BGer U 7/2000 |
BGer U 7/2000 vom 27.07.2001 |
[AZA 7]
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U 7/00 Gb
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III. Kammer
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Bundesrichter Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter Ursprung; Gerichtsschreiber Arnold
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Urteil vom 27. Juli 2001
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in Sachen
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R.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Bruno Häfliger, Schwanenplatz 7, 6000 Luzern 5,
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gegen
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Schweizerische Unfallversicherungsanstalt, Fluhmattstrasse 1, 6004 Luzern, Beschwerdegegnerin,
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Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
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A.- R.________, geb. 1945, war seit 29. Juli 1996 als Maurer bei der Firma X.________ AG angestellt und bei der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) obligatorisch gegen die Folgen von Berufs- und Nichtberufsunfall versichert. Laut Unfallmeldung seines Rechtsvertreters (vom 19. Januar 1998) hatte er am 2. August 1996 ein Verhebetrauma erlitten, als er beim Verlegen eines Natursteinbodens eine 85 Kilogramm schwere Steinplatte senken wollte. Die SUVA nahm den mit der Unfallmeldung aufgelegten Bericht des Dr. med. G.________, Facharzt für Neurochirurgie, Klinik Y.________, (vom 27. Oktober 1997) zu den Akten und befragte den Versicherten am 27. Februar 1998 zum angezeigten Vorfall. Gestützt darauf verneinte sie mit gleichentags erlassener Verfügung den Anspruch auf Versicherungsleistungen mangels Vorliegens eines Unfalles oder einer unfallähnlichen Körperschädigung. Daran hielt sie auf Einsprache hin nach Beizug weiterer medizinischer Akten (Berichte des Dr. med. G.________ vom 7. und 26. Februar 1997 und des Dr. med. S.________, Institut für medizinische Radiologie und Nuklearmedizin, Klinik Y.________, vom 13. Februar 1997) fest (Einspracheentscheid vom 1. Juli 1998).
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B.- Die dagegen eingereichte Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern ab (Entscheid vom 16. November 1999).
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C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt R.________ beantragen, in Aufhebung des kantonalen Gerichtsentscheides sei die SUVA zu verpflichten, die gesetzlichen Leistungen für das Unfallereignis vom 2. August 1996 zu erbringen.
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Die SUVA beantragt Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde. Das Bundesamt für Sozialversicherung reicht keine Vernehmlassung ein.
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Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
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1.- Der Rechtsstreit dreht sich um die Frage, ob das Ereignis vom 2. August 1996 als Unfall im Rechtssinne zu qualifizieren ist. Nach Lage der Akten stimmen die Verfahrensbeteiligten zu Recht darin überein, dass eine Leistungspflicht der Beschwerdegegnerin wegen unfallähnlicher Körperschädigung (Art. 9 Abs. 2 UVV) oder Berufskrankheit (Art. 9 UVG; Art. 14 UVV; Anhang 1 zur UVV) ausser Betracht fällt.
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2.- Das kantonale Gericht hat die Bestimmung über den Unfallbegriff (Art. 9 Abs. 1 UVV) sowie die Rechtsprechung zum Begriffsmerkmal der Ungewöhnlichkeit des äusseren Faktors (vgl. auch BGE 122 V 232 Erw. 1 mit Hinweisen) im Allgemeinen und bei einer unkoordinierten Bewegung (vgl. auch RKUV 1999 Nr. U 333 S. 199 Erw. 3c/aa und Nr. U 345 S. 422 Erw. 2b mit Hinweisen) sowie bei - im Hinblick auf die Konstitution und berufliche oder ausserberufliche Gewöhnung der betreffenden Person - ausserordentlichem Kraftaufwand (BGE 116 V 139 Erw. 3b; vgl. auch RKUV 1994 Nr. U 180 S. 38 Erw. 2) im Besonderen zutreffend dargelegt. Darauf wird verwiesen.
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3.- a) In tatsächlicher Hinsicht ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer am 2. August 1996 damit beschäftigt war, Bodenplatten aus Sandstein zu verlegen, d.h. zu setzen und mit Mörtel und Zement einzumauern. Als er die letzte Platte gesetzt hatte, stellte er fest, dass diese ein wenig zu hoch lag. Er hob die cirka 85 Kilogramm wiegende Natursteinplatte deshalb wieder an, was ihm beim dritten Versuch glückte, stellte sie hochkant und kratzte etwas Mörtel von der Unterseite weg. Anschliessend senkte er die Platte, mit beiden Händen haltend und langsam in die Knie gehend, erneut ab. Dabei verspürte er einen stichartigen Schmerz im unteren Teil des Rückens.
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b) Anhaltspunkte dafür fehlen, dass der Beschwerdeführer beim Senken der Platte ausgerutscht oder gestolpert ist. Insoweit er im kantonalen Verfahren geltend machen liess, er habe eine abrupte, unkoordinierte Bewegung vorgenommen, indem er, in die Knie gehend, versucht habe, die aus dem Gleichgewicht und in grosse Geschwindigkeit geratene Platte "abzufangen", kann ihm nicht beigepflichtet werden. Diese Sachverhaltsdarstellung findet weder in seinen Aussagen im Rahmen der vorinstanzlichen Parteibefragung (Protokoll vom 21. Oktober 1999) noch in den Angaben gegenüber der SUVA (Bericht vom 27. Februar 1998) eine Stütze. Danach fehlen vielmehr jegliche Hinweise dafür, dass die körperliche Bewegung durch eine Programmwidrigkeit gestört worden ist.
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4.- a) Zu prüfen bleibt, ob ein Unfall im Sinne einer Überanstrengung vorliegt, was Vorinstanz und SUVA verneinen, der Beschwerdeführer bejaht. Dieser begründet seinen Rechtsstandpunkt letztinstanzlich insbesondere damit, die Körperschädigung sei beim Verlegen der grössten und schwersten Platte eingetreten. An der bereits verlegten Steinplatte habe zudem Mörtel geklebt, was zu einer erheblichen Gewichtszunahme geführt habe.
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b) Für die Beurteilung, ob eine unfallmässige Überanstrengung vorliegt, sind insbesondere folgende Umstände zu berücksichtigen:
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aa) Der Versicherte war während seiner gesamten beruflichen Laufbahn als Maurer tätig, wobei er verschiedentlich als Kundenmaurer angestellt war. Auf Grund der vorinstanzlichen Parteibefragung steht fest, dass er dabei auch Bodenplatten aus Naturstein zu verlegen hatte (Protokoll vom 21. Oktober 1999).
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bb) Anders als im in RKUV 1994 Nr. U 180 S. 37 ff. beurteilten Fall, wo die Strasse möglichst schnell wieder frei sein musste und die Arbeiten deshalb in grosser Eile ausgeführt werden mussten, stand der Beschwerdeführer nicht unter Zeitnot. Daran ändert nichts, dass der strittige Vorfall sich nach Darstellung des Versicherten am Freitagabend, kurz vor Feierabend, ereignete.
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cc) Die Arbeiten auf der Baustelle in Z.________ dauerten insgesamt vier Tage. Der Beschwerdeführer hatte dabei stets die auf der Kante bereit stehenden, unterschiedlich dicken und schweren Platten an ihren definitiven Standort zu ziehen und anschliessend zu verlegen. Die Arbeitsposition konnte er dabei grundsätzlich frei wählen. Beim zweiten Absenken der letzten Platte folgte er der Last in dem Sinne, als er, ursprünglich in stehender Haltung, langsam in die Knie ging.
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dd) Der Beschwerdegegnerin ist darin beizupflichten, dass die Steinplatte im Vergleich zum hochkantigen Aufstellen nach erster, nicht planmässiger Verlegung jedenfalls um das Gewicht des entfernten, überschüssigen Mörtels leichter war. Gestützt auf die Angaben des Beschwerdeführers gegenüber der SUVA (Bericht vom 27. Februar 1998) ist davon auszugehen, dass die Platte beim Hochheben, d.h. mit der gesamten, zum Teil überflüssigen Mörtelschicht, cirka 85 Kilogramm wog. Laut Unfallmeldung seines Rechtsvertreters (vom 19. Januar 1998) war die fragliche Platte beim (zweiten) Verlegen 85 Kilogramm schwer. Selbst wenn der Beschwerdeführer mit seiner Gewichtsschätzung das Nettogewicht der Platte im Auge gehabt hätte, wäre damit für ihn nichts gewonnen, zumal in den bei Maurer (Schweizerisches Unfallversicherungsrecht, S. 178 Anm. 359) erwähnten Fällen, in welchen das Eidgenössische Versicherungsgericht eine den Unfallbegriff erfüllende Überanstrengung verneint hat, die zu hebenden Lasten zwischen 60 und 100 Kilogramm schwer waren. Vorliegend ist von einer unter allen Umständen jedenfalls geringeren Anstrengung auszugehen, als die hochkant stehende Natursteinplatte bloss abzusenken war. Zu berücksichtigen ist sodann, dass der Beschwerdeführer ähnlich schwere Lasten schon öfters, u.a. am gleichen Tag, abzusenken hatte. Hinzu kommt, dass die Anstrengung jedenfalls grösser war, als er die nicht wunschgemäss verlegte Platte wieder aus der Unterlage herauslösen und aufstellen musste.
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c) Zusammenfassend ist festzustellen, dass der Beschwerdeführer zwar ein beträchtliches, jedoch nicht geradezu ungewöhnliches Gewicht absenken musste, die Arbeit nicht in grosser Eile auszuführen war und die Arbeitsposition der Aufgabe angepasst werden konnte. Mangels Vorliegens eines Unfalles im Rechtssinne braucht nicht weiter geprüft zu werden, ob das diagnostizierte belastungsabhängige, lumboischialgiforme Reizsyndrom L5 rechts bei medianer Diskushernie L4/5 (Bericht des Dr. med. G.________ vom 26. Februar 1997) vorbestanden hat oder ob es in einem natürlichen und adäquaten Kausalzusammenhang mit dem Geschehen am 2. August 1996 steht.
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Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
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I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
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III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht
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des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche
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Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung
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zugestellt.
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Luzern, 27. Juli 2001
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Im Namen des
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Eidgenössischen Versicherungsgerichts
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Der Präsident der III. Kammer:
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Der Gerichtsschreiber:
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