BGer 4C.307/2001
 
BGer 4C.307/2001 vom 14.03.2002
[AZA 0/2]
4C.307/2001/rnd
I. ZIVILABTEILUNG
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14. März 2002
Es wirken mit: Bundesrichterin und Bundesrichter Walter,
Präsident, Klett, Ersatzrichter Geiser und Gerichtsschreiber
Dreifuss.
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In Sachen
1. A.________,
2. B.________, Kläger und Berufungskläger, beide vertreten durch Rechtsanwalt Matthias Kuster, Bahnhofstrasse 24, Postfach 4764, 8022 Zürich,
gegen
X.________ AG, Beklagte und Berufungsbeklagte, vertreten durch Rechtsanwalt Lukas Nauer, Zürcherstrasse 15, 5620 Bremgarten,
betreffend
Arbeitsvertrag; Lohnforderung, hat sich ergeben:
A.- A.________ (Kläger) war als Inhaber der Einzelfirma A.________ Metallbau in finanzielle Schwierigkeiten geraten.
Auf Anraten der zur Sanierung beigezogenen Beraterin, der Y.________ AG bzw. deren Vertreters, C.________, wurde eine neue Gesellschaft gegründet, die X.________ AG (Beklagte).
Diese hätte die noch vorhandenen Aktiven des Handwerksbetriebes übernehmen sowie den Kläger und seine Ehefrau, B.________ (Klägerin), als Arbeitnehmer einstellen sollen.
Für die Gründung der Aktiengesellschaft bezahlten die Kläger der Y.________ AG Fr. 15'000.--. Da sie aber nicht über genügend Mittel für das notwendige Aktienkapital verfügten, suchte die Y.________ AG einen externen Geldgeber, den sie in der Person von D.________ auch fand. Die Beklagte wurde am 23. Juni 1997 ins Handelsregister eingetragen. D.________ hatte das Gründungskapital bar einbezahlt, 98% der Aktien gehalten und sich als einzigen Verwaltungsrat im Handelsregister eintragen lassen. Nach der Gründung ist ihm das ganze Aktienkapital von Fr. 100'000.-- zurückvergütet worden. Die Kläger erhielten keine Beteiligung an den Aktien; die geplante Sacheinlage der Aktiven der Einzelfirma im Gegenzug zur Übergabe der Aktien an die Kläger kam nicht zustande.
D.________ hat schliesslich mit Schreiben vom 13. Oktober 1997 als Verwaltungsrat demissioniert und ist am 14. November 1997 im Handelsregister gelöscht worden.
Bereits ab Juni 1997, d.h. unmittelbar nach der Gründung der Beklagten aber noch vor der geplanten Übernahme der Aktiven, begannen die Kläger für die Beklagte wie bisher für die konkursite Einzelfirma zu arbeiten und fakturierten ihre Leistungen den Kunden im Namen der Beklagten.
B.- Nachdem die Kläger von der Beklagten keinen Lohn erhalten hatten, betrieben sie diese und belangten sie am 9. Februar 1999 beim Arbeitsgericht Baden auf Bezahlung von Fr. 17'892. 25 an A.________ und Fr. 15'423.-- an B.________.
Das Arbeitsgericht Baden vereinigte die Verfahren und hiess beide Klagen mit Urteil vom 31. März 2000 im Wesentlichen gut.
Auf Appellation der Beklagten hin, wies das Obergericht des Kantons Aargau am 31. August 2001 beide Klagen ab.
C.- Die Kläger beantragen mit Berufung, das obergerichtliche Urteil aufzuheben und ihre Klage im Umfang wie die erste Instanz gutzuheissen. Die Beklagte schliesst auf Abweisung des Rechtsmittels.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- Der Rechtsstreit dreht sich um die Frage, ob zwischen den Klägern und der Beklagten Arbeitsverträge zustande gekommen sind. Das Obergericht verneinte dies unter anderem mit der Begründung, es sei weder ein übereinstimmender Wille der Parteien zum Abschluss von Arbeitsverträgen nachgewiesen noch seien Arbeitsverträge durch Entgegennahme der Arbeit seitens der Beklagten bzw. durch Arbeitsleistung in ihren Diensten zustande gekommen. Die Kläger sehen darin eine falsche Anwendung der bundesrechtlichen Bestimmungen von Art. 320 Abs. 2 und 3 OR über das Zustandekommen von Arbeitsverträgen.
Sie machen damit eine Verletzung von Bundesrecht geltend, wozu die Berufung offen steht (Art. 43 Abs. 1 OG).
2.- a) Das Arbeitsvertragsrecht sieht vor, dass auch unabhängig von einem übereinstimmenden Willen über alle wesentlichen Punkte ein Arbeitsvertrag zustande kommt, wenn jemand Arbeit in seinem Dienst auf Zeit entgegennimmt, deren Leistung nach den Umständen nur gegen Lohn zu erwarten ist (Art. 320 Abs. 2 OR). Damit hat das Gesetz eine unwiderlegbare Vermutung (praesumtio iuris et de iure) für den Abschluss eines Arbeitsvertrages geschaffen (Staehelin, Zürcher Kommentar, N. 6 zu Art. 320 OR; Rehbinder, Berner Kommentar, N. 17 zu Art. 320; Vischer, der Arbeitsvertrag, SPR Bd. VII/1, III, Basel 1994, S. 48; Streiff/von Kaenel, Arbeitsvertrag, Zürich 1992, N. 6 zu Art. 320 OR). Was sich die Parteien vorgestellt und was sie gewollt haben, ist dabei belanglos. Massgebend ist nur der objektive Tatbestand (Staehelin, a.a.O., N. 7 zu Art. 320 OR). Dieser ist erfüllt, wenn die Arbeit vom Arbeitgeber entgegengenommen worden ist.
b) Es ist somit zu prüfen, ob vorliegend ein Organ der Beklagten oder eine mit Vertretungsmacht für die Beklagte ausgestattete Person die Arbeit der Kläger entgegengenommen hat. Dabei stehen drei Personen im Vordergrund: Als einziger Verwaltungsrat war D.________ im Handelsregister eingetragen.
In direktem Kontakt mit den Klägern standen C.________ und E.________, die nach Ansicht des Klägers als Organe der Beklagten auftraten. Beide waren aber im Handelsregister nicht als vertretungsberechtigte Personen eingetragen.
Sie konnten die Beklagte mit ihren Handlungen insoweit nicht verpflichten (vgl. dazu Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, Schweizerisches Aktienrecht, Bern 1996, S. 348 f.; Riemer, Berner Kommentar, N. 42 zu Art. 54/55 ZGB). Die Kläger können insbesondere nichts daraus ableiten, dass E.________ die Funktion einer Revisionsstelle der Beklagten inne hatte, da einer Revisionsstelle keine Vertretungsmacht nach aussen zukommt (vgl. Art. 728 ff. OR).
Zu beachten ist aber, dass es bei einer juristischen Person neben den ordentlich bestellten und ausdrücklich als solche bezeichneten Organen auch faktische Organe geben kann. Also solches gilt, wer tatsächlich Organen vorbehaltene Entscheide trifft oder die eigentliche Geschäftsführung selbständig und eigenverantwortlich besorgt und so die Willensbildung der Gesellschaft massgebend mitbestimmt.
Es braucht konkrete Handlungen. Der Einfluss muss zudem auf Dauer ausgerichtet sein (BGE 128 III 29 E. 3a; zur Publikation bestimmtes Urteil des Bundesgerichts 4C.214/2001 vom 29. Oktober 2001 i.S. D. E. 3a, je mit Hinweisen; vgl. auch Roland Müller/Lorenz Lipp/Adrian Plüss, Der Verwaltungsrat,
2. Aufl. , Zürich 1999, S. 206). Auch das faktische Organ kann die Gesellschaft nach aussen vertreten. Die Gesellschaft muss sich die Handlungen eines faktischen Organs in gleicher Weise anrechnen lassen, wie jene eines ordentlich gewählten. Die Vertretungsmacht ergibt sich aus dem Umstand, dass die entsprechenden Personen in gleicher Weise wie ein gewähltes Organ an der Meinungsbildung der juristischen Person beteiligt sind und nach aussen auftreten. In analoger Anwendung der Bestimmungen über die Anscheinsvollmacht ergibt sich aus dem Vertrauensprinzip, dass Dritte eine Organstellung auch annehmen dürfen, wenn die juristische Person jemanden gewähren lässt, der sich als Organ aufspielt. Ausschlaggebend ist, dass die juristische Person selber das Handeln des Dritten gewähren lässt oder dass das nicht gewählte Organ von den gewählten in die Entscheidbildung massgeblich eingebunden wird (Forstmoser/Meier-Hayoz/Nobel, a.a.O., S. 175 Fn. 14, S. 176, S. 349; vgl. auch BGE 120 II 197 E. 2a und b/bb sowie BGE 124 III 418 E. 1c).
Vom faktischen Organ und dem Anscheinsorgan zu unterscheiden sind jene Personen, die sich ohne Wissen der Gesellschaft bzw. ihrer gewählten Organe bloss eine Organstellung anmassen. Diese können die juristische Person nach dem Gesagten ebenso wenig verpflichten, wie der falsus procurator den Prinzipal (vgl. Art. 38 OR). Es genügt nicht, dass sich jemand als Organ einer juristischen Person ausgibt. Wer jemandem traut, ohne in das Handelsregister zu blicken oder sich von den ordentlich bestellten Organen die Vertretungsmacht bestätigen zu lassen, trägt selber das Risiko, dass keinerlei Vertretungsmacht besteht. Die Handlungen des angeblichen Vertreters der juristischen Person zuzurechnen rechtfertigt sich nur, wenn die ordentlich bestellten Organe sich entsprechend geäussert oder die Handlungen bewusst geduldet haben.
Das einzige nach Gesetz vertretungsberechtigte Organ der Beklagten war D.________. Nach den tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz wusste dieser nichts von der Tätigkeit der Kläger für die Beklagte, was sein Nichtwissen von den angeblich seitens der Herren E.________ und C.________ in diesem Zusammenhang ausgeübten Vertretungshandlungen einschliesst. Es sind auch keine Umstände nachgewiesen, welche den Schluss zuliessen, dass D.________ als Verwaltungsrat um die Verhaltensweisen der beiden Herren hätte wissen müssen. Soweit die Kläger in diesem Zusammenhang die Bindung des Bundesgerichts an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz missachten und der Begründung ihres Standpunktes einen Sachverhalt zugrunde legen, der im angefochtenen Entscheid keine Stütze findet, ohne zugleich substanziierte Sachverhaltsrügen im Sinne von Art. 63 Abs. 2 und Art. 64 OG zu erheben, sind sie nicht zu hören.
c) Damit fehlt es an der Entgegennahme der Arbeit durch die juristische Person. Es hilft den Klägern bei dieser Sachlage nichts, geglaubt zu haben, für die Beklagte zu arbeiten. Ihre Arbeitsleistung erfüllt den Tatbestand von Art. 320 Abs. 2 OR nicht und eine Anwendung dieser Bestimmung fällt ausser Betracht.
3.- Nach dem Ausgeführten können die Kläger auch aus Art. 320 Abs. 3 OR nichts zu ihren Gunsten ableiten. Auch dieser Tatbestand setzt voraus, dass die Arbeit objektiv für den Arbeitgeber geleistet worden ist (vgl. Staehelin, a.a.O., N. 33 zu Art. 320 OR; Rehbinder, N. 45 S. 108 zu Art. 320 OR; Vischer, a.a.O, S. 53). Es genügt nicht, dass der Arbeitnehmer glaubt, für einen bestimmten Arbeitgeber zu arbeiten.
4.- Die Klägerin (2) stellt sich eventuell auf den Standpunkt, es sei jedenfalls mit ihr ein Arbeitsvertrag entstanden, weil der Kläger (1) ihr Weisungen erteilt und damit eine Vorgesetztenfunktion wahrgenommen habe. Zu Unrecht.
Ist mangels Entgegennahme der Arbeit des Klägers durch die Beklagte kein Arbeitsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten entstanden, ist das Handeln des Klägers der Beklagten nicht anzurechnen. Er konnte die Arbeit der Klägerin damit nicht für diese entgegennehmen. Es fehlte ihm an einer entsprechenden Vertretungsmacht. Daran ändert es nichts, wenn er Arbeitgeberfunktionen gegenüber der Klägerin ausgeübt hat. Aus seinen Handlungen lässt sich kein Arbeitsverhältnis zwischen der Beklagten und der Klägerin konstruieren.
5.- Zusammenfassend hat die Vorinstanz die Ansprüche der Kläger zutreffend verneint. Die Berufung ist abzuweisen und der angefochtene Entscheid zu bestätigen, ohne dass auf die weitere Begründung der Vorinstanz einzugehen ist, wonach es für die Annahme eines Arbeitsverhältnisses an einem Unterordnungsverhältnis der Kläger durch Eingliederung in die Arbeitsorganisation der Beklagten fehle.
Sowohl der Kläger wie auch die Klägerin haben ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege gestellt. Beiden ist diese schon im kantonalen Verfahren bewilligt worden. Es ist nicht ersichtlich, dass sich ihre wirtschaftliche Lage seither geändert hätte. Ihre Bedürftigkeit ist ausgewiesen. Mit Blick darauf, dass beide Klagen von der ersten Instanz teilweise gutgeheissen worden sind, kann auch das Rechtsmittelverfahren vor Bundesgericht nicht von vornherein als aussichtslos bezeichnet werden. Die unentgeltliche Rechtspflege ist somit zu bewilligen (Art. 152 Abs. 1 OG). Da der Streitwert sowohl des Begehrens des Klägers wie auch jenes der Klägerin je unter Fr. 30'000.-- liegt, sind ohnehin keine Gerichtskosten zu erheben (Art. 343 Abs. 2 und 3 OR). Demgegenüber ist der Prozessvertreter der Kläger nach Art. 152 Abs. 2 OG aus der Bundesgerichtskasse zu entschädigen. Da die Kläger unterliegen, haben sie die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren zu entschädigen (Art. 159 Abs. 2 und 5 OG).
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Den Klägern wird für das bundesgerichtliche Verfahren Rechtsanwalt Matthias Kuster als Rechtsbeistand beigegeben.
2.- Die Berufung wird abgewiesen, und das Urteil des Obergerichts des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, vom 31. August 2001 wird bestätigt.
3.- Es werden keine Kosten erhoben.
4.- Die Kläger haben die Beklagte für das bundesgerichtliche Verfahren unter solidarischer Haftbarkeit mit Fr. 3'000.-- zu entschädigen.
5.- Rechtsanwalt Matthias Kuster wird aus der Bundesgerichtskasse ein Honorar von Fr. 3'000.-- ausgerichtet.
6.- Dieses Urteil wird den Parteien sowie dem Obergericht des Kantons Aargau, 1. Zivilkammer, schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 14. März 2002
Im Namen der I. Zivilabteilung
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Der Gerichtsschreiber: