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Original
 
[AZA 1/2]
1A.71/2001/otd
I. OEFFENTLICHRECHTLICHE ABTEILUNG
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17. Dezember 2001
Es wirken mit: Bundesgerichtsvizepräsident Aemisegger,
Präsident der I. öffentlichrechtlichen Abteilung, Bundesrichter
Aeschlimann, Ersatzrichter Loretan und Gerichtsschreiberin Tophinke.
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In Sachen
Einwohnergemeinde Köniz, Köniz, Beschwerdeführerin, vertreten durch Fürsprecher Samuel Keller, Monbijoustrasse 10, Postfach 6921, Bern,
gegen
Einwohnergemeinde Kehrsatz, Kehrsatz, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher Urs Eymann, Monbijoustrasse 36, Bern, Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion des Kantons Bern, Rechtsamt, Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung,
betreffend
Art. 24 RPG - Abbruch und Neubau Schützenhaus, hat sich ergeben:
A.- Die Einwohnergemeinde (EG) Kehrsatz reichte am 18. August 1998 das Baugesuch für den Abbruch und Neubau des Schützenhauses Gummersloch an der Talstrasse 192, Parzelle Köniz Grundbuchblatt Nr. 3355 ein. Der Regierungsstatthalter I von Bern erteilte am 14. Oktober 1998 die Ausnahmebewilligung nach Art. 24 des Bundesgesetzes vom 22. Juni 1979 über die Raumplanung (RPG). Die Einwohnergemeinde Köniz verweigerte am 12. Mai 1999 in teilweiser Gutheissung der erhobenen Einsprachen die Gesamtbewilligung für das Vorhaben.
B.- Die EG Kehrsatz gelangte gegen diese Verfügung an die kantonale Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion (BVE).
Die BVE wies die Beschwerde am 3. August 2000 im Wesentlichen ab, hob Disp.-Ziff. I der Verfügung des Regierungsstatthalters I von Bern auf und verweigerte die Ausnahmebewilligung gemäss Art. 24 RPG.
Gegen die Bewilligungsverweigerung gelangte die EG Kehrsatz an das Verwaltungsgericht des Kantons Bern, welches die Beschwerde am 5. März 2001 guthiess und die Sache zur Erteilung der Gesamtbewilligung im Sinne der Erwägungen an die EG Köniz zurückwies.
C.- Die EG Köniz hat gegen den Entscheid des Verwaltungsgerichts am 25. April 2001 Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Bundesgericht erhoben. Sie beantragt, das angefochtene Urteil sei aufzuheben und die Gesamtbewilligung zum Neubau des Schützenhauses Gummersloch sei zu verweigern.
Das Verwaltungsgericht und die EG Kehrsatz beantragen die Abweisung der Beschwerde, die BVE und das Bundesamt für Raumentwicklung (ARE) deren Gutheissung. In der Stellungnahme zur Vernehmlassung des ARE bekräftigten die Beteiligten ihre zuvor vertretenen Auffassungen.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- a) Das angefochtene, kantonal letztinstanzliche Urteil stützt sich auf Art. 24 Abs. 2 aRPG und kann daher gemäss Art. 34 Abs. 1 RPG (in der bisherigen und in der revidierten Fassung) mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde beim Bundesgericht angefochten werden. Die Beschwerdeführerin ist gemäss Art. 103 lit. c OG und Art. 34 Abs. 2 RPG zur Beschwerdeerhebung legitimiert, soweit sie ein öffentlichesund nicht bloss das Interesse eines Einzelnen verficht (André Jomini, Kommentar RPG, N. 41 zu Art. 34). Diese Voraussetzung ist hier ebenso wie die übrigen Eintretensvoraussetzungen erfüllt. Auf die Beschwerde ist daher einzutreten.
b) Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde kann die Beschwerdeführerin die Verletzung von Bundesrecht sowie die unrichtige oder unvollständige Feststellung des Sachverhalts rügen (Art. 104 OG). Die Feststellung des Sachverhalts bindet indessen das Bundesgericht, wenn wie hier eine richterliche Behörde als Vorinstanz entschieden und diese den Sachverhalt nicht offensichtlich unrichtig, unvollständig oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensbestimmungen festgestellt hat (vgl. BGE 121 II 97 E. 1c S. 99 f. mit Hinweisen).
2.- Im Streit liegt die Frage, ob das Schützenhaus Gummersloch abgebrochen und neu gebaut werden darf. Das Verwaltungsgericht hat diese Frage nach Massgabe von Art. 24 Abs. 2 aRPG geprüft und bejaht. Die Beschwerdeführerin macht geltend, massgeblich sei das Raumplanungsgesetz in der am 1. September 2000 in Kraft getretenen Fassung vom 20. März 1998 (SR 700), sowie die Raumplanungsverordnung vom 28. Juni 2000 (RPV, SR 700. 1). Dabei sind sich alle Beteiligten einig, dass die Anforderungen des revidierten Rechts im konkreten Fall insofern strenger sind als jene des alten Rechts, als das Projekt die Vorgaben von Art. 42 Abs. 3 RPV nicht einhält. Das Projekt kann daher als teilweise Änderung nur bewilligt werden, sofern es die altrechtlichen Voraussetzungen erfüllt.
Gemäss Art. 52 RPV werden Verfahren, die bei Inkrafttreten des neuen Rechts hängig sind, nach diesem beurteilt (Abs. 1). Hängige Beschwerdeverfahren werden nach bisherigem Recht zu Ende geführt, sofern das neue Recht für den Gesuchsteller oder die Gesuchstellerin nicht günstiger ist (Abs. 2). Art. 52 RPV kann als Ausdruck allgemeiner intertemporalrechtlicher Erwägungen angesehen werden. Es besteht kein Anlass, ihm die Anwendung zu versagen (BGE 127 II 209 E. 2b S. 211). Ein hängiges Beschwerdeverfahren im Sinne von Art. 52 Abs. 2 RPV liegt auch dann vor, wenn beim Inkrafttreten des neuen Rechts das Verfahren vor der unteren Instanz abgeschlossen, indessen eine Beschwerde während laufender Rechtsmittelfrist bei der nächsthöheren Instanz noch nicht anhängig gemacht worden ist. Denn die Angelegenheit als solche bleibt rechtshängig, bis der in Frage stehende Entscheid rechtskräftig geworden ist (BGE 127 II 215 E. 2 S. 217 f.). Das Verwaltungsgericht hat daher zu Recht die bisherigen Bestimmungen als massgeblich angesehen.
3.- a) Art. 24 Abs. 2 aRPG ermächtigte die Kantone, innert der bundesrechtlichen Grenzen die Erneuerung, Änderung und den Wiederaufbau von Anlagen zuzulassen (vgl. BGE 112 Ib 94 E. 2 S. 95 f. mit Hinweisen). Art. 83 des kantonalen Baugesetzes vom 9. Juni 1985 (BauG) gestattet Änderungen von Bauten und Anlagen ausserhalb der Bauzonen im bundesrechtlich zulässigen Umfang. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichts werden unter teilweisen Änderungen nebst Um- und Anbauten auch Erweiterungen und Zweckänderungen verstanden.
Sie gelten als teilweise, wenn sie Umfang und Erscheinung, also die Identität der Baute, in den wesentlichen Zügen wahren und keine wesentlich neuen Auswirkungen auf die Nutzungsordnung, die Erschliessung und die Umwelt verursachen.
Gemessen an der bestehenden Anlage muss die Änderung von untergeordneter Bedeutung sein. Entscheidend sind nicht einzelne Merkmale, sondern alle raumwirksamen Elemente im Zusammenwirken.
Es ist nicht starr auf eine bestimmte Fläche (etwa Erweiterung um ein Viertel) abzustellen. Indessen hat die Rechtsprechung eine Erweiterung nach Art. 24 Abs. 2 aRPG regelmässig als unzulässig bezeichnet, wenn die nutzbare Fläche und Kubatur um ein Drittel oder mehr zunahm. Die Möglichkeit, zonenwidrige Bauten teilweise zu ändern, darf nur einmal ausgeschöpft werden (vgl. BGE 127 II 215 E. 3a S. 218 f. mit zahlreichen Hinweisen).
b) Das Verwaltungsgericht verweist in seinem Entscheid sowohl im Zusammenhang mit der beabsichtigten Vergrösserung des Schiessraumes als auch in jenem der bisherigen Anzahl Parkplätze auf ein Gutachten des eidgenössischen Schiessoffiziers vom 17. November 1987. Diesem Gutachten ist zu entnehmen, dass das Schützenhaus Gummersloch im Jahre 1984 um eine Achse erweitert wurde, zum Einbau einer Toilettenanlage und zur Erweiterung der Schützenläger um zwei Plätze.
Dem Gutachten ist zwar nicht zu entnehmen, welche Fläche diese Erweiterung beanspruchte. Da das Schützenhaus gemäss den Akten 10 Läger aufweist, handelte es sich aber klarerweise nicht um eine völlig unwichtige Erweiterung. Die Rechtsprechung misst der Regel, wonach teilweise Änderungen bzw. Erweiterungen nur einmal ausgeschöpft werden dürfen, erhebliches Gewicht bei; die Regel betrifft die Auslegung von Amtes wegen anzuwendenden Rechts. Daher durfte das Verwaltungsgericht über diesen Hinweis in einem von ihm näher geprüften Aktenstück nicht hinwegsehen, bloss weil die heutige Beschwerdeführerin es unterlassen hatte, in diesem Zusammenhang substanziierte Kritik zu üben. Vielmehr wäre es angezeigt gewesen, näher abzuklären, welchen Umfang die damalige Erweiterung hatte. Indem das Verwaltungsgericht diese Abklärung unterliess, hat es den Sachverhalt offensichtlich unvollständig ermittelt. Das Bundesgericht ist daher an die entsprechenden Feststellungen der Vorinstanz nicht gebunden.
c) Beim Vergleich des bisherigen mit dem geplanten Zustand ist auf die nach den Umständen objektiv nutzbaren Flächen abzustellen (BGE 127 II 215 E. 3a S. 219 mit Hinweis).
Das sind vorliegend das Erdgeschoss und das Untergeschoss.
Die Hinweise darauf, dass das bestehende Untergeschoss nach heutigen Vorstellungen nur noch schlecht nutzbar ist, rechtfertigen es nicht, es nicht zur massgeblichen Nutzfläche des Altbaus hinzuzuzählen. Was das Dachgeschoss betrifft, macht die Beschwerdegegnerin geltend, dieses sei im Altbau für die Lagerung von Fahnen und anderen Schiessutensilien genutzt worden, hingegen sei es im Neubau nicht mehr zugänglich und benützbar. Diese Darstellung überzeugt nicht, nachdem die Pläne des Neubauprojektes für Fahnen und andere Schiessutensilien keinen anderen Lagerraum vorsehen.
Die Nutzung des Daches war bisher wenig intensiv, woran sich auch im Neubau nichts ändern würde. Es geht also nicht an, nur die Dachgeschossfläche des Altbaus, nicht aber jene des Neubaus zur objektiv nutzbaren Fläche zu zählen. Es ist aber auch nicht zu beanstanden, dass das Verwaltungsgericht das Dachgeschoss ganz ausser Betracht gelassen hat. Aufgrund der Vorbringen der Parteien steht weiter fest, dass das Schützenhaus im Jahr 1984 um rund 23 m2 nutzbare Fläche erweitert wurde. Damit ergeben sich folgende Vergleichsflächen:
Altbau Neubau Erweiterung
Erdgeschoss 150 m2 200 m2Untergeschoss 33 m2 42 m2Erweiterung 1984 - 23 m2
Massgebliche Fläche 160 m2 242 m2 ca. 51%
Diese Flächenerweiterung sprengt klarerweise den Rahmen einer teilweisen Änderung. Sie ist auch mit einem erheblichen Volumenzuwachs verbunden, was äusserlich an den markant breiteren Giebelfassaden sichtbar wird, und wahrt die Identität der bisherigen Baute nicht. Daran ändert der Umstand nichts, dass die Erweiterung hauptsächlich mit der Befolgung von Sicherheitsvorschriften begründet wird. Eine solche Motivation kann zwar im Rahmen der Würdigung der gesamten Umstände (vgl. dazu BGE 112 Ib 94 E. 3 S. 98) eine gewisse Rolle spielen, kann aber nicht dazu dienen, eine Vergrösserung der massgeblichen Fläche um weit mehr als einen Drittel zu rechtfertigen.
Dazu kommt, dass das Projekt die teilweise Verschiebung und deutliche Vergrösserung der Parkierungsfläche vorsieht. Während bisher die Fläche im Spickel zwischen den beiden Strässchen und dem Schützenhaus zu diesem Zweck ausreichte, ist neu die Herrichtung von 18 Parkplätzen auf der anderen Strassenseite, auf einer Fläche von 216 m2, vorgesehen.
Es ist bereits fraglich, ob diese Zweckentfremdung von Landwirtschaftsland im vorliegenden Fall für sich allein als teilweise Änderung im Sinne von Art. 24 Abs. 2 aRPG angesehen werden könnte. Jedenfalls liegen die Verhältnisse erheblich anders als im von den Parteien erwähnten Urteil 1A.21/1989 vom 7. März 1990, wo offenbar die Notwendigkeit, einen verkehrspolizeilichen Missstand zu beheben, und ein Aspekt des Vertrauensschutzes dazu führten, eine teilweise Änderung gerade noch anzunehmen. Wie es sich damit verhält, kann aber offen bleiben. Die vorgesehene Flächenerweiterung des Gebäudes an sich verbietet es bereits, die Voraussetzungen von Art. 24 Abs. 2 aRPG als erfüllt anzusehen. Erst recht gilt dies in Verbindung mit der vorgesehenen Vergrösserung des Parkplatzes. Dem lässt sich auch nicht entgegenhalten, die Beschwerdeführerin habe die Möglichkeit, die Zahl der Parkplätze in der Baubewilligung noch zu reduzieren.
Die vorgesehene Vergrösserung des Gebäudes zwingt dazu, zusätzliche Abstellfläche jenseits der Strasse zu beanspruchen, selbst wenn die Parkplatzzahl noch etwas reduziert werden könnte. Dies stellt auf jeden Fall ein gewichtiges Argument gegen die vorinstanzliche Betrachtungsweise dar.
d) Da der vorgesehene Ausbau den quantitativ zulässigen Rahmen nach Art. 24 Abs. 2 aRPG sprengt, braucht nicht weiter geprüft zu werden, ob die Bewilligung mit den wichtigen Anliegen der Raumplanung vereinbar sei oder nicht. Eine Bewilligung kann nur erteilt werden, wenn die Voraussetzungen von Art. 24 Abs. 1 aRPG erfüllt sind. Ob dies der Fall sei, hat das Verwaltungsgericht nicht untersucht. Zwar lässt sich ohne weiteres bejahen, dass 300-m Schiessanlagen grundsätzlich negativ standortgebunden sind (vgl. BGE 112 Ib 39 E. 5 S. 49). Ungeklärt ist hingegen, ob die Standortgebundenheit auch insofern zu bejahen ist, als keine vertretbaren Alternativen zu diesem Projekt bestehen, und ob ihm überwiegende Interessen im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. b aRPG entgegenstehen. Der Stand der Akten erlaubt hierzu, anders als die Beschwerdeführerin meint, keinen Entscheid des Bundesgerichts.
Vielmehr ist in entsprechendem Umfang auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht einzutreten.
4.- Demgemäss ist die Beschwerde, soweit auf sie eingetreten werden kann, gutzuheissen und der angefochtene Entscheid aufzuheben; die Angelegenheit ist zur Weiterführung des Verfahrens im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückzuweisen.
Bei diesem Ausgang wären die Kosten des bundesgerichtlichen Verfahrens den Parteien je zur Hälfte aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG). Da beide Parteien in ihrem amtlichen Wirkungskreis handeln, ist von einer Kostenauflage abzusehen (Art. 156 Abs. 2 OG). Parteientschädigungen sind nicht zuzusprechen (Art. 159 Abs. 2 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird, soweit auf sie einzutreten ist, gutgeheissen und das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts des Kantons Bern vom 5. März 2001 aufgehoben. Die Sache wird zu neuem Entscheid im Sinne der Erwägungen an das Verwaltungsgericht zurückgewiesen.
2.- Es werden keine Kosten erhoben.
3.- Parteientschädigungen werden nicht zugesprochen.
4.- Dieses Urteil wird den Parteien, der Bau-, Verkehrs- und Energiedirektion, Rechtsamt, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Verwaltungsrechtliche Abteilung, sowie dem Bundesamt für Raumentwicklung schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 17. Dezember 2001
Im Namen der I. öffentlichrechtlichen Abteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Die Gerichtsschreiberin: