Zurück zur Einstiegsseite Drucken
Original
 
[AZA 7]
I 437/00 Vr
II. Kammer
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari;
Gerichtsschreiberin Berger
Urteil vom 3. April 2001
in Sachen
H.________, 1953, Beschwerdeführer, vertreten durch den Rechtsdienst für Behinderte der Arbeitsgemeinschaft der Kranken- und Invalidenselbsthilfe Region Basel (AKI), St. Jakobs-Strasse 40, Basel,
gegen
IV-Stelle für Versicherte im Ausland, Avenue Edmond-Vaucher 18, Genf, Beschwerdegegnerin,
und
Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen, Lausanne
A.- Der 1953 geborene H.________ bezog seit 1. März 1996 bei einem Invaliditätsgrad von 100 % eine ganze Rente der Invalidenversicherung (Verfügung der IV-Stelle des Kantons Solothurn vom 24. April 1997). Während des von der IV-Stelle im Jahr 1997 von Amtes wegen eingeleiteten Revisionsverfahrens wanderte der Versicherte nach Thailand aus.
Die Akten wurden zuständigkeitshalber der IV-Stelle für Versicherte im Ausland übermittelt, welche eine polydisziplinäre Begutachtung in der Medizinischen Abklärungsstelle der Invalidenversicherung (MEDAS) veranlasste (Expertise vom 8. Dezember 1998) und eine Stellungnahme der IV-Stellenärztin Frau Dr. med. E.________ vom 14. Januar 1999 einholte.
Nach Durchführung des Vorbescheidverfahrens hob sie die Rente per 1. August 1999 auf (Verfügung vom 14. Juni 1999).
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies die Eidgenössische Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen ab (Entscheid vom 23. Juni 2000).
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt H.________ beantragen, die Sache sei an die Rekurskommission zurückzuweisen, damit sie unter Einbezug der im letztinstanzlichen Verfahren erstmals aufgelegten Arztberichte neu entscheide; soweit bei der vorliegenden Aktenlage der Entscheid erneut rentenabweisend ausfallen würde, seien die bestehenden medizinischen Widersprüche durch eine Oberexpertise in den Fachbereichen Orthopädie, Neurologie sowie Psychiatrie auszuräumen. Der Rechtsschrift liegen unter anderem die Berichte des Dr. med. V.________, Psychiatrische Klinik, Spital Y.________, vom 9. Juni 2000 und des Dr. med.
R.________, Spezialarzt FMH für Orthopädische Chirurgie, vom 23. Juni 2000 bei. Am 16. August 2000 lässt der Versicherte ausserdem eine Stellungnahme der Frau Dr. med.
K.________, Abteilung für Psychosomatik, Spital Y.________, vom 19. Juli 2000 nachreichen.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde.
Das Bundesamt für Sozialversicherung lässt sich nicht vernehmen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Streitig und zu prüfen ist, ob im Zeitraum zwischen dem Erlass der rentenzusprechenden Verfügung vom 24. April 1997 und dem vorliegend streitigen Verwaltungsakt vom 14. Juni 1999 eine im Sinne von Art. 41 IVG relevante Veränderung des massgeblichen Sachverhalts eingetreten ist, welche die Einstellung der Rentenleistungen auf den 1. August 1999 rechtfertigt.
2.- Die Rekurskommission hat die Bestimmungen und Grundsätze über die Voraussetzungen und den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei Erwerbstätigen nach der Einkommensvergleichsmethode (Art. 28 Abs. 2 IVG), die Rentenrevision (Art. 41 IVG; Art. 87 Abs. 2 und Art. 88a Abs. 1 IVV) und die dabei zu vergleichenden Sachverhalte (BGE 112 V 372 Erw. 2b, 109 V 265 Erw. 4a) sowie zur richterlichen Würdigung medizinischer Berichte und Gutachten (BGE 122 V 160 Erw. 1c mit Hinweisen; siehe auch BGE 125 V 352 ff. Erw. 3) richtig wiedergegeben. Darauf kann verwiesen werden.
3.- a) Im MEDAS-Gutachten vom 8. Dezember 1998, auf welches sich die IV-Stelle zur Begründung der revisionsweisen Rentenaufhebung stützt, werden als Nebendiagnosen (ohne "wesentliche" Einschränkung der Arbeitsfähigkeit) ein Status nach Schnittverletzung im Handgelenk ulnar rechts mit Durchtrennung des Flexor Carpi ulnaris, eine verheilte Ulnafraktur rechts nach verzögerter Heilung wegen eines Infektes nach Osteosynthese, chronische Bursitis infrapatellaris beidseits, langjähriger Alkoholabusus ohne Abhängigkeitszeichen, Nikotinabusus, Verdacht auf Benzodiazepinabusus, eine mittelgrosse axiale Hiatushernie mit Refluxösophagitis Grad II und diskreten Gastritiszeichen sowie eine Inguinalhernie rechts angegeben. Hauptdiagnosen (mit Einschränkung der "zumutbaren" Arbeitsfähigkeit) werden nicht gestellt. Im Einzelnen gelangt der konsiliarisch beigezogene Orthopäde Dr. med. A.________ zum Ergebnis, nachdem die Schnittverletzung am rechten Handgelenk notfallmässig mit Sehnennaht versorgt worden sei und nach einer Revision des Nervus ulnaris im Verletzungsgebiet sowie zusätzlich am Ellbogen, sei zwar eine leichte Besserung eingetreten, doch eine Kraftverminderung der Hand sei geblieben.
Dies führe dazu, dass für schwere Arbeiten wie das Tragen und Montieren von Lüftungsanlagen eine Arbeitsunfähigkeit von 40 % bestehe, ohne das Heben von Lasten reduziere sich dieser Wert auf 20 %. Nach dem Konsilium der Neurologin Frau Dr. med. O.________ ist bezüglich der angegebenen Beschwerden von einer erheblichen funktionellen Komponente auszugehen. Wahrscheinlich sei infolge der diversen Traumata und operativen Eingriffe im Bereich der rechten oberen Extremität eine Fixierung auf diese Störungen mit entsprechender Somatisierungstendenz eingetreten. Diese Entwicklung sei vermutlich durch die Gewährung einer ganzen Invalidenrente im März 1996, zu einem Zeitpunkt, in welchem der Versicherte auf Grund der Komplikationen im Rahmen der (1995 erlittenen) Unterarmfraktur rechts behindert gewesen sei, unterstützt. Aus rein neurologischer Sicht sei die Arbeitsfähigkeit als Lüftungsmonteur oder in ähnlichen Berufen mit vergleichbarem körperlichem Arbeitseinsatz zur Zeit nicht wesentlich eingeschränkt. Der ebenfalls konsiliarisch beigezogene Psychiater Dr. med. S.________ gibt an, im psychischen Bereich sei es zu einer Erholung gekommen.
Zusammenfassend gelangen die MEDAS-Experten zum Schluss, es liege keine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit "in invalidisierendem Masse" mehr vor.
b) Nach den Schlussfolgerungen der MEDAS-Experten konnte die vom Orthopäden Dr. med. A.________ diagnostizierte sensomotorische Störung nach Ulnarisschädigung rechts auf Grund des neurologischen Konsiliums mit elektrophysiologischen Untersuchungen ausgeschlossen werden. Die unter anderem aus dieser Feststellung abgeleitete Erkenntnis der medizinischen Fachpersonen, es bestehe weder von der psychiatrischen noch von der orthopädisch-neurologischen Seite her eine Einschränkung der Arbeitsfähigkeit in invalidisierendem Ausmass, ist allerdings missverständlich und mit der Aufgabe des Arztes oder der Ärztin im Rahmen der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1) nicht vereinbar.
Ob sich eine allenfalls bestehende (teilweise) Arbeitsunfähigkeit invalidisierend auswirkt, ist von der Verwaltung (und im Beschwerdefall vom Gericht) zu beantworten.
Relevant ist dabei die durch einen versicherten Gesundheitsschaden verursachte dauernde oder während längerer Zeit bestehende Beeinträchtigung der Erwerbsmöglichkeiten auf dem für die versicherte Person in Betracht fallenden ausgeglichenen Arbeitsmarkt (BGE 119 V 470 Erw. 2b, 116 V 249 Erw. 1b mit Hinweisen). Auf Grund des ansonsten nachvollziehbar begründeten, schlüssigen und alle geklagten Beschwerden berücksichtigenden MEDAS-Gutachtens bleibt deshalb zweifelhaft, ob die Fachärzte tatsächlich von einer vollen Arbeitsfähigkeit in der herkömmlichen Tätigkeit als Lüftungsmonteur ausgehen, oder ob sie mit Blick auf die Angaben des Orthopäden eine - ihrer Ansicht nach nicht invalidisierende - teilweise Arbeitsunfähigkeit von bis zu 40 % annehmen. Die IV-Stellenärztin gelangt in ihrem Bericht vom 14. Januar 1999 zum Ergebnis, zufolge der Abklärungen der MEDAS-Experten sei der Versicherte im Rahmen von 10 % arbeitsunfähig.
Wie es sich damit verhält, kann allerdings offen gelassen werden, weil sich aus den nachfolgenden Ausführungen ergibt, dass die Aufhebung der Invalidenrente auf den 1. August 1999 selbst unter Berücksichtigung einer Arbeitsunfähigkeit von 40 % im bisherigen Tätigkeitsbereich rechtens wäre. Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers kann bei dieser Sachlage nicht beanstandet werden, dass die Rekurskommission von einer Sistierung des vorinstanzlichen Verfahrens bis zum Vorliegen neuer Arztberichte abgesehen hat, da hievon keine neuen Erkenntnisse zu erwarten waren (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 124 V 94 Erw. 4b, 122 V 162 Erw. 1d mit Hinweis; SVR 2001 IV Nr. 10 S. 27). Dem im letztinstanzlichen Prozess gestellten Antrag des Versicherten auf Einholung einer Oberexpertise ist aus demselben Grund nicht stattzugeben.
4.- a) Bei erwerbstätigen Versicherten ist der Invaliditätsgrad auf Grund eines Einkommensvergleichs zu bestimmen.
Insoweit das Validen- und das Invalideneinkommen ziffernmässig nicht genau ermittelt werden können, sind sie nach Massgabe der im Einzelfall bekannten Umstände zu schätzen und die so gewonnenen Annäherungswerte miteinander zu vergleichen. Wird eine Schätzung vorgenommen, so muss diese nicht unbedingt in einer ziffernmässigen Festlegung von Annäherungswerten bestehen. Vielmehr kann auch eine Gegenüberstellung blosser Prozentzahlen genügen. Das ohne Invalidität erzielbare hypothetische Erwerbseinkommen ist alsdann mit 100 % zu bewerten, während das Invalideneinkommen auf einen entsprechend kleineren Prozentsatz veranschlagt wird, sodass sich aus der Prozentdifferenz der Invaliditätsgrad ergibt (Art. 28 Abs. 2 IVG; sogenannter Prozentvergleich; BGE 114 V 313 Erw. 3a mit Hinweisen).
b) Wird zu Gunsten des Beschwerdeführers davon ausgegangen, dass er seine frühere selbstständige Tätigkeit als Lüftungsmonteur (100 %) nur noch in einem Ausmass von 60 % ausüben könnte (vgl. Erw. 3b hievor) und mit Blick darauf, dass nebst der rein zeitlichen Einschränkung keine weiteren lohnmässigen Beeinträchtigungen ersichtlich sind, ist anzunehmen, dass er bei einer 60 %igen Erwerbstätigkeit im bisherigen Beruf auch 60 % (oder jedenfalls mehr als 50 %) des entsprechenden Einkommens erzielen könnte; der Invaliditätsgrad beträgt bei dieser Berechnung 40 % (oder jedenfalls weniger als 50 %).
Damit steht fest, dass sich der Invaliditätsgrad seit der rentenzusprechenden Verfügung in anspruchsbeeinflussender Weise verringert hat. In Berücksichtigung des Auszahlungsverbots von Invalidenrenten unter 50 % ins Ausland (Art. 28 Abs. 1ter IVG) ist deshalb die revisionsweise Aufhebung der Invalidenrente im Ergebnis nicht zu beanstanden.
5.- Die Berichte des Dr. med. V.________ vom 9. Juni 2000, des Dr. med. R.________ vom 23. Juni 2000 und der Frau Dr. med. K.________ vom 19. Juli 2000 vermögen daran nichts zu ändern, weil sie nichts zur Feststellung des Sachverhalts beitragen, wie er sich bis zum Verfügungserlass verwirklicht hat, welcher Zeitpunkt rechtsprechungsgemäss die Grenze der richterlichen Überprüfungsbefugnis bildet (BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen). Unter diesen Umständen kann offen bleiben, ob diese neuen Beweismittel überhaupt berücksichtigt werden können, nachdem sie nach Ablauf der Beschwerdefrist, und ohne dass ein zweiter Schriftenwechsel angeordnet wurde, aufgelegt worden sind (BGE 109 Ib 249 Erw. 3c; ferner nicht veröffentlichtes Urteil des Bundesgerichts vom 10. Oktober 1997, 2A.616/1996).
Eine Rückweisung der Sache an die Vorinstanz zur neuen Entscheidung auf Grund der erstmals im letztinstanzlichen Verfahren eingereichten ärztlichen Berichte erübrigt sich damit.
6.- Da es im vorliegenden Verfahren um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben.
Die unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen; in Pra 1998 Nr. 59 S. 374 nicht publizierte Erw. 4). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird dem Rechtsdienst für Behinderte der Arbeitsgemeinschaft der Kranken- und Invalidenselbsthilfe
Region Basel (AKI) für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 2000.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, der Eidgenössischen Rekurskommission der AHV/IV für die im Ausland wohnenden Personen und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.
Luzern, 3. April 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer:
Die Gerichtsschreiberin: