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Original
 
[AZA 1/2]
4C.138/2001/rnd
I. ZIVILABTEILUNG
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Sitzung vom 30. Oktober 2001
Es wirken mit: Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter,
Präsident, Corboz, Klett, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler
und Gerichtsschreiber Luczak.
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In Sachen
Handelszentrum Wallisellen, (Miteigentümer), bestehend aus:
1. AFU Anlagen und Finanz AG, Zwinglistrasse 6,
9000 St. Gallen,
2. Anlagestiftung Asea Brown Boveri, Haselstrasse 16,
5400 Baden,
3. Personalvorsorgestiftung der Ascom Hasler AG,
Belpstrasse 37, 3000 Bern 14,
4. Prevista Anlagestiftung für Personalvorsorgeeinrich- tungen, Gessnerallee 32, 8023 Zürich,
5. Pensionskasse der Firma Alcatel STR AG,
Friesenbergstrasse 75, 8055 Zürich,
6. Allgemeine Pensionskasse der Swissair Schweizerische
Luftverkehr-Aktiengesellschaft, Hirschengraben 84,
Postfach, 8058 Zürich,
7. Pensionskasse der Zürcher Kantonalbank, Bahnhofsstrasse
9, 8022 Zürich, 8. "Zürich" Versicherungs-Gesellschaft, Mythenquai 2,
8022 Zürich,
9. Lista AG, Fabrikstrasse 1, 8586 Erlen,
10. Pensionskasse der Schweizerischen Kreditanstalt, Paradeplatz 8, 8002 Zürich, Klägerinnen und Berufungsklägerinnen, alle vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Roland Hürlimann, Bahnhofplatz 9, Postfach 7676, 8023 Zürich, gegen
Zürcher Kantonalbank, Bahnhofstrasse 9, 8001 Zürich, Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Dr.
Marco Niedermann, Utoquai 37, 8008 Zürich,
betreffend
Genehmigung; Kontokorrent, hat sich ergeben:
A.- Im Frühling 1988 schlossen sich die Klägerinnen und die Kleinert Unternehmungen Holding AG (KLUH) sowie deren Tochtergesellschaft, die Kleinert Geschäftshäuser AG (KLAG), zu einer Bauherrengemeinschaft zusammen. Ziel war die Erstellung und spätere gemeinsame Nutzung des "Handelszentrums Wallisellen". Jede Klägerin schloss mit der KLUH und mit der KLAG einen mit Ausnahme der Beteiligungsquote gleichlautenden Grundsatzvertrag über die Beteiligung am Handelszentrum Wallisellen ab. In diesem Grundsatzvertrag übertrugen die Anleger die Geschäftsführung der einfachen Gesellschaft, bestehend aus der KLUH und der KLAG, und erteilten ihr den Auftrag zur Realisierung des Bauprojekts. Das Bauvorhaben sollte durch Eigenmittel der Anleger von insgesamt Fr. 80 Mio. und im Mehrbetrag durch Fremdkapital finanziert werden.
Bis zur Konsolidierung des Baukredits sollten die Anleger gegenüber den kreditgebenden Banken lediglich als Drittpfandgeber auftreten und die KLUH alleinige Schuldnerin sein.
B.-Den Zahlungsverkehr besorgte die Zürcher Kantonalbank über ein Kapitaleinzahlungskonto und ein Baukreditkonto, beide lautend auf die KLUH. Von diesem Konto nahm die Beklagte zwei Überweisungen im Umfang von insgesamt Fr. 8'000'000.-- auf ein anderes Bankkonto der KLUH vor.
Diese Auszahlungen waren von der eigens für die Kontrolle der Überweisungen eingesetzten Treuhandgesellschaft nicht genehmigt worden.
C.- Auf Druck der Klägerinnen schied die KLUH mit Vereinbarung vom 15. Januar 1992 aus der Bauherren- und Miteigentümergemeinschaft aus und übertrug ihren Miteigentumsanteil von 3% auf die Klägerinnen. Am 6. Februar 1992 übernahmen die Klägerinnen den laufend nachgeführten Schuldsaldo auf dem Baukreditkonto. Die KLUH ersuchte am 7. Februar 1992 um Nachlassstundung. Die Klägerinnen meldeten im Nachlassverfahren diverse Forderungen an, welche vom eingesetzten Schiedsgericht im Umfang von Fr. 24'270'204. 60 geschützt wurden. Darin sind auch die Fr. 8'000'000.-- der beiden streitigen Vergütungen enthalten.
D.-Am 18. April 1996 reichten die Klägerinnen beim Handelsgericht des Kantons Zürich Klage ein und verlangten von der Beklagten Fr. 8'000'000.-- nebst Zins. Am 4. Februar 1999 wies das Handelsgericht die Klage ab, da die Treuhandstelle die Vergütungen nachträglich genehmigt habe. Auf Berufung der Klägerinnen erkannte das Bundesgericht am 3. April 2000, es liege seitens der Treuhandgesellschaft keine Genehmigung vor und die Auszahlungen seien vertragswidrig erfolgt. Es wies die Sache an das Handelsgericht zurück, damit dieses abkläre, ob die Klägerinnen den Schuldsaldo des Baukreditkontos in Kenntnis der streitigen Überweisungen vorbehaltlos übernommen und diese dadurch nachträglich genehmigt haben.
E.- Am 14. März 2000 wies das Handelsgericht die Klage erneut ab, worauf die Klägerinnen wiederum Berufung einlegten.
Sie beantragen dem Bundesgericht, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Klage gutzuheissen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten ist.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Gemäss Art. 66 Abs. 1 OG hat die kantonale Instanz, an die eine Sache zurückgewiesen wird, der neuen Entscheidung die rechtliche Beurteilung zugrunde zu legen, mit der die Rückweisung begründet worden ist. Daran ist auch das Bundesgericht in seinem neuen Entscheid gebunden. Zu prüfen war daher einerseits, ob die Klägerinnen bei Schuldübernahme um die streitigen Auszahlungen wussten, und andererseits, ob die Übernahme vorbehaltslos erfolgte.
a) Das Handelsgericht hat festgestellt, im Vorfeld der Schuldübernahme hätten die Klägerinnen um die streitigen Auszahlungen gewusst. Es seien sowohl mündlich als auch schriftlich Vorbehalte geäussert worden. Zwischen der KLUH und der Beklagten habe indessen ein Kontokorrent bestanden.
Daher genügten die Vorbehalte angesichts der gesetzlichen Regelung, wonach die Anerkennung des Saldos im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses Neuerung bewirke (Art. 117 Abs. 2 OR), nicht, da aus den Vorbehalten die beanstandeten Kontokorrentposten nicht klar hervorgingen. Zudem hätten die Klägerinnen die letzte Kreditofferte ohne Vorbehalt unterzeichnet.
b) Die Klägerinnen führen dagegen aus, es sei um eine Schuldübernahme gegangen und es habe keine Novation im Rahmen eines Kontokorrentverhältnisses stattgefunden. Überdies könne ihnen eine allfällige Novation nicht entgegengehalten werden, da diese nur das Verhältnis zwischen der Beklagten und der KLUH betreffe, während die Klägerinnen ihren Anspruch direkt aus der Verletzung der zu ihren Gunsten vereinbarten vertraglichen Kontrollpflichten der Beklagten herleiteten.
Da die Klägerinnen eine einfache Gesellschaft bildeten und ihnen die Forderungen gegen die Beklagte zu gesamter Hand zuständen, hätte eine Genehmigung nur durch sämtliche Klägerinnen erfolgen können. Davon könne aber keine Rede sein. Vielmehr hätten sie mehrfach Vorbehalte angebracht. Da es bei der Schuldübernahme nur darum ging, das Kreditverhältnis aus dem Risikobereich der finanziell angeschlagenen KLUH herauszulösen und die einzelnen Forderungen bei der Schuldübernahme kein Thema waren, seien die Klägerinnen nicht verpflichtet gewesen, die vor der Schuldübernahme angebrachten Vorbehalte bei Unterzeichnung der endgültigen Kreditofferte zu wiederholen.
2.- a) Im zu beurteilenden Fall sind die einzelnen Vertragsverhältnisse streng auseinander zu halten. Einerseits bestand ein Vertragsverhältnis zwischen der KLUH und den Klägerinnen, andererseits zwischen der Beklagten und der KLUH. Die Visumspflicht diente allein den Interessen der Klägerinnen. Aus ihrer Verletzung konnten der KLUH keine Einreden gegenüber der Beklagten erwachsen und damit auch nicht im Rahmen der Schuldübernahme auf die Klägerinnen übergehen. Das Bundesgericht hat in seinem ersten Entscheid indes festgehalten, dass es sich bei der Visumspflicht um eine echte Bestimmung zu Gunsten Dritter handelt, weshalb die Klägerinnen aus der Schlechterfüllung des Vertrages direkt Ansprüche gegenüber der Beklagten geltend machen können.
Zu prüfen bleibt, ob das Handelsgericht zu Recht davon ausging, die Klägerinnen hätten im Rahmen der Schuldübernahme die Auszahlungen nachträglich genehmigt und damit auf ihre Ansprüche verzichtet.
b) Vertragsparteien des Kontokorrents waren zunächst die KLUH und die Beklagte, nicht die Klägerinnen. Auf die Frage, ob diese die Schuld vorbehaltlos übernahmen, finden daher die Bestimmungen betreffend das Kontokorrentverhältnis keine Anwendung. Vielmehr gelten die allgemeinen vertraglichen Grundsätze. Es ist nach dem übereinstimmenden tatsächlichen Willen der Parteien zu forschen. Wenn kein solcher festzustellen ist, hat eine Auslegung nach dem Vertrauensprinzip Platz zu greifen. Zu prüfen ist dabei, welche Bedeutung der Adressat der Erklärung im systematischen Zusammenhang unter Berücksichtigung der gesamten Umstände vernünftigerweise beimessen musste, da nicht davon auszugehen ist, die Vertragsparteien hätten etwas Unvernünftiges oder Sinnloses gewollt (BGE 126 III 119 E. 2 S. 120 f.; 122 III 420 E. 3a S. 424). Diesbezüglich hat das Bundesgericht in seinem ersten Entscheid festgehalten, dass in einer vorbehaltlosen Schuldübernahme eine Genehmigung der strittigen Auszahlungen zu erblicken ist. Damit können die Klägerinnen allfällige Ansprüche nach Schuldübernahme nur geltend machen, soweit sie sich dies vorbehalten haben.
c) Nach den Feststellungen des Handelsgerichts haben die Klägerinnen die Kreditofferte der Beklagten vom 4. Februar 1992, in der sie ausdrücklich "die Schuldübernahme von Fr. 20'639'142.-- ab dem bisherigen Baukonto ... lautend auf die KLUH" bestätigten, ohne Vorbehalt angenommen.
Damit kann offen bleiben, worauf sich die vor Annahme dieser Offerte angebrachten Vorbehalte beziehen und ob sie genügend spezifiziert waren. Nach dem Vertrauensprinzip durfte die Beklagte jedenfalls davon ausgehen, die Klägerinnen hätten allfällige Vorbehalte mit Annahme der abgeänderten Kreditofferte fallen gelassen und die Auszahlungen nachträglich genehmigt.
Selbst wenn es bei der Schuldübernahme in erster Linie darum ging, die in finanzielle Schwierigkeiten geratene KLUH aus den Vertragsbeziehungen herauszulösen, ist nicht nachvollziehbar, weshalb die Klägerinnen die gesamte Schuld hätten übernehmen sollen, wenn sie diese nicht anerkennen wollten. Das Handelsgericht hat mithin kein Bundesrecht verletzt, wenn es ausführt, die Klägerinnen hätten bei Unterzeichnung der endgültigen Schuldübernahme zumindest auf die vorher angebrachten Vorbehalte verweisen müssen, um sich auch nach Schuldübernahme darauf berufen zu können.
d) Auch aus einem in Bezug auf die strittigen Ansprüche aufgrund von Art. 544 Abs. 1 OR allenfalls bestehenden Gesamthandsverhältnis vermögen die Klägerinnen nichts zu ihren Gunsten abzuleiten, da die Schuldübernahme nach den Feststellungen des Handelsgerichts von sämtlichen Klägerinnen unterzeichnet wurde.
3.- Damit ging das Handelsgericht im Ergebnis zu Recht davon aus, dass eine Genehmigung vorliegt, und es erübrigen sich Erwägungen zu den Vorbringen der Parteien zum Quantitativ der Forderung sowie einem allfälligen Haftungsausschluss im Rahmen allgemeiner Geschäftsbedingungen. Die Berufung erweist sich als unbegründet und ist abzuweisen. Gemäss dem Ausgang des Verfahrens haben die Klägerinnen die Gerichtskosten zu tragen und der Beklagten eine Parteientschädigung zu entrichten.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Handelsgerichts des Kantons Zürich vom 14. März 2001 bestätigt.
2.-Die Gerichtsgebühr von Fr. 25'000.-- wird den Klägerinnen unter solidarischer Haftbarkeit auferlegt.
3.-Die Klägerinnen haben die Beklagte unter solidarischer Haftbarkeit für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 40'000.-- zu entschädigen.
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Handelsgericht des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 30. Oktober 2001
Im Namen der I. Zivilabteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Der Gerichtsschreiber: