[AZA 0/2]
1P.761/2000/bie
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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23. März 2001
Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung,
Bundesrichter Aeschlimann, Ersatzrichterin Pont Veuthey und Gerichtsschreiber Härri.
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In Sachen
C.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Michael Sigerist, Seehofstrasse 9, Postfach 6462, Luzern,
gegen
Einzelrichteramt des Kantons Z u g,Staatsanwaltschaft des Kantons Z u g,Strafgericht des Kantons Z u g,
betreffend
Strafverfahren
(willkürliche Beweiswürdigung, "in dubio pro reo"),
(staatsrechtliche Beschwerde gegen das Urteil des
Strafgerichts des Kantons Zug [Berufungskammer]
vom 13. Oktober 2000), hat sich ergeben:
A.- C.________ (geb. 1976) wurde vorgeworfen, am 26. April 1999, um ca. 02.20 Uhr, mit einem Personenwagen auf der Autobahn A4a die Höchstgeschwindigkeit von 120 km/h überschritten zu haben. Überdies habe er den Führerausweis nicht mit sich geführt.
B.- Am 6. Juni 2000 verurteilte der Einzelrichter des Kantons Zug C.________ wegen grober Verletzung von Verkehrsregeln und Nichtmitführens des Führerausweises zu Fr. 900.-- Busse. Vom Widerruf des bedingten Vollzugs für eine Vorstrafe von 3 Wochen Gefängnis sah der Einzelrichter ab, verwarnte hingegen C.________.
C.- Die von C.________ dagegen erhobene Berufung wies das Strafgericht des Kantons Zug am 13. Oktober 2000 ab.
Das Strafgericht kam zum Schluss, C.________ habe die Höchstgeschwindigkeit um 36 km/h überschritten. Es stellte ab auf die Zeugenaussagen des Polizeibeamten B.________ der C.________ mit einem zivilen Polizeifahrzeug gefolgt war und eine Nachfahrmessung vorgenommen hatte. Es bestätigte den Schuldspruch, obschon C.________ die Überschreitung der Höchstgeschwindigkeit bestritt und zwei Mitinsassen im von C.________ gelenkten Fahrzeug entlastende Aussagen gemacht hatten.
D.- C.________ führt staatsrechtliche Beschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Strafgerichtes aufzuheben und die Sache zur Neubeurteilung an dieses zurückzuweisen.
E.- Der Einzelrichter und die Staatsanwaltschaft haben auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Strafgericht beantragt unter Verzicht auf Gegenbemerkungen die Abweisung der Beschwerde.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- a) Der Beschwerdeführer macht geltend, das Strafgericht habe die Beweise willkürlich gewürdigt und den Grundsatz "in dubio pro reo" verletzt.
aa) Gemäss Art. 9 BV hat jede Person Anspruch darauf, von den staatlichen Organen ohne Willkür behandelt zu werden.
Nach dem in Art. 32 Abs. 1 BV und Art. 6 Ziff. 2 EMRK verankerten Grundsatz "in dubio pro reo" ist bis zum gesetzlichen Nachweis der Schuld zu vermuten, dass der wegen einer strafbaren Handlung Angeklagte unschuldig ist. Als Beweiswürdigungsregel bedeutet der Grundsatz, dass sich der Strafrichter nicht von einem für den Angeklagten ungünstigen Sachverhalt überzeugt erklären darf, wenn bei objektiver Betrachtung Zweifel bestehen, ob sich der Sachverhalt so verwirklicht hat. Die Beweiswürdigungsregel ist verletzt, wenn der Strafrichter an der Schuld des Angeklagten hätte zweifeln müssen. Dabei sind bloss abstrakte und theoretische Zweifel nicht massgebend, weil solche immer möglich sind und absolute Gewissheit nicht verlangt werden kann. Es muss sich um erhebliche und nicht zu unterdrückende Zweifel handeln, d.h. um solche, die sich nach der objektiven Sachlage aufdrängen.
Bei der Beurteilung von Fragen der Beweiswürdigung beschränkt sich das Bundesgericht auf eine Willkürprüfung.
Es greift nur ein, wenn der Sachrichter den Angeklagten verurteilte, obgleich bei objektiver Würdigung des Beweisergebnisses offensichtlich erhebliche und schlechterdings nicht zu unterdrückende Zweifel an dessen Schuld fortbestanden.
Willkür liegt vor, wenn der angefochtene Entscheid offensichtlich unhaltbar ist, mit der tatsächlichen Situation in klarem Widerspruch steht, eine Norm oder einen unumstrittenen Rechtsgrundsatz krass verletzt oder in stossender Weise dem Gerechtigkeitsgedanken zuwiderläuft. Willkür ist nicht schon dann gegeben, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar oder gar zutreffender erschiene, sondern nur dann, wenn das Ergebnis schlechterdings mit vernünftigen Gründen nicht zu vertreten ist (BGE 124 IV 86 E. 2a mit Hinweisen).
An der Beschränkung der bundesgerichtlichen Kognition auf Willkür bei der Beweiswürdigung hat sich mit dem Inkrafttreten der neuen Bundesverfassung am 1. Januar 2000 nichts geändert (zur Veröffentlichung bestimmtes Urteil des Kassationshofes vom 7. Dezember 2000 in Sachen. W.
[6P. 88/2000], E. 2).
bb) Nach Art. 90 Abs. 1 lit. b OG muss die Beschwerdeschrift die wesentlichen Tatsachen und eine kurz gefasste Darlegung darüber enthalten, welche verfassungsmässigen Rechte bzw. welche Rechtssätze und inwiefern sie durch den angefochtenen Erlass oder Entscheid verletzt worden sind. Im staatsrechtlichen Beschwerdeverfahren prüft das Bundesgericht nur klar und detailliert erhobene und, soweit möglich, belegte Rügen. Auf appellatorische Kritik tritt es nicht ein (BGE 125 I 492 E. 1b mit Hinweisen).
b) Das Strafgericht (S. 7 f.) hat die Beweise einlässlich gewürdigt. Seine Schlussfolgerung, es sei auf die Sachverhaltsdarstellung des Polizeibeamten abzustellen, ist nicht offensichtlich unhaltbar. Wie dargelegt, genügt es für die Annahme von Willkür nicht, wenn eine andere Lösung ebenfalls vertretbar erschiene. Was der Beschwerdeführer einwendet, erschöpft sich über weite Strecken in appellatorischer Kritik am angefochtenen Urteil. Zu den einzelnen Rügen ist Folgendes zu bemerken:
aa) Der Beschwerdeführer macht geltend, seine beiden Mitfahrer A.________ und D.________ hätten bestätigt dass er die zulässige Höchstgeschwindigkeit eingehalten habe. Das trifft so nicht zu. Der Beschwerdeführer (Beschwerde S. 3 f. Ziff. 5) gibt die Aussagen von A.________ vom 11. November 1999 vor der Untersuchungsrichterin unvollständig wieder. A.________ sagte zwar aus, er habe ab und zu auf den Tacho geschaut. Auf die Frage, ob er auf dem Autobahnteilstück, auf dem die Nachfahrmessung stattfand, auf den Tacho geschaut habe, erwiderte er jedoch: "Konkret kann ich das nicht sagen. Ich habe einfach ab und zu auf den Tacho geschaut". Das Strafgericht (S. 7) hat diese Aussage berücksichtigt. Inwiefern die Beweiswürdigung des Strafgerichtes im Lichte der angeführten Aussage von A.________ schlechthin unhaltbar sein soll, legt der Beschwerdeführer nicht substantiiert dar.
bb) Der Einwand, das Strafgericht habe die Aussagen von D.________ übergangen, ist unzutreffend. Das Strafgericht (S. 7) erwägt, D.________ sei hinten in der Mitte des Wagens gesessen, wo sich ihm noch weniger als dem Beifahrer A.________ mühelos die direkte Sicht auf den Tachometer geboten habe; dass D.________, wie er behauptet habe, den Tachometer fortwährend und daher auch auf dem massgeblichen Autobahnabschnitt im Auge behalten habe, erscheine - zumal er hierfür keinen Grund habe nennen können - unwahrscheinlich.
Dass und weshalb diese Auffassung geradezu willkürlich sei, legt der Beschwerdeführer nicht in einer den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise dar; er beschränkt sich auch insoweit auf appellatorische Kritik.
cc) Der Beschwerdeführer bringt vor, das Strafgericht gehe davon aus, das Polizeifahrzeug sei dem Wagen des Beschwerdeführers in einem konstanten Abstand gefolgt, der zwischen 200 und 250 m betragen habe. Dies sei willkürlich.
Das Strafgericht (S. 9) führt aus, der Polizeibeamte sei dem Wagen des Beschwerdeführers nicht in einem zwischen 200 und 250 Meter schwankenden Abstand nachgefahren; eine solche Schwankung hätte der Polizeibeamte anhand der jeweils alle 50 Meter aufgestellten Randleitpfosten, mit deren Hilfe er den Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug fortwährend überprüft habe, bemerkt. Mit dieser Begründung setzt sich der Beschwerdeführer nicht auseinander und er legt nicht substantiiert dar, inwiefern die Auffassung des Strafgerichts schlechthin unhaltbar sei.
dd) Der Beschwerdeführer rügt, es sei willkürlich, auf die Nachfahrmessung abzustellen, obwohl diese den Weisungen des Eidgenössischen Departements für Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation über Geschwindigkeitskontrollen im Strassenverkehr vom 10. August 1998 (im Folgenden: Weisungen) nicht entsprochen habe.
Die Rüge ist unbegründet. Die Weisungen haben keine Gesetzeskraft. Sie binden den Richter nicht und schränken ihn in der freien Beweiswürdigung nicht ein (BGE 102 IV 271). Letzteres wird in den Weisungen (Ziff. 13) ausdrücklich gesagt. Der Richter kann auch bei einer Geschwindigkeitsüberschreitung, die nicht nach den Weisungen gemessen wurde, in willkürfreier Beweiswürdigung zum Ergebnis gelangen, der Lenker sei tatsächlich so schnell gefahren, wie die Messungen ergeben haben.
Im vorliegenden Fall betrug die Messstrecke deutlich mehr als 2 Kilometer. Diese Strecke reicht nach der zutreffenden Ansicht des Strafgerichts für eine Nachfahrmessung gut aus. Das Strafgericht hat berücksichtigt, dass der Abstand zwischen 200 und 250 Metern bei Dunkelheit nicht mehr als ideal angesehen werden kann. Es hat deshalb eine Sicherheitsmarge nicht nur von 10%, sondern von 15% abgezogen. Dass dieser Abzug und die weitere Berechnung der Geschwindigkeitsüberschreitung von 36 km/h schlechthin unhaltbar sei, legt der Beschwerdeführer nicht in einer den Anforderungen von Art. 90 Abs. 1 lit. b OG genügenden Weise dar.
2.- Die Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf eingetreten werden kann. Da der Beschwerdeführer unterliegt, trägt er die Kosten (Art. 156 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, dem Einzelrichteramt, der Staatsanwaltschaft und dem Strafgericht (Berufungskammer) des Kantons Zug schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 23. März 2001
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Der Gerichtsschreiber: