BGer 5C.66/2001 |
BGer 5C.66/2001 vom 20.03.2001 |
[AZA 0/2]
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5C.66/2001/ZBE/bnm
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II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
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20. März 2001
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Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
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Bundesrichter Merkli, Bundesrichter Meyer sowie
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Gerichtsschreiber Zbinden.
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In Sachen
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Z.________, Berufungskläger, vertreten durch Advokat Dr.
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Peter Zihlmann, Aeschenvorstadt 57, Postfach 519, 4010 Basel,
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gegen
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Psychiatrie-Rekurskommission Basel-Stadt, St. Alban-Vor-stadt 25, Postfach, 4006 Basel,
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betreffend
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fürsorgerische Freiheitsentziehung, hat sich ergeben:
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A.-Z.________ leidet an einer katatonen Schizophrenie und war deshalb schon mehrmals im Rahmen von fürsorgerischen Freiheitsentzügen in die Psychiatrische Universitätsklinik Basel (PUK) eingewiesen worden.
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Nachdem er Anzeige gegen seinen Vater erhoben hatte, weil ihm dieser angeblich einen gestohlenen Computer geschenkt hatte, entzog ihm ein Arzt des Gesundheitsamtes am 25. Dezember 2000 wegen auffälligen Verhaltens fürsorgerisch die Freiheit und wies ihn in die psychiatrische Universitätsklinik ein.
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Z.________ rekurrierte gegen die Klinikeinweisung an die Psychiatrie-Rekurskommission Basel-Stadt (nachfolgend:
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Rekurskommission) und erhob ebenfalls Beschwerde gegen die zwangsweise Behandlung mit Neuroleptika. Am 4. Januar 2001 wies die Rekurskommission Rekurs und Beschwerde ab und ermächtigte die Klinikleitung, Z.________ bis zum 28. Februar 2001 in der Klinik zurückzubehalten. Z._________ erhob gegen die medikamentöse Zwangsbehandlung staatsrechtliche Beschwerde beim Bundesgericht (1P. 103/2001), welches der Beschwerde am 15. Februar 2001 aufschiebende Wirkung zuerkannte. Die Beschwerde wurde am 22. März 2001 abgewiesen, soweit darauf einzutreten war.
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B.-Mit Entscheid vom 27. Februar 2001 ermächtigte die Rekurskommission die Klinikleitung der PUK, Z.________ auch gegen seinen Willen bis zum 4. April 2001 zurückzubehalten.
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Des Weiteren wies sie eine gegen die medikamentöse Zwangsbehandlung vom 7. und 8. Februar 2001 erhobene Beschwerde ab.
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C.-Mit Berufung vom 28. Februar 2001 beantragt Z.________ zusammengefasst, den Entscheid der Rekurskommission vom 27. Februar 2001 aufzuheben, die Verlängerung des fürsorgerischen Freiheitsentzuges abzuweisen und ihn sofort aus der geschlossenen Abteilung zu entlassen. Für das Verfahren vor Bundesgericht ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.
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Die Begründung der Berufung ist mit Einverständnis des Bundesgerichts nach Zustellung der schriftlichen Begründung des angefochtenen Entscheides am 12. März 2001 ergänzt worden. Die Rekurskommission ist nicht zu Bemerkungen angehalten worden.
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Das Gesuch um sofortige Entlassung wurde am 1. März 2001 abgewiesen.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.- Gemäss Art. 44 lit. f OG ist die Berufung in Fällen der fürsorgerischen Freiheitsentziehung zulässig. Das Recht der Berufung beschränkt sich indes nicht nur auf die Anordnung der fürsorgerischen Freiheitsentziehung, sondern ist generell zulässig gegen alle gestützt auf Art. 397a - f ZGB ergangenen Entscheide (Poudret/Sandoz-Monod, Commentaire de la loi fédérale d'organisation judiciaire, Band II, N. 2.6 zu Art. 44 OG). Die Berufung ist demnach auch zulässig gegen einen Entscheid, mit dem ein unfreiwilliger Freiheitsentzug verlängert wird. Auf die im Übrigen frist- und formgerecht eingereichte Berufung ist daher grundsätzlich einzutreten.
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2.- Eine mündige oder entmündigte Person darf wegen Geisteskrankheit, Geistesschwäche, Trunksucht, anderen Suchterkrankungen oder schwerer Verwahrlosung in einer geeigneten Anstalt untergebracht oder zurückbehalten werden, wenn ihr die nötige persönliche Fürsorge nicht anders erwiesen werden kann (Art. 397a Abs. 1 ZGB). Die Zurückbehaltung in einer Anstalt kann nur unter den in Art. 397a Abs. 1 ZGB aufgeführten Voraussetzungen erfolgen (vgl. Botschaft des Bundesrates über die Änderung des schweizerischen Zivilgesetzbuches [Fürsorgerische Freiheitsentziehung] und den Rückzug des Vorbehaltes zu Artikel 5 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, BBl. 1977 III S. 27). Wie bei der Einweisung in eine Anstalt (vgl. Bernhard Schnyder, Die fürsorgerische Freiheitsentziehung, in Zeitschrift für öffentliche Fürsorge [Zöf] 1979, S. 119) ist somit auch bei der Zurückbehaltung des oder der Betroffenen als der anderen Form des Freiheitsentzuges (BBl. 1977 III S. 27) das Prinzip der Verhältnismässigkeit zu berücksichtigen; vorausgesetzt ist mit anderen Worten, dass der oder die Betroffene infolge der im Gesetz umschriebenen Schwächezustände persönlicher Fürsorge bedarf, die ihm bzw. ihr nur in einer Anstalt gewährt werden kann (BGE 114 II 213 E. 5). Nach der ausdrücklichen Vorschrift des Art. 397a Abs. 3 ZGB muss denn auch die von der fürsorgerischen Freiheitsentziehung betroffene Person entlassen werden, sobald ihr Zustand es erlaubt.
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a) Der Berufungskläger macht zusammengefasst geltend, er sei als behandlungsbedürftig in die PUK eingewiesen worden. Aufgrund der aufschiebenden Wirkung, die der staatsrechtlichen Beschwerde gegen die Zwangsbehandlung zuerkannt worden sei, könne derzeit keine Zwangsmedikation erfolgen; zurzeit profitiere er von keiner Therapie, so dass die fürsorgerische Freiheitsentziehung sich allein schon deshalb als nicht vertretbar erweise. Sodann gehe es auch nicht an, ihm die persönliche Freiheit mit Rücksicht auf die Belastung seiner Mutter zu versagen. Mit Sinn und Geist des fürsorgerischen Freiheitsentzuges, aber auch mit dem Verhältnismässigkeitsprinzip nicht zu vereinbaren sei die Auffassung der Vorinstanz, ein weiterer Freiheitsentzug sei angemessen, um ihn unter fachkompetenter Beobachtung zu halten, weil bei einer sofortigen Entlassung die Gefahr eines Rückfalls in ein akutes psychotisches Zustandsbild bestehe. Die lebensbedrohliche Katatonie, welche die Vorinstanz zum Anlass für die prophylaktische Zurückbehaltung nehme, sei nirgends festgehalten und dokumentiert. Vielmehr werde im angefochtenen Entscheid bemerkt, es lägen zu wenig konkrete Informationen vor, um eine unmittelbare Lebensgefahr oder die Gefahr einer schweren Gesundheitsschädigung im Sinne von § 13 Abs. 4 des kantonalen Gesetzes über die Einweisung und Behandlung psychisch kranker Personen (Psychiatriegesetz; PG) zu belegen. Ihm gehe es im Gegenteil - wie im angefochtenen Entscheid festgehalten werde - gesundheitlich besser. Gegen das Gebot der Verhältnismässigkeit verstosse aber auch, dass die Massnahme solange weitergeführt werden solle, bis voraussichtlich abschätzbar sei, ob und allenfalls in welchem Ausmass es nach dem allfälligen Absetzen der Medikation zu einer erneuten Verstärkung der psychotischen Symptomatik komme; damit sei gar nicht ersichtlich, wann eine Entlassung je erfolgen könne. Der Entscheid der Vorinstanz verletze daher Art. 397a ZGB, sei aber auch mit dem Grundrecht der persönlichen Freiheit nicht zu vereinbaren und beruhe schliesslich auch nicht auf einer verfassungs- und EMRK-konformen Auslegung des Bundesrechts.
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b) Die vom Berufungskläger gerügte Verletzung der persönlichen Freiheit bzw. der Garantien der EMRK ist im Rahmen der Berufung zu behandeln. Denn jede Missachtung dieser Garantien beinhaltet zunächst eine Verletzung der Bestimmungen über die fürsorgerische Freiheitsentziehung, die vor Bundesgericht mit Berufung geltend zu machen ist (BGE 115 II 129 E. 5a S. 131 in fine). Zulässig ist die Rüge der verfassungs- bzw. EMRK-widrigen Auslegung des Bundesrechts (vgl.
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dazu Messmer/Imboden, Die eidgenössischen Rechtsmittel in Zivilsachen, Zürich 1992, Ziff. 73 S. 104 mit Hinweisen).
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c) Nach den Feststellungen des kantonalen Entscheides leidet der Berufungskläger an einer katatonen Schizophrenie, die bereits des öfteren zu katatonen Zuständen bis hin zu fast vollständiger Bewegungsunfähigkeit geführt hat. Ein solcher Zustand kann nach den Ausführungen der Rekurskommission für den allein lebenden und damit auf sich allein gestellten Berufungskläger lebensbedrohlich sein. Soweit der Berufungskläger diesen Zustand und die geschilderten Auswirkungen verneint, richtet er sich gegen die für das Bundesgericht verbindlichen tatsächlichen Feststellungen, weshalb insoweit auf die Berufung nicht eingetreten werden kann (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; Art. 63 Abs. 2 OG). Die momentane Verbesserung des Gesundheitszustandes ist nach den verbindlichen Feststellungen der Vorinstanz höchstwahrscheinlich primär auf die am 9. Februar 2001 verabreichte Depotmedikation zurückzuführen. Soweit der Berufungskläger auf die fehlende unmittelbare Lebensgefahr hinweist, wie sie sich aus E. 6 des angefochtenen Entscheides ergibt, und damit einen Widerspruch in den tatsächlichen Feststellungen darzulegen versucht, hätte die entsprechende Rüge mit staatsrechtlicher Beschwerde vorgebracht werden müssen (Art. 55 Abs. 1 lit. c OG; BGE 111 II 378 E. 3b); abgesehen davon vermöchte dieser Hinweis den angefochtenen Entscheid nicht als widersprüchlich hinzustellen. Der Berufungskläger lässt dabei nämlich unerwähnt, dass die besagte Aussage im Zusammenhang mit der Frage nach der rechtlichen Grundlage für die Zwangsbehandlung vom 7. und 8. Februar 2001 gemacht worden ist. Diese liess sich angesichts der fehlenden unmittelbaren Lebensgefahr bzw. der nicht dokumentierten schweren Gesundheitsschädigung nicht auf § 13 Abs. 4 PG stützen, war aber aufgrund von § 13 Abs. 2 i.V.m. § 22 Abs. 1. PG gerechtfertigt. Insoweit steht diese Aussage mit jenen über den Grund des weiteren Freiheitsentzuges mithin nicht im Widerspruch. Im vorliegenden Fall ist denn auch vielmehr von Bedeutung, dass dem Berufungskläger am 9. Februar 2001 mit seinem Einverständnis eine Depotmedikation mit Clopixol verabreicht wurde, die erfahrungsgemäss nach rund zwei Wochen in ihrer Wirkung nachlässt. Da nicht damit zu rechnen ist, dass der Berufungskläger einer weiteren freiwilligen Medikation zustimmt, bedarf er infolge der nachlassenden Wirkung der Depotmedikation während einiger Zeit dringend der intensiven ärztlichen Überwachung, um dem möglicherweise lebensbedrohlichen katatonen Zustand Rechnung zu tragen. Daraus erhellt, dass der Berufungskläger als fürsorgebedürftig im Sinne des Art. 397a Abs. 1 ZGB anzusehen ist, da er bei einer sofortigen Entlassung einer Gefahr für sein Leben ausgesetzt wäre. Diesem Fürsorgebedarf vermag auch die spontane Willensäusserung des Berufungsklägers, er werde nach der sofortigen Entlassung freiwillig einen Arzt aufsuchen, keineswegs gerecht zu werden; denn damit wäre nicht sichergestellt, dass er die von ihm benötigte Hilfe auch tatsächlich zur rechten Zeit erhält. Allein von daher erscheint die Zurückbehaltung in der Klinik als einzige geeignete Massnahme.
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Sodann kann auch die Verlängerung des unfreiwilligen Klinikaufenthaltes bis zum 4. April 2001 entgegen der Auffassung des Berufungsklägers nicht als unverhältnismässig bewertet werden: Dieser verliert aus den Augen, dass im vorliegenden Fall nicht eine unbestimmte Verlängerung des fürsorgerischen Freiheitsentzuges infrage steht. Für den Fall, dass die Medikation nicht weitergeführt werden kann, geht die Rekurskommission davon aus, die zeitlich beschränkte Verlängerung sollte es ermöglichen, abzuschätzen, ob und allenfalls in welchem Ausmass es nach der Absetzung der Medikation zu einer erneuten Verstärkung der psychotischen Symptomatik komme. Für den Fall, dass die Medikation nach dem Entscheid des Bundesgerichtes weiterhin möglich sein sollte, trägt der Entscheid der Kommission dem mutmasslichen Zeitbedarf Rechnung, bis eine Verminderung der Krankheitssymptomatik voraussichtlich die Prognose erlaubt, der Berufungskläger könne mit Unterstützung seines Umfeldes wieder für sich selber sorgen und es müsse nicht mit einem sofortigen Rückfall in eine floride Psychose gerechnet werden. Auch aus dieser Sicht erweist sich der Entscheid mithin als ausgewogen und verhältnismässig. Aus all dem ergibt sich schliesslich, dass die Rekurskommission nicht allein darauf abgestellt hat, welche Belastung eine unverzügliche Freilassung für die Eltern des Berufungsklägers bedeuten würde. Vielmehr wurde dieser Gesichtspunkt, wie im Gesetz vorgeschrieben ist (Art. 397a Abs. 2 ZGB) und sich aus dem angefochtenen Entscheid ergibt, lediglich mitberücksichtigt.
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Von einer Verletzung des Art. 397a ZGB bzw. von einer verfassungs- oder EMRK-widrigen Auslegung dieser Bestimmung kann folglich keine Rede sein.
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3.-Damit ist die Berufung abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden kann, und der angefochtene Entscheid ist zu bestätigen. Bei diesem Verfahrensausgang wird der Berufungskläger grundsätzlich kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Die Gebühr ist aber einstweilen auf die Bundesgerichtskasse zu nehmen (vgl. nachfolgender Absatz).
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Da sich die Berufung nicht von Anfang an als aussichtslos erwiesen hat und der Berufungskläger als bedürftig gilt, ist seinem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege zu entsprechen und ihm Advokat Dr. Peter Zihlmann als Rechtsbeistand beizugeben (Art. 152 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die Berufung wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist, und der Entscheid der Psychiatrie-Rekurskommission Basel-Stadt vom 27. Februar 2001 wird bestätigt.
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2.- Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen; dem Berufungskläger wird Advokat Dr. Peter Zihlmann, Aeschenvorstadt 57, Postfach 519, 4010 Basel, als Rechtsbeistand beigegeben.
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3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 750.-- wird dem Berufungskläger auferlegt, einstweilen aber auf die Bundesgerichtskasse genommen.
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4.- Advokat Dr. Peter Zihlmann wird mit Fr. 1'500.-- aus der Bundesgerichtskasse entschädigt.
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5.- Dieses Urteil wird dem Berufungskläger, der Psychiatrie-Rekurskommission Basel-Stadt sowie der Direktion der PUK schriftlich mitgeteilt.
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______________
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Lausanne, 20. März 2001
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Im Namen der II. Zivilabteilung des
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SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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