[AZA 7]
K 76/98 Gb
III. Kammer
Präsident Schön, Bundesrichter Spira und Bundesrichterin Widmer; Gerichtsschreiberin Kopp Käch
Urteil vom 23. Oktober 2001
in Sachen
Visana, Juristischer Dienst, Weltpoststrasse 19/21, 3000 Bern 15, Beschwerdeführerin,
gegen
L.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher Dr. Charles Wick, Schwanengasse 8, 3011 Bern,
und
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
A.- Die 1944 geborene L.________ ist bei der Visana krankenversichert. Wegen eines mediastinalen Tumors musste sie sich in der Zeit von Dezember 1990 bis Februar 1991 einer Chemotherapie und im April 1991 einer Strahlentherapie unterziehen. Im Mai 1995 wurde L.________ von ihrem Privatzahnarzt an die Dentalhygieneschule X.________ überwiesen, wo eine mässig bis stark fortgeschrittene generalisierte Parodontitis festgestellt wurde. Dr. med. dent. W.________ extrahierte 1996 vier Zähne und führte eine prothetische Behandlung durch. Die Rechnung über den Gesamtbetrag von Fr. 6504. 40 reichte L.________ der Visana am 11. Oktober 1996 zur Rückerstattung ein. Mit Schreiben vom 14. Oktober 1996 lehnte die Krankenkasse eine Kostenübernahme ab. L.________ machte daraufhin geltend, die Zahnbehandlung stehe in einem Zusammenhang mit der fünf Jahre zuvor durchgeführten Chemotherapie, und ersuchte um erneute Überprüfung des Leistungsbegehrens. Nachdem die Visana die Röntgenbilder eingefordert und das Dossier ihrem Vertrauenszahnarzt Dr. med. dent. C.________ unterbreitet hatte, erliess sie auf Verlangen der Versicherten am 25. März 1997 eine anfechtbare Verfügung und verneinte die Ausrichtung von Leistungen an die Zahnbehandlung sowohl aus der obligatorischen Krankenpflegeversicherung wie auch aus der Zusatzversicherung.
Nach Einholung des Austrittsberichts des Spitals Y.________, Klinik für Radio-Onkologie der Universität Y.________ vom 17. Mai 1991, eines Berichts der Klinik für Radio-Onkologie vom 5. Mai 1997, des Instituts für Medizinische Onkologie der Universität Y.________ vom 18. Juli 1997 sowie des behandelnden Zahnarztes Dr. med. dent. W.________ vom 18. Juli 1997 und nach Beizug des Schreibens der Dentalhygieneschule X.________ vom 20. August 1997 sowie einer weiteren Beurteilung des Dr. med. dent. W.________ vom 3. September 1997 hielt die Visana auf Einsprache hin gestützt auf eine vertrauensärztliche Beurteilung durch Dr. med. A.________ vom 10. September 1997 mit Entscheid vom 30. September 1997 an ihrem Standpunkt fest.
B.- Mit Beschwerde liess L.________ beantragen, die Visana habe die Kosten der zahnärztlichen Behandlung durch Dr. med. dent. W.________ in der Höhe von Fr. 6504. 40 nebst Zins sowie der bisher entstandenen Kosten der Dentalhygieneschule X.________ im Betrag von Fr. 1411. 90 zu übernehmen. Das Verwaltungsgericht des Kantons Bern hiess die Beschwerde mit Entscheid vom 24. März 1998 gut, hob den Einspracheentscheid vom 30. September 1997 sowie die Verfügung vom 25. März 1997 auf und wies die Sache an die Visana zurück, damit diese nach zusätzlichen Abklärungen über den Leistungsanspruch neu verfüge.
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beantragt die Visana die Aufhebung des Entscheids vom 24. März 1998.
L.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherung weist in seiner Vernehmlassung darauf hin, dass die Beurteilung einer allfälligen Kausalität zwischen Chemotherapie und Parodontitis von der entscheidenden Frage abhänge, ob vor der Chemotherapie ein gesundes, altersadäquates
Parodont bestanden habe oder bereits vermeidbare parodontische Effekte zu erkennen gewesen seien. Mangels einer Darlegung durch die Versicherte, dass ihr Parodont vor der Chemotherapie keine Defekte aufgewiesen habe, müsse seiner Meinung nach eine Leistungspflicht abgelehnt werden.
D.- Am 28. März 2000 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht eine Expertengruppe mit der Erstellung eines zahnmedizinischen Grundsatzgutachtens beauftragt. Das vorliegende Verfahren wurde deshalb mit Verfügung vom 3. April 2000 sistiert. Das Grundsatzgutachten ging am 31. Oktober 2000 beim Gericht ein und wurde am 16. Februar 2001 mit den Experten erörtert. Am 21. April 2001 erstellten die Experten einen Ergänzungsbericht.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Da das Gericht im Hinblick auf die sich hier stellenden medizinischen Fragen Fachpersonen konsultiert hat, wurde das Verfahren sistiert. Nach Vorliegen des Berichtes mit Ergänzungen ist der Grund der Sistierung weggefallen. Sie ist daher aufzuheben.
2.- a) Die Leistungen, deren Kosten von der obligatorischen Krankenpflegeversicherung bei Krankheit zu übernehmen sind, werden in Art. 25 des Bundesgesetzes über die Krankenversicherung (KVG) in allgemeiner Weise umschrieben. Im Vordergrund stehen die Leistungen der Ärzte und Ärztinnen, dann aber auch der Chiropraktoren und Chiropraktorinnen sowie der Personen, die im Auftrag von Ärzten und Ärztinnen Leistungen erbringen.
Die Leistungen der Zahnärzte und Zahnärztinnen sind in der genannten Bestimmung nicht aufgeführt. Die Kosten dieser Leistungen sollen im Krankheitsfalle der obligatorischen Krankenpflegeversicherung - wie die Vorinstanz zutreffend darlegt - nur in eingeschränktem Masse überbunden werden, nämlich wenn die zahnärztliche Behandlung durch eine schwere, nicht vermeidbare Erkrankung des Kausystems (Art. 31 Abs. 1 lit. a KVG) oder durch eine schwere Allgemeinerkrankung oder ihre Folgen bedingt (Art. 31 Abs. 1 lit. b KVG) oder zur Behandlung einer schweren Allgemeinerkrankung oder ihrer Folgen notwendig ist (Art. 31 Abs. 1 lit. c KVG).
b) Gestützt auf Art. 33 Abs. 2 und 5 KVG in Verbindung mit Art. 33 lit. d KVV hat das Departement in der Verordnung über Leistungen in der obligatorischen Krankenpflegeversicherung (Krankenpflege-Leistungsverordnung [KLV]) zu jedem der erwähnten Unterabsätze von Art. 31 Abs. 1 KVG einen eigenen Artikel erlassen, nämlich zu lit. a den Art. 17 KLV, zu lit. b den Art. 18 KLV und zu lit. c den Art. 19 KLV. In Art. 17 KLV werden die schweren, nicht vermeidbaren Erkrankungen des Kausystems aufgezählt, deren Behandlungskosten von der obligatorischen Krankenversicherung zu übernehmen sind. In Art. 18 KLV werden die schweren Allgemeinerkrankungen und ihre Folgen aufgelistet, die zu zahnärztlicher Behandlung führen können und deren Kosten von der obligatorischen Krankenversicherung zu tragen sind. Hier müssen die Allgemeinerkrankungen oder ihre Folgen schwer sein, nicht hingegen die dadurch bedingte Erkrankung des Kausystems. In Art. 19 KLV schliesslich hat das Departement die schweren Allgemeinerkrankungen aufgezählt, bei denen die zahnärztliche Massnahme notwendiger Bestandteil der Behandlung darstellt.
3.- Zu prüfen ist zunächst die anwendbare Rechtsgrundlage.
a) Die Krankenkasse verneint von vornherein jegliche Leistungspflicht gestützt auf das KVG, da sie gemäss Art. 19 KLV nur diejenigen Kosten einer zahnärztlichen Behandlung zu übernehmen habe, die vorgängig einer Strahlen- oder Chemotherapie notwendig seien, die Zahnsanierung der Beschwerdegegnerin jedoch mehrere Jahre nach der Chemotherapie nötig geworden sei. Art. 18 KLV erwähne sodann weder den mediastinalen Tumor noch die Strahlen- oder Chemotherapie als schwere Allgemeinerkrankung beziehungsweise konsekutive Behandlung, wobei es sich mit Blick auf Art. 19 KLV dabei nicht um ein offensichtliches Versehen oder Vergessen des Verordnungsgebers handeln könne. Eine Leistungspflicht gestützt auf Art. 17 lit. b Ziff. 3 KLV, welcher irreversible Nebenwirkungen von Medikamenten betreffe, komme schliesslich nicht in Frage, da vorliegend keine Medikamente eingesetzt worden seien, die direkt zu Zahnfleischschäden führten und die durch Chemotherapie indirekt über Mundtrockenheit und Karies bedingte Parodontitis als vermeidbar gelte.
b) Die Beschwerdegegnerin verneint im Wesentlichen die Gesetzmässigkeit der Art. 17 und 18 KLV , da der Bundesrat anstatt die zahnärztlichen Leistungen im Sinne von Art. 31 Abs. 1 KVG näher zu bezeichnen, eine auf nur wenige, zufällig und willkürlich ausgewählte Krankheiten reduzierte Liste aufgestellt habe.
c) Die Vorinstanz schliesslich hat für den vorliegenden Fall die Voraussetzungen von Art. 17 lit. b Ziff. 3 KLV geprüft und ist zum Schluss gelangt, dass aufgrund der vorhandenen medizinischen Aussagen nicht abschliessend beurteilt werden könne, ob die Zahnschäden mit überwiegender Wahrscheinlichkeit auf irreversible Nebenwirkungen von Medikamenten zurückzuführen seien. Während sie einen Zusammenhang mit der Radiotherapie ausschliesst, weist sie die Sache zur Prüfung der Kausalität zwischen Chemotherapie und Zahnschäden zu weiteren Abklärungen zurück. Auf die Art. 19 und 19a KLV ist das kantonale Gericht nicht eingegangen, da deren Voraussetzungen klarerweise nicht erfüllt seien. Bezüglich Art. 18 KLV liess es die Frage der gerügten Unvollständigkeit offen.
d) Die Krankenkasse hält im Verwaltungsgerichtsbeschwerdeverfahren an ihrer Auffassung fest, wonach Art. 17 lit. b Ziff. 3 KLV bei Chemotherapie nicht anwendbar sei.
4.- a) In Art. 17 KLV werden, wie bereits erwähnt, die schweren, nicht vermeidbaren Erkrankungen des Kausystems aufgezählt, deren Behandlungskosten von der obligatorischen Krankenversicherung zu übernehmen sind. Die Enumeration dieser Krankheiten wird gegliedert. In lit. a werden die Erkrankungen der Zähne genannt, in lit. b die Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodontopathien), in lit. c die Erkrankungen des Kieferknochens und der Weichteile, in lit. d die Erkrankungen des Kiefergelenkes und des Bewegungsapparates, in lit. e die Erkrankungen der Kieferhöhle und in lit. f die Dysgnathien, die zu Störungen mit Krankheitswert führen. Im Vordergrund steht lit. b über die Erkrankung des Zahnhalteapparates. Um diese Littera im Zusammenhang mit der ganzen Regelung von Art. 17 KLV zu verstehen, wird die Verordnungsbestimmung nachfolgend aufgeführt:
Art. 17 Erkrankungen des Kausystems
Die Versicherung übernimmt die Kosten der zahnärztlichen Behandlungen, die durch eine der folgenden schweren, nicht vermeidbaren Erkrankungen des Kausystems bedingt sind (Art. 31 Abs. 1 Bst. a KVG). Voraussetzung ist, dass das Leiden Krankheitswert erreicht; die Behandlung ist nur so weit von der Versicherung zu übernehmen, wie es der Krankheitswert des Leidens notwendig macht:
a.Erkrankungen der Zähne:
1.Idiopathisches internes Zahngranulom,
2.Verlagerung und Überzahl von Zähnen und Zahnkeimen mit Krankheitswert (z.B. Abszess, Zyste);
b.Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodontopathien):
1.Präpubertäre Parodontitis,
2.Juvenile, progressive Parodontitis,
3.Irreversible Nebenwirkungen von Medikamenten;
c.Erkrankungen des Kieferknochens und der Weichteile:
1.Gutartige Tumore im Kiefer- und Schleimhautbereich und tumorähnliche Veränderungen,
2.Maligne Tumore im Gesichts-, Kiefer- und Halsbereich,
3.Osteopathien der Kiefer,
4.Zysten (ohne Zusammenhang mit Zahnelementen),
5.Osteomyelitis der Kiefer;
d.Erkrankungen des Kiefergelenks und des Bewegungsapparates:
1.Kiefergelenksarthrose,
2.Ankylose,
3.Kondylus- und Diskusluxation; e.Erkrankungen der Kieferhöhle:
1.In die Kieferhöhle dislozierter Zahn oder Zahnteil,
2.Mund-Antrumfistel;
f.Dysgnathien, die zu folgenden Störungen mit Krankheitswert führen:
1.Schlafapnoesyndrom,
2.Schwere Störungen des Schluckens,
3.Schwere Schädel-Gesichts-Asymmetrien.
b) In BGE 124 V 185 hat das Eidgenössische Versicherungsgericht entschieden, dass die in Art. 17-19 KLV erwähnten Erkrankungen, deren zahnärztliche Behandlung von der sozialen Krankenversicherung zu übernehmen ist, abschliessend aufgezählt sind. Demnach fallen nur Erkrankungen des Kausystems, die in Art. 17 KLV genannt sind, unter die Leistungspflicht der sozialen Krankenversicherung.
c) Die Umschreibung der Erkrankungen in Art. 17 KLV ist unterschiedlich. So begnügt sich der Verordnungsgeber teils mit einzelnen Krankheitsbezeichnungen wie etwa der Kiefergelenksarthrose (Art. 17 lit. d Ziff. 1 KLV) oder der Mund-Antrumfistel (Art. 17 lit. e Ziff. 2 KLV), teils verwendet er Umschreibungen wie in Art. 17 lit. a Ziff. 2 KLV, wo ihm die Begriffe "Verlagerung und Überzahl von Zähnen und Zahnkeimen" für sich allein zu unbestimmt erscheinen, sodass er nur solche darunter verstanden wissen will, die "Krankheitswert (z.B. Abszess, Zyste)" erreichen. Damit stellt sich die Frage, ob dieser Krankheitswert ein anderer ist als jener Krankheitswert, der nach Art. 17 KLV zur allgemeinen Voraussetzung dafür erhoben wird, dass die in dieser Bestimmung aufgezählten Erkrankungen in den Leistungsbereich der sozialen Krankenversicherung fallen. Weiter ist danach zu fragen, ob der Krankheitswert, wie er in Art. 17 KLV allgemein oder in dessen lit. a Ziff. 2 bei verlagerten und überzähligen Zähnen und Zahnkeimen verwendet wird, mit dem in Art. 2 Abs. 1 KVG definierten Begriff der Krankheit übereinstimmt.
5.- Das Gericht hat dazu die von zwei verschiedenen Berufsgruppen zur Leistungspflicht der sozialen Krankenversicherung im Sinne von Art. 31 KVG herausgegebenen Leitfäden zu Rate gezogen (Atlas der Erkrankungen mit Auswirkungen auf das Kausystem [SSO-Atlas], herausgegeben von der Schweizerischen Zahnärzte-Gesellschaft SSO, 1996; KVG-Leitfaden, Leistungspflicht im Fachbereich Kiefer- und Gesichtschirurgie, herausgegeben von der Gesundheitspolitischen Kommission der Schweizerischen Gesellschaft für Kiefer- und Gesichtschirurgie, 1999). In der Erkenntnis, dass diese Unterlagen einerseits auf die sich stellenden Fragen wenig grundsätzliche Antworten geben und die Thematik mehr kasuistisch angehen und andererseits in vielen Einzelfragen zu unterschiedlichen Schlussfolgerungen gelangen, sowie angesichts der grossen praktischen Bedeutung mit allfällig weit reichenden finanziellen Folgen für die Versicherten und die Versicherer hat das Gericht eine Expertengruppe mit der Ausarbeitung eines Grundsatzgutachtens beauftragt. Dieses hatte die gestellten Fragen grundsätzlich, d.h. losgelöst von den anstehenden Einzelfällen, zu beantworten und so dem Gericht eine Grundlage zu bieten, welche es ihm erlaubt, den gesetzlichen Bestimmungen einen Inhalt zu geben, der auf einem zutreffenden Verständnis des der Regelung zu Grunde liegenden medizinischen Fachwissens beruht. Bei den drei Mitgliedern der Expertengruppe handelt es sich um PD Dr. med. dent. Urs Gebauer, Klinik für Kieferorthopädie, Bern, Dr. med. dent. Martin Chiarini, Ecole de Médecine Dentaire, Genève, und Dr. med. dent. Wanda Gnoinski, Klinik für Kieferorthopädie, Zürich. Diese Experten durften andere Fachpersonen kontaktieren.
6.- a) Die Experten wurden primär nach dem Krankheitswert befragt, der bei verlagerten und überzähligen Zähnen und Zahnkeimen nach Art. 17 lit. a Ziff. 2 KLV Voraussetzung der Leistungspflicht der sozialen Krankenversicherung ist. Die Fachpersonen erblicken in diesem Krankheitswert einen gegenüber dem allgemein definierten Begriff der Krankheit gemäss Art. 2 Abs. 1 KVG qualifizierten Begriff. Ihm komme - so führen sie aus - Abgrenzungsfunktion zu. Weil die Umschreibungen "Verlagerung" und "Überzahl" von Zähnen und Zahnkeimen sowohl leichte wie auch schwere Erkrankungen des Kausystems erfassten, würden auf diese Weise die schweren, eben jene mit Krankheitswert, von den übrigen Erkrankungen abgegrenzt, die nicht als schwer einzustufen seien und daher der Leistungspflicht der sozialen Krankenversicherung gemäss Art. 31 Abs. 1 KVG nicht unterlägen.
b) Das Gericht sieht keinen Grund, im Krankheitswert, der nach Art. 17 KLV bei allen darin aufgeführten Erkrankungen erreicht sein muss, damit die Behandlung der Leistungspflicht unterliegt, etwas anderes zu erblicken. Auch hier dient der Begriff der Abgrenzung. Er drückt das Mass der Schwere der Erkrankung als Voraussetzung für die Leistungspflicht der sozialen Krankenversicherung aus. Nicht schwere Erkrankungen sollen nach der gesetzlichen Vorgabe des Art. 31 Abs. 1 KVG davon ausgeschlossen sein. Der in Art. 17 KLV geforderte Krankheitswert übersteigt somit den für die soziale Krankenversicherung allgemein geltenden Krankheitswert des Art. 2 Abs. 1 KVG (vgl. zum Ganzen: Zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehene Urteile M. vom 19. September 2001, K 73/98, und J. vom 28. September 2001, K 78/98).
7.- Vorliegend stellt sich die Frage, ob die Erkrankung des Zahnhalteapparates, unter welcher die Beschwerdegegnerin unbestrittenermassen leidet, unter Art. 17 lit. b Ziff. 3 KLV zu subsumieren ist. Diese Regelung erscheint auf den ersten Blick nicht ganz klar. Während die übrigen Ziffern allesamt Erkrankungen oder Dysgnathien mit Krankheitswert aufzählen, nennt lit. b Ziff. 3 keine Erkrankung. Die Rede ist lediglich von irreversiblen Nebenwirkungen von Medikamenten. Im Zusammenhang mit der Unterüberschrift von lit. b "Erkrankungen des Zahnhalteapparates (Parodontopathien)" und den Ziffern 1 und 2, nämlich Ziff. 1, welche die präpubertäre Parodontitis und Ziff. 2, welche die juvenile, progressive Parodontitis nennen, drängt sich jedoch der Schluss auf, dass auch Ziff. 3 eine Parodontitis im Auge hat, nämlich eine durch irreversible Nebenwirkungen von Medikamenten verursachte Parodontitis. Diese Interpretation verdient vor jeder anderen denkbaren Interpretation den Vorzug. Insbesondere vermöchte nicht zu befriedigen, die genannte Bestimmung von Art. 17 lit. b Ziff. 3 KLV als systematisch falsch eingeordnet und als in Art. 18 KLV gehörend zu bezeichnen. Eine solche Interpretation gelänge nur durch die Bejahung eines systematischen Fehlers bei der Gesetzgebung, wobei dann aber noch ein zweiter Fehler zu überspringen wäre, nämlich dass eine Bezeichnung der schweren Allgemeinerkrankung immer noch fehlen würde, die nach Art. 18 KLV doch genannt sein müsste. Die dargelegte Interpretation indessen führt zu einem vernünftigen Sinn (zur Publikation in der Amtlichen Sammlung vorgesehenes Urteil J. vom 28. September 2001, K 78/98).
8.- Der Vollständigkeit halber ist noch darauf hinzuweisen, dass die Vorinstanz zu Recht die Anwendbarkeit von Art. 19 KLV verneint hat. Zwar wurden dieser Bestimmung bereits in der bis Ende 1998 gültigen Fassung nicht nur vorausgehende zahnärztliche Behandlungen, sondern generell die gesamte zahnärztliche Versorgung, die zur Behandlung einer in der Verordnungsbestimmung erwähnten schweren Allgemeinerkrankung notwendig war, zugeordnet (vgl. BGE 124 V 199 Erw. 2d; Gebhard Eugster, Krankenversicherungsrechtliche Aspekte der zahnärztlichen Behandlung nach Art. 31 Abs. 1 KVG, in: LAMal - KVG, Recueil de travaux en l'honneur de la société suisse de droit des assurances, Lausanne 1997, S. 243), doch fällt der vorliegende Sachverhalt auch nicht unter diesen weiter gefassten Anwendungsbereich des Art. 19 KLV. Der Wortlaut von Art. 19 KLV ist denn auch per 1. Januar 1999 entsprechend geändert worden, was auf den konkreten Fall jedoch keine Auswirkungen hat. Bezüglich Art. 18 KLV hat das kantonale Gericht sodann zutreffend ausgeführt, dass in dieser Bestimmung die Tumorkrankheit der Beschwerdegegnerin nicht als schwere Allgemeinerkrankung aufgeführt ist, welche selbst oder ihre Folgen eine zahnärztliche Behandlung notwendig machen. Die Aussage des Gerichts bezog sich auf die bis Ende 1998 gültig gewesene Fassung der Verordnungsbestimmung; daran hat sich in der ab 1. Januar 1999 in Kraft stehenden Regelung nichts geändert. Da in den vorherigen Erwägungen die Anwendbarkeit von Art. 17 lit. b Ziff. 3 KLV für den vorliegenden Fall grundsätzlich bejaht worden ist, erübrigt sich hier jedoch eine Prüfung des Art. 18 KLV auf seine Übereinstimmung mit dem Bundesgesetz bezüglich der Frage, ob solche Leiden darin zu Unrecht nicht aufgeführt sind, was dem Eidgenössischen Versicherungsgericht nicht verwehrt ist, wobei es sich aber grosse Zurückhaltung auferlegt (BGE 124 V 185).
9.- Fallen somit zahnärztliche Behandlungen von Paradontopathien als Folge von irreversiblen Nebenwirkungen von Medikamenten grundsätzlich unter die Pflichtleistungen der obligatorischen Krankenversicherung, ist vorliegend entscheidend, ob und inwieweit die Parodontitis sowie die Zahnextraktion als Folge der Chemotherapie des mediastinalen Tumors der Beschwerdegegnerin gemäss Art. 17 lit. b Ziff. 3 KLV zu betrachten sind. Wie die Vorinstanz zutreffend darlegt, kann diese Frage aufgrund der bisherigen medizinischen Aussagen nicht abschliessend beurteilt werden, sondern sind weitere Abklärungen erforderlich. In diesem Zusammenhang ist zu erwähnen, dass die vom Eidgenössischen Versicherungsgericht mit der Erstellung eines Grundsatzgutachtens beauftragten Experten allgemein die Auffassung vertreten, dass Chemotherapie zu Parodontose führen kann. Die Krankenkasse wird nach Einholung der zusätzlichen Abklärungen die Voraussetzungen der Kausalität - wie das Bundesamt für Sozialversicherung zu Recht darauf hinweist unter Berücksichtigung des Zustandes des Parodonts vor Beginn der Chemotherapie - und der Irreversibilität zu prüfen und über ihre Leistungen neu zu verfügen haben, wobei zu beachten ist, dass sich der Umfang einer allfälligen Leistungspflicht in jedem Fall nach den Grundsätzen der Wirksamkeit, Zweckmässigkeit und Wirtschaftlichkeit zu richten hat (Art. 32 Abs. 1 KVG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Sistierung wird aufgehoben.
II. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
III. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
IV. Die Visana hat der Beschwerdegegnerin für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2'500. - (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
V. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, und dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 23. Oktober 2001
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer:
Die Gerichtsschreiberin: