BGer 5A.15/2001 |
BGer 5A.15/2001 vom 06.12.2001 |
[AZA 0/2]
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5A.15/2001/GIO/bnm
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II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
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Sitzung vom 6. Dezember 2001
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Es wirken mit: Bundesrichter Reeb, Präsident der II. Zivilabteilung,
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Bundesrichter Bianchi, Bundesrichter Raselli,
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Bundesrichterin Escher und Bundesrichter Meyer sowie Gerichtsschreiberin Giovannone.
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In Sachen
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M.W.________, K.S.________, Beschwerdeführer, beide vertreten durch Rechtsanwalt Stephan Frischknecht, Webergasse 21, Postfach 641, 9001 St. Gallen,
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gegen
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Kantonsgericht von Graubünden, Zivilkammer,
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betreffend
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Eheschliessungsverbot; Art. 95 ZGB,
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Art. 12 EMRK, hat sich ergeben:
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A.-M.W.________ heiratete am 7. Juni 1985 V.S.________, welche die zwei Kinder K.S.________, geboren im Jahr 1971, und L.S.________, geboren im Jahr 1976, in die Ehe brachte.
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Diese Ehe wurde am 14. Mai 1991 geschieden.
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Am 19. Juni 1991 brachte K.S.________ einen Sohn zur Welt; der Vater des Kindes ist M.W.________. Am 22. März 1994 gebar sie diesem einen zweiten Sohn. Am 9. März 1995 wurde der Nachname der beiden Söhne von S.________ auf W.________ geändert.
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B.-Am 25. September 2000 stellten M.W.________ und K.S.________, die seit Jahren im Konkubinat leben, beim Zivilstandsamt des Kreises Chur ein Gesuch um Vorbereitung der Eheschliessung. Mit Verfügung vom 26. September 2000 lehnte das Zivilstandsamt das Gesuch wegen Vorliegens eines Ehehindernisses gemäss Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB ab.
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Die dagegen am 2. Oktober 2000 erhobene Beschwerde von M.W.________ und K.S.________ lehnte das Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartement des Kantons Graubünden mit Verfügung vom 15. Januar 2001 ab. Ihre Berufung an das Kantonsgericht von Graubünden blieb ebenfalls erfolglos.
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C.-M.W.________ und K.S.________ gelangen mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht und beantragen, die vorgenannten Verfügungen und Entscheide des Zivilstandsamtes des Kreises Chur, des Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartements und des Kantonsgerichts von Graubünden seien aufzuheben; das Zivilstandsamt sei anzuweisen, das Verkündverfahren durchzuführen und die Eheschliessung der Beschwerdeführenden zu bewilligen. Überdies sei die Kostenverfügung des Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartements des Kantons Graubünden vom 15. Januar 2001 unabhängig vom Ausgang des Verfahrens aufzuheben. Auch im bundesgerichtlichen Verfahren sei auf die Erhebung von Kosten zu verzichten. Zudem ersuchen die Beschwerdeführenden um die unentgeltliche Rechtspflege. Das Kantonsgericht von Graubünden schliesst auf die Abweisung der Beschwerde, soweit darauf einzutreten ist. Das Bundesamt für Justiz hat in seiner Stellungnahme auf einen Antrag verzichtet.
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Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
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1.-Das Bundesgericht prüft von Amtes wegen und mit freier Kognition, ob es auf eine Verwaltungsgerichtsbeschwerde eintreten kann (BGE 126 III 274 E. 1 mit Hinweisen).
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a) Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann sich nur gegen den letztinstanzlichen kantonalen Entscheid richten (Art. 98 lit. g OG), weshalb auf sie nicht eingetreten werden kann, soweit auch die Verfügung des Zivilstandsamtes des Kreises Chur und jene des Justiz-, Polizei- und Sanitätsdepartements Graubünden angefochten werden (vgl. BGE 117 Ib 414 E. 1d; 118 Ib 229 E. 1).
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b) Das angefochtene Urteil des Kantonsgerichts von Graubünden betrifft die Eheschliessung. Es ist somit in einer Zivilstandssache ergangen und unterliegt der Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht (Art. 20 Abs. 2 ZStV).
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c) Gemäss Art. 104 lit. a OG kann mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde die Verletzung von Bundesrecht geltend gemacht werden. Zulässig ist damit auch die Geltendmachung der Verletzung von Bundesverfassungsrecht, soweit sie sich auf die Anwendung von Bundesrecht bezieht (Art. 104 lit. a OG; BGE 124 II 132 E. 2a S. 137 mit Hinweisen); die Verwaltungsgerichtsbeschwerde übernimmt insoweit die Funktion der Verfassungsbeschwerde gemäss Art. 84 Abs. 1 lit. a OG. Dies gilt auch für die Anrufung von Bestimmungen der EMRK (SR 0.101), da die Konventionsverletzung verfahrensrechtlich der Verletzung verfassungsmässiger Rechte gleichgestellt ist (BGE 125 III 209 E. 2). Die Beschwerdeführenden begründen ihre Rechtsbegehren einerseits damit, dass das Bundesrecht eine vom Richter zu schliessende Lücke enthalte. Andererseits machen sie einen Verstoss gegen Art. 12 EMRK geltend. Die Beschwerde ist demnach auch im Hinblick auf Art. 104 OG zulässig. Im Übrigen genügt sie den Anforderungen gemäss Art. 108 Abs. 2 OG, weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt darauf einzutreten ist.
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2.-Das Kantonsgericht hat die Abweisung des Gesuchs der Beschwerdeführenden um Vorbereitung der Eheschliessung gestützt auf das Eheverbot gemäss Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB bestätigt. Nach Ansicht der Beschwerdeführenden ist ihnen die Eheschliessung gleichwohl zu erlauben. Die Gesetzesbestimmung erscheine zwar auf den ersten Blick klar. Bei genauerer Prüfung sei jedoch unschwer zu erkennen, dass hier eine gesetzliche Lücke vorliege. Der Gesetzgeber habe den Fall übersehen, in welchem die Heiratswilligen wie hier gemeinsame Kinder gezeugt und eine Familie gegründet haben. Für diesen Fall müsse das Gesetz Ausnahmen zulassen.
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a) Der Inhalt einer Norm ist ausgehend von ihrem Wortlaut nach ihrem Sinn und Zweck und den ihr zugrunde liegenden Wertungen zu ermitteln. Ziel der Auslegung ist die sachlich richtige Entscheidung im normativen Gefüge, ausgerichtet auf ein befriedigendes Ergebnis aus der ratio legis.
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Erweist sich die gesetzliche Anordnung als zu undifferenziert und verlangt der Zweck der Norm für den in Frage stehenden Fall nach einer Ausnahme, kann das Gericht die Norm mittels teleologischer Reduktion für einen Fall als nicht anwendbar erklären, der gemäss dem noch möglichen Wortsinn in den Anwendungsbereich der Norm fällt. Das Gericht bleibt dabei aber an die klare Zwecksetzung der bestehenden Regelung gebunden (BGE 121 III 219 E. 1d/aa S. 224 ff.; 124 III 229 E. 3c S. 235 f.; 127 III 415 E. 2 mit Hinweisen; Kramer, Juristische Methodenlehre, 1998, S. 161 f. und 169 f.).
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b) Gemäss dem Wortlaut von Art. 95 Abs. 1 ZGB ist die Eheschliessung einerseits verboten zwischen Verwandten in gerader Linie sowie zwischen Geschwistern oder Halbgeschwistern, und zwar unabhängig davon, ob sie miteinander durch Abstammung oder durch Adoption verwandt sind. Andererseits ist sie untersagt zwischen Stiefeltern und Stiefkindern.
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Die Bestimmung ist am 1. Januar 2000 in Kraft getreten (AS 1999 S. 1118, S. 1144). Bis dahin umfasste das Eheverbot bezüglich Verwandtschaft auch die Beziehungen zwischen Onkel und Nichte sowie Tante und Neffe; es betraf überdies alle Schwägerschaftsverhältnisse ersten Grades und nicht nur jenes zwischen Stiefeltern und Stiefkind. Mit der am 26. Juni 1998 verabschiedeten Revision schränkte das Parlament die Ehehindernisse erheblich ein und entsprach damit der allgemeinen europäischen Tendenz (Botschaft über die Änderung des Zivilgesetzbuches vom 15. November 1995, BBl 1996 I 1, S. 63 [in der Folge: Botschaft]).
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c) Die teilweise Aufhebung des Ehehindernisses der Schwägerschaft wurde damit begründet, dass es hier - im Gegensatz zum Ehehindernis der Blutsverwandtschaft - an einer eugenischen Rechtfertigung fehle. Wohl aufgrund der Tatsache, dass heute nur noch wenige Menschen in der Schweiz in Grossfamilien leben, vermochte in den Augen des Parlaments auch der zu wahrende Familienfriede das Eheverbot zwischen Verschwägerten nicht mehr generell zu rechtfertigen (Botschaft, S. 63). Demgegenüber hielt der Gesetzgeber bewusst am Eheverbot für Stiefkindverhältnisse fest. Zwar fehlt auch hier eine eugenische Rechtfertigung, doch wurde das Eheverbot aufgrund der Überlegung beibehalten, dass diese Beziehung einer leiblichen Eltern-Kind-Beziehung weitgehend nachgebildet ist. Die unterschiedliche Behandlung der Schwägerschaft im Allgemeinen und der Stiefverhältnisse im Besonderen wurde damit gerechtfertigt, dass sich die Integration des Stiefkindes in die neue Familie nicht mit derjenigen eines Schwiegerkindes in den Kreis der Schwägerfamilie vergleichen lasse. Dabei erwog der Gesetzgeber eine Einschränkung des Verbots auf Fälle, in denen das Stiefkindverhältnis während dessen Minderjährigkeit begründet worden ist, verwarf sie jedoch, da er in Anbetracht der Herabsetzung der Mündigkeit auf 18 Jahre mit einer Zunahme der Haushalte rechnete, in denen heiratsfähige Stiefkinder und Stiefeltern zusammenleben (Botschaft, S. 63 f.).
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d) Aus dem Umstand, dass diese Einschränkung verworfen wurde, kann geschlossen werden, dass das Eheverbot nach dem Willen des Gesetzgebers in Stiefverhältnissen absolut gilt, dass der Gesetzgeber also auch einen Ausschluss der Fälle, in denen aus der Beziehung zwischen Stiefeltern und Stiefkind Kinder hervorgehen, abgelehnt hat. Ratio legis ist die Wahrung des Friedens in der - das Stiefverhältnis begründenden - Familie. Im Hinblick auf das zu schützende Rechtsgut macht es keinen sachlich relevanten Unterschied, ob der Beziehung zwischen Stiefeltern und Stiefkind Kinder entspringen oder nicht. Käme das Eheverbot im einen Fall zur Anwendung und im anderen nicht, so läge darin eine rechtsungleiche Behandlung.
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Daraus folgt, dass keine Ausnahmelücke vorliegt, dass das geltende Bundeszivilrecht eine Eheschliessung im vorliegenden Fall also nicht zulässt.
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3.-Die Beschwerdeführenden bringen des Weiteren vor, das Eheverbot verletze ihr durch Art. 12 EMRK garantiertes Recht auf Eheschliessung und Familie.
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a) Der Prüfung einer eidgenössischen Gesetzesbestimmung auf ihre Vereinbarkeit mit der Europäischen Menschenrechtskonvention steht nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichts nichts entgegen (BGE 117 Ib 367 E. 2d f.; 118 Ia 473 E. 5b/bb; 118 Ib 277 E. 3b; 122 II 485 E. 3; 125 II 417 E. 4d S. 225).
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b) Gemäss Art. 12 EMRK haben Männer und Frauen mit Erreichung des heiratsfähigen Alters gemäss den einschlägigen nationalen Gesetzen das Recht, eine Ehe einzugehen und eine Familie zu gründen. Der Hinweis auf die einschlägigen nationalen Gesetze macht deutlich, dass das Grundrecht nicht schrankenlos ist. Umgekehrt dürfen die Nationen das Recht gesetzlich auch nicht beliebig einschränken. Obwohl Art. 12 EMRK im Gegensatz zu Art. 8 EMRK die Voraussetzungen einer gerechtfertigten Beschränkung nicht nennt, ist nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und nach der Lehre ein Grundrechtseingriff lediglich zulässig, wenn er den Kerngehalt des Rechts nicht berührt (Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte [EGMR] i.S. Rees c. Grossbritannien vom 17. Oktober 1986, Serie A, Bd. 106, Ziff. 50) und sich die gesetzliche Grundlage auf allgemein anerkannte Gründe des öffentlichen Interesses stützt. Nationale Eheverbote müssen somit rational begründbar sein (Frowein/Peukert, Europäische Menschenrechtskonvention,
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2. Aufl. 1996, N. 2 zu Art. 12 EMRK). Aus dem Prinzip der Verhältnismässigkeit ergibt sich zudem, dass das öffentliche Interesse am Verbot gegenüber dem Interesse an der Eheschliessung nicht klar unterlegen sein darf (Haefliger/Schürmann, Die Europäische Menschenrechtskonvention und die Schweiz, 2. Aufl. 1999, S. 319).
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c) Die Voraussetzungen der Wahrung des Kerngehalts sowie der gesetzlichen Grundlage sind vorliegend offensichtlich erfüllt. Zu prüfen ist, ob sich das für Stiefverhältnisse statuierte Eheverbot auf allgemein anerkannte Gründe des öffentlichen Interesses stützt und ob dieses das Interesse der Beschwerdeführenden an der Eheschliessung überwiegt.
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4.-a) Bei der Beibehaltung des Eheverbots für Stiefverhältnisse stand die Wahrung des Familienfriedens im Vordergrund.
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Zwar hat die Familie viele ihrer früheren Funktionen verloren: so stellt sie heute kaum mehr eine Produktionsgemeinschaft dar, die Wissensvermittlung und die Berufsvorbereitung beim heranwachsenden Kind sind ihr weitgehend entzogen, und auch die Aufgabe, für kranke, schwache oder alte Familienmitglieder zu sorgen, hat sie teilweise an andere Institutionen abgetreten. Als ein Bezirk besonders enger emotionaler Bindungen fallen ihr heute jedoch vornehmlich die folgenden zwei Aufgaben zu: die primäre Sozialisation des Kindes und die gewissermassen private Verarbeitung von Konflikten, die im gesellschaftlichen Bereich, besonders im Beruf, auftreten (Stratenwerth, Inzest und Strafrecht, in: Familienrecht im Wandel, 1976, S. 301 ff., S. 311). Angesichts dieser Funktionen ist die Stabilität der Familie möglichst zu wahren. Eine Geschlechtsverbindung zwischen Stiefeltern und Stiefkind würde nicht nur die Ehe, auf der die Stieffamilie gründet, destabilisieren, sondern auch die weiteren Beziehungen unter den Familienmitgliedern - etwa zwischen leiblichem Elternteil und Kind sowie zwischen Geschwistern - erheblich gefährden (Hürlimann, Die Eheschliessungsverbote zwischen Verwandten und Verschwägerten, Diss. Bern 1987, S. 147 und S. 151).
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b) Von erheblicher Bedeutung ist ferner der Schutz der freien Entfaltung und der sexuellen Integrität des Stiefkindes:
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Die Familie bildet nach wie vor regelmässig den engsten ursprünglichsten Rahmen des Zusammenlebens, der Rahmen, in dem Kinder ihr Leben beginnen und heranwachsen. Sie soll deshalb von sexuellen Beziehungen und erotischen Spannungen freigehalten werden. Entsprechend steht die Verletzung der sexuellen Integrität des Abhängigen unter Strafe (Art. 188 StGB; Stratenwerth, a.a.O., S. 311). Zivilrechtlich findet das Stiefverhältnis Ausdruck in der subsidiären elterlichen Sorge des Stiefelters: Gemäss Art. 299 ZGB hat er seinem Ehegatten in der Ausübung der elterlichen Sorge gegenüber dessen Kinder in angemessener Weise beizustehen und ihn zu vertreten, wenn es die Umstände erfordern. Damit befindet sich der Stiefelternteil regelmässig in einer Autoritätsstellung und das Stiefkind in einem Abhängigkeitsverhältnis. Es gilt demnach zu verhindern, dass dieses faktische Eltern-Kind-Verhältnis nahtlos in ein Paarverhältnis übergeht (Hegnauer/Breitschmid, Grundriss des Eherechts, 4. Aufl. 2000, Rz.
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4.13; Muscheler, a.a.O., S. 1145).
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c) Der Umstand, dass das schweizerische Parlament anlässlich der mit Bundesgesetz vom 26. Juni 1998 verabschiedeten Revision des Zivilgesetzbuches zwar weitergehende Eheverbote abgeschafft, am Eheverbot für Stiefverhältnisse aber ohne jede Diskussion festgehalten hat, deutet daraufhin, dass das Verbot und die dafür genannten Gründe in der Schweiz nach wie vor allgemein anerkannt sind (AB 1996 S 750 f., 1997 N 2670). Seine Geltung wird denn auch in der schweizerischen Lehre - zumindest für die Fälle, in welchen das Stiefkindverhältnis während der Unmündigkeit begründet wurde, - nicht in Frage gestellt (Heussler, Basler Kommentar, 1996, N. 7 zu aArt. 100 ZGB; Hegnauer/Breitschmid, a.a.O., Rz. 4.13; Werro, Concubinage, mariage et démariage, 2000, N. 284 ff.).
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d) Die Ehe zwischen Stiefeltern und Stiefkind ist im Übrigen auch in zahlreichen anderen europäischen Ländern verboten, nämlich in Belgien, Finnland, Frankreich, Griechenland, Grossbritannien, Italien, Luxemburg, Polen, Portugal, Serbien, der Türkei und Ungarn. Zwar sieht die Mehrheit dieser Länder die Möglichkeit eines Dispenses vor, doch wird dieser lediglich unter einschränkenden Voraussetzungen erteilt.
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So sind beispielsweise in Grossbritannien Schwäger- und Stiefverhältnisse grundsätzlich einem Dispens zugänglich, davon ausgenommen sind aber die Fälle, in welchen das Stiefkind - wie bei den Beschwerdeführenden - vor Erreichen seines achtzehnten Lebensjahres mit dem Stiefelter in häuslicher Gemeinschaft gelebt hat. Kein Eheverbot für Stiefverhältnisse kennen demgegenüber beispielsweise Deutschland, die Niederlande, Norwegen, Österreich, das Fürstentum Liechtenstein, Schweden und Spanien (Bergmann/Ferid, Internationales Ehe- und Kindschaftsrecht: Belgien, 138. Lieferung, S. 51 Art. 161 ff.; Deutschland, 137. Lieferung, S. 49, §§ 1306 ff.; Finnland, 103. Lieferung, S. 22; Frankreich, 122. Lieferung, S. 68 f., Art. 161 ff.; Griechenland, 82. Lieferung, S. 17, Art. 1357; Grossbritannien, 113. Lieferung, S. 171 Art. 1 ff.; Italien, 142. Lieferung, S. 54 f., Art. 87; Fürstentum Liechtenstein, 118. Lieferung, S. 47, Art. 12 ff.; Luxemburg, 109. Lieferung, S. 53, Art. 161 ff.; Niederlande, 123. Lieferung, S. 63 f. Fn. 33; Norwegen, 138. Lieferung, §§ 3 f.; Österreich, 116. Lieferung, S. 141, Art. 4 ff.; Polen, 139.
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Lieferung, S. 40 Art. 14 § 1; Portugal, 132. Lieferung, S. 49, Art. 1602 lit. c; Schweden, 110. Lieferung, S. 22c, §§ 1 ff.; Spanien, 132. Lieferung, Art. 44 ff.; Türkei, 123.
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Lieferung, S. 24, Art. 92 Ziff. 2; Ungarn, 143. Lieferung, S. 37, § 8 Abs. 1 lit. d).
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e) Indem die Ehe zwischen Stiefeltern und Stiefkind dauernd ausgeschlossen ist, wird das Verhältnis zwischen ihnen ganz auf die Ebene der familiären Beziehung gestellt und jeder Zweideutigkeit enthoben. Auf diesem Weg trägt das Eheverbot zur Aufrechterhaltung intakter Familienbeziehungen bei: Es ermöglicht dem Stiefkind, im Verhältnis zum Stiefelter Zuneigung und Identifikation zu entwickeln, ohne dass es Gefahr läuft, sexuell ausgebeutet zu werden (Werro, a.a.O., S. 855; Hegnauer, "Soll das Ehehindernis der Schwägerschaft beibehalten werden?, in: ZZW 1993 S. 86). Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführenden kann auch der Umstand, dass sich in Einzelfällen wie dem vorliegenden dennoch eine sexuelle Beziehung entwickelt, nichts daran ändern, dass das Verbot sachlich gerechtfertigt ist.
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5.-Die Zulässigkeit eines Grundrechtseingriffs setzt ferner voraus, dass der angestrebte Zweck im konkreten Fall in einem vernünftigen Verhältnis zu den zu seiner Erreichung notwendigen Grundrechtsbeschränkungen steht (BGE 117 Ia 472 E. 3g mit Hinweisen).
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a) aa) Wird das Gesuch der Beschwerdeführenden abgewiesen, so können sie nicht heiraten. Sie werden ihre Beziehung voraussichtlich für deren ganze Dauer in der Form eines Konkubinats fortführen müssen. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Konkubinat heute in unserer Gesellschaft eine weit verbreitete Form des Zusammenlebens darstellt, welche die Beschwerdeführenden schon seit Jahren freiwillig praktizieren. Rechtlich ist das Konkubinat der Ehe nur in einzelnen Bereichen gleichgestellt. Dies wirkt sich aber nicht in jedem Fall zum Nachteil der Konkubinatspartner aus (Werro, a.a.O., N. 115 ff. und beispielsweise N. 139). Im Übrigen besteht teilweise die Möglichkeit, die Rechtsverhältnisse im Konkubinat durch Vereinbarungen jenen in der Ehe anzugleichen: so können unverheiratete Eltern beispielsweise gemeinsam die elterliche Sorge beantragen (Art. 298a Abs. 1 ZGB). Sozialversicherungsrechtlich sind Verheiratete im Hinblick auf die Witwenrente besser gestellt. Sie sind aber im Bereich der Altersrente gegenüber Konkubinatspartnern benachteiligt, ist doch die Ehepaarrente tiefer als die Summe von zwei Einzelrenten. Der Eingriff in das Recht der Beschwerdeführenden auf Eheschliessung ist damit zwar von Dauer, aber nicht von einer ausserordentlichen Schwere.
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bb) Unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismässigkeit berufen sich die Beschwerdeführenden auch auf die Interessen ihrer Kinder. Im schweizerischen Zivilrecht sind die ausserehelichen Kinder den ehelichen vollkommen gleichgestellt.
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Dass ein Kind nicht ehelich ist, kommt heute häufig vor und erscheint nicht mehr als etwas besonderes. Bei einer grossen Anzahl ehelicher Kinder wird überdies die Ehe der Eltern im Lauf ihrer Kindheit geschieden, so dass sich diese in einer Situation befinden, die jener der ausserehelichen Kinder sehr ähnlich ist. Unter diesen Umständen sind heute weder spezielle Vorurteile Dritter noch eine besondere soziale Benachteiligung zu erwarten, wie sie der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte vor einigen Jahren noch befürchtete (Urteil i.S. Fahrni c. Schweiz vom 18. Dezember 1987, Serie A, Bd.
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128, Ziff. 36). Im Übrigen dürften auch die Beschwerdeführenden nicht von einer erheblichen Benachteiligung ausserehelicher Kinder ausgegangen sein, andernfalls hätten sie ihre Kinder nicht ausserhalb der Ehe gezeugt.
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b) Dem Recht der Beschwerdeführenden auf Eheschliessung und Familie stehen hochrangige Rechtsgüter gegenüber:
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der Schutz des Familienfriedens sowie die Gewährleistung der freien Entfaltung und der sexuellen Integrität des unmündigen bzw. abhängigen Stiefkindes. Käme das Bundesgericht zum Schluss, dass ein Eheverbot vorliegend gegen das Grundrecht der Beschwerdeführenden verstösst, würde dies nicht nur zur Nichtanwendung von Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB im vorliegenden Fall führen; ein solcher Entscheid hätte vielmehr die generelle künftige Nichtanwendung dieses Eheverbots zur Folge.
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c) Unter diesen Umständen geht das Bundesgericht davon aus, dass der Integration des Kindes in die Stieffamilie und seiner freien Entwicklung und Entfaltung ein allgemein anerkanntes öffentliches Interesse zukommt, das die Grundrechtsbeschränkung auf Seiten der Beschwerdeführenden rechtfertigt.
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Die Anwendung von Art. 95 Abs. 1 Ziff. 2 ZGB verstösst demnach nicht gegen Art. 12 EMRK, weshalb die Beschwerde abzuweisen ist, soweit darauf eingetreten werden kann.
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6.-Bei diesem Ausgang des Verfahrens werden die Beschwerdeführenden gebührenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG).
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Sie haben jedoch ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Aufgrund ihrer Angaben sind sie bedürftig. Das Bundesgericht hat sich zu den von ihnen aufgeworfenen Rechtsfragen bis anhin noch nicht geäussert. Es kann deshalb nicht gesagt werden, es hätten der Beschwerde von vornherein keine ausreichenden Erfolgschancen eingeräumt werden können (Art. 152 Abs. 1 OG). Ihr Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege ist somit zu bewilligen, und es ist ihnen der von ihnen beantragte Rechtsbeistand beizugeben.
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.-Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
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2.- Das Gesuch der Beschwerdeführer um unentgeltliche Rechtspflege wird gutgeheissen, und es wird ihnen für das bundesgerichtliche Verfahren Rechtsanwalt Stephan Frischknecht, Webergasse 21, 9001 St. Gallen, als Rechtsbeistand beigegeben.
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3.-Es wird keine Gerichtsgebühr erhoben.
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4.- Rechtsanwalt Stephan Frischknecht wird aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 1'000.-- ausgerichtet.
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5.- Dieses Urteil wird den Beschwerdeführern, dem Zivilstandsamt des Kreises Chur, dem Kantonsgericht von Graubünden, Zivilkammer, und dem Eidgenössischen Justiz- und Polizeidepartement, Bundesamt für Justiz, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 6. Dezember 2001
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Im Namen der II. Zivilabteilung des
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SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident: Der Gerichtsschreiber:
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