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Original
 
[AZA 7]
C 39/01 Gb
II. Kammer
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari;
Gerichtsschreiberin Kopp Käch
Urteil vom 27. Juni 2001
in Sachen
K.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch die CAP Rechtsschutzversicherungs AG, Bleicherweg 70, 8027 Zürich,
gegen
Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI, Werdstrasse 62, 8004 Zürich, Beschwerdegegnerin,
und
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
A.- Die 1972 geborene K.________ brachte am 3. Januar 1999 eine Tochter zur Welt. Sie meldete sich am 9. März 1999 zum Bezug von Leistungen der Arbeitslosenversicherung an und erhielt ab 1. April 1999 Arbeitslosenentschädigung.
Nachdem sie eine vom Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zugewiesene Vollzeitbeschäftigung nicht angenommen hatte, überwies das RAV die Akten mit Schreiben vom 3. Juni 1999 an das Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) zum Entscheid über die Vermittlungsfähigkeit. Mit unangefochten in Rechtskraft erwachsener Verfügung vom 20. Juli 1999 verneinte das AWA die Vermittlungsfähigkeit von K.________ ab
3. März 1999. Gestützt darauf forderte die Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI, Zürich, mit Verfügung vom 11. Oktober 1999 die ab 3. März 1999 zuviel bezogenen Taggeldleistungen im Betrag von Fr. 5371. 50 zurück.
Mit Eingabe vom 30. Oktober 1999 ersuchte K.________ - unter Hinweis darauf, dass keine Beschwerde mehr möglich sei, weil sie zu spät reagiert habe - um Erlass der Rückerstattungsforderung.
Das AWA verneinte die Erlassvoraussetzungen mit Verfügung vom 30. November 1999. Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 7. Februar 2000 ab. Das Eidgenössische Versicherungsgericht hiess die dagegen eingereichte Verwaltungsgerichtsbeschwerde in dem Sinne teilweise gut, dass es den Entscheid des Sozialversicherungsgerichts und die Verfügung des AWA aufhob und die Sache an das Sozialversicherungsgericht zurückwies, damit es über die Rückerstattungsverfügung vom 11. Oktober 1999 entscheide (Urteil vom 6. November 2000).
B.- Das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich wies die Beschwerde gegen die Rückerstattungsverfügung der Arbeitslosenkasse der Gewerkschaft Bau & Industrie GBI vom 11. Oktober 1999 ab und wies die Akten an das AWA, damit es nach Eintritt der Rechtskraft über das Erlassgesuch entscheide.
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K.________ beantragen, der vorinstanzliche Entscheid sei aufzuheben und es sei festzustellen, dass es an den rechtlichen Voraussetzungen zur Rückforderung des Betrages von Fr. 5371. 50 fehle.
Die Arbeitslosenkasse und das AWA verzichten auf eine Stellungnahme. Das Staatssekretariat für Wirtschaft hat sich nicht vernehmen lassen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Wie die Vorinstanz zutreffend dargelegt hat, muss die Kasse nach Art. 95 Abs. 1 AVIG Leistungen der Versicherung, auf die der Empfänger keinen Anspruch hatte, zurückfordern.
Gemäss einem allgemeinen Grundsatz des Sozialversicherungsrechts kann die Verwaltung eine formell rechtskräftige Verfügung, welche nicht Gegenstand materieller richterlicher Beurteilung gebildet hat, in Wiedererwägung ziehen, wenn sie zweifellos unrichtig und ihre Berichtigung von erheblicher Bedeutung ist (BGE 126 V 400 Erw. 2b/aa; BGE 122 V 21 Erw. 3a, je mit Hinweisen). Die für die Wiedererwägung formell rechtskräftiger Verfügungen massgebenden Voraussetzungen gelten auch mit Bezug auf die Rückerstattung zu Unrecht bezogener Geldleistungen der Arbeitslosenversicherung gemäss Art. 95 AVIG und zwar unbesehen darum, ob sie förmlich oder formlos zugesprochen worden sind (BGE 126 V 400 Erw. 2b/aa; BGE 122 V 368 Erw. 3, je mit Hinweisen). Eine zweifellose Unrichtigkeit liegt nicht nur vor, wenn die in Wiedererwägung zu ziehende Verfügung auf Grund falscher oder unzutreffender Rechtsregeln erlassen wurde, sondern auch, wenn massgebliche Bestimmungen nicht oder unrichtig angewandt wurden (BGE 126 V 401 Erw. 2b/bb; ARV 1996/1997 Nr. 28 S. 158 Erw. 3c). Eine gesetzwidrige Leistungszusprechung gilt regelmässig als zweifellos unrichtig (BGE 126 V 401 Erw. 2b/bb; BGE 103 V 128).
Der Anspruch auf Arbeitslosenentschädigung setzt u.a.
die Vermittlungsfähigkeit des Versicherten voraus (Art. 8 Abs. 1 lit. f in Verbindung mit Art. 15 AVIG). Für die Frage der zweifellosen Unrichtigkeit ist entscheidend, ob sich die gesetzliche Anspruchsvoraussetzung der Vermittlungsfähigkeit klar verneinen lässt (BGE 126 V 401 Erw. 2b/bb; ARV 1996/1997 Nr. 28 S. 158 Erw. 3c/aa).
2.- a) Durch die unangefochten gebliebene Verfügung des AWA vom 20. Juli 1999 ist die Vermittlungsfähigkeit der Beschwerdeführerin ab 3. März 1999 rechtskräftig verneint worden. Dadurch erweist sich - wie die Vorinstanz zutreffend ausgeführt hat - die früher vorgenommene Taggeldausrichtung im Nachhinein als materiell unrechtmässig, weshalb die erste Rückforderungsvoraussetzung nach Art. 95 Abs. 1 AVIG erfüllt ist.
b) Die Kasse, die für die Rückforderung zuständig ist, ist an den Feststellungsentscheid der kantonalen Amtsstelle über die Vermittlungsfähigkeit zwar gebunden. Trotzdem darf sie bereits ausbezahlte Taggelder, für welche zufolge des negativen rechtskräftigen Entscheids des AWA im Zweifelsfallverfahren die Anspruchsvoraussetzungen nachträglich nicht mehr gegeben sind, nur zurückfordern, wenn die Wiedererwägungs- oder Revisionsvoraussetzungen erfüllt sind.
Der Kasse obliegt es daher, bei im Zweifelsfallverfahren festgestellter Rechtswidrigkeit einer bestimmten Leistungsausrichtung im Rückforderungsverfahren zu prüfen, ob die zweifellose Unrichtigkeit und die erhebliche Bedeutung ihrer Berichtigung als Voraussetzung der Wiedererwägung der verfügten Taggeldzusprechung erfüllt sind (BGE 126 V 402 Erw. 2b/cc).
aa) Im vorliegenden Rückerstattungsprozess ist demnach nur zu prüfen, ob Kasse und Vorinstanz die Wiedererwägungsvoraussetzungen, insbesondere jene der offensichtlichen Unrichtigkeit, zu Recht als erfüllt betrachten durften. Die Vorinstanz kommt aufgrund der persönlichen Stellungnahme der Beschwerdeführerin vom 15. Juli 1999 zum Schluss, dass die anfängliche Bejahung der Vermittlungsfähigkeit zweifellos unrichtig war. Dieser Auffassung ist entgegen der Einwendungen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beizupflichten.
Wohl mag zutreffen, dass in dieser Stellungnahme nicht genau die Worte der Versicherten wiedergegeben sind. Aus den Antworten der Beschwerdeführerin geht jedoch klar hervor, dass sie das inzwischen halbjährige Kind noch ein paar Monate lang stillen und es erst anschliessend - sobald es dann die Flasche nehme - der Tagesmutter bringen wollte.
Für diesen damals noch unbestimmten Zeitpunkt hat sie eine Pflegeplatzbestätigung von F.________ aufgelegt. Dass die Beschwerdeführerin, obschon sie persönliche Arbeitsbemühungen bis Mai 1999 nachgewiesen hatte, gar keine Arbeit aufnehmen konnte, geht auch aus dem Umstand hervor, dass sie das vom RAV zugewiesene Beschäftigungsprogramm der Firma C.________ AG nicht antrat mit der Begründung, sie stille ihr Kind immer noch und könne deshalb nur ein reduziertes Pensum annehmen. Selbst die Möglichkeit einer Teilzeitarbeit verneinte sie dann jedoch in der vierten Frage der persönlichen Stellungnahme vom 15. Juli 1999 und gab in der fünften Frage zur Antwort, sie werde sich beim RAV abmelden.
Davon musste die Kasse bei der Ausrichtung der Taggelder in Anbetracht der Nachweise persönlicher Arbeitsbemühungen für eine Vollzeitstelle nicht ausgehen. Die Vorwürfe der Kenntnis der Sachlage und des widersprüchlichen Verhaltens sind daher nicht berechtigt.
bb) Mit dem kantonalen Gericht ist auch die Wiedererwägungsvoraussetzung der erheblichen Bedeutung des Rückforderungsbetrages zu bejahen.
3.- Gemäss Art. 95 Abs. 4 Satz 1 AVIG verjährt der Rückforderungsanspruch innert einem Jahr, nachdem die auszahlende Stelle davon Kenntnis erhalten hat, spätestens aber fünf Jahre nach der Auszahlung der Leistung. Bei diesen Fristen handelt es sich um Verwirkungsfristen. Mit Verfügung vom 11. Oktober 1999 betreffend Rückforderung der ab
3. März 1999 zuviel bezogenen Taggeldleistungen sind sowohl die einjährige relative als auch die fünfjährige absolute Verwirkungsfrist auf jeden Fall eingehalten.
4.- Nach dem Gesagten lässt sich nicht beanstanden, dass die Arbeitslosenkasse mit Verfügung vom 11. Oktober 1999 wiedererwägungsweise auf die zu Unrecht erfolgte Gewährung von Arbeitslosenentschädigung zurückgekommen ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, dem Amt für Wirtschaft und Arbeit und dem Staatssekretariat für Wirtschaft
zugestellt.
Luzern, 27. Juni 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer:
Die Gerichtsschreiberin: