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Original
 
[AZA 7]
I 566/01 Bl
II. Kammer
Präsident Schön, Bundesrichterin Widmer und Bundesrichter
Frésard; Gerichtsschreiber Ackermann
Urteil vom 5. April 2002
in Sachen
S.________, 1944, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Walter Studer, Badstrasse 17, 5400 Baden,
gegen
IV-Stelle des Kantons Aargau, Kyburgerstrasse 15, 5001 Aarau, Beschwerdegegnerin,
und
Versicherungsgericht des Kantons Aargau, Aarau
A.- S.________, geboren 1944 und als Hausfrau tätig, meldete sich am 8. Februar 2000 bei der Invalidenversicherung zum Rentenbezug an. Die IV-Stelle des Kantons Aargau holte einen Bericht des Dr. med. R.________, FMH Physikalische Medizin und Rehabilitation, spez. Rheumaerkrankungen, vom 8. Mai 2000 ein und veranlasste am 4. Dezember 2000 eine Haushaltsabklärung. Nach erfolgtem Vorbescheid lehnte die IV-Stelle mit Verfügung vom 30. Januar 2001 den An- spruch der S.________ auf eine Invalidenrente ab, da gemäss Haushaltsabklärung eine Einschränkung im Aufgabenbereich von bloss 28% vorliege.
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde wies das Versicherungsgericht des Kantons Aargau mit Entscheid vom 3. Juli 2001 ab.
C.- S.________ lässt Verwaltungsgerichtsbeschwerde führen mit den Anträgen, unter Aufhebung des vorinstanzlichen Entscheides und der Verwaltungsverfügung sei der Invaliditätsgrad neu zu ermitteln und auf den frühestmöglichen Zeitpunkt eine entsprechende Invalidenrente zuzusprechen; eventualiter sei die Sache zur Neubeurteilung an das kantonale Gericht, subeventualiter an die IV-Stelle zurückzuweisen.
Im Übrigen sei ihr für das vorinstanzliche Verfahren eine Parteientschädigung zu bezahlen.
Die IV-Stelle schliesst sinngemäss auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, während das Bundesamt für Sozialversicherung auf eine Vernehmlassung verzichtet.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Vorinstanz hat den Invaliditätsbegriff (Art. 4 Abs. 1 IVG), die Voraussetzungen für den Anspruch auf eine Invalidenrente (Art. 28 Abs. 1 und 1bis IVG), die Bemessung des Invaliditätsgrades bei Nichterwerbstätigen im Sinne von Art. 5 Abs. 1 IVG, namentlich bei im Haushalt tätigen Versicherten, nach der spezifischen Methode (Art. 28 Abs. 3 IVG in Verbindung mit Art. 27 IVV; BGE 104 V 136 Erw. 2a) sowie die Aufgabe der Ärzte bei der Invaliditätsbemessung (BGE 125 V 261 Erw. 4) zutreffend dargelegt. Darauf kann verwiesen werden.
2.- Streitig ist der Invaliditätsgrad der Beschwerdeführerin und dabei insbesondere die Einschränkung im Aufgabenbereich.
Das kantonale Gericht hat sich auf den Abklärungsbericht vom 4. Dezember 2000 gestützt und in der Folge einen rentenausschliessenden Invaliditätsgrad angenommen.
a) Zu Recht wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht die Haushaltsabklärung - durchgeführt anhand des Kreisschreibens über Invalidität und Hilflosigkeit (KSIH) Rz. 3093 ff. - als solche gerügt, da diese gemäss Rechtsprechung (ZAK 1986 S. 235 Erw. 2d; Urteil S. vom 4. September 2001, I 175/01) gesetzeskonform ist und somit ausreichende Grundlage für den Entscheid sein kann.
b) aa) Die Versicherte ist jedoch der Auffassung, dass der Abklärungsbericht vom 4. Dezember 2000 ungenügend begründet sei.
bb) Die - aus dem Anspruch auf rechtliches Gehör fliessende - Begründungspflicht soll verhindern, dass sich die Behörde von unsachlichen Motiven leiten lässt, und dem Betroffenen ermöglichen, die Verfügung gegebenenfalls sachgerecht anzufechten. Dies ist nur möglich, wenn sowohl er wie auch die Rechtsmittelinstanz sich über die Tragweite des Entscheides ein Bild machen kann. In diesem Sinn müssen wenigstens kurz die Überlegungen genannt werden, von denen sich die Behörde hat leiten lassen und auf welche sich ihre Verfügung stützt. Dies bedeutet indessen nicht, dass sie sich ausdrücklich mit jeder tatbeständlichen Behauptung und jedem rechtlichen Einwand auseinandersetzen muss. Vielmehr kann sie sich auf die für den Entscheid wesentlichen Gesichtspunkte beschränken (BGE 126 I 102 Erw. 2b, 124 V 181 Erw. 1a, je mit Hinweisen; vgl. auch ARV 1996/1997 Nr. 44 S. 243 Erw. 2b sowie SVR 1996 UV Nr. 62 S. 213 Erw. 4a, je mit Hinweisen).
cc) Im Abklärungsbericht vom 4. Dezember 2000 liegen die angenommenen Anteile der einzelnen Aufgabenbereiche durchwegs im Rahmen der in den Verwaltungsweisungen vorgesehenen Prozentbereiche. Besonderheiten, welche ein ausnahmsweises Abgehen hievon zu begründen vermöchten, sind nicht ersichtlich und werden auch nicht geltend gemacht.
Weiter gibt der Bericht nicht nur die jeweilige Einschränkung der Beschwerdeführerin in den einzelnen Tätigkeitsbereichen an, sondern führt auch aus, welche Arbeit von welcher Person (Versicherte, Tochter, Schwiegertochter) ausgeführt wird, d.h. es wird dargetan, welche Aufgaben die Beschwerdeführerin erfüllen kann und welche nicht. Damit sind die Schätzungen der Abklärungsperson nachvollziehbar. Im Rahmen der Begründungspflicht ist zu berücksichtigen, dass die jeweilige prozentuale Einschränkung im Aufgabenbereich von niemandem anhand von Zahlen und Fakten bis ins kleinste Detail begründet werden kann; es bleibt hier Raum für das Ermessen der fachlich kompetenten Abklärungsperson, die dem Gericht ihr Spezialwissen sowie ihre Kenntnis der Örtlichkeiten zur Verfügung zu stellen hat. Der Richter greift nur dann in diesen Ermessensspielraum ein, wenn klare Fehleinschätzungen vorliegen oder Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit der Abklärungsresultate (z.B. infolge von Widersprüchlichkeiten) bestehen, was in vorliegender Sache jedoch nicht der Fall ist.
In diesem Zusammenhang besteht zudem eine Mitwirkungspflicht der Versicherten; auch wenn sie die deutsche Sprache kaum beherrscht, hätte sie ihre - in der Schweiz aufgewachsenen - Kinder um eine Übersetzung des Berichtes bitten müssen und sich bei Unklarheiten oder Unstimmigkeiten mit der IV-Stelle in Verbindung setzen können. So wurde ihr der Abklärungsbericht am 5. Dezember 2000 zur Vernehmlassung innert vierzehn Tagen zugestellt; von dieser Möglichkeit hat sie - wie auch von einer weiteren im Rahmen des Vorbescheidverfahrens - nicht Gebrauch gemacht. Entgegen der Ansicht in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist es dabei nicht massgebend, ob den Kindern bewusst war, dass bei einer Einschränkung von bloss 28% kein Rentenanspruch besteht, da das Wissen um die Voraussetzungen eines Anspruchs keinen Einfluss auf die inhaltliche Richtigkeit eines Berichtes haben kann.
c) Weiter rügt die Versicherte, dass der Bericht - primär wegen Sprachschwierigkeiten - inhaltlich nicht richtig sei, insbesondere bestünden grössere Einschränkungen als angegeben.
Bei der Durchführung der Abklärung war die Schwiegertochter der Beschwerdeführerin als Übersetzerin anwesend; dass diese nicht ausreichend Deutsch verstünde, wird in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde nicht geltend gemacht. Wenn tatsächlich sprachliche Schwierigkeiten bestanden hätten und der Abklärungsbericht im behaupteten Ausmass falsch gewesen sein sollte, wäre dies der Versicherten nach Zustellung des Berichtes und der Übersetzung durch ihre Kinder sofort aufgefallen und hätte sie ohne weiteres (und unabhängig vom Bestehen einer Mitwirkungspflicht) zu einer Reaktion veranlasst. Dies ist jedoch nicht geschehen, womit kein Grund ersichtlich ist, weshalb nicht auf den knapp zwei Monate vor Verfügungserlass verfassten - und damit aktuellen - Abklärungsbericht vom 4. Dezember 2000 abgestellt werden kann; weitere Vorkehren (Gutachten, Zeugeneinvernahme) sind nicht nötig (antizipierte Beweiswürdigung; BGE 124 V 94 Erw. 4b). Die Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde (resp. der Verweis auf die vorinstanzliche Beschwerde) vermögen daran nichts zu ändern. Wenn die Abklärungsperson in ihrer Bestätigung des Abklärungsberichtes während des vorinstanzlichen Verfahrens die Tochter mit der Schwiegertochter verwechselt, vermag dies an der vorgenommenen Schätzung der Einschränkung im Aufgabenbereich nichts zu ändern.
Es ist im Weiteren darauf hinzuweisen, dass im Rahmen der Schadenminderungspflicht (BGE 113 V 28 Erw. 4a mit Hinweisen) die Auswirkungen des Gesundheitsschadens auf die Arbeitsfähigkeit durch geeignete organisatorische Massnahmen und die zumutbare Mithilfe der Familienangehörigen (Ehemann, Sohn und Tochter) möglichst zu mildern sind, wobei die Mithilfe der Familienangehörigen weiter geht, als die ohne Gesundheitsschaden üblicherweise zu erwartende Unterstützung (Ulrich Meyer-Blaser, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, Zürich 1997, S. 222 f. mit Hinweisen).
d) Die medizinisch-theoretische Arbeitsunfähigkeit kann nicht unbesehen auf die Einschränkung im Haushaltsbereich übernommen werden (vgl. dazu AHI 2001 S. 161 Erw. 3c sowie Urteil D. vom 12. November 2001, I 497/01), sondern es ist primär auf die Abklärung betreffend Einschränkung im Aufgabenbereich abzustellen. Dass die Haushaltsabklärung in Widerspruch zu den medizinisch indizierten Einschränkungen (insbesondere betreffend rückenbelastender Tätigkeiten) im Bericht des Dr. med. R.________ stünde, ist nicht ersichtlich.
Soweit die Versicherte eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes geltend macht, ist ihr nicht zu folgen, da sowohl der Bericht des Dr. med. R.________ vom 8. Mai 2000 wie auch dessen (keine Begründung enthaltendes) Arbeitsunfähigkeitszeugnis vom 19. Februar 2001 jeweils von einer medizinisch-theoretischen Arbeitsunfähigkeit im Umfang von 70 % ausgehen.
e) Gemäss dem zu berücksichtigenden Abklärungsbericht Haushalt vom 4. Dezember 2000 resultiert eine rentenausschliessende Einschränkung im Aufgabenbereich von 28%. Bei diesem Ausgang des letztinstanzlichen Verfahrens steht der Beschwerdeführerin keine Parteientschädigung für das vorinstanzliche Verfahren zu.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons Aargau, der Ausgleichskasse der Schweizer Maschinenindustrie und dem Bundesamt für
Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 5. April 2002
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der II. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: