[AZA 0/2]
6S.628/2001/sch
KASSATIONSHOF
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29. November 2001
Es wirken mit: Bundesrichter Schubarth, Präsident des
Kassationshofes, Bundesrichter Schneider, Karlen und
Gerichtsschreiber Weissenberger.
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In Sachen
X.________, Beschwerdeführer, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Christoph Bürgi, Blumenbergplatz 1, St. Gallen,
gegen
Staatsanwaltschaft des Kantons St. Gallen,
betreffend
fahrlässige Körperverletzung, grobe Verletzung der Verkehrsregeln (Art. 125 StGB, Art. 68 Ziff. 1 Abs. 1 StGB,
Art. 90 Ziff. 2 SVG); (eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil des Kantonsgerichts St. Gallen, Strafkammer, vom 28. August 2001), hat sich ergeben:
A.- X.________ fuhr am 2. Januar 1999 um 15.36 Uhr auf der ihm bestens vertrauten St. Jakobsstrasse in St. Gallen Richtung Stadtzentrum. Die signalisierte Höchstgeschwindigkeit auf der Innerortsstrecke betrug 50 km/h. X.________ wurde auf seiner Fahrt immer wieder von der tiefstehenden Sonne geblendet. Ungefähr auf der Höhe des Restaurants "Galletto" (St. Jakobsstrasse 62) war die Blendung derart stark, dass X.________ den weiteren Strassenverlauf während ca. 3,7 s nicht mehr ausmachen konnte. Obschon er wusste, dass sich in kurzer Distanz vor ihm auf der Höhe der St. Jakobsstrasse 48 ein Fussgängerstreifen befand, fuhr er mit einer nahezu gleichbleibenden Geschwindigkeit von mindestens 55 km/h weiter und erstellte lediglich Bremsbereitschaft. Etwa auf der Höhe des Restaurants "Chässtübli" (Restaurant Thurgauerhof, St. Jakobsstrasse 52) wurde die Sonne von einem Haus verdeckt, so dass er eine Gruppe von fünf Fussgängern erkennen konnte, die auf dem Fussgängerstreifen (Höhe St. Jakobsstrasse 48) die Strasse von rechts nach links überquerten. Obschon X.________ eine Vollbremsung einleitete, konnte er eine Kollision mit der Fussgängergruppe nicht mehr verhindern. Vier der fünf Fussgänger wurden dabei verletzt. Zwei der Verletzten stellten Strafantrag wegen fahrlässiger Körperverletzung (angefochtenes Urteil, S. 3 und 5 f.).
B.- Mit Strafbescheid vom 20. Oktober 2000 verurteilte das Untersuchungsrichteramt St. Gallen X.________ wegen mehrfacher fahrlässiger Körperverletzung (Art. 125 StGB) sowie grober Verkehrsregelverletzung (Art. 90 Ziff. 2 SVG) zu einer bedingten Gefängnisstrafe von vier Wochen und zu einer Busse von Fr. 600.--. Dagegen erhob X.________ Einsprache. Der Einzelrichter des Bezirksgerichtes St. Gallen sprach ihn am 14. Februar 2001 der groben Verkehrsregelverletzung und der fahrlässigen Körperverletzung schuldig und bestrafte ihn mit einer bedingten Gefängnisstrafe von zwei Wochen sowie einer Busse von Fr. 500.--.
Mit Urteil vom 28. August 2001 wies das Kantonsgericht St. Gallen eine Berufung des Verurteilten ab.
C.- X.________ führt eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde mit dem Antrag, das Urteil des Kantonsgerichts aufzuheben.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Der Beschwerdeführer macht geltend, das Kantonsgericht habe sein Fehlverhalten zu Unrecht als grobfahrlässig eingestuft und ihn nach Art. 90 Ziff. 2 SVG verurteilt. Die Anwendung von Art. 90 Ziff. 2 statt von Art. 90 Ziff. 1 SVG auf den von der Vorinstanz festgestellten Sachverhalt verletze Bundesrecht.
a) Die einfache Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 1 SVG wird mit Haft oder Busse bestraft.
Demgegenüber wird, wer durch grobe Verletzung der Verkehrsregeln eine ernstliche Gefahr für die Sicherheit anderer hervorruft oder in Kauf nimmt, nach Art. 90 Ziff. 2 SVG mit Gefängnis oder mit Busse bestraft. Die grobe Verkehrsregelverletzung ist also ein Vergehen und führt auch zu einem Führerausweisentzug (BGE 120 Ib 285). Art. 90 Ziff. 2 SVG ist objektiv erfüllt, wenn der Täter eine wichtige Verkehrsvorschrift in objektiv schwerer Weise missachtet und die Verkehrssicherheit abstrakt oder konkret gefährdet. Subjektiv erfordert der Tatbestand, dass dem Täter aufgrund eines rücksichtslosen oder andersweitig schwerwiegend regelwidrigen Verhaltens zumindest eine grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen ist (BGE 126 IV 192 E. 3 mit Hinweisen).
b) Nach der Grundregel des Art. 26 Abs. 1 SVG müssen sich alle im Verkehr so verhalten, dass andere in der ordnungsgemässen Benützung der Strasse weder behindert noch gefährdet werden. Diese Vorschrift wird durch die einzelnen Verkehrsregeln, namentlich jene über die Geschwindigkeit, konkretisiert.
Die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs ist stets den Umständen und insbesondere den Sichtverhältnissen anzupassen (Art. 32 Abs. 1 SVG). Der Fahrzeuglenker darf nur so schnell fahren, dass er innerhalb der überblickbaren Strecke anhalten kann (Art. 4 Abs. 1 der Verkehrsregelnverordnung, VRV [SR 741. 11]). In Ortschaften beträgt die allgemeine Höchstgeschwindigkeit für Fahrzeuge unter günstigen Strassen-, Verkehrs- und Sichtverhältnissen 50 km/h (Art. 4a Abs. 1 lit. a VRV). Signale und Markierungen sind zu befolgen (Art. 27 Abs. 1 SVG).
Den Fussgängern ist das Überqueren der Fahrbahn in angemessener Weise zu ermöglichen (Art. 33 Abs. 1 SVG). Vor Fussgängerstreifen ohne Verkehrsregelung muss der Fahrzeugführer jedem Fussgänger den Vortritt gewähren, der sich bereits auf dem Streifen befindet oder davor wartet und ersichtlich die Fahrbahn überqueren will. Er muss die Geschwindigkeit rechtzeitig mässigen und nötigenfalls anhalten, damit er dieser Pflicht nachkommen kann (Art. 33 Abs. 2 SVG, Art. 6 Abs. 1 VRV).
c) aa) Der Beschwerdeführer macht nicht geltend, und es ist auch nicht erkennbar, dass die Fussgänger die Fahrbahn unvorsichtig betreten oder ihr Vortrittsrecht erzwungen hätten (vgl. Art. 49 Abs. 2 SVG, Art. 47 Abs. 1 und 2 VRV ). Es ist deshalb davon auszugehen, dass sie den Fussgängerstreifen unter Beachtung der notwendigen Sorgfalt betraten.
bb) Bei Art. 32 Abs. 1 und 33 Abs. 1 und 2 SVG, Art. 4 Abs. 1 und 6 Abs. 1 VRV handelt es sich um grundlegende Verkehrsregeln. Sie sind wesentlich für die Gewährleistung der Sicherheit des Strassenverkehrs. Der Beschwerdeführer hat sie in schwerer Weise missachtet.
Der fragliche Strassenabschnitt auf der St. Jakobsstrasse in St. Gallen war im Unfallzeitpunkt stark frequentiert. Im fraglichen Bereich münden mehrere Nebenstrassen ein. Der Beschwerdeführer, der in einer Parallelstrasse zur Jakobsstrasse wohnte (vgl. angefochtenes Urteil, S. 6; kt. act. 19 S. 1) und nach der Adresse in der Beschwerdeschrift immer noch wohnt, wusste, dass sich auf der Höhe der Strassennummer 48 ein Fussgängerstreifen ohne Verkehrsregelung befand. Auf seiner Fahrt stadteinwärts wurde er bereits vor dem Unfall trotz Sonnenblende und Sonnenbrille "immer wieder" geblendet. Gleichwohl reduzierte er seine Geschwindigkeit nicht, sondern fuhr unter Missachtung der signalisierten Höchstgeschwindigkeit mit 55 km/h weiter. Diese Geschwindigkeit war angesichts der Örtlichkeiten, des Verkehrsaufkommens und der tiefstehenden, blendenden Sonne erheblich übersetzt. Wegen der ungünstigen Verhältnisse und des vor ihm liegenden Fussgängerstreifens war der Beschwerdeführer bereits nach der ersten Blendung verpflichtet, seine Geschwindigkeit vorausschauend auf deutlich unter 50 km/h herabzusetzen und in erhöhtem Masse auf andere Verkehrsteilnehmer, namentlich Fussgänger im Bereich des vor ihm liegenden Fussgängerstreifens, zu achten. Als der Beschwerdeführer auf der Höhe der St. Jakobsstrasse 62 durch die Sonne während rund 3,7 s vollständig geblendet wurde, fuhr er unter gleichbleibender Geschwindigkeit blind weiter, obschon er den nahen Fussgängerstreifen kannte und angesichts der belebten Örtlichkeit nicht mit einer freien Fahrbahn rechnen durfte. Dieses Zusammenspiel mehrerer Fehlverhalten hat die Vorinstanz zu Recht als rücksichtslos und damit als grob verkehrsregelwidrig eingestuft. Wer wie der Beschwerdeführer trotz wiederholter Sonnenblendung und belebter Innerortsstrasse seine deutlich übersetzte Fahrgeschwindigkeit von 55 km/h nicht senkt und bei einer erneuten Blendung mit gleichbleibender Geschwindigkeit während 3,7 s ohne Sicht auf einen nahen Fussgängerstreifen zufährt, missachtet elementare Sorgfaltsregeln und gefährdet die anderen Verkehrsteilnehmer in hohem Masse. Die Annahme einer qualifizierten Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG durch die Vorinstanz verstösst nicht gegen Bundesrecht.
2.- Der Beschwerdeführer macht geltend, die Vorinstanz habe zu Unrecht Art. 90 Ziff. 2 SVG neben Art. 125 StGB angewendet und die Strafe nach Art. 68 Ziff. 1 StGB geschärft (Beschwerde, S. 10 ff.).
a) Art. 90 Ziff. 2 SVG ist ein Gefährdungsdelikt.
Verwirklicht sich die Gefahr und wird eine Person durch den Verkehrsregelverstoss verletzt oder getötet, konsumiert das erfüllte Verletzungsdelikt den Art. 90 Ziff. 2 SVG. Mit der Bestrafung wegen fahrlässiger Tötung oder fahrlässiger Körperverletzung wird die durch die Verletzung der entsprechenden Verkehrsregel(n) geschaffene Gefährdung der allgemeinen Verkehrssicherheit und die Gefährdung der getöteten oder verletzten Personen mitabgegolten, weshalb dann nur Art. 117 oder Art. 125 StGB zur Anwendung kommt (BGE 91 IV 30 E. 3, 211 E. 4; 96 IV 39; 106 IV 391 E. 4 mit Hinweisen).
Echte Idealkonkurrenz zwischen Art. 90 SVG und Art. 117 und Art. 125 StGB ist nur gegeben, wenn neben der getöteten oder verletzten Person(en) eine oder mehrere weitere Personen konkret gefährdet werden (BGE 91 IV 211 E. 4; 119 IV 284 E. 2c). Stellt eine verletzte Person nicht Strafantrag oder verzichtet sie darauf, so bleibt in Bezug auf die begangene konkrete Gefährdung für Leib und Leben das Offizialdelikt des Art. 90 Ziff. 2 SVG anwendbar (vgl. BGE 96 IV 39; 106 IV 391 E. 4 mit Hinweisen; Urteil des Bundesgerichts vom 5. Februar 1997 [6S. 880/1996], wiedergegeben in Pra, 1997 Nr. 95 S. 512).
b) Im hier zu beurteilenden Fall fuhr der Beschwerdeführer in eine fünfköpfige Fussgängergruppe.
Vier Fussgänger wurden verletzt. Zwei von ihnen, A.________ und B.________, stellten gegen den Beschwerdeführer keinen Strafantrag wegen Körperverletzung. Die unverletzt gebliebene Fussgängerin C.________ wurde durch den groben Verkehrsregelverstoss des Beschwerdeführers - wie A.________ und B.________ auch - konkret gefährdet. Die Vorinstanzen haben den Beschwerdeführer nur in Bezug auf die Gefährdung von A.________ und B.________ sowie C.________ der - einmaligen - groben Verkehrsregelverletzung nach Art. 90 Ziff. 2 SVG schuldig gesprochen (angefochtenes Urteil, S. 7 f.). Das steht im Einklang mit den oben dargelegten Grundsätzen und ist bundesrechtlich nicht zu beanstanden.
3.- Die Beschwerde wird abgewiesen. Bei diesem Ausgang des Verfahrens trägt der Beschwerdeführer die Kosten (Art. 278 Abs. 1 BStP).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde wird abgewiesen.
2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird dem Beschwerdeführer auferlegt.
3.- Dieses Urteil wird dem Beschwerdeführer, der Staatsanwaltschaft und dem Kantonsgericht St. Gallen, Strafkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 29. November 2001
Im Namen des Kassationshofes des
SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Der Gerichtsschreiber: