[AZA 7]
I 33/99 Gb
IV. Kammer
Bundesrichter Borella, Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger;
Gerichtsschreiber Signorell
Urteil vom 4. Mai 2001
in Sachen
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdeführerin,
gegen
SWICA Gesundheitsorganisation, Römerstrasse 38, 8401 Winterthur, Beschwerdegegnerin,
und
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur betreffend G.________
A.- Mit Verfügung vom 16. April 1996 lehnte die IV-Stelle des Kantons Zürich die Übernahme der bei G.________ (geb. 1955) durchgeführten Staroperation ab, da aufgrund der vorliegenden Nebenbefunde nicht mit genügend grosser Sicherheit feststehe, dass die Erwerbsfähigkeit mit der beantragten Massnahme dauernd verbessert werden könne.
B.- Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich hiess die von der SWICA Gesundheitsorganisation (nachfolgend: Kasse), bei der G.________ krankenversichert ist, dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 14. Dezember 1998 gut und stellte fest, dass die IV-Stelle für die Staroperation leistungspflichtig sei. Zur Begründung führte es aus, dass die Staroperation nach den von den Fachärzten abgegebenen Prognosen geeignet gewesen sei, die Arbeitsfähigkeit des Versicherten in dem Masse zu verbessern, dass weder berufliche Massnahmen angezeigt seien, noch eine Gegenindikation zum bisherigen Beruf als Bankangestellter vorliege.
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die IV-Stelle die Aufhebung des kantonalen Entscheides und die
Bestätigung der ablehnenden Kassenverfügung vom 16. April 1996.
Die Kasse schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) auf deren Gutheissung. Der Versicherte hat sich nicht vernehmen lassen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- a) Nach Art. 12 Abs. 1 IVG hat ein Versicherter Anspruch auf medizinische Massnahmen, die nicht auf die Behandlung des Leidens an sich, sondern unmittelbar auf die berufliche Eingliederung gerichtet und geeignet sind, die Erwerbsfähigkeit dauernd und wesentlich zu verbessern oder vor wesentlicher Beeinträchtigung zu bewahren. Um Behandlung des Leidens an sich geht es in der Regel bei der Heilung oder Linderung labilen pathologischen Geschehens. Die Invalidenversicherung übernimmt in der Regel nur solche medizinische Vorkehren, die unmittelbar auf die Beseitigung oder Korrektur stabiler oder wenigstens relativ stabilisierter Defektzustände oder Funktionsausfälle hinzielen und welche die Wesentlichkeit und Beständigkeit des angestrebten Erfolges gemäss Art. 12 Abs. 1 IVG voraussehen lassen (BGE 120 V 279 Erw. 3a mit Hinweisen).
b)WesentlichimSinnevonArt. 12Abs. 1IVGistder durch eine Behandlung erzielte Nutzeffekt nur dann, wenn er in einer bestimmten Zeiteinheit einen erheblichen absoluten Grad erreicht (BGE 98 V 211 Erw. 4b). Durch die medizinischen Massnahmen soll in der Regel innerhalb einer gewissen Mindestdauer eine gewisse Mindesthöhe an erwerblichem Erfolg erwartet werden können. Inwieweit der voraussichtliche Eingliederungserfolg noch als wesentlich bezeichnet werden kann, lässt sich nicht generell sagen, sondern ist auf Grund der Besonderheiten des Einzelfalles zu entscheiden. Dabei werden Massnahmen, die nur eine geringfügige Verbesserung der Erwerbsfähigkeit bewirken, von der Invalidenversicherung nicht übernommen. Es muss vorausgesetzt werden, dass eine noch bedeutende Erwerbsfähigkeit vor wesentlicher Beeinträchtigung bewahrt wird, denn das Gesetz sieht im Rahmen von Art. 12 IVG keine Massnahmen vor, um einen kleinen und unsicheren Rest von Erwerbsfähigkeit zu erhalten. Die Frage nach der Wesentlichkeit des Eingliederungserfolges hängt ferner ab von der Schwere des Gebrechens einerseits sowie von der Art der ausgeübten bzw. im Sinne bestmöglicher Eingliederung in Frage kommenden Erwerbstätigkeit anderseits; persönliche Verhältnisse der versicherten Person, die mit ihrer Erwerbstätigkeit nicht zusammenhängen, sind dabei nicht zu berücksichtigen (BGE 115 V 199 Erw. 5a und 200 Erw. 5c mit Hinweisen; vgl. auch BGE 122 V 80 Erw. 3b/cc).
c) Dauernd im Sinne von Art. 12 Abs. 1 IVG ist bei jüngeren Versicherten der von einer medizinischen Eingliederungsmassnahme zu erwartende Eingliederungserfolg, wenn er wahrscheinlich während eines bedeutenden Teils der Aktivitätserwartung erhalten bleiben wird (BGE 104 V 83 Erw. 3b mit Hinweisen; AHI 2000 S. 298 Erw. 1c).
Diesbezüglich kann derzeit auf die Angaben in der 4. Auflage der Barwerttafeln Stauffer/Schaetzle (Zürich 1989) abgestellt werden, welche auf den tatsächlichen Erfahrungen der Invalidenversicherung beruhen (BGE 101 V 50 Erw. 3b mit Hinweisen; AHI 2000 S. 298 Erw. 1c).
2.- a) Die operative Behandlung des grauen Stars ist nach ständiger Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts nicht auf die Heilung labilen pathologischen Geschehens gerichtet, sondern zielt darauf ab, das sonst sicher spontan zur Ruhe gelangende und alsdann stabile oder relativ stabilisierte Leiden durch Entfernung der trüb und daher funktionsuntüchtig gewordenen Linse zu beseitigen (BGE 105 V 150 Erw. 3a, 103 V 13 Erw. 3a mit Hinweisen; AHI 2000 S. 295 Erw. 2b, S. 299 Erw. 2a).
Eine Qualifizierung der Staroperation als medizinische Eingliederungsmassnahme im Sinne von Art. 12 Abs. 1 IVG kann daher grundsätzlich in Frage kommen.
b) Im vorliegenden Fall ist unbestritten, dass die Kataraktoperation vom 17. Januar 1996 erfolgreich verlaufen ist. Das allein genügt jedoch nicht, um diese Operation als medizinische Eingliederungsmassnahme im Sinne von Art. 12 Abs. 1 IVG zu qualifizieren, die von der Invalidenversicherung zu übernehmen ist. Insbesondere die Dauerhaftigkeit des Eingliederungserfolges ist dann in Frage gestellt, wenn erhebliche krankhafte Nebenbefunde vorliegen, die ihrerseits geeignet sind, die Aktivitätserwartung des Versicherten trotz der Operation gegenüber dem statistischen Durchschnitt wesentlich herabzusetzen. Diesfalls vermögen die medizinischen Vorkehren bezüglich Dauerhaftigkeit und Wesentlichkeit für sich allein den Eingliederungserfolg nicht zu gewährleisten. Ob der Eingliederungserfolg dauerhaft und wesentlich sein wird, muss medizinisch-prognostisch beurteilt werden. Dafür ist der medizinische Sachverhalt vor der fraglichen Operation in seiner Gesamtheit massgebend (BGE 101 V 48, 97 Erw. 2b, 103 Erw. 3; 98 V 34 Erw. 2 mit Hinweisen).
3.- a) Der Versicherte war im Zeitpunkt der Staroperation 41 Jahre alt. Nach den Barwerttafeln von Stauffer/ Schaetzle (a.a.O., Tafel 43) ist somit noch von einer mittleren Aktivitätsdauer von 28 Jahren auszugehen. Damit die Operation von der Invalidenversicherung als medizinische Eingliederungsmassnahme übernommen werden könnte, müsste sich der Erfolg des Eingriffes während eines bedeutenden Teils dieser Zeitspanne günstig auf die Leistungsfähigkeit des Versicherten auswirken.
b) G.________ leidet auf beiden Augen an einer hohen Myopie. Im Oktober 1995 kam es am linken Auge zu einer Netzhautablösung. Diese wurde am 6. Oktober 1995 mit einer Cerclage, Vitrektomie und Gasfüllung operiert. Als Folge dieser Operation entstand links ein Katarakt. Prof. Dr. M.________, Augenklinik des Spitals X.________, überwies den Versicherten Prof. Dr. B.________ zur Operation. Der Vertrauensarzt der Kasse, Dr. med. S.________, unterstützte den vorgesehenen Eingriff ohne zusätzliche Untersuchungen. Die Operation erfolgte am 17. Januar 1996. Aus den (postoperativen) medizinischen Unterlagen ergibt sich, dass nicht nur die Netzhaut, sondern ebenfalls die Macula abgelöst war (Bericht Prof. B.________ vom 29. Januar 1996). Nach Ansicht aller beteiligter Ärzte beeinflusst dieser Umstand die Visusprognose. Der IV-Arzt, Dr. med. C.________, vertrat die Meinung, die Invalidenversicherung sei, da die Macula mitbetroffen sei, nicht leistungspflichtig. Im Beschwerdeverfahren wies Dr. med. R.________ darauf hin, dass bei Spitaleintritt schon eine dichte hintere Schalentrübung in der Linse bestanden habe und dass die Macula jedoch als unauffällig beschrieben werde, was prognostisch ein gutes Zeichen sei. Vor der Kataraktoperation habe nicht eindeutig festgestanden, ob damit nur eine Verbesserung des Gesichtsfeldes oder eine eigentliche Lesefähigkeit erreicht werden könne. Die Tatsache der abgelösten Macula könne sich auf die Visusprognose auswirken. Damit sei unklar gewesen, ob eine wesentliche Besserung der Arbeitsfähigkeit erwartet werden könne. Dem Austrittsbericht der Augenklinik lasse sich entnehmen, dass eine gewisse Verbesserung der Arbeitsfähigkeit eingetreten sei. Mit allen Korrekturmöglichkeiten habe eine Sehschärfe von 0,5 und damit eine Besserung der Sehschärfe und etwas Lesefähigkeit erreicht werden können.
Doch sei die Dauerhaftigkeit nicht eindeutig erstellt, denn wenn auch heute weniger Komplikationen zu erwarten seien, seien Wiederablösungen nicht ausgeschlossen. Aufgrund der Befunde nach der Kataraktoperation sei eine gewisse Verbesserung der Arbeitsfähigkeit anzunehmen (Bericht vom 9. Dezember 1996). In einer Stellungnahme zuhanden der Kasse weist Prof. M.________ am 17. März 1997 darauf hin, dass in Anbetracht des erreichten Ergebnisses mit einer praktischen Normalisierung der Sehschärfe auf 0,8 - 0,9 von einer wesentlichen Verbesserung der Fern- und Lesesehschärfe ausgegangen werden könne, die erheblichen Einfluss auf die Arbeitsfähigkeit habe. Der Fundusbefund am linken Auge sei stabil. Da seit der Operation über 1½ Jahre verstrichen seien, sei von einer Dauerhaftigkeit des Befundes auszugehen, auch wenn ein Rezidiv nicht mit letzter Sicherheit ausgeschlossen werden könne. Ein solches sei jedoch ausserordentlich unwahrscheinlich.
c) Die Vorinstanz begründete eine Leistungspflicht der Invalidenversicherung im Wesentlichen damit, dass die behandelnden Ärzte der Augenklinik von einem besserungsfähigen Gesundheitszustand und von einer in dem Masse verbesserten Arbeitsfähigkeit ausgegangen seien, dass weder berufliche Massnahmen angezeigt seien, noch eine Gegenindikation zum bisherigen Beruf vorliege, was eine Lesefähigkeit beider Augen in genügendem Ausmasse verlange. Deshalb seien Wesentlichkeit und Dauerhaftigkeit des Eingliederungserfolges zu bejahen.
d) Die Anmeldung zum Leistungsbezug ging am 17. Januar 1996, d.h. am Operationstag, bei der IV ein. Vor dem Eingriff stand daher nur die Leistungspflicht der Kasse zur Diskussion und dementsprechend berichteten die Ärzte ihr. Sie hatten deshalb auch nicht zur Frage einer allfälligen Verbesserung der Arbeitsfähigkeit Stellung zu nehmen. Gegenüber der IV-Stelle äusserten sich die Ärzte erstmals am 29. Januar 1996. In diesem Bericht weist Prof. B.________ auf die Mitablösung der Macula hin und erwähnt, dass dieser Umstand die Visusprognose mitbeeinflussen werde. Zur Frage der Verbesserung der Arbeitsfähigkeit durch die medizinische Massnahme hält er fest, dass diese nach Stabilisierung der Befunde (postoperative Hornhautverkrümmung) durch Anpassung einer korrekten Brille verbessert werde. Weder seien berufliche Massnahmen angezeigt, noch bestehe eine Gegenindikation im bisherigen Beruf. Das BSV übersieht, dass im konkreten Fall die Prognose bezüglich der Verbesserung der Arbeitsfähigkeit erst postoperativ eingeholt wurde. Von daher lässt sich nicht mehr strikt trennen, wie weit das Ergebnis der Operation die vorgängige Prognose des geplanten Eingriffs beeinflusste. Dass dies weit weniger der Fall ist, als die beschwerdeführende IV-Stelle und das BSV annehmen, ergibt sich schon daraus, dass nie davon die Rede ist, die abgelöste Macula sei auch anderweitig noch geschädigt. Es lässt sich daher nicht ohne weiteres von erheblichen krankhaften Nebenbefunden reden. Selbst Dr. R.________ bestätigt, dass der Zustand einer unauffälligen Macula prognostisch als gutes Zeichen zu werten sei. Die weitere postoperative Entwicklung bestätigte diese damalige - unmittelbar nach dem Eingriff abgegebene - Beurteilung. Im Hinblick auf die noch bevorstehende statistische Aktivitätsperiode von rund 28 Jahren kann unter diesen Umständen von einem dauerhaften Eingliederungserfolg im Sinne von Art. 12 Abs. 1 IVG ausgegangen werden. Die fragliche Kataraktoperation ist deshalb als medizinische Eingliederungsmassnahme zu qualifizieren, für welche die Invalidenversicherung aufgrund von Art. 12 Abs. 1 IVG aufzukommen hat. Der vorinstanzliche Entscheid ist somit nicht zu beanstanden.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, G.________, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich, Zürich, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 4. Mai 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: