[AZA 7]
U 377/00 Ge
IV. Kammer
Präsident Borella, Bundesrichter Rüedi und Bundesrichterin Leuzinger; Gerichtsschreiber Widmer
Urteil vom 19. Oktober 2001
in Sachen
H.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Massimo Aliotta, Lindgüetli, Hermann Götz-Strasse 21, 8400 Winterthur,
gegen
Schweizerische Mobiliar Versicherungsgesellschaft, Bundesgasse 35, 3011 Bern, Beschwerdegegnerin,
und
Obergericht des Kantons Schaffhausen, Schaffhausen
A.- Die 1960 geborene H.________ arbeitete seit 1989 im Aussendienst der Schweizerischen Mobiliar Versicherungsgesellschaft (nachfolgend: Mobiliar) und war bei dieser obligatorisch gegen Unfälle versichert. Am 10. Januar 1997 stolperte sie auf einer Wendeltreppe. In den folgenden Monaten musste sie wegen persistierender Beschwerden im linken Hüftgelenk der Arbeit fernbleiben. Die Mobiliar erbrachte die gesetzlichen Leistungen. Nach Beizug von Berichten der behandelnden Ärzte veranlasste sie eine Untersuchung von H.________ im Institut für medizinische Begutachtung (IMB), (Expertise des Dr. med. W.________, Facharzt FMH für Chirurgie, vom 1. April 1998). In der Folge nahmen Dr. med. B.________, Chefarzt Rheumatologie, Klinik X.________, am 2. Juli 1998 und Dr. med. F.________, am 7. Juli 1998 Stellung zum Gutachten. Unter Bezugnahme auf die Expertise, worin eine mässige Funktionsstörung des linken Iliosakralgelenks diagnostiziert wurde, stellte die Mobiliar mit Verfügung vom 25. Juni 1998 ihre Leistungen auf den 1. September 1998 ein, weil nach vorgängiger hälftiger Arbeitsfähigkeit ab diesem Zeitpunkt mit voller Leistungsfähigkeit der Versicherten gerechnet werden könne; durch fachkundige manualmedizinische Behandlung könnten innert zweier Monate Beschwerdefreiheit und volle Funktionsfähigkeit des linken Iliosakralgelenks erreicht werden, womit wieder der Status quo ante vorliegen werde. Auf Einsprache von H.________ hin hielt die Mobiliar an ihrem Standpunkt fest (Entscheid vom 25. Januar 1999).
B.- Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher H.________ die Aufhebung des Einspracheentscheides und die Zusprechung eines Taggeldes von 50 % über den 31. August 1998 hinaus hatte beantragen lassen, wies das Obergericht des Kantons Schaffhausen ab (Entscheid vom 11. August 2000).
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt die Versicherte das vorinstanzlich gestellte Rechtsbegehren erneuern; eventuell sei die Sache zur Anordnung eines verwaltungsunabhängigen Gutachtens und zu neuer Entscheidung an das kantonale Gericht zurückzuweisen.
Während die Mobiliar auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliesst, verzichtet das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung.
Mit Eingaben vom 12. und 31. März 2001 lässt die Versicherte Stellungnahmen des Dr. med. I.________ vom 19. Januar 2001 und des Dr. med. B.________ vom 14. März 2001 einreichen.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- a) Die Leistungspflicht eines Unfallversicherers gemäss UVG setzt zunächst voraus, dass zwischen dem Unfallereignis und dem eingetretenen Schaden (Krankheit, Invalidität, Tod) ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht. Ursachen im Sinne des natürlichen Kausalzusammenhangs sind alle Umstände, ohne deren Vorhandensein der eingetretene Erfolg nicht als eingetreten oder nicht als in der gleichen Weise bzw. nicht zur gleichen Zeit eingetreten gedacht werden kann. Entsprechend dieser Umschreibung ist für die Bejahung des natürlichen Kausalzusammenhangs nicht erforderlich, dass ein Unfall die alleinige oder unmittelbare Ursache gesundheitlicher Störungen ist; es genügt, dass das schädigende Ereignis zusammen mit anderen Bedingungen die körperliche oder geistige Integrität der versicherten Person beeinträchtigt hat, der Unfall mit andern Worten nicht weggedacht werden kann, ohne dass auch die eingetretene gesundheitliche Störung entfiele (BGE 119 V 337 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen).
Ob zwischen einem schädigenden Ereignis und einer gesundheitlichen Störung ein natürlicher Kausalzusammenhang besteht, ist eine Tatfrage, worüber die Verwaltung bzw. im Beschwerdefall das Gericht im Rahmen der ihm obliegenden Beweiswürdigung nach dem im Sozialversicherungsrecht üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit zu befinden hat. Die blosse Möglichkeit eines Zusammenhangs genügt für die Begründung eines Leistungsanspruches nicht (BGE 119 V 338 Erw. 1, 118 V 289 Erw. 1b, je mit Hinweisen).
b) Der Sozialversicherungsprozess ist vom Untersuchungsgrundsatz beherrscht. Danach hat das Gericht von Amtes wegen für die richtige und vollständige Abklärung des rechtserheblichen Sachverhalts zu sorgen. Dieser Grundsatz gilt indessen nicht uneingeschränkt; er findet sein Korrelat in den Mitwirkungspflichten der Parteien (BGE 122 V 158 Erw. 1a, 121 V 210 Erw. 6c, je mit Hinweisen).
Der Untersuchungsgrundsatz schliesst die Beweislast im Sinne einer Beweisführungslast begriffsnotwendig aus. Im Sozialversicherungsprozess tragen mithin die Parteien in der Regel eine Beweislast nur insofern, als im Falle der Beweislosigkeit der Entscheid zu Ungunsten jener Partei ausfällt, die aus dem unbewiesen gebliebenen Sachverhalt Rechte ableiten wollte. Diese Beweisregel greift allerdings erst Platz, wenn es sich als unmöglich erweist, im Rahmen des Untersuchungsgrundsatzes auf Grund einer Beweiswürdigung einen Sachverhalt zu ermitteln, der zumindest die Wahrscheinlichkeit für sich hat, der Wirklichkeit zu entsprechen (BGE 117 V 264 Erw. 3b mit Hinweisen).
c) Ist die Unfallkausalität einmal mit der erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachgewiesen, entfällt die deswegen anerkannte Leistungspflicht des Unfallversicherers erst, wenn der Unfall nicht die natürliche und adäquate Ursache des Gesundheitsschadens darstellt, wenn also Letzterer nur noch und ausschliesslich auf unfallfremden Ursachen beruht. Dies trifft dann zu, wenn entweder der (krankhafte) Gesundheitszustand, wie er unmittelbar vor dem Unfall bestanden hat (Status quo ante) oder aber derjenige Zustand, wie er sich nach dem schicksalsmässigen Verlauf eines krankhaften Vorzustandes auch ohne Unfall früher oder später eingestellt hätte (Status quo sine), erreicht ist. Ebenso wie der leistungsbegründende natürliche Kausalzusammenhang (Erw. 1a hievor) muss das Dahinfallen jeder kausalen Bedeutung von unfallbedingten Ursachen eines Gesundheitsschadens mit dem im Sozialversicherungsrecht allgemein üblichen Beweisgrad der überwiegenden Wahrscheinlichkeit nachgewiesen sein. Die blosse Möglichkeit nunmehr gänzlich fehlender ursächlicher Auswirkungen des Unfalls genügt nicht. Da es sich hiebei um eine anspruchsaufhebende Tatfrage handelt, liegt aber die entsprechende Beweislast - anders als bei der Frage, ob ein leistungsbegründender natürlicher Kausalzusammenhang gegeben ist - nicht beim Versicherten, sondern beim Unfallversicherer. Diese Beweisgrundsätze gelten sowohl im Grundfall als auch bei Rückfällen und Spätfolgen (RKUV 1994 Nr. U 206 S. 328 Erw. 3b mit Hinweisen) und sind für sämtliche Leistungsarten massgebend (Urteil O. vom 31. August 2001, U 285/00).
2.- Im vorliegenden Fall ist streitig, ob die Mobiliar ihre Leistungen für die Folgen des Unfalls vom 10. Januar 1997 zu Recht auf den 1. September 1998 eingestellt hat oder ob sie der Beschwerdeführerin über diesen Zeitpunkt hinaus Taggelder für eine Arbeitsunfähigkeit von 50 % zu erbringen hat.
a) Dr. med. W.________ vom IMB erklärte im Gutachten vom 1. April 1998, unter der Prämisse eines Unfallereignisses habe das Geschehen vom 10. Januar 1997 zu einer Fehlgängigkeit des Körperstamms geführt, welche eine Funktionsstörung des linken Iliosakralgelenks nach sich zog. Die Frage der Mobiliar, ob die heutigen Beschwerden der Versicherten (brennende und stechende Schmerzen in der linken Gesässregion mit Ausstrahlung über den ganzen Oberschenkel bis auf Kniehöhe) noch in Zusammenhang mit dem erwähnten Ereignis stünden, beantwortete Dr. W.________ wie folgt: "Iliosakrale Funktionsstörungen können durch Fehlbewegungen des Rumpfs ausgelöst werden, ihre Manifestation ist jedoch an eine vorbestehende muskuläre Dysbalance oder aber degenerative Veränderungen gebunden. Hinsichtlich des natürlichen Kausalzusammenhangs gelangt man somit in casu zu einer non liquet-Beurteilung (50 %)." Weiter führte der Gutachter aus, bei fachkundiger manualmedizinischer Behandlung könne innert rund zweier Monate mit Beschwerdefreiheit gerechnet und dementsprechend ab 1. Juni 1998 volle Arbeitsfähigkeit mit Erreichen des Status quo sine prognostiziert werden. Dr. med. B.________, Chefarzt Rheumatologie, Klinik X.________, widersprach dieser Einschätzung in seinem Schreiben an die Mobiliar vom 2. Juli 1998 insoweit, als er eine Behandlung von mindestens sechs bis neun Monaten als erforderlich erachtete, um Beschwerdefreiheit zu erreichen. Nur unter diesen Umständen sei eine volle Arbeitsfähigkeit ab 1. September 1998 vorstellbar. In Frage gestellt werden die Aussagen des Experten Dr. W.________ ferner auch im Schreiben des Dr. med. F.________ vom 7. Juli 1998.
b) Laut Expertise des IMB war der Status quo sine im Zeitpunkt der Untersuchung der Beschwerdeführerin (am 13. März 1998) nicht erreicht. Dr. W.________ gab bezüglich der Frage nach dem natürlichen Kausalzusammenhang eine "non liquet"-Beurteilung (50 %) ab, was bedeutet, dass er nicht festzustellen vermochte, ob die anhaltenden Beschwerden eher unfall- oder krankheitsbedingt seien. Hingegen hielt der Gutachter dafür, dass bei fachkundiger manualmedizinischer Behandlung innert zweier Monate der Status quo sine erreicht werden könnte, welche Aussage von Dr. B.________ insbesondere hinsichtlich der erforderlichen Therapiedauer in Frage gestellt wurde. Da die Mobiliar auf Grund der vorstehend (Erw. 1c hievor) dargelegten Beweisgrundsätze bis zum Erreichen des Status quo sine haftet und dieser Zeitpunkt nicht feststeht, sondern im Gutachten lediglich im Sinne einer bedingten Prognose (bei fachkundiger Therapie) ohne nachvollziehbare Begründung auf Juni 1998 festgesetzt wurde und zudem von Dr. B.________ ernst zu nehmende Bedenken hinsichtlich dieses Datums vorgebracht wurden, ist nicht mit überwiegender Wahrscheinlichkeit erwiesen, dass bei Einstellung der Leistungen am 1. September 1998 keine Unfallfolgen mit Einschränkung der Arbeitsfähigkeit mehr vorlagen.
Wie es sich diesbezüglich verhält, wird die Vorinstanz, an welche die Sache zurückzuweisen ist, auf Grund einer zusätzlichen Begutachtung, an welcher zweckmässiger Weise auch ein Facharzt für Rheumatologie mitzuwirken hat, zu beurteilen haben. Die Ärzte werden namentlich die Frage zu beantworten haben, ob nach dem 1. September 1998 noch Unfallfolgen vorlagen und, gegebenenfalls, bis zu welchem Zeitpunkt und in welchem Grad die Arbeitsfähigkeit der Beschwerdeführerin deswegen eingeschränkt war. Gestützt auf die Ergebnisse der neuerlichen Begutachtung wird das kantonale Gericht über die Beschwerde neu entscheiden.
Da die Sache aus materiellen Gründen an die Vorinstanz zurückzuweisen ist, erübrigt sich die Prüfung der Frage, ob der kantonale Gerichtsentscheid den formellrechtlichen Einwendungen der Beschwerdeführerin standhält.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. In teilweiser Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde
wird der vorinstanzliche Entscheid vom
11. August 2000 aufgehoben, und die Sache wird an das
Obergericht des Kantons Schaffhausen zurückgewiesen,
damit es, nach erfolgter Abklärung im Sinne der Erwägungen,
über die Beschwerde neu entscheide.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Die Mobiliar hat der Beschwerdeführerin für das Verfahren
vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
eine Parteientschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Obergericht des
Kantons Schaffhausen und dem Bundesamt für Sozialversicherung
zugestellt.
Luzern, 19. Oktober 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der IV. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: