BGer P 19/1999
 
BGer P 19/1999 vom 31.08.2001
[AZA 7]
P 19/99 Vr
IV. Kammer
Präsident Borella, Bundesrichter Rüedi und Kernen; Gerichtsschreiber Nussbaumer
Urteil vom 31. August 2001
in Sachen
K.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Peter von Moos, Kasernenplatz 2, 6003 Luzern,
gegen
Ausgleichskasse Obwalden, Brünigstrasse 144, 6060 Sarnen,
Beschwerdegegnerin,
und
Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden, Sarnen
A.- K.________ bezog ab 1. Januar 1993 Ergänzungsleistungen zu einer Rente der Invalidenversicherung. Nachdem sie als Abgeltung für die im Jahre 1989 erlittene Schleudertraumaverletzung der Halswirbelsäule von der Versicherung des haftpflichtigen Dritten vergleichsweise anfangs Mai 1996 einen Betrag von Fr. ... ausbezahlt erhalten hatte, nahm die Ausgleichskasse Obwalden eine Neuberechnung der Ergänzungsleistungen vor. Mit Verfügung vom 3. Juni 1996 verneinte die Ausgleichskasse einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen mit Wirkung ab 1. Juni 1996, da die anrechenbaren Einnahmen der Versicherten deren anerkannte Ausgaben überstiegen. Die hiegegen erhobene Beschwerde wurde vom Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden mit Entscheid vom 10. Juli 1997 in dem Sinne gutgeheissen, als die Kassenverfügung vom 3. Juni 1996 aufgehoben und die Sache zur Neubeurteilung des Ergänzungsleistungsanspruchs im Sinne der Erwägungen an die Ausgleichskasse zurückgewiesen wurde. Das Verwaltungsgericht hielt in den Erwägungen fest, die Ausgleichskasse habe das anrechenbare hypothetische Erwerbseinkommen des Ehemannes der Versicherten neu zu ermitteln und nach Aufrechnung von Zinserträgen von Fr. ... für die erhaltene Abfindungssumme über den Anspruch auf Ergänzungsleistungen neu zu entscheiden. Nach Einholen einer Auskunft bei der Post (17. Dezember 1997) und eines Abklärungsberichts für Hausfrauen (18. August 1997) verneinte die Ausgleichskasse mit Verfügung vom 30. Januar 1998 wiederum einen Anspruch auf Ergänzungsleistungen ab 1. Juni 1996.
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden mit Entscheid vom 17. Februar 1999 ab, soweit es darauf eintrat. U.a. hielt es fest, auf die Vorbringen der Beschwerdeführerin gegen die Aufrechnung eines hypothetischen Einkommens des Ehemannes sowie von Zinserträgen von Fr. ... könne nicht eingetreten werden, da diese Fragen bereits im ersten Entscheid vom 10. Juli 1997, den die Versicherte nicht angefochten habe, rechtskräftig beurteilt worden seien.
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt K.________ die Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Kassenverfügung sowie die Rückweisung der Sache an die Ausgleichskasse zur Neuberechnung der Ergänzungsleistungen beantragen.
Ausgleichskasse und Bundesamt für Sozialversicherung verzichten auf Vernehmlassung.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- a) Die Beschwerdeführerin macht in formeller Hinsicht geltend, die Vorinstanz habe im Entscheid vom 17. Februar 1999 zu Unrecht die Verbindlichkeit einzelner in den Erwägungen des ersten Entscheids vom 10. Juli 1997 getroffener Feststellungen angenommen und sei demzufolge zu Unrecht auf die diesbezüglich in der zweiten Beschwerde vorgebrachten Rügen nicht eingetreten. Die Vorinstanz übersehe, dass die Beschwerdeführerin gegen den ersten Entscheid kein Rechtsmittel habe ergreifen können; im Übrigen erwachse ohnehin nur das Dispositiv eines Entscheids in Rechtskraft, nicht hingegen dessen Begründung.
b) Nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts stellt der Rückweisungsentscheid einer kantonalen Rekursinstanz eine im Sinne von Art. 128 in Verbindung mit Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 VwVG mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht anfechtbare Endverfügung dar. Anfechtbar ist grundsätzlich nur das Dispositiv, nicht aber die Begründung eines Entscheides. Verweist indessen das Dispositiv eines Rückweisungsentscheides ausdrücklich auf die Erwägungen, werden diese zu dessen Bestandteil und haben, soweit sie zum Streitgegenstand gehören, an der formellen Rechtskraft teil. Dementsprechend sind die Motive, auf die das Dispositiv verweist, für die Behörde, an die die Sache zurückgewiesen wird, bei Nichtanfechtung verbindlich. Beziehen sich diese Erwägungen auf den Streitgegenstand, ist somit auch deren Anfechtbarkeit zu bejahen (BGE 120 V 237 Erw. 1a mit Hinweis).
c) Im Lichte dieser Rechtsprechung lässt sich die Vorgehensweise des kantonalen Gerichts nicht beanstanden. Im Entscheid vom 10. Juli 1997 hat es festgehalten, dass vom Ehemann der Beschwerdeführerin angesichts der von ihm mit der selbstständigen Erwerbstätigkeit erzielten Einkommen gestützt auf Art. 163 ZGB grundsätzlich die Aufnahme einer Nebenbeschäftigung oder gar die Aufnahme einer vollzeitigen unselbstständigen Erwerbstätigkeit verlangt werden könne. Hinsichtlich des hypothetischen Einkommens des Ehemannes seien noch zusätzliche Abklärungen vorzunehmen, insbesondere zur Frage, zu wie viel die Beschwerdeführerin selber noch arbeitsfähig sei und die Haushaltführung sowie Kindererziehung übernehmen könne und wieviel ihr Ehegatte entsprechend dazu beizutragen habe. In Bezug auf den von der Haftpflichtversicherung erhaltenen Kapitalbetrag von Fr. ... erwog das kantonale Gericht, es sei ein jährlicher Ertrag von Fr. ... entsprechend einer Verzinsung von 2,25 % auf der Einnahmenseite zu berücksichtigen.
Die beiden Fragen des hypothetischen Einkommens des Ehegatten und des Vermögensertrages nahmen an der formellen Rechtskraft des Entscheides vom 10. Juli 1997 teil, weil in Ziff. 1 des Dispositivs ausdrücklich auf die Erwägungen verwiesen worden ist. Wird eine Streitsache wie hier von einer erstinstanzlichen Rekursbehörde im Sinne der Erwägungen an die Verwaltung zurückgewiesen, sind nach der Rechtsprechung sowohl die Verwaltung als auch, im Falle der Anfechtung der neuen Verwaltungsverfügung, die erstinstanzliche Rekursbehörde an die Erwägungen gebunden (BGE 120 V 237 Erw. 1a, 117 V 241 Erw. 2a, 99 Ib 520, je mit Hinweisen; Gygi, Bundesverwaltungsrechtspflege, 2. Aufl. S. 144 und 232). Diese Verbindlichkeit der Erwägungen eines Rückweisungsentscheides beruht auf der Überlegung, dass eine in einem formell rechtskräftigen Rückweisungsentscheid beurteilte Rechtsfrage für den konkreten Rechtsfall als endgültig entschieden zu gelten hat (RKUV 1999 Nr. U 331 S. 127 Erw. 2).
2.- a) Wie das Eidgenössische Versicherungsgericht in BGE 117 V 291 Erw. 3b entschieden hat, ist unter dem Titel des Verzichtseinkommens (Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG in der bis Ende 1997 gültig gewesenen und hier anwendbaren Fassung) auch ein hypothetisches Einkommen der Ehefrau eines EL-Ansprechers anzurechnen, sofern diese auf eine zumutbare Erwerbstätigkeit oder auf deren zumutbare Ausdehnung verzichtet. Bei der Ermittlung der zumutbaren Erwerbstätigkeit ist auf das Alter, den Gesundheitszustand, die Sprachkenntnisse, die Ausbildung, die bisherige Tätigkeit, die konkrete Arbeitsmarktlage sowie gegebenenfalls auf die Dauer der Abwesenheit vom Berufsleben abzustellen (BGE 117 V 290 Erw. 3a, 115 II 11 Erw. 5a, 114 II 302 Erw. 3a; ZAK 1989 S. 72 Erw. 3c; vgl. auch Art. 125 ZGB in der seit 1. Januar 2000 geltenden Fassung). Ferner ist bei der Festlegung eines hypothetischen Einkommens zu berücksichtigen, dass für die Aufnahme und Ausdehnung der Erwerbstätigkeit eine gewisse Anpassungsperiode erforderlich und nach einer langen Abwesenheit vom Berufsleben die volle Integration in den Arbeitsmarkt in einem gewissen Alter nicht mehr möglich ist. Die auch bei der Festsetzung von nachehelichen Unterhaltsansprüchen in Art. 125 Abs. 2 Ziff. 7 ZGB vorgesehene (Wieder-)Eingliederungsfrist ins Berufsleben findet im Rahmen der EL-Berechnung in der Weise Berücksichtigung, dass der betreffenden Person eine gewisse realistische Übergangsfrist für die Aufnahme oder Erhöhung des Arbeitspensums zugestanden wird, bevor ein hypothetisches Einkommen angerechnet wird (AHI 2001 S. 132 mit Hinweisen). Diese Grundsätze gelangen auch zur Anwendung, wenn die Ehefrau Bezügerin von Ergänzungsleistungen ist und sich die Frage stellt, ob es dem Ehemann zuzumuten ist, seine bisher ausgeübte, wenig rentable selbstständige Erwerbstätigkeit zu Gunsten einer lukrativeren unselbstständigen Erwerbstätigkeit aufzugeben.
b) Die Ausgleichskasse ging bei der Festsetzung des hypothetischen Verdienstes des Ehegatten vom Einkommen gestützt auf Tabellenlöhne davon aus, der Ehemann der Beschwerdeführerin könne zumutbarerweise unter Berücksichtigung der Marktlage mit einer Vollzeitstelle ein Jahreseinkommen von Fr. 55'000. - erzielen. Ausgehend von diesem Einkommen nahm die Ausgleichskasse eine Reduktion um 25 % vor, da der Ehemann gemäss Abklärungsbericht für Hausfrauen vom 8. August 1997 als Folge der verminderten Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin im Umfang von 25 % bei der Haushaltführung und Kindererziehung tätig ist. Das um diesen Viertel reduzierte Einkommen von Fr. 41'250. - wurde noch um die Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von Fr. 2702. - vermindert und schliesslich zu zwei Dritteln in die Berechnung des Anspruchs auf Ergänzungsleistungen miteinbezogen. Diese Ermittlung des hypothetischen Einkommens lässt sich mit dem kantonalen Gericht nicht beanstanden. In der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird zu diesem Punkt nichts vorgebracht, was zu einer andern Betrachtungsweise führen könnte. Wie das kantonale Gericht auch festgehalten hat, erscheint das aufgerechnete Einkommen für die konkrete persönliche Situation sowie den Arbeitsmarkt im fraglichen Zeitpunkt und in der Nähe des Wohnorts (AHI 2001 S. 136 Erw. 2d) als realistisch, zumal der Ehegatte der Beschwerdeführerin in der Zeit vom 1. Juni bis 31. Dezember 1997 als Unselbstständigerwerbender mit einem Arbeitspensum von 65 % einen Lohn erzielte, der einem Jahressalär von Fr. 52'779. - (ohne Kinderzulagen) entspricht.
c) Auch bei Überprüfung der grundsätzlichen Frage der Anrechenbarkeit eines hypothetischen Erwerbseinkommens für den Ehegatten erweist sich die Auffassung von Ausgleichskasse und Vorinstanz als zutreffend. Die Beschwerdeführerin hat im Jahre 1989 ein Schleudertrauma erlitten, welches zu einer Invalidenrente führte. Der Ehegatte der Beschwerdeführerin verdiente in den Jahren 1991-1995 als Selbstständigerwerbender zwischen Fr. ... und Fr. ... pro Jahr. Mit ihrem Ehegatten und den drei Kindern lebt die Beschwerdeführerin seit 1995 im neu erworbenen Haus, das per 1. Juni 1996 mit Fr. ... belastet gewesen ist. Angesichts dieser hypothekarischen Belastung und der Grösse der Familie wäre der Ehemann der Beschwerdeführerin allein schon aus wirtschaftlichen Gründen gezwungen gewesen, seine unrentable Tätigkeit als Selbstständigerwerbender aufzugeben. Dazu war er im Rahmen der EL-Berechnung nach der Rechtsprechung des Eidgenössischen Versicherungsgerichts in Übereinstimmung mit Art. 163 ZGB insofern verpflichtet, als im Unterlassungsfalle von einem Verzichtstatbestand im Sinne von Art. 3 Abs. 1 lit. f ELG (in der bis Ende 1997 gültig gewesenen Fassung) auszugehen ist (BGE 117 V 287; AHI 2001 S. 132). Nachdem die Beschwerdeführerin den Unfall im Jahre 1989 erlitten und seit 1. Januar 1993 Ergänzungsleistungen bezogen hatte, verblieb ihrem Ehemann genügend Zeit, um sich an die neue Situation anzupassen, sodass die vorgenommene Anrechnung eines hypothetischen Einkommens als Unselbstständigerwerbender auch unter dem Aspekt der Anpassungszeit rechtens ist.
3.- a) Der Eingang der Haftpflichtsumme von Fr. ... im Mai 1996 war Anlass, eine Neuberechnung der Ergänzungsleistungen gestützt auf Art. 25 Abs. 1 lit. c ELV (in der bis Ende 1996 gültig gewesenen und hier anwendbaren Fassung) vorzunehmen. Nach dieser Bestimmung sind das neue, auf ein Jahr umgerechnete Einkommen und das bei Eintritt der Veränderung vorhandene Vermögen massgebend. Im Lichte dieser Verordnungsbestimmung ist die Entschädigung der Haftpflichtversicherung von Fr. ... in vollem Umfange als Vermögen anzurechnen sowie ein Vermögensertrag von Fr. ... einzusetzen, welcher mit einem mit dem kantonalen Gericht auf 2,25 % festzusetzenden Zinsfuss erzielt werden könnte. Da nach Art. 25 Abs. 1 lit. c ELV das bei Eintritt der Veränderung (hier 1. Juni 1996) vorhandene Vermögen massgebend ist, kommt es entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin nicht darauf an, wie sie in der Folge die erhaltene Zahlung der Haftpflichtversicherung verwendet hat. Wie das kantonale Gericht zu Recht im Entscheid vom 10. Juli 1997 festgehalten hat, wären Änderungen der finanziellen Situation namentlich in Bezug auf die Haftpflichtsumme im Rahmen einer späteren Neuüberprüfung des Ergänzungsleistungsanspruchs zu prüfen.
b) Unbehelflich ist schliesslich auch der Einwand, bei der Berechnung der Ergänzungsleistungen seien die Schuldzinsen von Fr. ... und Fr. ... für die beiden grundpfandgesicherten privaten Darlehen nicht berücksichtigt worden. Gemäss Art. 3 Abs. 4 lit. c ELG (in der bis Ende 1997 gültig gewesenen und hier anwendbaren Fassung) sind Hypothekarzinsen nur bis zur Höhe des Bruttoertrages der Liegenschaft abziehbar. Da neben den beiden privaten Darlehen noch bei einer Bank eine Hypothekarschuld von Fr. ... (per 1. Januar 1996) bestand, und die Schuldzinsen für die drei Darlehen den Bruttoertrag der Liegenschaft (Fr. ...) übersteigen (vgl. auch BGE 126 V 252), erweist sich die Berechnung der Ergänzungsleistungen auch in diesem Punkt als rechtmässig.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Obwalden und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 31. August 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer: Der Gerichtsschreiber: