[AZA 0/2]
5P.16/2002/sch
II. Z I V I L A B T E I L U N G ********************************
1. März 2002
Es wirken mit: Bundesrichter Bianchi, Präsident der
II. Zivilabteilung, Bundesrichterin Escher, Bundesrichter
Meyer und Gerichtsschreiber von Roten.
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In Sachen
X.________, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Tim Walker, Hinterdorf 27, 9043 Trogen,
gegen
Obergericht von Appenzell A.Rh.,Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs,
betreffend
Art. 29 Abs. 3 BV
(unentgeltliche Rechtspflege im Beschwerdeverfahren),
wird festgestellt und in Erwägung gezogen:
1.- Gegen die betreibungsamtliche Pfändung ihres Lohnes erhob X.________ zwei Beschwerden bei der Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs. Zum Verfahren stellte sie den Antrag, einen doppelten Schriftenwechsel durchzuführen und ihr Gelegenheit zur Beschwerdeergänzung einzuräumen; sie ersuchte um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege und Rechtsvertretung. Das Obergericht von Appenzell A.Rh. (Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs) schrieb die erste Beschwerde als gegenstandslos ab, nachdem das Betreibungsamt die Lohnpfändung revidiert hatte (E. 1 S. 2 und Dispositiv-Ziffer 1). Es wies die Verfahrensanträge (E. 4 S. 3) wie auch die zweite Beschwerde ab, soweit darauf eingetreten werden konnte (E. 5 und 6 S. 3 ff. und Dispositiv-Ziffer 2). Dem Gesuch um Erteilung der unentgeltlichen Rechtsverbeiständung gab das Obergericht keine Folge "aufgrund der vorstehenden Erwägungen, aus denen sich ergibt, dass die im Wesentlichen unzureichend substantiierte Beschwerde aussichtslos war" (E. 7 S. 6 und Dispositiv- Ziffer 3 des Entscheids vom 12. November 2001). X.________ beantragt dem Bundesgericht mit staatsrechtlicher Beschwerde wegen Verletzung von Art. 29 Abs. 3 BV (Anspruch auf unentgeltlichen Rechtsbeistand) die Aufhebung von Dispositiv-Ziffer 3 des obergerichtlichen Entscheids. Sie ersucht um unentgeltliche Rechtspflege. Vernehmlassungen sind nicht eingeholt worden.
2.- Neben Art. 29 Abs. 3 BV rügt die Beschwerdeführerin Art. 6 Ziffer 1 EMRK als verletzt. Die Konventionsbestimmung gewährt keinen über den verfassungsmässigen hinausreichenden Schutz (BGE 119 Ia 264 E. 3), so dass sich das Bundesgericht auf die Beurteilung des Anspruchs auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung gemäss Art. 29 Abs. 3 BV beschränken kann. Er entspricht den bisher aus Art. 4 aBV abgeleiteten Verfahrensgarantien (BGE 126 I 194 E. 3a S. 196) und besteht unter den allgemeinen Voraussetzungen für jedes staatliche Verfahren (BGE 125 V 32 E. 4a S. 34) und damit grundsätz- lich auch im betreibungsrechtlichen Beschwerdeverfahren gemäss Art. 17 ff. SchKG (BGE 122 I 8 Nr. 3 und BGE 122 III 392 E. 3c S. 394). Der anspruchsabweisende, kantonal letztinstanzliche Entscheid kann mit staatsrechtlicher Beschwerde angefochten werden (Art. 87 Abs. 2 OG; BGE 125 I 161 E. 1 S. 162; 123 I 275 E. 2f S. 278). Unzulässig ist es in der Beschwerdeschrift auf Eingaben im kantonalen Verfahren zu verweisen, wie das die Beschwerdeführerin tut, um die Erfolgsaussichten ihres damaligen Beschwerdeantrags aufzuzeigen; die Begründung muss in der Beschwerdeschrift selber enthalten sein (Art. 90 Abs. 1 lit. b OG; BGE 115 Ia 27 E. 4a S. 30). Mit dem erwähnten Vorbehalt kann auf die im Übrigen form- und auch fristgerecht erhobene staatsrechtliche Beschwerde eingetreten werden.
3.- Ob ein Rechtsbegehren genügende Erfolgsaussichten hat, beurteilt sich im Zeitpunkt der Einreichung des Gesuchs um unentgeltliche Rechtspflege (BGE 101 Ia 34 E. 2 S. 37; 125 II 265 E. 4b S. 275). Von dem für die Entscheidungsgrundlage massgebenden ist der Zeitpunkt zu unterscheiden, in dem über das Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege selbst entschieden wird. Nach gängiger Praxis ist es zulässig, das Gesuch nach dem Entscheid in der Hauptsache im Rahmen der Kostenregelung zu beurteilen, wobei selbstverständlich aus der blossen Abweisung des Rechtsbegehrens nicht auf dessen Aussichtslosigkeit kurzgeschlossen werden darf (Forster, Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtsverbeiständung in der neueren bundesgerichtlichen Rechtsprechung, ZBl. 93/1992 S. 457 ff., S. 462 Ziffer 4c; vgl. Geiser, Grundlagen, in:
Prozessieren vor Bundesgericht, 2.A. Basel 1998, N. 1.4.3 S. 24; offenbar a.A. Kley-Struller, Der Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege, AJP 1995 S. 179 ff., S. 182 bei Anm. 35). Diese Praxis erscheint jedenfalls dann als unbedenklich, wenn das Gesuch mit der Eingabe in der Hauptsache verbunden wird und sich das Verfahren auf den Schriftenwechsel beschränkt und keine weiteren Prozessvorkehren bedingt, wie das im vorliegenden Beschwerdeverfahren der Fall gewesen ist und auch bei ausserordentlichen bzw. unvollkommenen Rechtsmitteln die Regel sein dürfte. Das Obergericht hat die Aussichtslosigkeit mit der unzureichenden Substanziierung der Beschwerde unter Verweis auf die vorstehenden Erwägungen begründet. Es ist damit für die Abweisung des Gesuchs nicht vom Ergebnis des Verfahrens ausgegangen, sondern hat sich auf die Entscheidungsgrundlage gestützt, die auch bei Gesuchseinreichung vorgelegen hatte, die Beschwerdeschrift nämlich. Die Begründung genügt andererseits den verfassungsmässigen Anforderungen, zumal sie so abgefasst ist, dass die Beschwerdeführerin sie sachgerecht anfechten kann, wie sie das mit ihrer heutigen Eingabe auch belegt (vgl. Art. 29 Abs. 2 BV; BGE 126 I 97 E. 2b S. 102).
4.- Die Beschwerdeführerin rügt die obergerichtliche Beurteilung der Erfolgsaussichten ihres Beschwerdeantrags als verfassungswidrig. An die innert der kurzen Frist von zehn Tagen einzureichende Beschwerde dürften keine überhöhten Anforderungen gestellt und die Vorbringen müssten mit Blick auf die gesetzliche Untersuchungsmaxime auch nicht bereits in der Beschwerdeschrift mit Beweisen untermauert werden. Wo - wie bei ihr - ausgesprochene Ermessensentscheide in Frage gestanden wären, könne von vornherein nicht von Aussichtslosigkeit gesprochen werden.
a) Der Begriff der Aussichtslosigkeit ist anerkannt (BGE 69 I 158 E. 2 S. 160; 124 I 304 E. 2c S. 306; 125 II 265 E. 4b S. 275); als aussichtslos kann in zweiter Instanz unter anderem ein Rechtsmittel gelten, das offenbar prozessual unzulässig ist (BGE 60 I 179 E. 1 S. 182; 78 I 193 E. 2 S. 195). Den Begriff der Aussichtslosigkeit prüft das Bundesgericht frei, und es sind ihm ebenso wenig Schranken gesetzt, wenn die Erfolgsaussichten von der Auslegung eidgenössischen Rechts abhängen; geht es hingegen um Fragen tatsächlicher Art oder kantonalen Rechts, bleibt die Überprüfung auf Willkür beschränkt (etwa Haefliger, Alle Schweizer sind vor dem Gesetze gleich, Bern 1985, S. 169 Ziffer 7; seither: BGE 124 I 304 E. 2c S. 306).
b) Für das Verfahren vor den kantonalen Aufsichtsbehörden werden in Art. 20a SchKG lediglich Minimalvorschriften aufgestellt (Abs. 1 und 2); im Übrigen regeln die Kantone das Verfahren (Abs. 3). Die Beschwerdeführerin nennt keine kantonale Bestimmung, sondern rügt übertriebene formelle Anforderungen und damit eine Verletzung von Bundesrecht.
Denn formell und inhaltlich dürfen die Kantone im Beschwerdeverfahren keine strengeren Bedingungen stellen, als Art. 79 Abs. 1 OG sie für das bundesgerichtliche Verfahren fordert (z.B. zum Novenrecht: BGE 82 III 145 E. 1 S. 149; für eine generelle Anwendbarkeit von Art. 79 OG im kantonalen Verfahren: Amonn/Gasser, Grundriss des Schuldbetreibungs- und Konkursrechts, 6.A. Bern 1997, § 6 N. 52 S. 45; Favre, Droit des poursuites, 3.A. Fribourg 1974, S. 70 Ziffer 2, je unter Hinweis auf BGE 73 III 27 E. 3 S. 33). Das Obergericht durfte deshalb den Antrag auf Herabsetzung der Lohnpfändung für unzulässig erklären (E. 5 S. 3), wenn darin kein konkreter Betrag genannt wurde (BGE 121 III 390 E. 1 S. 392), und auf die Beschwerdeschrift musste nicht eingetreten werden (E. 6a S. 3 f.), wenn da- rin nicht kurz dargelegt wurde, inwiefern ein menschenwürdiges Dasein (Art. 12 BV) durch den zur Anwendung gebrach- ten Grundbetrag nicht möglich sei (BGE 119 III 49 E. 1 S. 50; für weitere Nachweise: Pfleghard, Schuldbetreibungs- und Konkursbeschwerde, in: Prozessieren vor Bundesgericht,
2. A. Basel 1998, 5.67-. 70 S. 184 zum Beschwerdeantrag und N. 5.78-. 82 S. 187 f. zur Beschwerdebegründung). Die obergerichtlichen Anforderungen an die Substanziierung sind deshalb nicht bundesrechtswidrig.
c) Im Beschwerdeverfahren hat die kantonale Aufsichtsbehörde den Sachverhalt von Amtes wegen abzuklären, doch entbindet das die Parteien nicht von ihrer Mitwirkungspflicht (Art. 20a Abs. 2 Ziffer 2 SchKG; vgl. zu deren Umfang:
BGE 123 III 328 E. 3 S. 329; allgemein: BGE 125 V 193 E. 2 S. 195). In diesem Sinne hat das Betreibungsamt die tatsächlichen Verhältnisse, die zur Ermittlung des pfändbaren Erwerbseinkommens nötig sind, von Amtes wegen abzuklären; es obliegt indessen dem Schuldner, die Behörde über die wesentlichen Tatsachen zu unterrichten und die ihm zugänglichen Beweise anzugeben, und zwar bereits anlässlich der Pfändung und nicht erst im anschliessenden Beschwerdeverfahren (BGE 119 III 70 E. 1 S. 71 f.). Der abweichenden Ansicht der Beschwerdeführerin kann nicht gefolgt werden; es erscheint gegenteils nicht als verfassungswidrig, dass das Obergericht die von der Beschwerdeführerin verlangten Abzüge mangels sofort beigebrachter Belege für unzulässig erklärt hat (E. 6b S. 4 f.).
d) Die Festsetzung des schuldnerischen Notbedarfs bei der Einkommenspfändung (Art. 93 SchKG) beruht auf Ermessen, das die kantonale Aufsichtsbehörde frei zu überprüfen hat; gelangt das Betreibungsamt zum Schluss, dass die in den Richtlinien enthaltenen Ansätze den konkreten Verhältnissen gerecht werden, so darf es allerdings damit rechnen, dass seine Verfügung vor der Ermessensprüfung durch die kantonale Aufsichtsbehörde zu bestehen vermag (Pfleghard, Das Ermessen des Betreibungs- und des Konkursbeamten, FS Schuldbetreibung und Konkurs im Wandel, Basel 2000, S. 33 ff., S. 33 f. und S. 39, mit Nachweisen). Das Obergericht hat festgehalten, der Abzug "Verhinderung der Arbeitsniederlegung" liege im Ermessen des Betreibungsamtes und es gebe dazu keine einheitliche Praxis der Betreibungsämter und der Aufsichtsbehörden.
Der Beschwerdeführerin ist an sich darin beizupflichten, dass Aussichtslosigkeit nur mit Zurückhaltung angenommen werden sollte, wo eine gefestigte bzw. bekannte Rechtsprechung fehlt (Bohnet, Jurisprudence fédérale et neuchâteloise en matière d'assistance judiciaire, Neuchâtel 1997, S. 24 Punkt 7, unter Verweis auf das Urteil des Bundesgerichts 2A.234/1995 vom 21. Juni 1995, E. 7). Die Beschwerdeführerin übersieht indessen, dass das Obergericht die Verweigerung des Abzugs vorab deshalb nicht für unangemessen gehalten hat, weil sich gegenteilige Anhaltspunkte weder den Akten noch der Beschwerdeschrift haben entnehmen lassen (E. 6c S. 5 f.). Auf Gesagtes kann deshalb verwiesen werden: Das Obergericht durfte verlangen, dass die Beschwerdeführerin sich mit der angefochtenen Lohnpfändung auseinander setzt und dartut, weshalb nach der Aktenlage, wie sie vorgelegen hatte, anders zu entscheiden gewesen wäre oder auf Grund welcher Tatsachen oder Beweismittel eine abweichende Entscheidung hätte getroffen werden müssen (E. 4b soeben; Dieth, Beschwerde in Schuldbetreibungs- und Konkurssachen gemäss Art. 17 ff. SchKG, Diss. Zürich 1999, S. 128 f., mit weiteren Nachweisen).
e) Aus den dargelegten Gründen verletzt die obergerichtliche Annahme, die Rechtsbegehren der Beschwerdeführerin seien wegen "im Wesentlichen unzureichend substantiierter Beschwerde aussichtslos" (E. 7 S. 6), kein Verfassungsrecht. Die staatsrechtliche Beschwerde muss abgewiesen werden.
5.- Die unterliegende Beschwerdeführerin wird kostenpflichtig (Art. 156 Abs. 1 OG). Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege kann wegen Aussichtslosigkeit des Rechtsbegehrens nicht entsprochen werden (Art. 152 Abs. 1 OG). Die Beschwerdeführerin ist offenkundig davor zurückgeschreckt, sich mit den obergerichtlichen Urteilserwägungen vertieft, anhand der einschlägigen Lehre und Gerichtspraxis auseinander zu setzen; andernfalls hätte sie vor Einreichung ihres auf die Prüfung von Verfassungsverletzungen beschränkten Rechtsmittels erkennen müssen, dass die Gewinnaussichten beträchtlich geringer sind als die Verlustgefahren (zum Begriff der Aussichtslosigkeit die Hinweise in E. 4a hiervor).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die staatsrechtliche Beschwerde wird abgewiesen, soweit darauf einzutreten ist.
2.- Das Gesuch der Beschwerdeführerin um unentgeltliche Rechtspflege wird abgewiesen.
3.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 2'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
4.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin und dem Obergericht von Appenzell A.Rh. (Aufsichtsbehörde für Schuldbetreibung und Konkurs) schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 1. März 2002
Im Namen der II. Zivilabteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident: Der Gerichtsschreiber: