjahr strafbar gemacht, weshalb Art. 1 Abs. 2 VStGB 1 zum Zug komme. Insofern sei es auch nicht von Belang, ob der Beschwerdeführer bereits im Dezember 2000 oder erst im Februar 2001 wieder in die Schweiz eingereist sei.
b) Der Beschwerdeführer bestreitet nicht, sich auch nach Zurücklegen des 18. Altersjahrs unrechtmässig in der Schweiz aufgehalten und damit strafbar gemacht zu haben.
Weshalb die Voraussetzungen von Art. 1 Abs. 2 VStGB 1 unter diesen Umständen nicht erfüllt sein sollten, ist aufgrund der Argumentation des Beschwerdeführers nicht nachvollziehbar und auch sonst nicht ersichtlich. Eine Ausnahme von der Anwendung des Verfahrens gegen Erwachsene besteht nach Art. 1 Abs. 2 VStGB 1 in Fällen wie dem vorliegenden, in denen die Untersuchung noch vor dem zurückgelegten 20. Altersjahr des Täters eingeleitet wurde, ausdrücklich nur dann, wenn der Täter voraussichtlich einer Massnahme des Jugendstrafrechts bedarf. Das macht der Beschwerdeführer nicht geltend und war auch im kantonalen Verfahren nicht streitig (Art. 86 Abs. 1 OG). Es ist daher nicht zu beanstanden, dass sich der Haftrichter des Bezirksgerichts Uster für zuständig befunden hat.
c) Erscheint es nicht unrechtmässig, die strafprozessualen Bestimmungen für Erwachsene zur Anwendung zu bringen, erübrigt es sich, die weiteren Rügen zu prüfen, die der Beschwerdeführer hinsichtlich der von ihm erwünschten Anwendung des Jugendstrafverfahrens erhoben hat (insbes. S. 6 - 10 der Beschwerde).
3.- a) Die Anordnung und Aufrechterhaltung einer Haft ist als Eingriff in das Recht auf persönliche Freiheit ( Art. 10 Abs. 2 und 31 BV ) nur zulässig, wenn sie auf einer ausreichenden gesetzlichen Grundlage beruht, im öffentlichen Interesse liegt und verhältnismässig ist. Zudem darf sie den Kerngehalt der persönlichen Freiheit nicht antasten: Diese darf weder völlig unterdrückt noch ihres Gehalts als Institution der Rechtsordnung entleert werden (Art. 10 Abs. 2 i.V.m. Art. 36 BV; vgl. BGE 125 I 361 E. 4a; 124 I 80 E. 2c; je mit Hinweisen). Art. 5 EMRK geht in seinem Gehalt nicht über den verfassungsmässigen Anspruch auf persönliche Freiheit hinaus. Indessen berücksichtigt das Bundesgericht bei der Konkretisierung dieses Anspruchs auch die Rechtsprechung der Konventionsorgane (BGE 114 Ia 281 E. 3; 108 Ia 64 E. 2c mit Hinweisen).
Bei staatsrechtlichen Beschwerden, die gestützt auf das verfassungsmässige Recht der persönlichen Freiheit gegen einen Freiheitsentzug erhoben werden, prüft das Bundesgericht die Auslegung und Anwendung der kantonalen Eingriffsnormen mit freier Kognition (BGE 124 I 80 E. 2; 123 I 31 E. 3a). Auf eine Willkürprüfung beschränkt es sich, soweit Sachverhaltsfeststellungen sowie Fragen der Beweiswürdigung in die Beurteilung miteinzubeziehen sind (BGE 123 I 31 E. 3a und 268 E. 2d; 117 Ia 72 E. 1; je mit Hinweisen).
b) Nach § 58 Abs. 1 der Strafprozessordnung des Kantons Zürich (StPO/ZH) darf Untersuchungshaft angeordnet werden, wenn neben dem dringenden Verdacht eines Verbrechens oder Vergehens ausserdem Flucht-, Verdunkelungs- oder Wiederholungsgefahr besteht. Die Untersuchungshaft ist aufzuheben, wenn ihre Voraussetzungen weggefallen sind (§ 58 Abs. 3 StPO/ZH), und sie ist durch eine mildere Massnahme zu ersetzen, sobald eine solche in Betracht fällt (§ 58 Abs. 4 i.V.m. den §§ 72 und 73 StPO/ZH).
Der Beschwerdeführer bestreitet weder das Vorliegen eines dringenden Tatverdachts noch die vom Haftrichter bejahten besonderen Haftgründe der Flucht- und Kollusionsgefahr.
Er rügt einzig eine Verletzung von § 62 Abs. 3 StPO/ZH, wonach der Haftrichter die Haft zeitlich begrenzen und ausserdem anordnen kann, bestimmte Untersuchungshandlungen seien innert dieser Frist vorzunehmen. Der Beschwerdeführer weist darauf hin, dass selbst dann, wenn von der rechtmässigen Anwendung des Verfahrens gegen Erwachsene auszugehen wäre, jedenfalls im Hinblick auf die Strafzumessung das Jugendstrafrecht Berücksichtigung finden müsse. Er ist deshalb der Auffassung, nicht mit einer hohen Strafe rechnen zu müssen und rügt, der Haftrichter hätte zur Vermeidung einer Überhaft den Freiheitsentzug befristen und der Untersuchungsbehörde einen entsprechenden Rahmen für die Ermittlungen vorgeben müssen. Ein solches Vorgehen sei auch nach dem verfassungsmässigen Beschleunigungsprinzip (Art. 29 Abs. 1 und 31 Abs. 3 Satz 2 BV, Art. 5 Ziff. 3 und 6 Ziff. 1 EMRK ) angezeigt.
c) Der Beschwerdeführer macht zu Recht nicht gel-tend, die bisherige Haftdauer von rund einem Monat sei unverhältnismässig. Überhaft könnte ohnehin nur dann angenommen werden, wenn die Haft die mutmassliche Dauer der zu erwartenden Freiheitsstrafe übersteigt, was hier offensichtlich nicht der Fall ist. Ebenso wenig steht in Frage, dass die Strafuntersuchung bisher nicht genügend vorangetrieben wurde. Es besteht daher kein Grund, die Untersuchungshaft entsprechend § 62 Abs. 3 StPO/ZH zu befristen. Wie der Haftrichter in der angefochtenen Verfügung erwähnt, kann der Beschwerdeführer jederzeit ein Haftentlassungsgesuch stellen.
Die Grundrechte der persönlichen Freiheit sowie des Beschleunigungsgebots sind somit offensichtlich nicht verletzt.
4.- Demnach ist die staatsrechtliche Beschwerde sowohl im Haupt- als auch im Eventualantrag abzuweisen. Dem Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege kann entsprochen werden (Art. 152 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen.
2.- Dem Beschwerdeführer wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt:
a) Es werden keine Kosten erhoben;
b) Rechtsanwalt Thomas Schütz, Uster, wird als amtlicher Anwalt des Beschwerdeführers bezeichnet und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'500.-- entschädigt.
3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Bezirksanwaltschaft Uster sowie dem Bezirksgericht Uster, Haftrichter, schriftlich mitgeteilt.
______________
Lausanne, 9. März 2001
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident: Die Gerichtsschreiberin: