BGer I 9/2001
 
BGer I 9/2001 vom 30.04.2001
[AZA 7]
I 9/01 Vr
IV. Kammer
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger;
Gerichtsschreiberin Amstutz
Urteil vom 30. April 2001
in Sachen
K.________, 1948, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Fachstelle X.________,
gegen
IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin,
und
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, 8570 Weinfelden
A.- Mit Verfügung vom 20. Juli 2000 sprach die IV-Stelle des Kantons Thurgau der 1948 geborenen K.________ auf der Grundlage eines Invaliditätsgrades von 48 % und in Berücksichtigung eines wirtschaftlichen Härtefalls rückwirkend ab 1. April 1998 eine halbe Invalidenrente zu.
B.- Hiegegen liess K.________ Beschwerde erheben mit dem Rechtsbegehren, in Aufhebung der Verfügung vom 20. Juli 2000 sei ihr - namentlich auch im Hinblick auf Leistungsansprüche gegenüber andern Versicherungsträgern - ab
1. April 1998 gestützt auf einen Invaliditätsgrad von 66 % eine ordentliche halbe Invalidenrente zuzusprechen. Mit Entscheid vom 27. November 2000 trat die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau auf die Beschwerde nicht ein.
C.- K.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei ihr eine ordentliche halbe Rente aufgrund eines Invaliditätsgrades von über 50 % zuzusprechen; ferner beantragt sie sinngemäss, eventualiter sei die Streitsache an die AHV/IV-Rekurskommission zurückzuweisen, damit diese über die vorinstanzlich eingereichte Beschwerde materiell entscheide.
Während die IV-Stelle auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Richtet sich die Beschwerde gegen einen Nichteintretensentscheid, hat das Gericht, ungeachtet der Vorbringen des Beschwerdeführers, zu prüfen und darüber zu entscheiden, ob die Verwaltung oder die gerichtliche Vorinstanz zu Recht nicht auf das Leistungs- oder Feststellungsbegehren eingetreten ist. Der richterliche Entscheid in der Sache (Sachentscheid) hat in dieser besonderen verfahrensmässigen Situation den formellen Gesichtspunkt des Nichteintretens durch die untere Instanz zum Gegenstand (BGE 116 V 266 Erw. 2a). Dagegen hat sich das Gericht mit den materiellen Anträgen nicht zu befassen (vgl. BGE 121 V 159 Erw. 2b, 117 V 122 Erw. 1 mit Hinweisen; nicht publizierte Erw. 1a des Urteils RKUV 2000 Nr. U 372 S. 112 [U 269/99]; SVR 1997 UV Nr. 66 S. 226 Erw. 1a). Soweit in der vorliegenden Verwaltungsgerichtsbeschwerde Rechtsbegehren gestellt werden, die sich nicht mit der prozessualen Frage des vorinstanzlichen Nichteintretensentscheids befassen, ist daher darauf nicht einzutreten.
2.- a) Da keine Versicherungsleistungen streitig sind, hat das Eidgenössische Versicherungsgericht nur zu prüfen, ob der vorinstanzliche Entscheid Bundesrecht verletzt, einschliesslich Überschreitung oder Missbrauch des Ermessens, oder ob der rechtserhebliche Sachverhalt offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt worden ist (Art. 132 in Verbindung mit Art. 104 lit. a und b sowie Art. 105 Abs. 2 OG). Das Verfahren ist zudem kostenpflichtig (Art. 134 OG e contrario).
b) Die Vorinstanz hat die Rechtsprechung zur selbstständigen Anfechtbarkeit des Invaliditätsgrades (BGE 115 V 418 Erw. 3b/aa mit Hinweisen), insbesondere zum Erfordernis des schutzwürdigen Interesses an einer entsprechenden Feststellungsverfügung (vgl. Art. 25 Abs. 2 VwVG; BGE 116 II 303 Erw. 2c, 125 V 24 Erw. 1b, 121 V 317 Erw. 4a mit Hinweisen) sowie zur Bindungswirkung der im Rahmen der Invalidenversicherung erfolgten Invaliditätsbemessung im erwerblichen Bereich für die beruflichen Vorsorgeeinrichtungen (zur Publikation bestimmtes Urteil S. vom 26. Oktober 2000 [B 42/99]; BGE 123 V 271 Erw. 2a, 120 V 108 f.
Erw. 3c; SZS 1999 S. 129, je mit Hinweisen) zutreffend dargelegt, sodass darauf verwiesen werden kann.
3.- Es steht fest und wird von der Beschwerdeführerin ausdrücklich anerkannt, dass die Höhe des Invaliditätsgrades jedenfalls nicht mehr als 66 % beträgt. Ebenfalls unbestritten ist, dass die Feststellung eines Invaliditätsgrades zwischen 50 % und maximal 66 % auf die konkrete Höhe der von der Invalidenversicherung ausgerichteten Leistungen keinen Einfluss hätte. Streitig und zu prüfen ist, ob die Vorinstanz vor diesem Hintergrund zu Recht auf die Beschwerde nicht eingetreten ist mit der Begründung, es bestehe kein schutzwürdiges Interesse an der Feststellung eines höheren Invaliditätsgrades.
a) Zu Recht wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht behauptet, ein unmittelbares und aktuelles Rechtsschutzinteresse an der Feststellung eines Invaliditätsgrades von über 50 % sei allein schon aufgrund der theoretischen Möglichkeit zu bejahen, dass die Härtefallvoraussetzungen nach Art. 28 Abs. 1bis IVG künftig wegfallen könnten mit der Folge, dass der Anspruch auf eine halbe Invalidenrente gemäss Art. 28 Abs. 1bis entfallen würde. Denn bei einem allfälligen Wegfall der finanziellen Härte hat die Beschwerdeführerin ohnehin Anspruch auf Überprüfung der Frage, ob ihr die halbe, bis anhin auf der Grundlage von Art. 28 Abs. 1bis IVG ausgerichtete Rente nicht auch unter normalen Voraussetzungen eines mindestens hälftigen Invaliditätsgrades (Art. 28 Abs. 1 IVG) zu gewähren sei; sollte dannzumal die Frage verneint werden, hat sie die Möglichkeit, die Aufhebungsverfügung mit dieser Begründung anzufechten (BGE 106 V 93 Erw. 2; unveröffentlichte Urteile B.
vom 16. Februar 2000 [I 651/99] und R. vom 22. Juli 1998 [I 99/98]), womit dem Rechtsschutzinteresse vollumfänglich Genüge getan ist.
b) Wie die Vorinstanz im Ergebnis zutreffend erwogen hat, lässt sich ein schutzwürdiges Interesse an einer Feststellungsverfügung auch nicht mit dem Verweis auf die grundsätzliche Bindungswirkung des im Rahmen der Invalidenversicherung ermittelten Invaliditätsgrades für den obligatorischen Bereich der beruflichen Vorsorge (vgl. Erw. 2b hievor) begründen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist die Vorsorgeeinrichtung vorliegend nicht an die Invaliditätsbemessung durch die Invalidenversicherung gebunden: Wird nämlich der Invaliditätsgrad - wie vorliegend - im IV-Verfahren im Zusammenhang mit einer Härtefallrente gemäss Art. 28 Abs. 1bis IVG ermittelt, entfaltet er für die berufsvorsorgliche Invalidenrente praxisgemäss keine präjudizierende Wirkung (unveröffentlichte Urteile B.
vom 28. September 1998 [I 164/98] und K. vom 17. April 2000 [I 281/98]), weshalb ein schutzwürdiges Feststellungsinteresse zu verneinen ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit
darauf einzutreten ist.
II.Die Gerichtskosten von Fr. 500.- werden der Beschwerdeführerin auferlegt und mit dem geleisteten Kostenvorschuss verrechnet.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 30. April 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer:
Die Gerichtsschreiberin: