[AZA 7]
I 605/00 Gb
II. Kammer
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari;
Gerichtsschreiber Hochuli
Urteil vom 19. Juni 2001
in Sachen
E.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Advokat Dr. Claude Schnüriger, Aeschenvorstadt 77, 4010 Basel,
gegen
IV-Stelle des Kantons Zürich, Röntgenstrasse 17, 8005 Zürich, Beschwerdegegnerin,
und
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
A.- E.________, geboren 1972, meldete sich am 7. September 1995 wegen Sehnenscheidenentzündungen an beiden Handgelenken bei der Invalidenversicherung zum Leistungsbezug an. Die Firma S.________ AG löste den seit 11. Januar 1993 bestehenden Arbeitsvertrag per 30. November 1995 aus gesundheitlichen Gründen auf. Mit Verfügung vom 5. Januar 1998 lehnte die IV-Stelle Zürich das Leistungsbegehren ab, weil die Versicherte aus psychiatrischer, neurologischer und orthopädischer Sicht voll arbeitsfähig sei.
In teilweiser Gutheissung der dagegen erhobenen Beschwerde hob das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 4. Juni 1998 die angefochtene Verfügung auf und wies die Sache zur weiteren Abklärung an die IV-Stelle zurück; insbesondere zur Durchführung einer bisher ausstehenden rheumatologischen Begutachtung unter besonderer Berücksichtigung der diagnostizierten Fibromyalgie sowie zur Abklärung, ob durch Kräftigungs- und Aktivierungstherapie mit entsprechender Eigeninitiative eine Steigerung der Arbeitsfähigkeit möglich sei.
B.- Nach durchgeführter rheumatologischer Begutachtung hielt die IV-Stelle gestützt auf die Expertise von Prof.
Dr. med. M.________, Spital Y.________, vom 11. Februar 1999 daran fest, dass in der angestammten Tätigkeit keine Arbeitsunfähigkeit bestehe und der Versicherten ohne Durchführung beruflicher Massnahmen im bisherigen Tätigkeitsumfeld die Ausübung einer handgelenksschonenden Arbeit zumutbar sei, sodass die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Leistungen der Invalidenversicherung nicht erfüllt seien (Verfügung vom 29. Juli 1999).
C.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 14. September 2000 ab.
D.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt E.________, unter Aufhebung des kantonalen Entscheids und der Verwaltungsverfügung, die Zusprechung einer ganzen Invalidenrente; eventuell sei ein polydisziplinäres oder "erweitertes psychiatrisches Gutachten" anzuordnen.
Während die IV-Stelle auf eine Stellungnahme verzichtete, lässt sich das Bundesamt für Sozialversicherung nicht vernehmen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Streitig und zu prüfen ist einzig, ob die Beschwerdeführerin an einer Krankheit leidet, welche sie in ihrer Arbeits- und Erwerbsfähigkeit so sehr beeinträchtigt, dass daraus ein rentenbegründender Invaliditätsgrad (Art. 28 IVG) resultiert.
a) Laut Gutachten des Professor M.________ vom 11. Februar 1999, auf welches die Vorinstanz entscheidwesentlich abstellte, fanden die Fachärzte anlässlich der Untersuchung der Versicherten vom 22. Januar 1999 "sämtliche Fibromyalgie-spezifische Triggerpunkte (18/18 gemäss ACR) positiv". Sie bestätigten damit das Vollbild einer Fibromyalgie nach den Kriterien des American College of Rheumatology (ACR). Auf Seite 9 und 10 des Gutachtens wurden diese vollumfänglich positiv getesteten Fibromyalgie-spezifischen Triggerpunkte unter den "Befunden von Wichtigkeiten" aufgeführt.
Gleichzeitig vertraten die Fachärzte die Auffassung, die von der Versicherten geklagten Beschwerden und deren Intensität stünden im Widerspruch zu den bisher gefundenen, zumeist unauffälligen Untersuchungsergebnissen. Die Handgelenksschmerzen könnten aus rheumatologischer Sicht nicht erklärt werden, da sich dafür kein adäquates organisches Korrelat finde, weshalb sie für die Arbeit als Sekretärin eine volle Arbeitsfähigkeit bestätigten, unter der Bedingung, dass keine monotone, die Handgelenke stark belastende Arbeit durchgeführt werde.
b) Unter Berücksichtigung der Tatsache, dass Fibromyalgie sehr oft zu Invalidität führt (Haiko Sprott, Warum wir die Fibromyalgie-Forschung betreiben, in: rheuma NACHRICHTEN SPEZIAL, 1998 Nr. 17 S. 12 ff.), leuchtet die wiedergegebene Stellungnahme zur Arbeitsfähigkeit im rheumatologischen Gutachten vom 11. Februar 1999 nicht ein. Dieser Erläuterungsbedarf, um nicht zu sagen Widerspruch, wird im Bericht der Frau Dr. med. H.________, FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 10. August 2000 mit Recht aufgegriffen, zumal die Häufung von Unsicherheiten, die unklaren ätiopathologischen Vorgänge Patienten und Ärzte verunsichern, was zur Verleugnung oder Simplifizierung des Krankheitsbildes führen kann (Sprott, a.a.O.). Da sich das Gutachten somit im Ergebnis - entgegen der im angefochtenen Entscheid vertretenen Auffassung - nicht als schlüssig erweist und demzufolge nicht ausschlaggebend darauf abgestellt werden kann (vgl. BGE 122 V 161 Erw. 1c mit Hinweisen), ist die Sache an die Vorinstanz zurückzuweisen, damit sie, nachdem die auf administrativer Ebene durchgeführten Abklärungen den Sachverhalt nicht schlüssig zu erhellen vermochten, ihrerseits ein rheumatologisches Gutachten unter Einbezug der psychiatrischen Aspekte einhole.
c) Zu Letzterem besteht deswegen Anlass, weil Dr. med.
K.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie, die Beschwerdeführerin am 9., 17. und 22. Oktober 1996 im Auftrag der IV-Stelle untersucht und dabei vollkommen unauffällige Verhältnisse gefunden hatte, sodass er weder eine bestimmte Diagnose noch Arbeitsunfähigkeit feststellen konnte (Gutachten vom 21. November 1996). Demgegenüber diagnostizierte die behandelnde Psychiaterin Dr. med.
H.________ eine mindestens seit 1995 anhaltende somatoforme Schmerzstörung sowie eine traumatisch bedingte dissoziative Störung nach einem Missbrauchserlebnis im zwölften Lebensjahr, verbunden mit einer Arbeitsfähigkeit von höchstens 50 %, weshalb sie eine erneute psychosomatische oder psychiatrische Abklärung für dringend angezeigt hielt (Bericht vom 10. August 2000). Das bisher unerwähnt gebliebene traumatisierende Kindheitserlebnis und dessen Einfluss auf die psychische Entwicklung haben sich vor Erlass der Verwaltungsverfügung (vgl. BGE 121 V 366 Erw. 1b mit Hinweisen) ereignet und sind deshalb mitzuberücksichtigen. Die Vorinstanz durfte demnach in psychischer Hinsicht nicht abschliessend auf das Gutachten des Dr. med. K.________ abstellen.
2.- Für das letztinstanzliche Verfahren werden auf Grund von Art. 134 OG keine Gerichtskosten erhoben. Die Beschwerdeführerin dringt mit dem Eventualbegehren vollständig durch, was einem Obsiegen gleich kommt, weshalb ihr praxisgemäss zu Lasten der das Prozessrisiko tragenden IV-Stelle eine Parteientschädigung zusteht (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
wird der Entscheid des Sozialversicherungsgerichts
des Kantons Zürich vom 14. September 2000 aufgehoben
und es wird die Sache an die Vorinstanz zurückgewiesen,
damit sie, nach ergänzenden Abklärungen
im Sinne der Erwägungen, über die Beschwerde gegen die
Ablehnungsverfügung vom 29. Juli 1999 erneut befinde.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Die IV-Stelle des Kantons Zürich hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von
Fr. 2500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, der Ausgleichskasse des Kantons Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.
Luzern, 19. Juni 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: