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Original
 
[AZA 7]
K 152/99 Ge
I. Kammer
Präsident Schön, Bundesrichterin Leuzinger und Widmer, Bundesrichter Meyer und Lustenberger; Gerichtsschreiber Fessler
Urteil vom 18. April 2002
in Sachen
Kantonsspital Luzern, 6000 Luzern 16,
Beschwerdeführer, vertreten durch Dr. RolfFrick, Leiter des Rechtsdienstes des Gesundheits- und Sozialdepartementes des Kantons Luzern, Bahnhofstrasse 15, 6002 Luzern,
gegen
K.________, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Pius Kreiliger, Alpenstrasse 1, 6004 Luzern,
und
Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Luzern
A.- Der 1993 geborene, in X.________ wohnhafte Knabe S.________ wurde am 11. Mai 1996 von einem Hund gebissen und im Gesicht verletzt. Er wurde gleichentags im Kantonsspital (Kinderspital) Luzern versorgt und blieb drei Tage dort. Seine Krankenkasse, die Konkordia, bezahlte die Spitalkosten im Rahmen des gültigen Kassentarifs im Betrage von Fr. 975. -. In der Folge nahm sie gegen die Haftpflichtversicherung des Hundehalters K.________ Regress. Diese ersetzte ihr die erwachsenen Kosten.
Am 12. November 1996 stellte das Kantonsspital Luzern K.________ Rechnung für die Differenz zwischen den von der Konkordia bezahlten Kosten gemäss Kassentarif von Fr. 975. - und den bei Anwendung des Selbstzahlertarifs resultierenden Kosten von Fr. 2400. -, somit über Fr. 1425. -. Diese Forderung wurde bestritten, worauf das Kantonsspital am 31. Januar 1997 eine Verfügung erliess.
B.- Entsprechend der Rechtsmittelbelehrung in der Verfügung erhob K.________ Verwaltungsbeschwerde an den Regierungsrat des Kantons Luzern. Dieser trat mit Entscheid vom 5. Januar 1998 nicht darauf ein und überwies die Beschwerde zuständigkeitshalber an das Verwaltungsgericht des Kantons Luzern. Dessen Sozialversicherungsrechtliche Abteilung hob mit Entscheid vom 19. November 1999 die Verfügung vom 31. Januar 1997 auf, wobei sie in der Begründung Art. 126 der Verordnung vom 27. Juni 1995 über die Krankenversicherung (KVV), auf welchen das Kantonsspital seine Forderung u.a. abstützte, eine genügende Grundlage im Gesetz absprach. In der Rechtsmittelbelehrung wurde die Verwaltungsgerichtsbeschwerde an das Eidgenössische Versicherungsgericht angegeben, "soweit diese Entscheidung eidgenössisches Sozialversicherungsrecht zum Gegenstand hat".
C.- Das Kantonsspital Luzern, vertreten durch das Gesundheits- und Sozialdepartement des Kantons Luzern, führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Rechtsbegehren, es sei der Entscheid vom 19. November 1999 aufzuheben.
K.________ lässt auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde schliessen. Das Bundesamt für Sozialversicherung weist in seiner Vernehmlassung auf das Urteil der I. Zivilabteilung des Bundesgerichts vom 18. Oktober 1999 in Sachen Centre de gestion hospitalière gegen La Mobilière Suisse (BGE 126 III 36) hin, in welchem eine hinreichende gesetzliche Grundlage für Art. 126 KVV verneint wird, ohne einen Antrag zu stellen.
D.- Das Gesundheits- und Sozialdepartement hat sich in einer weiteren Eingabe zur Sache geäussert.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- In Bezug auf die von Amtes wegen zu prüfende Zuständigkeit des Eidgenössischen Versicherungsgerichts für die Beurteilung des Forderungsstreites zwischen dem Kantonsspital Luzern und K.________ stellt sich die Frage, ob der Regelungsgegenstand des Art. 126 KVV dem Bundessozialversicherungsrecht zuzuordnen ist, oder gleichbedeutend der angefochtene Entscheid eine Verfügung im Sinne von Art. 128 OG sowie Art. 97 Abs. 1 OG und Art. 5 VwVG darstellt (BGE 126 V 145 Erw. 1a, 123 V 296 f. Erw. 3a und b).
2.- Unter dem Titel "Rückgriff" sowie der Überschrift "Unterschiedliche Tarife" bestimmt Art. 126 KVV Folgendes:
"Der haftpflichtige Dritte hat dem Leistungserbringer im Rahmen seiner Ersatzpflicht eine allfällige Differenz zwischen dem für ihn geltenden Tarif und dem vom Krankenversicherer angewandten Tarif nachzuzahlen. "
a) Art. 126 KVV statuiert ein Forderungsrecht des Leistungserbringers gegenüber dem haftpflichtigen Dritten resp. dessen Haftpflichtversicherer. Nach den Feststellungen des Bundesgerichts lässt sich dieser Anspruch weder zessions- noch subrogationsrechtlich begründen. In diesem wie in jenem Fall fehlt es an einem Haftungssubstrat, indem die allfällige, den Forderungsbetrag ausmachende Tarifdifferenz nicht als Schaden (im obligationenrechtlichen Sinne) verstanden werden kann. Dieser reicht nach Gesetz (KVG) und Verordnung (KVV) nicht weiter als der im Einzelfall "vom Krankenversicherer angewandte Tarif" gemäss Art. 43 ff. KVG (vgl. BGE 126 III 38 Erw. 2a und 40 Erw. 2b/bb). Das Forderungsrecht des Leistungserbringers gegen den haftpflichtigen Dritten nach Art. 126 KVV lässt sich mithin nicht von einem entsprechenden Haftpflichtanspruch der geschädigten krankenversicherten Person ableiten.
b) Dass Art. 126 KVV nicht im haftpflichtrechtlichen Kontext gelesen und verstanden werden will, es dabei vielmehr um kranken- und damit sozialversicherungsrechtliche Fragestellungen geht, zeigen auch folgende Überlegungen. Nach der insofern für eine Regressbestimmung atypischen Formulierung "Der haftpflichtige Dritte hat (...) im Rahmen seiner Ersatzpflicht (...) nachzuzahlen" werden tatbestandsmässig Bestehen und Umfang der Haftpflicht als gegeben vorausgesetzt. Erst wenn und soweit die Haftpflicht des Dritten in seinem Verhältnis zum Versicherer (Art. 79 Abs. 1 KVG) und allenfalls zum Wohnkanton der geschädigten krankenversicherten Person (Art. 41 Abs. 3 zweiter Satz KVG) anerkannt oder gerichtlich festgestellt ist, kann Art. 126 KVV zum Zuge kommen, soll mit anderen Worten der Leistungserbringer auch noch die fragliche Tarifdifferenz nachfordern dürfen.
Diese Interpretation wird gestützt durch die hinter Art. 126 KVV stehenden Intentionen des Verordnungsgebers. Das Bundesamt führt dazu u.a. aus, dass krankenversicherte Personen, die in der allgemeinen Abteilung eines öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitals im Wohnkanton behandelt würden, ungeachtet einer allfälligen Haftpflicht eines Dritten Tarifschutz nach Art. 44 KVG genössen. Gemäss Art. 49 Abs. 1 KVG deckten indessen die vereinbarten Pauschalen lediglich höchstens 50 Prozent der anrechenbaren Kosten. Die restlichen Kosten einschliesslich Betriebskostenanteile aus Überkapazität, Investitionskosten sowie Kosten für Lehre und Forschung seien durch das Spital und somit durch die öffentliche Hand resp. die Steuerzahlenden zu tragen, falls sie nicht auf die haftpflichtige Person oder ihren Haftpflichversicherer überwälzt werden könnten. Hier soll(t)e Art. 126 KVV greifen. Andernfalls werden die Haftpflichtigen zu Nutzniessern der Kostenaufteilung gemäss Art. 49 Abs. 1 KVG mit der Folge, dass der Steuerzahler einen Teil des Schadenersatzes trüge, was sich nicht rechtfertigen lasse.
Mit Bezug auf den Normzweck, wie er in den bundesamtlichen Ausführungen zum Ausdruck kommt, ist die feststehende Haftpflicht des Dritten somit lediglich ein Merkmal des zur Rechtsfolge der Tarifdifferenzzahlungspflicht führenden Tatbestandes gemäss Art. 126 KVV. Umgekehrt ist diese Verpflichtung insofern sozialversicherungsrechtlicher Natur, als der haftpflichtige Dritte nicht von der Kostenaufteilung zwischen Krankenversicherer und Kanton nach Art. 49 Abs. 1 KVG profitieren soll oder positiv formuliert, er den aufgrund dieser Gesetzesbestimmung vom Gemeinwesen zu tragenden Anteil der Kosten zu übernehmen hat (vgl. auch Erw. 1a des noch nicht in der Amtlichen Sammlung veröffentlichten Urteils S. vom 30. November 2001 [K 178/00] mit Hinweis auf BGE 123 V 290).
c) aa) Im Sinne des Vorstehenden ist das mit Art. 126 KVV geregelte Rechtsverhältnis zwischen haftpflichtigem Dritten und Leistungerbringer dem Bundessozialversicherungsrecht zuzuordnen. Demzufolge sind Streitigkeiten über die Auslegung und Anwendung dieser Verordnungsbestimmung einschliesslich der hier interessierenden Frage der genügenden gesetzlichen Grundlage bei feststehender Haftpflicht des Dritten, was vorliegend der Fall ist, letztinstanzlich durch das Eidgenössische Versicherungsgericht zu entscheiden.
bb) An der sachlichen Zuständigkeit des Eidgenössischen Versicherungsgerichts für die Beurteilung des Forderungsstreites zwischen dem Kantonsspital Luzern und K.________ ändert BGE 126 III 36 nichts. Das Bundesgericht trat zwar in jenem mit dem vorliegenden vergleichbaren Fall auf die Berufung des Leistungserbringers (Centre de gestion hospitalière) gegen den Entscheid der Zivilabteilung des jurassischen Kantonsgerichts, welcher den Haftpflichtversicherer (La Mobilière Suisse) der haftpflichtigen Dritten G. von der Zahlung der Tarifdifferenz gemäss Art. 126 KVV befreite, ein. Es prüfte indessen die, wie hier, hauptsächlich streitige Gesetzmässigkeit dieser Verordnungsbestimmung im Wesentlichen einzig im Lichte von Art. 79 Abs. 3 KVG, welcher den Bundesrat zum Erlass näherer Vorschriften über die Ausübung des in Abs. 1 festgeschriebenen (in Abs. 2 für spezielle Tatbestände konkretisierten) Rückgriffsrechts des Versicherers gegenüber Dritten, die für den Versicherungsfall haften, ermächtigt. Als Subrogationsvorschrift im Sinne einer dem privaten oder öffentlichen Haftpflichtrecht zuzuordnenden Legalzession kommt Art. 79 KVG nicht sozialversicherungsrechtlicher Charakter zu. Die präjudizielle Bedeutung von BGE 126 III 36 erschöpft sich somit in der Feststellung des Bundesgerichts, dass Art. 79 Abs. 3 KVG keine genügende gesetzliche Grundlage für die in Art. 126 KVV dem haftpflichtigen Dritten auferlegte Tarifdifferenzzahlungspflicht bildet (vgl. nachstehend Erw. 3).
cc) Da auch die übrigen formellen Erfordernisse gegeben sind, ist auf die Verwaltungsgerichtsbeschwerde einzutreten.
3.- Den materiell einzig strittigen Punkt, ob Art. 126 KVV auf einer genügenden gesetzlichen Grundlage beruht, hat das Bundesgericht in BGE 126 III 36 in Bezug auf Art. 79 KVG in verneinendem Sinne entschieden. Auf die diesbezüglichen Vorbringen in der Verwaltungsgerichtsbeschwerde ist daher nicht näher einzugehen. Eine andere unmittelbar anwendbar Gesetzesnorm, auf welche sich das in Art. 126 KVV statuierte Forderungsrecht des Leistungserbringers gegen den haftpflichtigen Dritten auf Zahlung der Differenz zwischen dem für ihn geltenden Tarif und dem vom Krankenversicherer angewandten Tarif stützen könnte, besteht nicht, und eine solche wird von den Verfahrensbeteiligten auch nicht genannt. Dass insofern eine im Sinne "planwidriger Unvollständigkeit" echte, auf dem Verordnungsweg ausfüllbare Gesetzeslücke gegeben ist, wie das Bundesamt postuliert, ist nicht anzunehmen. Die Art. 126 KVV zugrunde liegenden Intentionen des Verordnungsgebers (vgl. Erw. 2b) sind in diesem Zusammenhang nicht von Bedeutung. Entgegen dem Verwaltungsgerichtsbeschwerde führenden Kantonsspital Luzern lässt sich die für die Anwendbarkeit dieser Verordnungsvorschrift erforderliche gesetzliche Grundlage nicht aus Art. 41 Abs. 3 zweiter Satz KVG ableiten, und zwar selbst dann nicht, wenn das darin verankerte Regressrecht des Wohnkantons der versicherten Person, die aus medizinischen Gründen die Dienste eines ausserkantonalen öffentlichen oder öffentlich subventionierten Spitals in Anspruch nimmt, sinngemäss auch bei innerkantonaler Hospitalisation spielte. Denn das entsprechende Regressrecht stünde dem Kanton, nicht hingegen dem Leistungserbringer zu.
Nach dem Gesagten ist Art. 126 KVV mangels einer hinreichenden gesetzlichen Grundlage nicht anwendbar. Der in diesem Sinne lautende und insoweit angefochtene Entscheid ist somit rechtens.
4.- Es rechtfertigt sich vorliegend, ausnahmsweise von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen (Art. 134 OG e contrario, Art. 135 und Art. 156 Abs. 1 OG).
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Das Kantonsspital Luzern hat dem Beschwerdegegner für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht eine Parteientschädigung von Fr. 2500. - (einschliesslich Mehrwertsteuer) zu bezahlen.
IV.Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Luzern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, dem Bundesamt für Sozialversicherung sowie dem Bundesgericht, I. Zivilabteilung, zugestellt.
Luzern, 18. April 2002
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der I. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: