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1A.21/2001/bie
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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11. April 2001
Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung,
Bundesrichter Aeschlimann, Bundesrichter Féraud und Gerichtsschreiberin Leuthold.
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In Sachen
X.________, Füllinsdorf, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. Stefan Suter, Clarastrasse 56, Basel,
gegen
Statthalteramt Arlesheim, Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons B a s e l - L a n d s c h a f t,
betreffend OHG
(Akteneinsicht), hat sich ergeben:
A.-A.________ wurde am 4. Oktober 2000 in Münchenstein getötet. Im Laufe der polizeilichen Ermittlungen betreffend dieses Tötungsdelikt wurde X.________ am 5. Oktober 2000 durch die Polizei als Auskunftsperson befragt. Ihr Anwalt ersuchte das Statthalteramt Arlesheim wiederholt um Einsicht in die Untersuchungsakten. Er erklärte, X.________ sei die Lebensgefährtin des Getöteten gewesen und werde gegen den Täter adhäsionsweise eine Genugtuungs- eventuell auch eine Schadenersatzforderung geltend machen. Als Lebensgefährtin des Getöteten komme X.________ Opferstellung gemäss Art. 2 Abs. 2 des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten vom 4. Oktober 1991 (OHG; SR 312. 5) zu. Sie sei deshalb im Untersuchungsverfahren Partei und habe somit Anspruch auf Akteneinsicht. Mit Verfügung vom 16. November 2000 wies das Statthalteramt Arlesheim das Begehren um Akteneinsicht ab.
Gegen diese Verfügung erhob X.________ beim Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft Beschwerde mit folgenden Anträgen:
"1. Der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und
es sei festzustellen, dass Frau X.________ Opfer
im Sinne von Art. 2 Abs. 2 des Opferhilfegesetzes
sei.
2. Es sei der Beschwerdeführerin Akteneinsicht zu
gewähren.
3. Es seien keine Kosten zu erheben und es sei der
Beschwerdeführerin eine angemessene Parteientschädigung
zuzusprechen.
4. Es sei die unentgeltliche Rechtspflege/Verbeiständung
zu gewähren.. "
Die Präsidentin des Verfahrensgerichts in Strafsachen trat mit Verfügung vom 19. Januar 2001 auf die Verfahrensbeschwerde nicht ein. Die Gerichtsgebühr von Fr. 100.-- auferlegte sie X.________.
B.- Gegen diesen Entscheid reichte X.________ mit Eingabe vom 30. Januar 2001 Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht ein. Sie stellt folgende Rechtsbegehren:
"1. Der angefochtene Entscheid sei aufzuheben und
es sei die Opferstellung der Beschwerdeführerin
im Strafverfahren betreffend Tötungsdelikt
A.________ gerichtlich festzustellen.
2. Es seien keine Kosten zu erheben und es sei
der Beschwerdeführerin eine angemessene Parteientschädigung
zuzusprechen.
3. Es sei die unentgeltliche Rechtspflege/Verbeiständung
zu gewähren.. "
In prozessualer Hinsicht beantragte sie, der Beschwerde sei bezüglich der ihr im angefochtenen Entscheid auferlegten Gerichtsgebühr von Fr. 100.-- aufschiebende Wirkung beizulegen.
C.- Das Statthalteramt Arlesheim liess sich weder zur Beschwerde noch zum Gesuch um aufschiebende Wirkung vernehmen.
Die Präsidentin des Verfahrensgerichts in Strafsachen nahm in ihrer Vernehmlassung vom 15. Februar 2001 nur zur Beschwerde Stellung. Sie beantragt, die Beschwerde sei abzuweisen.
D.- Mit Präsidialverfügung vom 23. Februar 2001 wurde der Beschwerde bezüglich der im angefochtenen Entscheid ausgesprochenen Gerichtsgebühr aufschiebende Wirkung zuerkannt.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Das Bundesgericht prüft die Zulässigkeit der bei ihm eingereichten Beschwerden von Amtes wegen und mit freier Kognition (BGE 125 II 293 E. 1a S. 299, 497 E. 1a S. 499, je mit Hinweisen).
a) Gemäss Art. 97 OG in Verbindung mit Art. 5 VwVG ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde zulässig gegen Verfügungen, die sich auf öffentliches Recht des Bundes stützen, sofern sie von den in Art. 98 OG genannten Vorinstanzen erlassen worden sind und keiner der in Art. 99 ff. OG oder in der Spezialgesetzgebung vorgesehenen Ausschlussgründe vorliegt.
Dies gilt auch für Verfügungen, die sowohl auf kantonalem Recht als auch auf Bundesrecht beruhen, falls und soweit die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Bundesrecht in Frage steht (BGE 125 II 10 E. 2a S. 13; 123 II 231 E. 2 S. 233; 121 II 72 E. 1b S. 75, je mit Hinweisen).
b) Im vorliegenden Fall wies das Statthalteramt Arlesheim das Begehren der Beschwerdeführerin um Einsicht in die Akten des Strafverfahrens betreffend die Tötung von A.________ gestützt auf § 14 lit. b der Strafprozessordnung des Kantons Basel-Landschaft (StPO) ab. Nach dieser Vorschrift ist Partei im Strafverfahren auf öffentliche Klage "das Opfer gemäss den Bestimmungen des Bundesgesetzes über die Hilfe an Opfer von Straftaten". Das Statthalteramt vertrat die Ansicht, zwischen der Beschwerdeführerin und A.________ habe keine eheähnliche Gemeinschaft bestanden, weshalb die Beschwerdeführerin nicht Opfer im Sinne von Art. 2 Abs. 2 OHG sei. Da sie demzufolge nach § 14 lit. b StPO nicht Partei im genannten Strafverfahren sei, habe sie keinen Anspruch auf Einsicht in die Akten dieses Verfahrens.
Die Präsidentin des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft teilte in den Erwägungen des angefochtenen Entscheids diese Auffassung des Statthalteramtes und bestätigte damit die Verweigerung der Akteneinsicht.
Nach dem Dispositiv ihres Entscheids trat sie jedoch auf die gegen die Verfügung des Statthalteramtes erhobene Verfahrensbeschwerde nicht ein, weil der Beschwerdeführerin keine Parteistellung nach § 14 lit. b und § 120 Abs. 1 StPO zukomme und daher die "Legitimation der Beschwerdeführerin zur Erhebung der Verfahrensbeschwerde im Ergebnis zu verneinen" sei.
c) Art. 8 Abs. 1 Satz 1 OHG schreibt dem Grundsatz nach ein Recht des Opfers auf Beteiligung am Strafverfahren vor. Die Kantone haben die Form dieser Beteiligung näher zu regeln (BGE 124 IV 137 E. 2d S. 139 f.; 119 IV 168 E. 6c S. 173). Fehlen kantonale Verfahrensbestimmungen, kann sich das Opfer nur in den drei in Art. 8 Abs. 1 lit. a-c OHG umschriebenen Fällen als Partei am Strafverfahren beteiligen (BGE 124 IV 137 E. 2d S. 140). Diese drei Fälle betreffen die Rechte des Opfers, seine Zivilansprüche im Strafverfahren geltend zu machen (Art. 8 Abs. 1 lit. a OHG), einen Gerichtsentscheid zu verlangen, wenn das Verfahren gegen den Beschuldigten nicht eingeleitet oder wenn es eingestellt wird (Art. 8 Abs. 1 lit. b OHG) sowie den Gerichtsentscheid mit den gleichen Rechtsmitteln anfechten zu können wie der Beschuldigte, wenn es sich bereits vorher am Verfahren beteiligt hat und soweit der Entscheid seine Zivilansprüche betrifft oder sich auf deren Beurteilung auswirken kann (Art. 8 Abs. 1 lit. c OHG).
Im hier zu beurteilenden Fall geht es um keines dieser drei durch das OHG gewährleisteten Rechte, sondern um die Frage des Anspruchs auf Einsicht in die Akten eines Strafverfahrens im Hinblick auf die Geltendmachung von Zivilansprüchen. Der Anspruch auf Akteneinsicht ist in Art. 8 OHG nicht enthalten (vgl. BGE 124 IV 137 E. 2d S. 140 und 120 Ia 101 E. 3a S. 109, wo dies mit Bezug auf den Anspruch auf rechtliches Gehör - aus dem sich das Recht auf Akteneinsicht ergibt - gesagt wird). Nach dem Strafverfahrensrecht des Kantons Basel-Landschaft setzt das Recht auf Akteneinsicht Parteistellung voraus, und diese ist nach § 14 lit. b StPO dann gegeben, wenn jemand Opfer gemäss den Bestimmungen des OHG ist. Durch den in § 14 lit. b StPO enthaltenen Verweis auf das OHG wird dieses als subsidiäres kantonales Recht angewendet (vgl. BGE 113 Ia 165 E. 3 S. 168). Im vorliegenden Fall steht demnach in Bezug auf die umstrittene Akteneinsicht nicht die Verletzung von unmittelbar anwendbarem Bundesrecht in Frage, sondern die Missachtung von Bundesrecht, welches im angefochtenen Entscheid als subsidiäres kantonales Recht angewendet worden ist. Gegen die Verfügung der Präsidentin des Verfahrensgerichts in Strafsachen vom 19. Januar 2001 ist daher die Verwaltungsgerichtsbeschwerde unzulässig, soweit es um die Akteneinsicht geht.
d) Gleich verhält es sich in Bezug auf die der Beschwerdeführerin auferlegte Gerichtsgebühr von Fr. 100.-- gemäss Ziff. 2 des angefochtenen Entscheids. Das umstrittene Akteneinsichtsverbot kann nach der bestehenden Aktenlage nicht als Teil eines Entschädigungs- und Genugtuungsverfahrens im Sinn von Art. 11 ff. OHG aufgefasst werden, so dass die angefochtene Kostenauflage nicht in den Anwendungsbereich von Art. 16 Abs. 1 OHG fällt, sondern ihre Grundlage im kantonalen Recht hat.
2.- Es fragt sich, ob die Verwaltungsgerichtsbeschwerde als staatsrechtliche Beschwerde entgegengenommen werden kann, soweit sie die für dieses Rechtsmittel geltenden formellen Anforderungen erfüllt (Art. 90 OG; BGE 124 I 223 E. 1a S. 224 mit Hinweis). Es ist zu prüfen, ob der Entscheid der Präsidentin des Verfahrensgerichts in Strafsachen mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar ist.
a) Nach den Erwägungen dieses Entscheids wurde, wie erwähnt, eine Verfügung des Statthalteramtes bestätigt, mit der das Begehren der Beschwerdeführerin um Einsicht in die Akten des hängigen Strafverfahrens betreffend die Tötung von A.________ abgewiesen worden war. Die Beschwerdeführerin hatte um Akteneinsicht ersucht, weil sie in diesem Strafverfahren adhäsionsweise eine Genugtuungs- eventuell auch Schadenersatzforderung geltend machen wolle. Mit dem angefochtenen Entscheid wurde sie nicht endgültig von einer Einsichtnahme in die Akten des genannten Strafverfahrens ausgeschlossen, denn sie hat die Möglichkeit, eine Zivilforderung einzureichen, und in der Folge erneut Einsicht in die Akten des Strafverfahrens zu verlangen. Die Präsidentin des Verfahrensgerichts führte in ihrer dem Bundesgericht eingereichten Vernehmlassung vom 15. Februar 2001 aus, die Beschwerdeführerin habe nicht behauptet, dass sie eine Zivilforderung erhoben habe, weshalb das Verfahrensgericht "die Frage der Parteistellung als Zivilpartei nicht weiter geprüft" habe. Der angefochtene Entscheid stellt daher keinen End-, sondern einen Zwischenentscheid dar.
b) Nach Art. 87 OG in der am 1. März 2000 in Kraft getretenen Fassung vom 8. Oktober 1999 ist gegen selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide über die Zuständigkeit und über Ausstandsbegehren die staatsrechtliche Beschwerde zulässig (Abs. 1). Gegen andere selbständig eröffnete Vor- und Zwischenentscheide ist die staatsrechtliche Beschwerde nur zulässig, wenn sie einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken können (Abs. 2).
Auf den hier in Frage stehenden Entscheid kommt, da er weder die Zuständigkeit noch ein Ausstandsbegehren betrifft, Art. 87 Abs. 2 OG zur Anwendung, d.h. er ist nur dann mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar, wenn er einen nicht wieder gutzumachenden Nachteil bewirken kann.
Nach der Rechtsprechung zu Art. 87 aOG, die grundsätzlich in gleicher Weise auch bei der Anwendung des neuen Art. 87 Abs. 2 OG gilt, muss es sich um einen Nachteil rechtlicher Natur handeln, der auch mit einem späteren günstigen Endentscheid nicht gänzlich behoben werden kann (BGE 126 I 207 E. 2 S. 210 mit Hinweisen). In der Verweigerung des allgemeinen Akteneinsichtsrechts im Strafverfahren wird nach der Praxis des Bundesgerichts grundsätzlich kein solcher Nachteil erblickt. Dies trifft auch hier zu. Die Beschwerdeführerin verlangte Einsicht in die Akten des Strafverfahrens betreffend das Tötungsdelikt vom 4. Oktober 2000, weil sie gegen den Täter adhäsionsweise Zivilansprüche geltend machen wolle. Durch die Verweigerung der Akteneinsicht wird ihr nicht verunmöglicht, im genannten Strafverfahren Zivilansprüche geltend zu machen. Es steht ihr frei, eine Zivilforderung zu erheben. Demnach hat der angefochtene Zwischenentscheid, soweit er die Akteneinsicht betrifft, für die Beschwerdeführerin keinen nicht wieder gutzumachenden Nachteil im Sinne von Art. 87 Abs. 2 OG zur Folge.
Das Gleiche gilt insoweit, als der Beschwerdeführerin im Zwischenentscheid eine Gerichtsgebühr auferlegt wurde. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts hat die in einem Zwischenentscheid erfolgte Kostenauflage keinen irreparablen Nachteil zur Folge, da der Betroffene gegen die Kostenregelung des Zwischenentscheids auch dann im Anschluss an den kantonalen Endentscheid staatsrechtliche Beschwerde führen kann, wenn ihm die Legitimation zur Anfechtung des Endentscheids in der Sache selbst fehlt (BGE 117 Ia 251 E. 1b S. 253 ff.). Es ist auch nicht ersichtlich, inwiefern die Kostenauflage von Fr. 100.-- für die Beschwerdeführerin einen Nachteil zur Folge haben könnte, der nicht wieder behebbar wäre.
Der hier in Frage stehende Zwischenentscheid ist daher in keinem Punkt mit staatsrechtlicher Beschwerde anfechtbar.
Demzufolge entfällt eine Entgegennahme der Verwaltungsgerichtsbeschwerde als staatsrechtliche Beschwerde.
3.- Nach dem Gesagten ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.
Bei diesem Ausgang des bundesgerichtlichen Verfahrens hätte gemäss Art. 156 Abs. 1 OG die Beschwerdeführerin die Kosten zu tragen. Sie hat jedoch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Verbeiständung ersucht. Da die in Art. 152 Abs. 1 und 2 OG genannten Voraussetzungen erfüllt sind, ist dem Gesuch zu entsprechen.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird nicht eingetreten.
2.- Der Beschwerdeführerin wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt:
a) Es werden keine Kosten erhoben.
b) Advokat Dr. Stefan Suter, Basel, wird als amtlicher Anwalt der Beschwerdeführerin bezeichnet und für das bundesgerichtliche Verfahren aus der Bundesgerichtskasse mit Fr. 1'000.-- entschädigt.
3.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Statthalteramt Arlesheim und dem Präsidium des Verfahrensgerichts in Strafsachen des Kantons Basel-Landschaft schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 11. April 2001
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Die Gerichtsschreiberin: