BGer U 111/2001
 
BGer U 111/2001 vom 09.07.2001
[AZA 7]
U 111/01 Gr
II. Kammer
Präsident Lustenberger, Bundesrichter Meyer und Ferrari; Gerichtsschreiber Ackermann
Urteil vom 9. Juli 2001
in Sachen
V.________, 1954, Beschwerdeführer, vertreten durch den Winterthur-ARAG Rechtsschutz, Rechtsdienst Zürich, Gartenhofstrasse 17, 8036 Zürich,
gegen
Schweizerische Unfallversicherungsanstalt (SUVA), Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,
und
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
A.- V.________, geboren 1954, arbeitete seit dem 1. September 1997 bei der Firma W. im Tiefdruck und war bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) gegen Berufs- und Nichtberufsunfälle versichert. Am 21. April 1998 klemmte er sich die linke Hand in einer Maschine zwischen Zylinder und Presseur ein, was eine Ablederungsverletzung in der linken Hohlhand auf Höhe der Beugefalte MCPGelenk Dig II bis V sowie eine Schädelkontusion zur Folge hatte und gleichentags eine Operation erforderte.
Nach ambulanter Nachbehandlung, Physiotherapie und einem Aufenthalt in der Rehabilitationsklinik X. (Austrittsbericht vom 24. August 1998 mit psychosomatischem Konsilium vom 16. Juli 1998), brach V.________ am 2. November 1998 einen Arbeitsversuch nach einigen Stunden wieder ab, da ihn infolge Berührung mit Acetat die Hand schmerze und er nicht bereit war, Handschuhe zu tragen; ausserdem habe er Schmerzen in der Schulter. Die SUVA wollte mit Verfügung vom 9. November 1998 rückwirkend ab dem 2. November 1998 nur noch ein halbes Taggeld erbringen; nachdem der Hausarzt Dr. med. T.________, Innere Medizin FMH, V.________ ab dem 2. November 1998 aus psychischen Gründen vollständig arbeitsunfähig erklärt hatte, erbrachte die SUVA jedoch weiterhin ein ganzes Taggeld. Nach weiteren Abklärungen (unter anderem ein Gutachten des Psychiatrischen Zentrums W. vom 1. Februar 1999) stellte die SUVA mit Verfügung vom 8. Juli 1999 ihre Versicherungsleistungen per 12. Juli 1999 ein, da keine behandlungsbedürftigen somatischen Unfallfolgen mehr vorlägen und auch kein adäquater Kausalzusammenhang zwischen den geltend gemachten psychischen Problemen und dem Unfall von April 1998 bestehe. Auf Einsprache des Versicherten und seiner Krankenkasse hin bestätigte die SUVA mit Einspracheentscheid vom 15. Oktober 1999 die Leistungseinstellung.
Gemäss Beschluss der IV-Stelle des Kantons Zürich vom 5. März 2001 erhält V.________ mit Wirkung ab 1. April 1999 eine ganze Rente der Invalidenversicherung.
B.- Die gegen den Einspracheentscheid vom 15. Oktober 1999 erhobene Beschwerde des V.________ wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 15. Februar 2001 ab.
C.- V.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und des Einspracheentscheides seien ihm die gesetzlichen Leistungen zu erbringen.
Die SUVA schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während die Krankenkasse des Versicherten und das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Stellungnahme verzichten.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen für den Anspruch auf Heilbehandlung (Art. 10 UVG), auf Taggeld (Art. 16 UVG) und auf Invalidenrente (Art. 18 f. UVG) zutreffend dargelegt. Dasselbe gilt für die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, 117 V 376 Erw. 3a mit Hinweisen) und adäquaten Kausalzusammenhang (BGE 123 III 112 Erw. 3a, 123 V 103 Erw. 3d, 139 Erw. 3c, 122 V 416 Erw. 2a, je mit Hinweisen) zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod), insbesondere auch zur Adäquanzbeurteilung bei Unfällen und der in der Folge eingetretenen psychischen Fehlentwicklung mit Einschränkung der Arbeits- und Erwerbsfähigkeit (BGE 115 V 133). Darauf kann verwiesen werden.
2.- Es steht fest und ist unbestritten, dass keine somatischen Unfallfolgen mehr vorliegen. Streitig ist allein, ob der adäquate Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 21. April 1998 und dem geltend gemachten psychischen Gesundheitsschaden, der die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt, gegeben ist.
a) Das kantonale Gericht hat den Leistungsanspruch des Versicherten abgewiesen, da die bei einem mittelschweren Unfall zusätzlich erforderlichen Begleitumstände weder besonders ausgeprägt noch gehäuft vorlägen. Der Beschwerdeführer rügt, dass die Abklärungen widersprüchlich ausgefallen und nur die für ihn ungünstigen Versionen berücksichtigt worden seien. Er macht geltend, dass durch die besondere Eindrücklichkeit des Unfalles die Adäquanzvoraussetzungen erfüllt seien, da es sich um einen mittleren Unfall an der Grenze zu einem schweren Unfall handle.
b) aa) Die Schilderung des Unfalles durch die beteiligten Mitarbeiter des Versicherten vom 26. Mai 1999 geht davon aus, dass der Beschwerdeführer beim Materialeinzug seine Hand zwischen Presseur und Zylinder einklemmte, der Maschinenführer sofort die Maschine abgestellt hat und es etwa zehn bis maximal fünfzehn Minuten dauerte, bis die Hand aus dem Druckwerk befreit werden konnte. Wenn in den Akten an anderen Stellen von einer halben Stunde Dauer die Rede ist (psychosomatisches Konsilium Rehabilitationsklinik X. vom 16. Juli 1998; Austrittsbericht Rehabilitationsklinik X. vom 24. August 1998; Bericht SUVA-Kreisarzt Dr. med. A.________ vom 19. Oktober 1998), so basieren diese Angaben offensichtlich allein auf Äusserungen des durch den Unfall unbestrittenermassen sehr stark beeindruckten Versicherten. Es gilt deshalb als erstellt, dass die Hand des Beschwerdeführers etwa zehn bis maximal fünfzehn Minuten im Druckwerk eingeklemmt war; der Sachverhalt ist insofern nicht widersprüchlich.
bb) In Anbetracht der Umstände (höchstens fünfzehn Minuten eingeklemmte Hand und relativ rasch geheilte Verletzungen) ist der Vorinstanz zuzustimmen, wenn sie den Unfall den mittelschweren Ereignissen zuordnet.
cc) Da sich bei Unfällen im mittleren Bereich die adäquate Kausalität nicht allein aufgrund des Unfalles schlüssig beurteilen lässt, sind gemäss Rechtsprechung weitere objektiv erfassbare Kriterien heranzuziehen (BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa).
Der Unfall vom 21. April 1998 wies unzweifelhaft eine gewisse Eindrücklichkeit auf: einem Rechtshänder wird die linke Hand in eine grosse Maschine "gezogen", er kann sich in der Folge nicht mehr selber befreien, die Maschine wird notfallmässig gestoppt, und es entsteht ein grosser Aufruhr unter den Arbeitskollegen. Jedoch kann nicht davon gesprochen werden, dass die Eindrücklichkeit objektiv besonders ausgeprägt ist (vgl. BGE 115 V 141 oben); die beschriebene Aufregung ist in der Regel bei jedem (nicht als leicht zu bezeichnenden) Unfall in gleicher Weise gegeben. Zudem muss realistischerweise davon ausgegangen werden, dass sich der Beschwerdeführer objektiv nicht in Lebensgefahr befand. Wenn im Bericht der Mitarbeiter vom 26. Mai 1999 davon die Rede ist, dass bei einem nicht sofortigen Eingreifen des Maschinenführers der Unfall "viel schlimmer" ausgefallen wäre, ist dies dahin zu verstehen, dass sich der Versicherte bleibende Verletzungen an der Hand und allenfalls am Handgelenk hätte zuziehen können; noch ernsthaftere Folgen sind infolge des Abstandes zwischen Presseur und Druckzylinder von ungefähr 40 mm kaum möglich.
Da die Eindrücklichkeit des Unfalles nicht in besonders ausgeprägter Weise erfüllt ist, und auch kein schwererer Unfall im mittleren Bereich vorliegt, sind gemäss Rechtsprechung zur Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhanges weitere Kriterien notwendig (BGE 115 V 140 6c/bb e contrario). Wie die Vorinstanz zu Recht ausgeführt hat, waren die erlittenen Verletzungen (Ablederungsverletzung in der linken Hohlhand und Schädelkontusion) weder besonders schwer, noch erfahrungsgemäss geeignet, eine psychische Fehlentwicklung auszulösen. Da die rein körperlichen Folgen des Unfalles vom April 1998 relativ rasch verheilt waren (Entlassung aus dem Spital nach etwa eineinhalb Wochen; Wunden spätestens im September 1998 ausgeheilt), ist von einem einfachen Heilungsverlauf ohne Komplikationen und einer zwar langen, aber noch nicht übermässig langen, physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit auszugehen (abgebrochener Arbeitsversuch am 2. November 1998). Weiter lagen weder eine ungewöhnlich lange ärztliche Behandlung noch körperliche Dauerschmerzen vor, vielmehr stellten sich die psychischen Probleme bereits nach etwa drei Monaten ein.
c) Da die gemäss Rechtsprechung bei einem mittleren Unfall notwendigen objektiven Kriterien nicht gehäuft vorliegen und auch keines davon in besonders ausgeprägter Weise gegeben ist, ist der adäquate Kausalzusammenhang zwischen Unfall und dem psychischen Gesundheitsschaden, der die Arbeits- und Erwerbsfähigkeit beeinträchtigt, zu verneinen. Der Beschwerdeführer hat deshalb keinen Anspruch auf weitere Leistungen der Unfallversicherung.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, den Wincare Versicherungen,
dem Sozialversicherungsgericht des Kantons
Zürich und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 9. Juli 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: