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7B.41/2001/min
SCHULDBETREIBUNGS- UND KONKURSKAMMER
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12. März 2001
Es wirken mit: Bundesrichterin Nordmann, Präsidentin der
Schuldbetreibungs- und Konkurskammer, Bundesrichter Merkli,
Bundesrichter Meyer und Gerichtsschreiber Levante.
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In Sachen
Gemeinde Viganello, vertreten durch Municipio di Viganello, Ufficio Contribuzioni, via Sara Frontini 1, 6962 Viganello, Beschwerdeführerin,
gegen
den Entscheid vom 29. Januar 2001 der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern,
betreffend
provisorische Verteilungsliste,
wird festgestellt und in Erwägung gezogen:
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1.- a) Am 13. April 1992 bewilligte das Richteramt IV in Bern das Gesuch der A.________ AG um Nachlassstundung; am 25. November 1992 setzte der Gerichtspräsident IV von Bern in Bestätigung des Nachlassvertrages mit Vermögensabtretung die B.________ AG als Liquidatorin der A.________ AG ein.
In der Folge versteigerte die A.________ AG in Nachlassliq.
am 2. September 1997 ihre Liegenschaft "C.________" in Viganello, welche an die Bank X.________ als Hypothekargläubigerin ging. Am 27. November 2000 legte die A.________ AG in Nachlassliq. die provisorische Verteilungsliste über den Erlös der verwerteten Liegenschaft auf. Die Gemeinde Viganello erhob am 6. Dezember 2000 Beschwerde gegen diese provisorische Verteilungsliste und verlangte, die Liquidatorin sei zu verpflichten, eine Steuerforderung in der Höhe von Fr. 136'202. 80 nebst Zinsen zulasten der Liquidationsmasse in der Verteilungsliste aufzunehmen. Die Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern wies die Beschwerde mit Entscheid vom 29. Januar 2001 ab.
b) Die Gemeinde Viganello hat den Entscheid vom 29. Januar 2001 der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern mit Beschwerdeschrift vom 9. Februar 2001 (rechtzeitig) an die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer des Bundesgerichts weitergezogen. Sie beantragt, der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und der Betrag von Fr. 136'202. 80 nebst Zinsen zulasten der Liquidationsmasse in die provisorische Verteilungsliste aufzunehmen; eventualiter sei die Sache an die Aufsichtsbehörde zurückzuweisen.
2.- a) Die Aufsichtsbehörde hat erkannt, dass im Kanton Tessin unmittelbare Grundpfandrechte (Art. 836 ZGB) für kantonale und kommunale Steuern bestehen, wenn diese einen besonderen Zusammenhang mit einem Grundstück aufweisen; sie hat festgestellt, dass - mangels Aufnahme im Lastenverzeichnis - allfällige Legalhypotheken untergegangen seien. Zudem lasse sich aus den Akten entnehmen, dass die drei Zahlungen der Beschwerdegegnerin an Rechtsanwalt Y.________ - welcher die Versteigerung der Liegenschaft durchgeführt hatte - im Umfang von Fr. 300'025. 95 grösser seien als die Summe, welche die Beschwerdeführerin von Rechtsanwalt Y.________ für Steuern verlangt habe. Alle der Beschwerdeführerin zustehenden Forderungen aus Legalhypotheken seien daher ohnehin getilgt.
b) Mit dem Lastenverzeichnis werden die auf dem zu verwertenden Grundstück lastenden dinglichen und realobligatorischen Rechte definitiv abgeklärt; auch kantonale gesetzliche Pfandrechte gehen unter, wenn sie nicht ins Lastenverzeichnis aufgenommen wurden (Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6. Aufl. 1997, § 28 Rz. 22 u. 43; Häusermann/Stöckli/Feuz, Kommentar zum SchKG, N. 1 u. 47 zu Art. 140). Die Verteilungsliste fusst auf dem rechtskräftigen Kollokationsplan, aus dem die grundpfandversicherten Forderungen hervorgehen (Amonn/Gasser, a.a.O., § 46 Rz. 19 u. 20, § 48 Rz. 11).
Soweit die Aufsichtsbehörde eine Abänderung der Verteilungsliste - sinngemäss - damit abgelehnt hat, dass bereits im Lastenverzeichnis keine Legalhypothek aufgenommen worden sei, ist dies daher nicht zu beanstanden. Die Beschwerdeführerin bringt im Übrigen in dieser Hinsicht auch keine Kritik vor (Art. 79 Abs. 1 OG). Die weitere Erwägung der Aufsichtsbehörde, allfällige Steuerforderungen der Beschwerdeführerin, die zur Anmeldung einer Legalhypothek berechtigt hätten, seien ohnehin getilgt, ist von vornherein unbeachtlich; die Aufsichtsbehörde hat insoweit - in offensichtlicher Überschreitung ihrer sachlichen Kompetenz (BGE 97 III 89 E. 5d S. 102) - über den materiellen Bestand von Forderungen entschieden, was im Beschwerdeverfahren unzulässig ist (Amonn/Gasser, a.a.O., § 6 Rz. 3; in der Beschwerde gegen die Verteilungsliste im Nachlassverfahren im Besonderen:
BGE 102 III 155 E. 2 S. 159; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler, Kommentar zum SchKG, N. 19 zu Art. 326).
3.- a) Die Beschwerdeführerin macht im Wesentlichen - wie bereits im kantonalen Verfahren - geltend, die Beschwerdegegnerin sei für ihre Immobilie in Viganello für die Jahre 1992-1997 mit der Minimalsteuer gemäss Art. 88 LT/TI besteuert worden. Die betreffenden Steuerbescheide seien in Rechtskraft erwachsen. Die Minimalsteuer sei - was die Aufsichtsbehörde übergangen habe - keine Immobiliensteuer, sondern eine jährliche, an die Stelle der Gewinn- und Kapitalsteuer tretende Steuer und durch die Aktivität der Nachlassmasse geschuldet; da die betreffenden Steuern nach der Bewilligung der Nachlassstundung entstanden seien, stellten sie Masseverbindlichkeiten dar. Am 3. November 2000 habe die Beschwerdeführerin die Beschwerdegegnerin aufgefordert, die offenen Steuerschulden für die Zeit der Nachlassliquidation zulasten der Masse zu begleichen. Indem die Steuerforderungen nicht als Masseverbindlichkeit in der provisorischen Verteilungsliste berücksichtigt worden seien, habe die Aufsichtsbehörde Art. 262 und Art. 310 SchKG verletzt.
b) Zu den Masseschulden gehören in erster Linie die Verwaltungs- und Liquidationskosten der Nachlassmasse (Art. 262 Abs. 1 SchKG in analogiam; BGE 113 III 148 E. 2).
Sie umfassen auch die anfallenden öffentlichrechtlichen Verbindlichkeiten, die sich auf eine nach Bestätigung des Nachlassvertrages eingetretene Tatsache stützen (Winkelmann/ Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler, a.a.O., N. 12 u. 19 zu Art. 319). Ob es sich bei einer Forderung um eine Masseverbindlichkeit handelt oder um eine Forderung, die unter den Nachlassvertrag fällt (Art. 310 Abs. 1 SchKG; Hardmeier, Kommentar zum SchKG, N. 6 zu Art. 310), entscheiden im Streitfall der Zivilrichter oder - für öffentlichrechtliche Forderungen - die zuständigen Verwaltungsbehörden oder -gerichte (BGE 125 III 293 E. 2, m.H.; 122 II 221 E. 3 S. 223; 111 Ia 86 E. 2a u. c; Amonn/Gasser, a.a.O., § 48 Rz. 8).
Wenn die Beschwerdeführerin im betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahren geltend macht, die betreffenden Steuerforderungen seien gestützt auf eine während des Nachlassverfahrens eingetretene Tatsache entstanden und deshalb eine Masseverbindlichkeit, kann sie mit ihren Ausführungen nicht gehört werden. Unbehelflich ist ebenfalls, wenn die Beschwerdeführerin vorbringt, sie habe das Lastenverzeichnis nicht erhalten; Masseschulden müssen ohnehin weder im Kollokationsplan noch im Lastenverzeichnis aufgeführt werden, sondern gehören in das Verteilungsverfahren, genauer in die Schlussrechnung (BGE 120 III 153 E. 2c S. 157; 62 III 83 S. 86; Winkelmann/Lévy/Jeanneret/Merkt/Birchler, a.a.O., N. 6 zu Art. 328; Staehelin, Kommentar zum SchKG, N. 29 zu Art. 262).
c) Bei der verwerteten Liegenschaft handelt es sich nach den Sachverhaltsfeststellungen der Aufsichtsbehörde um ein Grundpfand. Zu prüfen ist daher, ob die geforderte Steuerschuld - wie die Beschwerdeführerin ebenfalls vorbringt - Kosten für die Immobilienverwaltung darstellen.
aa) Mit Rücksicht auf den materiellrechtlichen Deckungsanspruch der Pfandgläubiger dürfen auf den Pfanderlös nur die Kosten der Inventur, Verwaltung und Verwertung der Pfandgegenstände verlegt werden (Art. 262 Abs. 2 SchKG, Art. 85 KOV; Amonn/Gasser, a.a.O., § 48 Rz. 7). Nur diese speziellen Kosten sind vom Erlös des Pfandgegenstandes in Abzug zu bringen, nicht aber Kosten, die das übrige Massevermögen betreffen. Daraus folgt, dass nicht für alle Masseschulden der Pfanderlös in Anspruch genommen werden kann (Jaeger/Walder/Kull/Kottmann, Das Bundesgesetz über Schuldbetreibung und Konkurs, N. 10 zu Art. 262; Staehelin, a.a.O., N. 38 u. 42 zu Art. 262; nicht publ. Urteil des Bundesgerichts vom 2. Oktober 2000 i.S. U. [7B. 201/2000], E. 3b/aa).
bb) Die Beschwerdeführerin stützt die Steuerforderung auf Art. 88 LT/TI, wonach die Kapitalgesellschaften eine Minimalsteuer auf im Kanton gelegenen Immobilien schulden, wenn diese Minimalsteuer grösser als die Gewinn- und Kapitalsteuer ist. Sie hält insbesondere selber fest, dass sie für diese Steuer kein gesetzliches Pfandrecht habe. Wenn die Beschwerdeführerin selbst davon ausgeht, dass sie auch bei einem zahlungsfähigen Schuldner nur auf das allgemeine Vermögen des Schuldners greifen kann, ist von vornherein nicht ersichtlich, weshalb vorliegend die Grundpfandgläubigerin mit der betreffenden Steuer belastet werden soll (BGE 62 III 128 E. S. 131; zum Begriff der Verwaltungskosten: Staehelin, a.a.O., N. 40 zu Art. 262; für die Grundstückgewinnsteuern aber: BGE 122 III 246 E. 5b). Sodann geht aus der provisorischen Verteilungsliste hervor, dass der Erlös des Pfandgegenstandes (Liegenschaft "C.________") die Pfandforderungen gar nicht übersteigt. Folgedessen steht kein Massevermögen zur Verfügung, um andere Masseschulden (vorab) oder übrige Nachlassforderungen zu decken; das Begehren der Beschwerdeführerin, in die provisorische Verteilungsliste aufgenommen zu werden, ist daher unbegründet.
4.- Das Beschwerdeverfahren ist grundsätzlich kostenlos (Art. 20a Abs. 1 SchKG).
Demnach erkennt
die Schuldbetreibungs- und Konkurskammer:
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1.- Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, der Beschwerdegegnerin (A.________ AG in Nachlassliquidation, handelnd durch die Nachlassliquidatorin B.________ AG) und der Aufsichtsbehörde in Betreibungs- und Konkurssachen für den Kanton Bern schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 12. März 2001
Im Namen der Schuldbetreibungs- und Konkurskammer
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Die Präsidentin:
Der Gerichtsschreiber: