[AZA 0/2]
1P.360/2001/bmt
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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27. September 2001
Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Féraud, Ersatzrichterin Pont Veuthey und Gerichtsschreiber Forster.
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In Sachen
J.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Fürsprecher Daniel Jaccard, Christoffelgasse 7, Postfach 6826, Bern,
gegen
Generalprokurator des Kantons Bern, Obergericht (1. Strafkammer) des Kantons Bern,
betreffend
Art. 29 Abs. 2 BV
(Parteientschädigung nach Freispruch und
Verfahrenseinstellung, Begründungspflicht),
hat sich ergeben:
A.-Mit Urteil vom 31. Mai 2000 sprach der Gerichtspräsident 13 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen J.________ von der Anklage der Anmassung eines akademischen Titels (Art. 14a des bernischen Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch) frei. Diesbezüglich wurden weder Verfahrenskosten ausgeschieden, noch dem Freigesprochenen eine Parteientschädigung zugesprochen. Gleichzeitig verurteilte der Gerichtspräsident den Angeklagten wegen Widerhandlung gegen Art. 47 i.V.m. Art. 14 Abs. 1 lit. a und c des bernischen Gesundheitsgesetzes (widerrechtliche Ausübung einer bewilligungspflichtigen Tätigkeit auf dem Gebiet des Gesundheitswesens und Abgabe bzw. Anwendung von Heilmitteln, begangen zwischen ca. 1980 und 4. Juni 1998) zu einer Busse von Fr. 1'500.-- und zur Übernahme der erstinstanzlichen Verfahrenskosten von Fr. 1'200.--.
B.-Gegen das erstinstanzliche Urteil erklärte J.________ am 8. Juni 2000 die Appellation. Mit Erkenntnis vom 1. September 2000 gab das Obergericht (1. Strafkammer) des Kantons Bern dem Strafverfahren betreffend Widerhandlung gegen das Gesundheitsgesetz wegen Eintritts der absoluten Strafverfolgungsverjährung keine weitere Folge. Die erstinstanzlichen Verfahrenskosten von Fr. 1'200.-- wurden J.________ auferlegt. Eine Parteientschädigung für das erstinstanzliche Verfahren wurde ihm verweigert.
C.-Gegen den Entscheid des Obergerichtes gelangte J.________ mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 9. Oktober 2000 an das Bundesgericht (Verfahren 1P.638/2000). Mit
Urteil vom 13. Februar 2001 hiess das Bundesgericht die Beschwerde gut und hob den Entscheid des Obergerichtes vom 1. September 2000 wegen Verletzung der Unschuldsvermutung (Art. 32 Abs. 1 BV, Art. 6 Ziff. 2 EMRK) auf.
D.- Mit Entscheid vom 20. April 2001 stellte das Obergericht (1. Strafkammer) des Kantons Berns fest, dass das Strafurteil vom 31. Mai 2000 des Gerichtspräsidenten 13 des Gerichtskreises VIII Bern-Laupen (bezüglich des Freispruches von der Anklage der Anmassung eines akademischen Titels) in Rechtskraft erwachsen sei. Dem Strafverfahren betreffend Widerhandlung gegen das Gesundheitsgesetz gab das Obergericht keine weitere Folge. Die erst- und oberinstanzlichen Verfahrenskosten legte es dem Kanton Bern auf. Betreffend Parteientschädigung entschied das Obergericht wie folgt:
"Für das erstinstanzliche Verfahren wird J.________
eine Entschädigung, bestimmt auf insgesamt Fr.
8'500.--, und für das oberinstanzliche Verfahren
bestimmt auf insgesamt Fr. 1'500.-- (beide Beträge
inkl. Mehrwertsteuer und persönlicher Anteil an
J.________) ausgerichtet, total ausmachend für
beide Verfahren Fr. 10'000.-- (Art. 399 Abs. 1
i.V.m. Art. 389 Ziff. 5 StrV). "
E.-Gegen den Entscheid des Obergerichtes vom 20. April 2001 gelangte J.________ mit staatsrechtlicher Beschwerde vom 25. Mai 2001 erneut an das Bundesgericht (Verfahren 1P.360/2001). Er rügt - in Bezug auf die Bemessung der Parteientschädigung - eine Verletzung der verfassungsmässigen Begründungspflicht und beantragt die Aufhebung des angefochtenen Entscheides.
F.- Das Obergericht des Kantons Bern beantragt in seiner Vernehmlassung vom 29. Juni 2001 die Abweisung der Beschwerde, während der Generalprokurator des Kantons Bern auf eine Stellungnahme ausdrücklich verzichtet hat.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.-Die Zulässigkeitsvoraussetzungen der Beschwerde (Art. 84 ff. OG) sind erfüllt. Angefochten wird ein letztinstanzlicher Endentscheid (Art. 86 f. OG). Der Beschwerdeführer ist vom streitigen Parteikostenentscheid unmittelbar betroffen und damit beschwerdelegitimiert (Art. 88 OG).
2.-a) Der Beschwerdeführer macht geltend, im angefochtenen Entscheid seien ihm Fr. 10'000.-- (inklusive Mehrwertsteuer) als Parteientschädigung zugesprochen worden (nämlich Fr. 8'500.-- für das erstinstanzliche und Fr. 1'500.-- für das oberinstanzliche kantonale Verfahren). Damit sei das Obergericht "deutlich von den Anträgen des Beschwerdeführers abgewichen". Er habe insgesamt "rund Fr. 5'220.--" mehr in Rechnung gestellt (nämlich "für das erstinstanzliche Verfahren Fr. 10'000.-- zzgl. MWST und für das Appellationsverfahren Fr. 2'000.-- zzgl. MWST", sowie "eine Entschädigung von Fr. 2'000.--" zuzüglich Fr. 300.-- plus Mehrwertsteuer "für persönliche Beeinträchtigungen").
Der Beschwerdeführer rügt, das Obergericht habe bei seinem Kostenentscheid "vollständig auf eine Begründung verzichtet". Es äussere sich im angefochtenen Entscheid "weder zur Höhe der beantragten Beträge, noch zu den im
Urteil selbst zugesprochenen". Das Obergericht sei "mit keiner Silbe auf die diesbezüglichen Anträge des Beschwerdeführers eingegangen". Darin liege ein Verstoss gegen die Begründungspflicht bzw. den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV, Art. 6 Ziff. 1 EMRK, Art. 26 Abs. 2 und Art. 97 Abs. 2 KV/BE ).
b) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes zum Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 29 Abs. 2 BV) soll der Rechtsuchende wissen, warum die Behörde entgegen seinem Antrag entschieden hat. Die Urteilsbegründung muss so abgefasst sein, dass er den Entscheid gegebenenfalls sachgerecht anfechten kann. Dies ist nur dann möglich, wenn sowohl der Betroffene wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen können. Zwar muss sich der Richter nicht ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand der Parteien befassen. Die Urteilsbegründung soll sich jedoch mit den für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkten auseinandersetzen.
Die Begründung kann sich dabei auch auf die Verfügung einer unteren kantonalen Instanz stützen. Je stärker der Entscheid in die schutzwürdigen Interessen des Betroffenen eingreift, desto höhere Anforderungen sind an die Begründung des Entscheides zu stellen (BGE 126 I 97 E. 2b S. 102 f.; 124 II 146 E. 2a S. 149; 123 I 30 E. 2c S. 34; 122 IV 8 E. 2c S. 14 f., je mit Hinweisen).
c) Wie sich aus den Akten ergibt, stellte der Beschwerdeführer mit Eingabe an das Obergericht vom 21. August 2000 im Appellationsverfahren folgende Rechtsbegehren betreffend Parteientschädigung:
"3. Dem Appellanten seien unter dem Titel Verteidigungskosten
folgende Entschädigungen zuzusprechen:
a) Für das Verfahren bis zum angefochtenen
Urteil: Fr. 10'000.-- plus MwSt.
b) Für das Appellationsverfahren: Fr. 2'000.-- plus MwSt.
4. Der Appellant sei persönlich (insbesondere für
Hausdurchsuchung und eigene Zeitversäumnis) mit
Fr. 2'000.-- zu entschädigen.. "
In der gleichen Eingabe begründete der Beschwerdeführer seine Anträge wie folgt: "Insgesamt bleibt kein kostenträchtiges Verhalten des Appellanten übrig. Dieser ist daher zu Lasten des Staates von Kosten freizuhalten und für seinen Aufwand kostendeckend zu entschädigen. Die Verteidigungskosten richten sich nach Art. 15 lit. b GebD, wobei vorliegendenfalls sowohl das Strafmandatsverfahren als auch das Hauptverfahren vor dem Einzelrichter, also zwei entschädigungspflichtige Verfahren, zu durchlaufen waren. Der Ausschöpfungsgrad hat je in der oberen Hälfte des Gebührenrahmens zu liegen, namentlich weil die Sache für den Auftraggeber offenkundigerweise wesentliche Bedeutung hatte (Art. 4 Abs. 1 GebD). Für das Verfahren vor oberer Instanz rechtfertigt sich hingegen eine gewisse Reduktion der Normalgebühr in analoger Anwendung von Art. 15 lit. e GebD".
Nach Eingang des Bundesgerichtsurteils vom 13. Februar 2001 (Verfahren 1P.638/2000) reichte der Beschwerdeführer am 12. März 2001 eine weitere Prozessschrift beim Obergericht ein. Bezüglich Parteientschädigung stellte er darin folgendes Rechtsbegehren: "Für die Entschädigungspunkte erneuere ich meine Anträge vom 21.08.2000, nunmehr erhöht um Fr. 300.-- plus Mehrwertsteuer für das neuerliche Verfahren vor Obergericht. Vorausgesetzt, dass weiterer Aufwand seitens meines Klienten und meiner selbst unterbleiben kann, betrachte ich die Anstände damit als erledigt".
d) Im angefochtenen Entscheid (Seiten 1 - 2) wird zunächst die Prozessgeschichte dargelegt. Dabei wird unter
anderem ausdrücklich auf die Anträge des Beschwerdeführers betreffend Parteientschädigung vom 21. August 2000 und
12. März 2001 hingewiesen (Seite 2, Ziff. 3). Anschliessend wird das Urteil des Bundesgerichtes vom 13. Februar 2001 im Wortlaut wiedergegeben (Seiten 3 - 10). Schliesslich erwägt das Obergericht (auf Seite 10, Ziff. III) Folgendes:
"Zusammenfassend kommt das Bundesgericht damit zum Schluss, dass die Auferlage der erstinstanzlichen Verfahrenskosten an J.________ nicht rechtens war. In Anwendung von Art. 399 Abs. 1 i.V.m. Art. 389 Ziff. 5 StrV gebührt J.________ zusätzlich eine Entschädigung für die im erstinstanzlichen Verfahren notwendigen Verteidigungskosten und persönlichen Umtriebe (Art. 400 StrV)".
Im Dispositiv des angefochtenen Entscheides (Ziff. II/3) werden sodann die Parteientschädigungen für das erstinstanzliche Verfahren auf Fr. 8'500.-- (inklusive Mehrwertsteuer und "persönlicher Anteil" an den Beschwerdeführer) und für das oberinstanzliche Verfahren auf Fr. 1'500.-- (inklusive Mehrwertsteuer) festgesetzt.
e) Weitere Erwägungen enthält das angefochtene Urteil nicht. Insbesondere wird mit keinem Wort dargelegt, auf welche Überlegungen sich die Herabsetzung der vom Beschwerdeführer ausdrücklich beantragten Parteientschädigungen stützt. Einerseits werden die betreffenden Anträge des Beschwerdeführers (gemäss begründeten Eingaben vom 21. August 2000 bzw. 12. März 2001) ausdrücklich genannt.
Anderseits findet sich keinerlei Begründung für das quantitative Abweichen von diesen Rechtsbegehren. Die Reduktion - der Beschwerdeführer beantragte insgesamt eine über 50% höhere Parteientschädigung - kann nicht als unerheblich bezeichnet werden. Ebenso wenig findet sich im angefochtenen
Entscheid eine inhaltliche Auseinandersetzung mit den anwendbaren Vorschriften des kantonalen Rechts (insbesondere Art. 398, Art. 399 Abs. 1 i.V.m. Art. 389 Ziff. 4 - 5, Art. 400, Art. 401 und Art. 404 StrV/BE sowie Art. 4 und Art. 15 GebD/BE).
f) Im vorliegenden Fall verstösst die fehlende Begründung für die Herabsetzung der beantragten Parteientschädigungen gegen das verfassungsrechtlich gewährleistete rechtliche Gehör. Dabei ist auch dem Umstand Rechnung zu tragen, dass eine sachlich nicht nachvollziehbare Verweigerung oder Kürzung der Parteientschädigung zu Lasten eines Freigesprochenen bzw. Nichtverurteilten neben dem rechtlichen Gehör auch noch die Unschuldsvermutung tangieren kann (vgl. dazu Urteil des Bundesgerichtes vom 13. Februar 2001, Verfahren 1P.638/2000).
Unbehelflich bzw. unzutreffend sind in diesem Zusammenhang namentlich folgende Vorbringen des Obergerichtes in dessen Vernehmlassung vom 29. Juni 2001: "Für die gerichtliche Festsetzung von Entschädigungen ist kein besonderes Verfahren vorgesehen, in welchem die Parteien aufgefordert werden müssen, ihre Anträge nachträglich zu belegen, wenn sie unbegründet beantragt wurden und aufgrund gesetzlicher Vorschriften bestimmt werden können. In diesem Sinne besteht kein Anspruch auf rechtliches Gehör, wie dies vom Beschwerdeführer behauptet wird". Der verfassungsmässige Gehörsanspruch verschafft den Parteien jedenfalls das Recht, zu erfahren, weshalb das Gericht ihre Rechtsbegehren in Entschädigungsfragen als "unbegründet" qualifiziert und in der Folge massiv davon abweicht. Anders zu entscheiden hiesse, den Rechtsweg gegen Kosten- und Entschädigungsentscheide in verfassungswidriger Weise zu blockieren.
g) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtes kann eine Gehörsverletzung im Rechtsmittelverfahren allenfalls "geheilt" werden, wenn es sich um keine besonders schwerwiegende Verletzung der Parteirechte handelt und der Betroffene Gelegenheit erhält, sich vor einer Rechtsmittelinstanz zu äussern, die sowohl den Sachverhalt wie auch die Rechtslage frei überprüfen kann. Die "Heilung" der Verletzung von Parteirechten soll aber die Ausnahme bleiben (BGE 124 V 180 E. 4a S. 183, 389 E. 5a S. 392; 122 II 274 E. 6 S. 285; 116 Ia 94 E. 2 S. 95 f., je mit Hinweisen; vgl. Lorenz Kneubühler, Gehörsverletzung und Heilung. Eine Untersuchung über die Rechtsfolgen von Verstössen gegen den Gehörsanspruch, insbesondere die Problematik der sogenannten "Heilung", ZBl 99/1998 S. 97 ff.).
Im vorliegenden Fall erscheint eine "Heilung" des festgestellten Verfahrensfehlers durch eine ersatzweise Begründung seitens des Bundesgerichtes nicht angebracht. Das Bundesgericht prüft die Anwendung des kantonalen Verfahrens- und Anwaltstarifrechtes (betreffend Bemessung von Parteientschädigungen) grundsätzlich nicht frei, sondern nur in Bezug auf das Vorliegen von Willkür. Analoges gilt für die Sachverhaltsüberpüfung.
Inwiefern das anwendbare kantonale Recht eine Herabsetzung der beantragten Parteientschädigungen in der Höhe der im angefochtenen Entscheid vorgenommenen Reduktionen zulässt, ist im vorliegenden Fall vom Obergericht zu prüfen und zu begründen. Es kann offen bleiben, ob eine "Heilung" des festgestellten Verfahrensfehlers hier überhaupt verfassungskonform erschiene.
3.-Aus dem Gesagten ergibt sich, dass die Beschwerde gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben ist.
Gerichtskosten sind praxisgemäss nicht zu erheben (Art. 156 Abs. 2 OG). Hingegen hat der Kanton Bern dem anwaltlich vertretenen Beschwerdeführer eine angemessene Parteientschädigung zu entrichten (Art. 159 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.-Die staatsrechtliche Beschwerde wird gutgeheissen, und der angefochtene Entscheid des Obergerichtes (1. Strafkammer) des Kantons Bern vom 20. April 2001 wird aufgehoben.
2.-Es werden keine Kosten erhoben.
3.-Der Kanton Bern hat dem Beschwerdeführer eine Parteientschädigung von Fr. 1'500.-- zu entrichten.
4.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer sowie dem Generalprokurator und dem Obergericht des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 27. September 2001
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: