[AZA 0/2]
4C.185/2001/rnd
I. ZIVILABTEILUNG
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16. November 2001
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter,
Präsident, Klett, Rottenberg Liatowitsch und Gerichtsschreiber
Vonmoos.
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In Sachen
A.________, Klägerin und Berufungsklägerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dieter R. Marty, Alexanderstrasse 8, Postfach 528, 7002 Chur,
gegen
B.________, Beklagten und Berufungsbeklagten, vertreten durch Rechtsanwalt Erich Vogel, Schulstrasse 1, 7302 Landquart,
betreffend
Arbeitsvertrag; Aufhebungsvertrag, hat sich ergeben:
A.- Am 25. September 1998 schloss A.________ (Klägerin) mit B.________ (Beklagter) einen Arbeitsvertrag, wonach die Klägerin als Augenoptikerin zu einem monatlichen Bruttolohn von Fr. 5'800.-- angestellt wurde. Die Parteien vereinbarten eine Probezeit von drei Monaten und eine anschliessende Kündigungsfrist von drei Monaten. Nach Antritt der Stelle durch die Klägerin am 1. Februar 1999 verlängerten die Parteien die regulär bis zum April 1999 laufende Probezeit um weitere drei Monate bis zum 31. Juli 1999. Nach Auftreten von Unstimmigkeiten zwischen der Klägerin und dem Beklagten kündigte der Beklagte mit Schreiben vom 6. Mai 1999 das Arbeitsverhältnis auf den 31. Juli 1999. Nach einer Auseinandersetzung zwischen den Parteien am 25. Mai 1999 verliess die Klägerin den Arbeitsplatz und erschien nicht mehr dort, ohne ihre Arbeit noch einmal anzubieten. Drei Tage später, am 28. Mai 1999, liess der Beklagte der Klägerin einen eingeschriebenen Brief zukommen, in dem er auf die Ereignisse vom 25. Mai 1999 Bezug nahm und das Arbeitsverhältnis per
5. Juni 1999 "kündigte". Mit Unterschrift vom 1. Juni 1999 bescheinigte die Klägerin den Erhalt dieses Schreibens. Dem Schreiben lag eine vom Treuhänder im Auftrag des Beklagten erstellte "Lohnabrechnung/Austritt 5.6.99" bei, die zugunsten der Klägerin einen Bruttolohn von Fr. 4'855. 65, netto Fr. 3'860. 95 auswies und folgende Saldoklausel anschloss:
"Mit obiger Abrechnung erklären sich der Arbeitnehmer
(sic!) B.________ und die Arbeitnehmerin
A.________ einverstanden und bestätigen per Saldo
alle Ansprüche als abgegolten. "
Die Klägerin kam einer entsprechenden Aufforderung im Schreiben nach und unterschrieb die Lohnabrechnung am 4. Juni 1999. Ab 6. Juni 1999 beantragte sie bei der Arbeitslosenkasse Graubünden Versicherungsleistungen. Die Arbeitslosenkasse teilte ihr daraufhin mit, dass die am 28. Mai 1999 erfolgte Kündigung aufgrund der widerrechtlichen Verlängerung der Probezeit frühestens per 31. August 1999 hätte Wirkung zeitigen können. Da die Arbeitslosenkasse die Zustimmung zur Saldoklausel als Verzicht der Klägerin auf die ihr aus der Kündigungsfrist zustehenden Ansprüche beurteilte, verfügte sie eine Einstellung der Anspruchsberechtigung wegen Selbstverschuldens.
B.- Am 1. Oktober 1999 machte A.________ mit Klage beim Bezirksgericht Unterlandquart Lohnforderungen von insgesamt Fr. 36'406. 70 für die während der Kündigungsfrist anfallenden Löhne zuzüglich Ferienentschädigung, 13. Monatslohn und Schadenersatz wegen ungerechtfertigter fristloser Kündigung geltend. Mit Urteil vom 4. Oktober 2000 wies das Bezirksgericht Unterlandquart die Klage ab. Gleich entschied das Kantonsgericht von Graubünden am 1. Mai 2001 auf Berufung der Klägerin hin. Aus dem Schreiben vom 28. Mai 1999 und dem Verhalten der Parteien ergebe sich, dass diese ihr Arbeitsverhältnis mittels gültigem Aufhebungsvertrag per 5. Juni 1999 beendet und sich per Saldo aller Ansprüche auseinandergesetzt erklärt hätten.
C.- Mit eidgenössischer Berufung beantragt die Klägerin am 1. Juni 2001 die Aufhebung des vorinstanzlichen Urteils und die Gutheissung der Klage. Sie begründet ihr Rechtsmittel damit, die Parteien hätten keinen Aufhebungsvertrag geschlossen, sondern es liege eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung vor. Die Beklagte beantragt die Abweisung der Berufung, soweit darauf einzutreten sei.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Nach Art. 55 Abs. 1 lit. c OG ist in der Berufungsschrift kurz darzulegen, welche Bundesrechtssätze der angefochtene Entscheid verletzt und inwiefern er gegen sie verstösst.
Unzulässig sind dagegen Rügen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen und gegen die Beweiswürdigung der Vorinstanz richten (BGE 120 II 97 E. 2b S. 99; 119 II 84 E. 3; 116 II 92 E. 2 S. 93, 116 II 480 E. 3d S. 489, 116 II 745 E. 3 S. 749 mit Hinweisen), es sei denn, es werde zugleich ein offensichtliches Versehen, eine Verletzung bundesrechtlicher Beweisvorschriften (Art. 63 Abs. 2 OG) oder eine unvollständige Ermittlung des Sachverhaltes vorgeworfen (Art. 64 OG). Wer sich auf solche Ausnahmen von der Bindung des Bundesgerichts an die tatsächlichen Feststellungen der letzten kantonalen Instanz beruft und den Sachverhalt gestützt darauf berichtigt oder ergänzt wissen will, hat darüber genaue Angaben mit Aktenhinweisen zu machen (Art. 55 Abs. 1 lit. d OG; BGE 115 II 484 E. 2 a S. 485 f.).
Soweit die Klägerin auf Tatsachen verweist, welche im angefochtenen Urteil keine Stütze finden ohne gleichzeitig eine substanziierte Versehensrüge zu erheben, ist auf die Berufung nicht einzutreten. Dies gilt insbesondere für die Behauptung der Klägerin, der Beklagte habe ihr anlässlich der Besprechung vom 25. Mai 1999 fristlos gekündigt (Berufungsschrift S. 3). Dieses Vorbringen der Klägerin erschöpft sich in einer unzulässigen Kritik an der Beweiswürdigung des Kantonsgerichts und ist nicht zu hören.
Die Klägerin behauptet ferner, sie hätte sich bei Vertragsabschluss hinsichtlich der Ungültigkeit der Probezeitverlängerung und des damit geltenden Endes der ordentlichen Kündigungsfrist vom 31. August 1999 in einem Irrtum befunden.
Zu dem von der Vorinstanz rechtsverbindlich festgestellten Sachverhalt gehören auch Feststellungen über das Wissen und den Willen der Parteien bei Vertragsabschluss.
Ein Irrtum muss deshalb von der Vorinstanz tatsächlich festgestellt worden sein, um im Rahmen der Berufung Anfechtungsgegenstand zu bilden. Vorliegend hält die Vorinstanz aber fest, dass für einen Irrtum keine Hinweise bestanden haben (angef. Urteil S. 4), weshalb auf diese Rüge der Klägerin nicht einzutreten ist (BGE 118 II 58 E. 3a S. 62).
2.- Die Klägerin wendet ferner ein, es sei kein Aufhebungsvertrag zustandegekommen, da das Schreiben vom 28. Mai 1999 keine Offerte darstelle (Berufungsschrift Ziff. 9 S. 5). Es fehle jeder Hinweis auf einen annahmebedürftigen Antrag und es könne nicht aus der Empfangsbestätigung auf das Zustandekommen eines Vertrages geschlossen werden.
a)Nach herrschender Lehre ist die Bestimmung über den Aufhebungsvertrag in Art. 115 OR analog auf den Vertrag zur Auflösung eines ganzen Vertragsverhältnisses, den contrarius actus, anzuwenden (Aepli, Kommentar zum Schweizerischen Zivilgesetzbuch, N 16 zu Art. 115 OR; Gauch/Schluep/Schmid, Schweizerisches Obligationenrecht Allgemeiner Teil, Rz. 3209). Ein solcher Aufhebungsvertrag bedarf keiner besonderen Form und kann auch durch konkludentes Verhalten geschlossen werden. Ein konkludent geschlossener Aufhebungsvertrag ist aber nur zurückhaltend anzunehmen, da er für den Arbeitnehmer einschneidende Folgen hat, indem er den Kündigungsschutz entfallen lässt und den Anspruch auf Arbeitslosengeld verkürzt wird (Rehbinder, Berner Kommentar, N. 2 zu Art. 335 OR; Peter Münch, in: Geiser/Münch, Stellenwechsel und Entlassung, S. 46 f.; Wolfgang Portmann, Erklärung ohne Worte im schweizerischen Arbeitsrecht, ArbR 1998, S. 72 f.).
Entscheidend ist, dass der Aufhebungswille aus den Willensäusserungen der Parteien erkennbar ist (Gonzenbach, Basler Kommentar, N 6 zu Art. 115 OR) und dass er genügend bestimmt ist (Gauch/Schluep/Schmid, a.a.O., Rz. 344f.)
b) Die Vorinstanz hat erkannt, dass der Beklagte seinen Willen zur Vertragsauflösung mit der Zustellung der Saldoquittung und dem Verzicht auf die Weiterarbeit der Klägerin nach Unterzeichnung dieser Quittung klar zum Ausdruck gebracht hat. Sie hat darin bundesrechtskonform eine Offerte an die Klägerin zur einvernehmlichen Aufhebung des Arbeitsvertrages gesehen. Soweit die Vorinstanz aus dem Verhalten der Klägerin geschlossen haben sollte, dass auch diese mit der Offerte tatsächlich einverstanden war, hat sie einen subjektiv übereinstimmenden Willen der Parteien festgestellt, was vom Bundesgericht im Berufungsverfahren nicht zu überprüfen ist (BGE 127 III 248 E. 3a S. 253). Dafür spricht die Feststellung im angefochtenen Urteil, dass die Klägerin ihrerseits ihre Arbeitskraft nicht mehr angeboten hatte, am 6. Juni 1999 bei der Arbeitslosenkasse Versicherungsleistungen beantragte und sich auf die Suche nach einer neuen Arbeitsstelle machte. Die Vorinstanz hat jedenfalls den im Berufungsverfahren allein zu prüfenden Vertrauensgrundsatz nicht missachtet, wenn sie annahm, der Beklagte habe aus der Unterschrift der Klägerin unter die Saldoquittung sowie aus dem fehlenden Angebot weiterer Arbeitstätigkeit nach Treu und Glauben auf das Einverständnis der Klägerin mit der Vertragsaufhebung schliessen dürfen. Entgegen der Ansicht der Klägerin lässt sich aus dem Umstand, dass sie vom Moment des Gesprächs am 25. Mai 1999 nicht mehr zur Arbeit erschien und ihre Arbeitskraft auch nicht angeboten hat, gerade nicht auf eine fristlose Kündigung schliessen, wäre sie doch in der Meinung, es liege eine ungerechtfertigte fristlose Kündigung vor, gehalten gewesen, dem Arbeitgeber ihre Arbeitskraft anzubieten.
3.- Die Klägerin macht geltend, der von der Vorinstanz festgestellte Aufhebungsvertrag sei ungültig, da damit Kündigungsschutzbestimmungen umgangen würden.
a) Ein Aufhebungsvertrag ist auch zur Beendigung eines Arbeitsverhältnisses zulässig, soweit dabei nichts vereinbart wird, das geeignet ist, zwingende Gesetzesvorschriften zu umgehen (Frank Vischer, Der Arbeitsvertrag, SPR Bd. VII/1, III, Basel 1994, S. 186). Art. 341 OR verhindert den einseitigen Verzicht des Arbeitnehmers auf Forderungen, die sich aus unabdingbaren Vorschriften des Gesetzes ergeben.
Ein solcher Verzicht ist dann zulässig, wenn mit einer Vereinbarung beide Parteien auf Rechte verzichten und das Ergebnis nicht nur dem Arbeitgeber Vorteile bringt (BGE 118 II 58 E. 2b S. 61). Ein Aufhebungsvertrag ist jederzeit, also auch nach erfolgter ordentlicher Kündigung (Rehbinder, Berner Kommentar, N. 23 zu Art. 341 OR) ohne Einhaltung der Kündigungsfristen zulässig, sofern damit nicht nur auf die Lohnfortzahlungspflicht während der Kündigungsdauer, sondern auch auf die in dieser Zeit geschuldete Arbeitsleistung verzichtet wird (BGE 118 II 58 E. 2b S. 60; Rehbinder, a.a.O., N. 2 zu Art. 335 OR).
b)Nach der unbestrittenen Saldoklausel erhielt die Klägerin den Lohn für die verbleibende Zeit bis zum vereinbarten Aufhebungszeitpunkt vom 5. Juni 1999 und verzichtete auf weitere Lohnzahlung während der ordentlichen Kündigungsfrist.
Andererseits verzichtete der Beklagte während dieser Zeit auf die Arbeitsleistung der Klägerin. Da somit die Klägerin ab dem Aufhebungszeitpunkt in der Lage war, eine neue Stelle anzutreten, lag diese Regelung auch in ihrem Interesse.
Die Auffassung der Vorinstanz, der Aufhebungsvertrag verletze Art. 341 OR nicht, ist demzufolge bundesrechtlich nicht zu beanstanden, da keine der Parteien mehr Vorteile oder Nachteile als die andere zu tragen hat.
4.- Nach diesen Erwägungen erweisen sich die von der Klägerin vorgebrachten Rügen als unbegründet. Die Berufung ist abzuweisen. Bei diesem Verfahrensausgang wird die Klägerin kosten- und entschädigungspflichtig (Art. 156 Abs. 1 und Art. 159 Abs. 2 OG )
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Berufung wird abgewiesen und das Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden (Zivilkammer) vom 1. Mai 2001 bestätigt.
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Klägerin auferlegt.
3.- Die Klägerin hat den Beklagten für das bundesgerichtliche Verfahren mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
4.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Kantonsgericht von Graubünden (Zivilkammer) schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 16. November 2001
Im Namen der I. Zivilabteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: