[AZA 7]
U 284/00 Vr
III. Kammer
Präsident Borella, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber Nussbaumer
Urteil vom 14. Februar 2002
in Sachen
S.________, 1944, Beschwerdeführerin, vertreten durch H.________,
gegen
Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft, General Guisan-Strasse 40, 8400 Winterthur, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Fürsprecher René W. Schleifer, Stampfenbachstrasse 42, 8006 Zürich,
und
Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich, Winterthur
A.- S.________ (geboren 1944) war als Berufsschullehrerin an den Gewerbeschulen Y.________ tätig und erteilte Fortbildungskurse. Als Angestellte des Kantons Zürich war sie bei der Winterthur Schweizerische Versicherungs-Gesellschaft (nachfolgend Winterthur) obligatorisch gegen Unfälle versichert. Am 27. Oktober 1995 wurde sie auf dem Weg zur Arbeit als Fussgängerin beim Überqueren der Strasse auf einem Fussgängerstreifen von einem Auto angefahren und zur Seite geworfen. Trotz Schmerzen und einem Schockzustand begab sie sich anschliessend zur Arbeit. Am nächsten Tag erstattete sie Anzeige bei der Polizei. Dr. med. O.________, den sie am 30. Oktober 1995 aufsuchte, stellte im Bericht vom 6. November 1995 am linken Arm ein Hämatom und im Bereich der HWS eine Druckdolenz sowie einen Rotationsschmerz fest. Unter der Rubrik Allgemeinzustand vermerkte er "depressiv und psychisch unter Schock" und "früher wegen Depressionen in Behandlung". Im Bericht vom 28. November 1995 hielt er die körperlichen Folgen für weitgehend ausgeheilt, jedoch leide die Versicherte unter starken Ängsten und an der Reaktivierung einer Depression. Seit 24. November 1995 bestehe eine Arbeitsfähigkeit von 20 %. In den Berichten vom 29. Februar und 29. April 1996 äusserte er den Verdacht einer HWS-Distorsion mit multiplen funktionellen Störungen und psychischen Reaktionen. Ab 20. Mai 1996 war S.________ vollständig arbeitsunfähig und konnte ihre Tätigkeit als Berufsschullehrerin nicht mehr aufnehmen. Eine neuropsychologische Abklärung bei Dr. phil. W.________ ergab eine leichte neuropsychologische Funktionsstörung, wie sie bei HWS-Schleudertraumatas häufig anzutreffen sei (Bericht vom 11. Juli 1996). Nach Einholen eines Berichts des Dr. med. B.________, Spezialarzt FMH für Psychiatrie und Psychotherapie, vom 3. Dezember 1996 und nach Einholen eines Gutachtens der Rehaklinik X.________ vom 16. Dezember 1997 stellte die Winterthur ihre Leistungen mit Verfügung vom 14. Mai 1998 per 30. Juni 1998 gesamthaft ein. Daran hielt sie mit Einspracheentscheid vom 8. Juli 1998 fest.
B.- Die hiegegen erhobene Beschwerde wies das Sozialversicherungsgericht des Kantons Zürich mit Entscheid vom 5. Juni 2000 ab.
C.- S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit dem Antrag, in Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides habe die Beschwerdegegnerin weiterhin die gesetzlichen Leistungen zu erbringen. Ferner sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege zu bewilligen.
Die Winterthur lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherung und die beigeladene Versicherung Z.________ AG verzichten auf eine Vernehmlassung.
D.- Im Hinblick auf das von der Beschwerdeführerin eingereichte psychiatrische Gutachten des Dr. med. K.________, Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie FMH, vom 30. November 2000 erhielten die Winterthur und die Versicherungen Z.________ AG Gelegenheit zur Stellungnahme.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Im angefochtenen Entscheid wird die Rechtsprechung zu dem für die Leistungspflicht des Unfallversicherers vorausgesetzten natürlichen Kausalzusammenhang im Allgemeinen (vgl. auch BGE 119 V 337 Erw. 1) und bei Schleudertraumen der HWS oder äquivalenten Verletzungsmechanismen im Besonderen (BGE 119 V 338; RKUV 2000 Nr. U 359 S. 29) richtig dargelegt. Entsprechendes gilt für die Grundsätze zum Erfordernis des - kumulativ erforderlichen - adäquaten Kausalzusammenhanges (vgl. auch BGE 125 V 461 Erw. 5a, 123 V 103, 122 V 416 Erw. 2a), insbesondere bei psychischen Unfallfolgen (BGE 115 V 133) und bei den Folgen eines Unfalles mit Schleudertrauma der HWS oder äquivalenten Verletzungen ohne organisch nachweisbare Funktionsausfälle (BGE 117 V 359). Das kantonale Gericht hat sodann zutreffend festgehalten, dass in Fällen, in welchen die zum typischen Beschwerdebild eines Schleudertraumas der HWS gehörenden Beeinträchtigungen zwar teilweise gegeben sind, im Vergleich zur vorliegenden ausgeprägten psychischen Problematik aber ganz in den Hintergrund treten, die Beurteilung praxisgemäss unter dem Gesichtspunkt einer psychischen Fehlentwicklung nach Unfall gemäss BGE 115 V 135 ff. Erw. 4 ff. vorzunehmen ist (BGE 123 V 99 Erw. 2a). Darauf wird verwiesen.
2.- a) Das kantonale Gericht hat die medizinischen Akten zwar dahingehend gewürdigt, dass der natürliche Kausalzusammenhang zwischen dem Unfall vom 27. Oktober 1995 und den anhaltenden Beschwerden zu bejahen sei (vgl. auch BGE 121 V 329 Erw. 2a). Ob diese Feststellung im Hinblick auf die Aktenlage haltbar sei, ist zwar fraglich, kann aber offen bleiben. Denn beizupflichten ist der Vorinstanz jedenfalls darin, dass gemäss den medizinischen Berichten die psychische Problematik im Vordergrund stand, die Beschwerden teilweise als psychosomatisch qualifiziert wurden und es sich bei der diagnostizierten Anpassungsstörung um eine eigenständige Gesundheitsstörung handelt. Dies lässt sich auch aus dem Gutachten des Psychiaters Dr. med. K.________ vom 30. November 2000 schliessen, wonach unter psychiatrischem Blickwinkel einzig die Diagnose einer längeren depressiven Reaktion im Sinne einer Anpassungsstörung an das Unfallgeschehen und die Unfallfolgen zu erheben sei. Sodann wird im neuropsychologischen Bericht der Rehaklinik X.________ vom 23. April 1997 festgehalten, die von Frau Dr. W.________ im Bericht vom 11. Juli 1996 festgestellte leichte neuropsychologische Störung werde heute durch die psychische Problematik derart überlagert, dass keine Aussage über das Vorliegen einer hirnorganisch bedingten Funktionsstörung gemacht werden könne. Angesichts der eindeutig im Vordergrund stehenden ausgeprägten psychischen Problematik hat die Vorinstanz für die Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhanges zwischen dem dem mittleren, im Grenzbereich zu den leichten Unfällen zuzuordnenden Unfallgeschehen und den fortbestehenden Beschwerden somit zu Recht auf die in BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa festgelegten Grundsätze abgestellt. Danach müssen für die Bejahung des adäquaten Kausalzusammenhangs mehrere der im angefochtenen Entscheid korrekt wiedergegebenen Kriterien in gehäufter oder auffallender Weise erfüllt sein, es sei denn, ein einziges Kriterium liege in besonders ausgeprägter Weise vor. Im Unterschied zu den bei Unfällen mit Schleudertrauma der HWS massgebenden Kriterien (vgl. dazu BGE 117 V 366 Erw. 6a und 382 Erw. 4b) wird für die Beurteilung des adäquaten Kausalzusammenhangs bei psychischen Unfallfolgen zwischen physischen und psychischen Komponenten differenziert (BGE 117 V 367 Erw. 6a in fine).
b) Der Unfall ereignete sich weder unter dramatischen Begleitumständen noch war er besonders eindrücklich. Schwere oder besondere Verletzungen müssen verneint werden in Anbetracht dessen, dass nicht eine Häufung verschiedener, für das Schleudertrauma der HWS typischer Beschwerden mit schwerwiegenden Auswirkungen vorgelegen hat (vgl. BGE 117 V 369). Eine ärztliche Fehlbehandlung, welche die Unfallfolgen erheblich verschlimmert hat, sowie ein schwieriger Heilungsverlauf und erhebliche Komplikationen sind ebenfalls nicht gegeben. Die Behandlung der somatischen Unfallfolgen hielt sich im Rahmen des Üblichen, sodass dieses Kriterium nicht erfüllt ist. Ebenso verhält es sich mit dem Kriterium von Grad und Dauer der physisch bedingten Arbeitsunfähigkeit. Eine volle unfallbedingte Arbeitsunfähigkeit bestand lediglich kurz nach dem Unfall, während die Ärzte in der Folgezeit übereinstimmend von einer überwiegend psychisch bedingten Arbeitsunfähigkeit ausgingen. Bejaht werden kann mit der Vorinstanz allenfalls das Kriterium der körperlichen Dauerschmerzen, soweit diese auf den mit dem Unfall verschlimmerten krankhaften Vorzustand zurückzuführen sind. Das kantonale Gericht hält in diesem Zusammenhang zutreffend fest, es dürfe nicht übersehen werden, dass die Schmerzen durch die Anpassungsstörung ungünstig beeinflusst worden seien. Selbst wenn man davon absehe und dem Umstand Rechnung trage, dass die Schmerzen nicht nur durch die Schleuderverletzung als solche, sondern bis Mitte 1998 auch durch die unfallbedingte Verschlimmerung des Vorzustandes bewirkt worden seien, erweise sich das Kriterium der körperlichen Dauerschmerzen doch als zu wenig ausgeprägt, um die Adäquanz des Kausalzusammenhangs zwischen dem Unfall und der psychischen Störung sowie dem noch vorhandenen Beschwerdebild begründen zu können. Da somit von den in BGE 115 V 140 Erw. 6c/aa genannten Kriterien - unter Ausserachtlassung psychischer Einflüsse (BGE 117 V 367 Erw. 6a in fine) - weder ein einzelnes in besonders ausgeprägter noch mehrere in gehäufter oder auffallender Weise erfüllt sind, besteht kein Anspruch auf weitere Leistungen des Unfallversicherers. An diesem Ergebnis vermögen sämtliche Einwendungen und eingereichte Unterlagen nichts zu ändern. Insbesondere unterscheidet sich der vorliegende Fall bezüglich des Unfallablaufes wesentlich von dem in RKUV 1998 Nr. U 297 S. 243 publizierten Präjudiz, auf welches die Beschwerdeführerin sich in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde beruft.
3.- a) Da es um Versicherungsleistungen geht, sind gemäss Art. 134 OG keine Gerichtskosten zu erheben. Das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege im Sinne der Befreiung von den Gerichtskosten ist daher gegenstandslos. Die unentgeltliche Verbeiständung kann hingegen gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist, die Beschwerde nicht als aussichtslos zu bezeichnen und die Vertretung geboten war (BGE 125 V 202 Erw. 4a und 372 Erw. 5b, je mit Hinweisen). Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
b) Der obsiegenden Beschwerdegegnerin, die durch einen frei praktizierenden Rechtsanwalt vertreten ist, steht als mit öffentlich-rechtlichen Aufgaben betraute Organisation praxisgemäss keine Parteientschädigung zu (Art. 159 Abs. 2 OG in Verbindung mit Art. 135 OG; BGE 119 V 456 Erw. 6b; SVR 2000 KV Nr. 39 S. 122 Erw. 3, 1995 KV Nr. 42 S. 132).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Es wird keine Parteientschädigung zugesprochen.
IV.Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung
wird Rolf Hofmann für das Verfahren vor dem Eidgenössischen
Versicherungsgericht aus der Gerichtskasse
eine Entschädigung von Fr. 2500.- (einschliesslich
Mehrwertsteuer) ausgerichtet.
V.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Sozialversicherungsgericht
des Kantons Zürich, dem Bundesamt für
Sozialversicherung und der Versicherungen Z.________
AG zugestellt.
Luzern, 14. Februar 2002
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der III. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: