BGer H 114/2000 |
BGer H 114/2000 vom 28.03.2001 |
[AZA 7]
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H 114/00 Gr
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III. Kammer
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Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer;
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Gerichtsschreiberin Riedi Hunold
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Urteil vom 28. März 2001
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in Sachen
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A. K.________, 1990, Beschwerdeführer, vertreten durch seine Mutter K. K.________, und diese vertreten durch Rechtsanwalt Marco Unternährer, Sempacherstrasse 6, Luzern,
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gegen
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Schweizerische Ausgleichskasse, Avenue Edmond-Vaucher 18, Genf, Beschwerdegegnerin,
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Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, Lausanne
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A.- H.________ (geboren 1956) verstarb am 8. August 1992. Sein Sohn A. K.________ (geboren 1990) ersuchte mit Schreiben vom 10. Juli 1997 um Zusprechung einer Waisenrente.
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Gleichzeitig reichte er eine Vaterschaftsklage beim zuständigen Gericht ein (Klage vom 7. August 1997). Die Schweizerische Ausgleichskasse (nachfolgend: Ausgleichskasse) stellte dem Rechtsvertreter von A. K.________ am 16. Oktober 1997 ein offizielles Anmeldeformular mit der Aufforderung zu, dieses "zu gegebenem Zeitpunkt" einzureichen.
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Nach Erhalt des Urteils vom 30. März 1999, mit welchem die Vaterschaft von H.________ festgestellt wurde, reichte A. K.________ am 23. April 1999 das Anmeldeformular ein. Mit Verfügung vom 25. August 1999 sprach ihm die Ausgleichskasse eine ordentliche einfache Waisenrente ab
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1. April 1994 zu.
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B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen (nachfolgend: Rekurskommission) mit Entscheid vom 24. Februar 2000 ab.
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C.- A. K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei ihm eine einfache Waisenrente ab
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1. September 1992 auszurichten. Zudem ersucht er um unentgeltliche Rechtspflege.
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Die Ausgleichskasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
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Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.- a) Die Vorinstanz hat die massgebenden Bestimmungen und Grundsätze über den Anspruch auf eine Waisenrente (Art. 25 AHVG), dessen Geltendmachung (Art. 67 AHVV; ZAK 1975 S. 377) sowie die Nachzahlung von Leistungen (Art. 46 Abs. 1 AHVG; BGE 120 V 170) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.
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b) Streitig ist der Beginn des Rentenanspruchs.
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Die Rekurskommission beruft sich auf BGE 120 V 170 und zieht in Erw. 4 ihres Entscheids den Schluss, dass "der gerichtliche Nachweis der Vaterschaft leicht innerhalb der fünfjährigen Frist des Art. 46 Abs. 1 AHVG hätte erwirkt werden können", weshalb der Beschwerdeführer es sich selbst zuzurechnen habe, dass sein Anspruch auf Waisenrente für die Zeit vom 1. September 1992 bis 31. März 1994 verwirkt sei. Diese Auffassung kann nicht geteilt werden. Im erwähnten Urteil ist vielmehr ausgeführt, dass die Frist von Art. 46 Abs. 1 AHVG erst zu laufen beginnt, nachdem die als notwendig erachtete Zeitspanne zur Erwirkung eines entsprechenden Entscheids - sei dies nun eine Verschollenerklärung oder eine Vaterschaftsfeststellung - verstrichen ist.
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Die Vorinstanz erachtet einen Zeitrahmen von zwei Jahren zur Feststellung der Vaterschaft für angemessen (Erw. 3c 3. Abschnitt ihres Entscheids). Demnach hat die Frist von Art. 46 Abs. 1 AHVG - selbst wenn man davon ausginge, dass die Mutter des Beschwerdeführers umgehend Kenntnis vom Tod von H.________ am 8. August 1992 erhielt, was jedoch aus den Akten nicht ersichtlich ist - frühestens im August 1994 zu laufen begonnen. Mit der Anmeldung vom 23. April 1999 ist die fünfjährige Verwirkungsfrist nach Art. 46 Abs. 1 AHVG auf jeden Fall gewahrt. Es kann somit offen bleiben, ob bereits das Schreiben vom 10. Juli 1997 oder erst die Anmeldung vom 23. April 1999 massgebend ist.
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2.- Der Beschwerdeführer beruft sich auch zu Recht auf den Grundsatz von Treu und Glauben.
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a) Der Grundsatz von Treu und Glauben schützt den Bürger und die Bürgerin in ihrem berechtigten Vertrauen auf behördliches Verhalten und bedeutet u.a., dass falsche Auskünfte von Verwaltungsbehörden unter bestimmten Voraussetzungen eine vom materiellen Recht abweichende Behandlung der Rechtsuchenden gebieten. Gemäss Rechtsprechung und Doktrin ist eine falsche Auskunft bindend, 1. wenn die Behörde in einer konkreten Situation mit Bezug
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auf bestimmte Personen gehandelt hat; 2. wenn sie für die Erteilung der betreffenden Auskunft
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zuständig war oder wenn die rechtsuchende Person die
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Behörde aus zureichenden Gründen als zuständig betrachten
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durfte; 3. wenn die Person die Unrichtigkeit der Auskunft nicht
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ohne weiteres erkennen konnte; 4. wenn sie im Vertrauen auf die Richtigkeit der Auskunft
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Dispositionen getroffen hat, die nicht ohne Nachteil
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rückgängig gemacht werden können; 5. wenn die gesetzliche Ordnung seit der Auskunfterteilung
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keine Änderung erfahren hat (BGE 121 V 66 Erw. 2a mit
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Hinweisen).
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Diese in Anwendung von Art. 4 Abs. 1 der alten Bundesverfassung vom 29. Mai 1874 entwickelte Rechtsprechung zum verfassungsrechtlichen Vertrauensschutz gilt auch unter der Herrschaft von Art. 9 der am 1. Januar 2000 in Kraft getretenen neuen Bundesverfassung vom 18. April 1999, wonach jede Person Anspruch darauf hat, von staatlichen Organen nach Treu und Glauben behandelt zu werden. Demnach kann vorliegend offen bleiben, ob die neue oder noch die alte Bundesverfassung anwendbar ist (RKUV 2000 Nr. KV 126 S. 223).
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b) Die Zustellung des Anmeldeformulars durch die Ausgleichskasse mit der Aufforderung, dieses sei "zu gegebenem Zeitpunkt" einzureichen, konnte in Kenntnis der konkreten Umstände vom Rechtsvertreter des Versicherten nicht anders verstanden werden, als dass das Formular nach Erledigung des Vaterschaftsprozesses einzureichen sei. Dadurch wurde zum Ausdruck gebracht, dass eine solche Anmeldung unter Wahrung aller Fristen erfolge bzw. dem Versicherten keine Nachteile bringe. Auf Grund dieser in Bezug auf die Person und konkrete Situation des Beschwerdeführers von der zuständigen Behörde vorgenommenen Handlung, deren Unrichtigkeit auch für den Rechtsvertreter nicht offensichtlich sein konnte, und der im Nachgang hiezu unterlassenen sofortigen, vorsorglichen Anmeldung auf dem offiziellen Formular sind die Voraussetzungen des Vertrauensschutzes erfüllt.
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Eine Verwirkung der Rentenleistungen für die Zeit vom 1. September 1992 bis 31. März 1994 ist auch aus diesem Grunde zu verneinen.
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3.- Im vorliegenden Verfahren geht es um die Bewilligung oder Verweigerung von Versicherungsleistungen, weshalb von der Auferlegung von Gerichtskosten abzusehen ist (Art. 134 OG). Dem Prozessausgang entsprechend ist dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung zuzusprechen (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 OG). Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege, einschliesslich der unentgeltlichen Verbeiständung, erweist sich damit als gegenstandslos.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde werden
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der Entscheid der Eidgenössischen Rekurskommission
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der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung
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für die im Ausland wohnenden Personen vom 24. Februar
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2000 sowie die Verfügung der Schweizerischen Ausgleichskasse
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vom 25. August 1999 aufgehoben, und es
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wird festgestellt, dass der Beschwerdeführer Anspruch
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auf eine ordentliche einfache Waisenrente ab 1. September
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1992 hat.
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II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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III. Die Schweizerische Ausgleichskasse hat dem Beschwerdeführer für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von
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Fr. 2'500.-- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu
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bezahlen.
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IV. Die Eidgenössische Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden Personen wird über eine Parteientschädigung
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für das vorinstanzliche Verfahren entsprechend
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dem Ausgang des letztinstanzlichen Prozesses zu befinden
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haben.
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V. Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen
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Rekurskommission der Alters-, Hinterlassenen- und
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Invalidenversicherung für die im Ausland wohnenden
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Personen und dem Bundesamt für Sozialversicherung
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zugestellt.
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Luzern, 28. März 2001
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Im Namen des
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Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Der Präsident der III. Kammer:
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Die Gerichtsschreiberin:
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i.V.
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