[AZA 0/2]
6S.626/2001/bri
KASSATIONSHOF
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Beschluss vom 27. November 2001
Es wirken mit: Bundesrichter Schubarth, Präsident des Kassationshofes,
Schneider, Wiprächtiger, Kolly, Karlen und Gerichtsschreiber
Monn.
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In Sachen
G.________, Gesuchsteller, vertreten durch Fürsprecher André Seydoux, Herrengasse 30, Bern,
gegen
Generalprokurator des Kantons Bern,
betreffend
Widerhandlung gegen das BetmG (aufschiebende Wirkung), hat sich ergeben:
Das Obergericht des Kantons Bern verurteilte G.________ am 14. September 2001 wegen Vergehen gegen das BetmG zu sechs Monaten Gefängnis und verweigerte den bedingten Strafvollzug.
Die begründete Fassung des im Dispositiv eröffneten Urteils liegt noch nicht vor.
G.________ wendet sich ans Bundesgericht und stellt das Gesuch, der Vollzug der durch das Obergericht verhängten Gefängnisstrafe sei bis zum Entscheid über die nach Vorliegen der schriftlichen Urteilsbegründung noch zu erhebende eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde aufzuschieben.
Der Generalprokurator des Kantons Bern teilt in seiner Stellungnahme mit, er habe angesichts des voraussichtlichen Themas der Nichtigkeitsbeschwerde (Gewährung des bedingten Strafvollzuges) nichts gegen die Gewährung der aufschiebenden Wirkung einzuwenden. Das Obergericht hat sich nicht vernehmen lassen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Das Urteil des Obergerichts ist grundsätzlich vollstreckbar.
Eine Beschwerde, die dem Bundesgericht innert 30 Tagen seit Zustellung der vollständigen Ausfertigung des Entscheids einzureichen ist, hemmt den Vollzug des Urteils nur, wenn der Kassationshof oder sein Präsident es verfügt ( Art. 272 Abs. 1 und 7 BStP [SR 312. 0]). Nach dem Wortlaut von Art. 272 Abs. 7 BStP ist die Zuständigkeit des Kassationshofes oder seines Präsidenten zum Entscheid über ein Gesuch um aufschiebende Wirkung erst mit der Einreichung der Nichtigkeitsbeschwerde gegeben.
Gemäss dem früheren, bis zum 1. Januar 2001 geltenden Art. 272 Abs. 1 aBStP war die Beschwerde innert zehn Tagen seit der nach dem kantonalen Recht massgebenden Eröffnung des angefochtenen Entscheids anzumelden, womit der Kassationshof mit der Sache befasst war (vgl. zur Frage der aufschiebenden Wirkung im alten Recht Erhard Schweri, Eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde in Strafsachen, Bern 1993, N 351 ff.). Im neuen Recht ist diese Anmeldung der Beschwerde nicht mehr vorgesehen. Die Nichtigkeitsbeschwerde muss vielmehr erst 30 Tage nach Zustellung der schriftlichen Urteilsbegründung erhoben werden. Das hat zur Folge, dass von der Urteilsfällung bis zum Ablauf der Beschwerdefrist unter Umständen einige Zeit verstreichen kann. Da die Beschwerdeanmeldung beim Bundesgericht entfällt, fragt sich, an wen sich der Rechtssuchende wenden muss, um in diesem Zeitraum einen Aufschub der Vollstreckung des kantonalen Urteils zu beantragen.
Das Bedürfnis für eine solche Massnahme kann sich daraus ergeben, dass der Verurteilte das kantonale Urteil beim Bundesgericht anfechten und eine geringere Strafe oder die Gewährung des bedingten Strafvollzugs verlangen will (vgl. Martin Schubarth, Nichtigkeitsbeschwerde 2001, Bern 2001, N 233).
Soweit das kantonale Recht eine Möglichkeit vorsieht, um den Aufschub der Vollstreckung des Strafurteils zu beantragen, ist davon Gebrauch zu machen. Kennt jedoch das kantonale Recht kein entsprechendes Instrument, sind die Rechtsschutzbedürfnisse wie unter dem alten Recht vom Bundesgericht abzudecken. Denn der Gesetzgeber beabsichtigte mit der jüngsten Revision offensichtlich nicht, den Rechtsschutz des Betroffenen einzuschränken.
Soll mangels eines kantonalen Behelfs das Bundesgericht um Aufschub der Vollstreckung des letztinstanzlichen kantonalen Strafurteils ersucht werden, hat der Betroffene eine summarisch begründete Nichtigkeitsbeschwerde einzureichen und darin anzugeben, welche Punkte des Urteils er anfechten will. Zudem hat er ein Gesuch um aufschiebende Wirkung zu stellen, in dem er einlässlich darlegt, weshalb die Vollzugshemmung im Lichte der vorzunehmenden Interessenabwägung als notwendig und im Blick auf die Rechtsbegehren und deren Erfolgsaussichten als gerechtfertigt erscheint. Wie unter dem alten Recht sind an die Begründung eines solchen Gesuchs besonders hohe Anforderungen zu stellen (Schweri, a.a.O., N 356).
Anschliessend wird in der Regel der Präsident (und ausnahmsweise der Kassationshof) über das Gesuch befinden.
2.- Im vorliegenden Fall wurde der Vollzug der Strafe bereits angesetzt, obwohl der Verurteilte die Verweigerung des bedingten Strafvollzugs anfechten will. In dem von ihm gestellten Gesuch um aufschiebende Wirkung kann zugleich die nach den vorstehenden Erwägungen erforderliche summarische Beschwerdeerhebung gesehen werden. Dem Gesuch ist ohne weiteres zu entsprechen. Der Generalprokurator hat ausdrücklich erklärt, er habe gegen die Gewährung der aufschiebenden Wirkung nichts einzuwenden, und das Obergericht hat sich nicht vernehmen lassen, was praxisgemäss als Einverständnis ausgelegt wird. Der Vollzug der Freiheitsstrafe ist folglich aufzuschieben.
Demnach beschliesst das Bundesgericht:
1.- Der Vollzug der Gefängnisstrafe wird aufgeschoben.
2.- Das Obergericht des Kantons Bern wird ersucht, dem Bundesgericht ein Exemplar des begründeten Urteils vom 14. September 2001 zuzustellen.
3.- Dieser Beschluss wird dem Gesuchsteller, dem Generalprokurator und dem Obergericht, 2. Strafkammer, des Kantons Bern schriftlich mitgeteilt.
--------- Lausanne, 27. November 2001
Im Namen des Kassationshofes
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Der Gerichtsschreiber: