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Original
 
[AZA 7]
I 114/99 Hm
III. Kammer
Bundesrichter Schön, Spira und Bundesrichterin Widmer;
Gerichtsschreiber Signorell
Urteil vom 7. Mai 2001
in Sachen
M.________, 1950, Beschwerdeführerin, vertreten durch die Beratungsstelle für Ausländer, Weinbergstrasse 147, 8006 Zürich,
gegen
IV-Stelle des Kantons Thurgau, St. Gallerstrasse 13, 8500 Frauenfeld, Beschwerdegegnerin,
und
AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, Weinfelden
Mit Verfügungen vom 20. Mai 1998 sprach die IV-Stelle des Kantons Thurgau der 1950 geborenen M.________ für die
Zeit vom 1. August 1992 bis zum 30. November 1995 eine halbe und ab 1. Dezember 1995 eine ganze Invalidenrente zu.
Die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau wies eine dagegen erhobene Beschwerde, mit welcher Gewährung einer ganzen Invalidenrente ab 1. August 1992 beantragt wurde, mit Entscheid vom 31. Dezember 1998 ab.
Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird das vorinstanzliche Rechtsbegehren erneuert.
Rekurskommission und IV-Stelle beantragen Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) lässt sich nicht vernehmen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Vorinstanz hat die massgeblichen Grundlagen zum Anspruch auf Invalidenrenten und zur Bemessung des Invaliditätsgrades nach der Methode des Einkommensvergleichs zutreffend dargestellt. Darauf wird verwiesen. Ergänzend ist beizufügen, dass bei gleichzeitiger Verfügung über eine halbe und die sie ablösende ganze Rente der Wechsel sich nach Art. 88a Abs. 2 IVV richtet (BGE 109 V 126 Erw. 4a).
2.- a) Die Beschwerdeführerin meldete sich am 21. Mai 1992 zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle zog einen Bericht des behandelnden Arztes, Dr. med. N.________ vom 25. Juni 1992 bei. Nachdem berufliche Massnahmen gescheitert waren (Bericht der Regionalstelle für berufliche Eingliederung Behinderter vom 2. Februar 1993), wurde im Februar 1994 eine polydisziplinäre Abklärung in der Medizinischen Abklärungsstelle für Invalidenversicherung (MEDAS) durchgeführt. Im Gutachten vom 15. März 1994 wurden die Hauptdiagnosen chronisches zervikothorakobrachiales Überlastungssyndrom rechts und Depression mit ausgeprägter Somatisierung bei einer sehr einfachen, wenig geschulten, unintelligenten Persönlichkeit sowie die Nebendiagnosen Hysterektomie (11. Mai 1993) und Hyperlipidämie gestellt. In Berücksichtigung des Gesamt-, insbesondere des psychischen Zustandes attestierten die Ärzte eine Arbeitsunfähigkeit von 40 %, höchstens 50 %. Mit Verfügung vom 12. August 1994 sprach die Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie der Beschwerdeführerin bei einem Invaliditätsgrad von 45 % mit Wirkung ab 1. August 1992 eine Viertelsrente zu. Die AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau hiess eine dagegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 22. April 1995 in dem Sinne gut, dass die IV-Stelle angewiesen wurde, einen Einkommensvergleich durchzuführen, wobei bei der Festlegung des Invalideneinkommens die Verdienstmöglichkeiten in einer leidensangepassten Tätigkeit zu ermitteln seien.
b) In einem weiteren Bericht der Abklärungsstelle vom 4. Januar 1996 zu Handen der IV-Stelle wurde festgehalten, dass die Versicherte keine Erwerbstätigkeit mehr ausüben könne, auch nicht in einem geschützten Rahmen. Diese Beurteilung veranlasste die IV-Stelle, eine nochmalige medizinische Abklärung in der MEDAS anzuordnen. Deren Gutachten vom 10. November 1997 nennt nunmehr als Hauptdiagnosen (mit Einschränkung der zumutbaren Arbeitsfähigkeit) schwere histrionische Störung als Ausdruck einer Anpassungsstörung, Status nach Subarachnoidalblutung, arterielle Hypertonie und panvertebrales Schmerzsyndrom sowie als Nebendiagnosen Hypercholesterinämie und anamnestisch helicobacter-assoziierte Gastritis. Die Versicherte sei infolge der schweren psychischen Störung, die sich nach einer Subarachnoidalblutung im Mai 1997 entwickelt habe, für jegliche, namentlich auch für eine körperlich leichte, Tätigkeit 100 % arbeitsunfähig. Mit zwei Verfügungen vom 20. Mai 1998 sprach die IV-Stelle der Versicherten für die Zeit vom 1. August 1992 bis zum 30. November 1995 eine halbe und mit Wirkung ab 1. Dezember 1995 eine ganze Invalidenrente zu.
3.- Die Vorinstanz geht davon aus, dass die medizinische Arbeitsunfähigkeit der Beschwerdeführerin für die Zeit bis zum 12. August 1994 verbindlich feststehe, denn die Rückweisung im (ersten) Entscheid vom 22. April 1995 sei nur zur Durchführung eines ordnungsgemässen Einkommensvergleichs erfolgt. Dem kann nicht beigepflichtet werden. Unter Hinweis auf BGE 125 V 413 genügt hier die Feststellung, dass, wenn einer versicherten Person verfügungsweise eine halbe Rente zugesprochen wird und diese beschwerdeweise die Zusprechung einer ganzen beantragt, die unbestrittene halbe Rente nicht in Teilrechtskraft erwächst. Vielmehr unterliegt der Rentenanspruch als solcher insgesamt (Anspruchsberechtigung, Höhe und Beginn einer allfälligen Leistung) der uneingeschränkten richterlichen Überprüfung. Dieser Streitgegenstand bleibt bei einer Rückweisung an die Verwaltung zu weitergehenden Abklärungen der gleiche.
4.- a) Die Beschwerdeführerin wurde zweimal durch die MEDAS St. Gallen polydisziplinär untersucht. Im ersten Gutachten vom 15. März 1994 wurde eine Verminderung der Arbeitsfähigkeit um 40 %, höchstens 50 % festgestellt und darauf hingewiesen, dass es vom therapeutischem Standpunkt aus wünschbar sei, wenn die Versicherte baldmöglichst an einem Arbeitsort platziert werde, wo sie zunächst halbtags eine nicht einseitig belastende, leichtere Tätigkeit ausüben könne. Diese Schlussfolgerungen der Gutachter sind einleuchtend und nachvollziehbar. Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde geben keinen Anlass, sie in Frage zu stellen.
Im (zweiten) Gutachten der MEDAS vom 10. November 1997 wird in Kenntnis der vorangehenden medizinischen Akten sowie nach Durchführung weiterer Abklärungen schwergewichtig eine psychiatrische Diagnose erhoben. Nachdem sich eine depressive Entwicklung bereits 1994 gezeigt habe, sei es infolge der Subarachnoidalblutung im Mai 1997 psychisch zu einer völligen Dekompensation gekommen. Wegen dieser schweren psychischen Störung sei für jegliche Tätigkeit eine 100 %ige Arbeitsunfähigkeit gegeben. Auch diese Beurteilung ist schlüssig und nachvollziehbar.
b) Die Vorinstanz stellt fest, dass vollständige Arbeitsunfähigkeit nicht erst Mitte Mai 1997, sondern bereits früher eingetreten sei. Zwar bestätigte Dr. med. P.________ am 25. August 1995, dass er die Beschwerdeführerin auf Zuweisung des Hausarztes seit dem 29. Juni 1994 ambulant psychiatrisch betreue, jedoch äussert er sich entgegen den Ausführungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht zur Arbeitsunfähigkeit. Verwaltung und Vorinstanz begründen die Rentenerhöhung auf den 1. Dezember 1995 damit, dass die Berufsberaterin anlässlich eines Gesprächs am 19. September 1995 vollständige Arbeitsunfähigkeit festgestellt habe. Dem ist beizupflichten, schloss die Berufsberaterin doch aufgrund des Krankheitsbildes schon damals jegliche berufliche Eingliederungsmassnahme aus, so dass ab diesem Zeitpunkt eine rentenwirksame Verschlechterung des Gesundheitszustandes angenommen werden kann. Zwar ist diese Beurteilung nicht durch einen Arzt erfolgt, doch lässt sie sich mit den vorhandenen Akten in Einklang bringen. Wenn die IV-Stelle die Rentenanpassung gestützt auf Art. 88a IVV auf den 1. Dezember 1995 vornahm, so ist dies nicht zu beanstanden.
Die Verfügungen vom 20. Mai 1998 sind somit in Ordnung.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, der AHV/IV-Rekurskommission des Kantons Thurgau, der Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie, Zürich, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 7. Mai 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: