BGer I 721/2000
 
BGer I 721/2000 vom 05.10.2001
[AZA 7]
I 721/00 Gr
III. Kammer
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter
Ursprung; Gerichtsschreiber Attinger
Urteil vom 5. Oktober 2001
in Sachen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdeführerin,
gegen
G.________, 1956, Beschwerdegegner, vertreten durch den Schweizerischen Invaliden-Verband, Froburgstrasse 4, 4601 Olten,
und
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen
In Erwägung,
dass der 1956 geborene G.________ an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus mit Spätkomplikationen, insbesondere in Form einer terminalen Niereninsuffizienz, leidet,
dass er seit August 1995 auf die tägliche Durchführung einer kontinuierlichen ambulanten Peritonealdialyse (CAPD) angewiesen ist, wobei er vier Mal im Tag einen Dialysatwechsel vornehmen muss,
dass er von 1974 bis 1977 eine Lehre als Bauzeichner absolviert und in der Folge verschiedenste Stellen innegehabt hat, jedoch nie im erlernten Beruf,
dass er von Oktober 1986 bis Ende Januar 1993 als Magaziner bei der Firma W. AG arbeitete und nach dem Verlust dieser Stelle - abgesehen von einer viermonatigen Anstellung als Temporärmitarbeiter - arbeitslos war,
dass ihm die Ausgleichskasse Grosshandel + Transithandel mit Verfügung vom 30. August 1994 als berufliche Eingliederungsmassnahme der Invalidenversicherung eine dreijährige Umschulung zum kaufmännischen Angestellten zusprach, welche er an der Schule X. absolvierte und trotz der drastischen Verschlechterung seiner unheilbaren Nierenkrankheit während der Ausbildung mit der Erlangung des eidgenössischen Fähigkeitsausweises abschliessen konnte,
dass die IV-Stelle des Kantons St. Gallen mit Verfügung vom 26. März 1998 G.________ unter Berücksichtigung eines Invaliditätsgrades von 60 % ab 1. August 1997 eine halbe Invalidenrente zusprach,
dass das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen die hiegegen erhobene Beschwerde mit Entscheid vom 31. Oktober 2000 guthiess und feststellte, dass G.________ ab 1. August 1997 (unter Zugrundelegung einer Invalidität von mindestens 67,5 %) eine ganze Rente zustehe,
dass die IV-Stelle Verwaltungsgerichtsbeschwerde führt mit dem Antrag auf Aufhebung des angefochtenen Entscheids und Rückweisung der Sache an die Vorinstanz "mit der Aufforderung (...), diese habe dem Beschwerdegegner eine reformatio in peius anzudrohen" (dem Versicherten sei damit die Möglichkeit zu geben, sein Rechtsmittel gegen die Rentenverfügung vom 26. März 1998 zurückzuziehen, weil - bei richtiger Betrachtungsweise - ein rentenausschliessender Invaliditätsgrad von bloss 25 % bestehe),
dass G.________ auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, während sich das Bundesamt für Sozialversicherung dazu nicht hat vernehmen lassen,
dass das kantonale Gericht im angefochtenen Entscheid die vorliegend massgebenden gesetzlichen Bestimmungen und von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze über den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades nach der allgemeinen Methode des Einkommensvergleichs (Art. 28 Abs. 2 IVG; BGE 104 V 136 Erw. 2a und b) sowie die Aufgabe des Arztes oder der Ärztin bei der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4, 115 V 134 Erw. 2, 114 V 314 Erw. 3c, 105 V 158 Erw. 1) richtig wiedergegeben hat, worauf verwiesen werden kann,
dass die Vorinstanz überdies in ihrem einlässlich und umsichtig begründeten Entscheid - auf die diesbezüglichen Erwägungen ist ebenfalls vollumfänglich zu verweisen - zum zutreffenden Schluss gelangte, dass dem Beschwerdegegner auf Grund einer Invalidität von über zwei Dritteln eine ganze Invalidenrente zusteht,
dass daran sämtliche von der IV-Stelle in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde erhobenen Einwendungen, welche von ihren eigenen sowohl im vorinstanzlichen wie bereits im Verwaltungsverfahren eingenommenen Standpunkten zu Ungunsten des Versicherten erheblich abweichen, nichts zu ändern vermögen,
dass für die letztinstanzlich vorgetragene Behauptung, dem Beschwerdegegner stünden auf dem ausgeglichenen Arbeitsmarkt "zahlreiche Stellen offen, welche es ihm ermöglichten, sowohl am Vor- wie auch am Nachmittag in den entsprechenden (durch die Dialysatwechsel bestimmten) Zeiträumen zu arbeiten", einzig auf die für die Mitarbeiter der Sozialversicherungsanstalt des Kantons St. Gallen geltende Form der flexiblen Arbeitszeit verwiesen wird,
dass dieser Hinweis auf eine zunehmende Flexibilität auf Seiten der Arbeitgeber im vorliegenden Zusammenhang umso unbehelflicher ist, als dieselbe Sozialversicherungsanstalt - von der mit der Umschulung des Beschwerdegegners betrauten Ausbildungsstätte auf dessen behinderungsbedingte Schwierigkeiten beim Finden eines Praktikumsbetriebes aufmerksam gemacht - mit Schreiben vom 17. November 1995 beschieden hat, "wir sind aus betrieblichen und räumlichen Verhältnissen zur Zeit nicht in der Lage, Praktikanten aufzunehmen",
dass schliesslich der IV-Stelle, soweit sie in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde unter Verweisung auf die 1977 abgeschlossene Bauzeichnerlehre und die "bereits mehr als 20-jährige Berufstätigkeit" die Berücksichtigung eines höheren Invalideneinkommens verlangt, entgegenzuhalten ist, dass der Versicherte - wie bereits erwähnt - nie im erlernten Beruf gearbeitet hat und ihm die von Oktober 1986 bis Ende Januar 1993 gewonnenen Erfahrungen als Magaziner im neuen Beruf als kaufmännischer Angestellter kaum von Nutzen sein werden (anschliessend war ja der Beschwerdegegner praktisch immer arbeitslos oder mit seiner Umschulung beschäftigt),
erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von
Fr. 1500.- (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse Grosshandel + Transithandel und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 5. Oktober 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: