BGer 4A.1/2002 |
BGer 4A.1/2002 vom 29.04.2002 |
[AZA 1/2]
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4A.1/2002/rnd
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I. ZIVILABTEILUNG
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29. April 2002
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Es wirken mit: Bundesrichterinnen und Bundesrichter Walter,
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Präsident, Corboz, Klett, Rottenberg Liatowitsch, Nyffeler
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und Gerichtsschreiber Huguenin.
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In Sachen
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Elpatronic AG, Industriestrasse 35, 8962 Bergdietikon, Beschwerdeführerin, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Michael Kikinis, Forchstrasse 452, Postfach 832, 8029 Zürich,
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gegen
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Eidgenössisches Institut für Geistiges Eigentum, Einsteinstrasse 2, 3003 Bern, Eidgenössische Rekurskommission für Geistiges Eigentum, Einsteinstrasse 12, 3003 Bern,
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betreffend
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Nichteintreten auf Antrag; Teilverzicht
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(Art. 24 Abs. 2 PatG),
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wird festgestellt und in Erwägung gezogen:
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1.- a) Die Elpatronic AG (Gesuchstellerin oder Beschwerdeführerin) ist Inhaberin des Europäischen Patents EP 0 268 126. Dieses Patent wurde am 22. Januar 1992 erteilt.
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Zu den benannten Staaten gehört auch die Schweiz.
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Ein gegen die Erteilung des Patents gerichtetes Einspruchs- und Beschwerdeverfahren vor dem Europäischen Patentamt (EPA) wurde mit Entscheid der Beschwerdeabteilung des EPA vom 24. Oktober 1996 abgeschlossen. Der Entscheid ist am 25. Juni 1997 im Patentamtblatt unter der Nummer EP 0 268 126 B2 veröffentlicht worden.
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b) Am 25. November 1999 stellte die Beschwerdeführerin beim Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum (IGE) einen Antrag auf Teilverzicht im Sinne von Art. 24 Abs. 1 lit. c PatG.
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Mit Verfügung vom 7. Mai 2001 trat das IGE auf den Antrag nicht ein. Zur Begründung führte das Institut aus, die Frist von Art. 24 Abs. 2 PatG sei abgelaufen und der Antrag daher verspätet.
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Die Eidgenössische Rekurskommission für Geistiges Eigentum wies die Beschwerde der Gesuchstellerin mit Entscheid vom 21. Dezember 2001 ab und bestätigte die Verfügung des IGE.
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c) Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde stellt die Beschwerdeführerin folgende Begehren:
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"1.Der angefochtene Entscheid der Eidgenössischen
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Rekurskommission für geistiges Eigentum vom 21. Dezember 2001 (Verfahren Nr. PA 03/01) sei
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aufzuheben.
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2. Die Verfügung des Beschwerdegegners vom 7. Mai 2001,
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mit welcher auf das Begehren der Beschwerdeführerin
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vom 25. November 1999 auf Teilverzicht des schwei- zerischen Teils des Europäischen Patents nicht ein- getreten wurde, sei aufzuheben.
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3. Es sei festzustellen, dass das Begehren der Be- schwerdeführerin vom 25. November 1999 auf Teilver- zicht des schweizerischen Teils des Europäischen
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Patents Nr. 0 268 126 zulässig ist, insbesondere
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dass dieses Begehren fristgerecht gestellt wurde.
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4. Der Beschwerdegegner sei anzuweisen, auf das Begeh- ren der Beschwerdeführerin vom 25. November 1999
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auf Teilverzicht des schweizerischen Teils des
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Europäischen Patents Nr. 0 268 126 einzutreten und
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dieses materiell zu behandeln.
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...."
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d) Das IGE und die Rekurskommission schliessen in ihren Vernehmlassungen auf Abweisung der Beschwerde.
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2.- Nach Art. 24 Abs. 1 PatG (SR 232. 14; Fassung gemäss Ziff. I des Bundesgesetzes vom 17. Dezember 1976, in Kraft seit 1. Januar 1978) kann der Patentinhaber auf das Patent teilweise verzichten, indem er beim Institut den Antrag stellt, (a) einen Patentanspruch aufzuheben, oder (b) einen unabhängigen Patentanspruch durch Zusammenlegung mit einem oder mehreren von ihm abhängigen Patentansprüchen einzuschränken, oder (c) einen unabhängigen Patentanspruch auf anderem Weg einzuschränken; in diesem Fall muss der eingeschränkte Patentanspruch sich auf die gleiche Erfindung beziehen und eine Ausführungsart definieren, die in der veröffentlichten Patentschrift und in der für das Anmeldedatum massgebenden Fassung des Patentgesuches vorgesehen ist.
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a) Gemäss Art. 24 Abs. 2 PatG ist der Antrag nach Buchstabe c des ersten Absatzes für das gleiche Patent nur einmal zulässig und nach Ablauf von vier Jahren seit der Patenterteilung ausgeschlossen. Diese Verwirkungsfrist soll im Interesse der Rechtssicherheit die Möglichkeit des Patentinhabers einschränken, mit einem Teilverzicht insbesondere Fehlbeurteilungen bei der Abfassung der Patentansprüche wieder gutzumachen und auf diese Art einer Nichtigkeitsklage auszuweichen sowie das Patent gegen Angriffe resistenter zu machen (vgl. Botschaft des Bundesrates vom 24. März 1976 über drei Patentübereinkommen und die Änderung des Patentgesetzes, BBl 1976 II 1 ff., 76 [nachfolgend "Botschaft"]; Heinrich, PatG/EPÜ, Kommentar zum Schweizerischen Patentgesetz und den entsprechenden Bestimmungen des Europäischen Patentübereinkommens, N. 24.02). Vor der im Jahre 1978 in Kraft getretenen Teilrevision des Patentgesetzes war die Verwirkungsfrist nicht anwendbar auf Patente, die aufgrund der amtlichen Vorprüfung erteilt wurden (vgl. Blum/Pedrazzini, Das Schweizerische Patentrecht, Band II, Bern 1959, Anm. 3 zu Art. 24 aPatG). Heute gilt sie unbeschränkt für alle Teilverzichte nach Art. 24 Abs. 1 lit. c PatG. Gemäss Art. 109 Abs. 2 PatG ist die Verwirkungsfrist auch auf europäische Patente anwendbar, wobei ein Teilverzicht gemäss Art. 127 PatG solange ausgeschlossen ist, als beim Europäischen Patentamt ein Einspruch möglich ist oder über einen Einspruch noch nicht rechtskräftig entschieden wurde (vgl.
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Heinrich, a.a.O., N. 24.01).
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b) Nach dem Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 PatG beginnt die Verwirkungsfrist mit der "Patenterteilung" zu laufen.
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Die Zurückweisung und Erteilung europäischer Patente ist in Art. 97 EPÜ geregelt (Übereinkommen über die Erteilung europäischer Patente vom 5. Oktober 1973; SR 0.232. 142.2). Nach Art. 97 Abs. 2 EPÜ beschliesst die Prüfungsabteilung die Erteilung des europäischen Patentes für die benannten Vertragsstaaten unter bestimmten Voraussetzungen.
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Diese Entscheidung wird erst an dem Tag wirksam, an dem im Europäischen Patentblatt auf die Erteilung hingewiesen worden ist (Art. 97 Abs. 4 EPÜ).
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Bei wörtlichem Verständnis von Art. 24 Abs. 2 PatG beginnt somit die 4-Jahres-Frist für den Teilverzicht bei europäischen Patenten mit der Veröffentlichung des Hinweises auf die Patenterteilung im Europäischen Patentblatt. Der Wortlaut von Art. 24 Abs. 2 PatG ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin insoweit klar, als das EPÜ zwischen dem Erteilungsverfahren (Art. 90 - 98), dem Einspruchsverfahren (Art. 99 - 105) und dem Beschwerdeverfahren (Art. 106 - 112) unterscheidet. Während Art. 97 EPÜ wie erwähnt die Patenterteilung regelt, wird im Einspruchsverfahren der Entscheid der Einspruchsabteilung bekannt gegeben und - wenn der Patentinhaber im Einspruchsverfahren zulässige Änderungen vorgenommen hat (Art. 102 Abs. 3 EPÜ) - gleichzeitig eine neue europäische Patentschrift herausgegeben (Art. 103 EPÜ). Das europäische Patent wird in diesem Fall nicht neu "erteilt"; es gibt auch nach dem EPÜ einen eindeutig definierten Zeitpunkt der Patenterteilung, der durch ein anschliessendes Einspruchs- oder Beschwerdeverfahren nicht verändert wird. Die grammatikalische Auslegung spricht demnach entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin für die Auslegung der Vorinstanzen.
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c) Die historische Auslegung vermag die Auffassung der Beschwerdeführerin ebenfalls nicht zu stützen. Der Bundesrat hatte in der Botschaft ausdrücklich vorgeschlagen, die bis damals geltende unterschiedliche Behandlung vorgeprüfter und nicht vorgeprüfter Patente hinsichtlich des Teilverzichts zu beseitigen, und dazu ausgeführt, die zahlenmässige Beschränkung und Befristung des Teilverzichts dränge sich auch für die hier geltenden vorgeprüften europäischen Patente auf. Für europäische Patente erachtete der Bundesrat das auf vorgeprüfte schweizerische Patente zugeschnittene Argument als unzutreffend, wonach die Befristung der Teilverzichtserklärung nicht erforderlich sei, weil die über den Antrag entscheidende Instanz aus ihrer Kenntnis des Erfindungsgegenstands die Zulässigkeit des Teilverzichts ohne weiteres beurteilen könne (BBl 1976 II 98). Dieser Auffassung wurde im Parlament nicht widersprochen und der Antrag wurde unverändert ins Gesetz aufgenommen. Die - gleichzeitig verabschiedete - Norm des Art. 127 PatG soll widersprechende Einschränkungen im Einspruchsverfahren vor dem Europäischen Patentamt einerseits und im Verfahren nach Art. 24 PatG anderseits verhindern (Botschaft, BBl 1976 II 110; Heinrich, a.a.O., N. 127. 01). Art. 127 PatG führt zwar dazu, dass die vierjährige Frist stets um mindestens die Einspruchsfrist von neun Monaten (Art. 99 Abs. 1 EPÜ) verkürzt wird und nach Abschluss eines Einpruchs- oder Beschwerdeverfahrens regelmässig abgelaufen ist. Der Beschwerdeführerin kann aber nicht gefolgt werden, wenn sie daraus ableiten will, dass die gesetzgebenden Behörden die Tragweite von Art. 127 PatG für die Befristung des in Art. 24 Abs. 1 lit. c PatG geregelten Teilverzichts nicht erkannt hätten. Dafür bestehen keinerlei Hinweise und aus dem blossen Schweigen der Materialien kann eine solche Vermutung nicht abgeleitet werden.
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d) Die übrigen Argumente der Beschwerdeführerin, welche sie unter den Titeln der systematischen, zeitgemässen, teleologischen und verfassungskonformen Auslegung vorbringt, vermögen die zutreffende Auslegung der Vorinstanz nicht zu widerlegen. Die Möglichkeit der gerichtlichen Einschränkung bei Nichtigkeit nur eines Teils des Patents gemäss Art. 27 Abs. 1 PatG bestand schon altrechtlich (vgl.
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BGE 108 II 154 ff.; 95 II 364 E. 4 S. 369). Soweit darin mit der Beschwerdeführerin eine Umgehungsmöglichkeit gesehen werden sollte, war sie schon vor der Übernahme des EPÜ bekannt (vgl. Alois Troller, Immaterialgüterrecht, Band II,
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3. Aufl. , Basel 1985, S. 750; Blum/Pedrazzini, Das Schweizerische Patentrecht, Band II, Bern 1959, Anm. 7 zu Art. 27 PatG). Diese Möglichkeit hinderte den Gesetzgeber nicht an der Beibehaltung der Befristung in Art. 24 Abs. 2 PatG und deren Ausdehnung auf vorgeprüfte, insbesondere europäische Patente. Dass Art. 24 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 127 PatG praktisch zum Ausschluss der Möglichkeit eines Teilverzichts nach Art. 24 Abs. 1 lit. c PatG führen kann, wenn ein Einspruch oder eine Beschwerde gegen die Erteilung eines europäischen Patents eingereicht wird, war bei der Revision des Patentgesetzes am 17. Dezember 1976 erkennbar; im konkreten Eintritt derartiger Fälle kann deshalb keine neue Erkenntnis gesehen werden. Schliesslich ist entgegen der Ansicht der Beschwerdeführerin auch keine rechtsungleiche Behandlung ersichtlich:
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Zwar wirkt sich die Befristung der Teilverzichte nach Art. 24 Abs. 1 lit. c PatG für europäische Patente anders aus als für rein schweizerische. Aber auch das Verfahren vor dem Europäischen Patentamt unterscheidet sich vom rein schweizerischen; insbesondere steht dem Anmelder im Verfahren vor dem Europäischen Patentamt mindestens einmal die Gelegenheit zu, von sich aus die Beschreibung, die Patentansprüche und Zeichnungen zu ändern (Art. 123 Abs. 1 EPÜ). Im Übrigen könnte die Frage rechtsgleicher Behandlung - würde der Argumentation der Beschwerdeführerin gefolgt - in gleicher Weise auch für die unterschiedliche Regelung des Teilverzichts nach Art. 24 Abs. 1 lit. a und b einerseits gegenüber lit. c PatG anderseits aufgeworfen werden (vgl.
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Blum/Pedrazzini, a.a.O., Anm. 3 zu Art. 24 PatG). Die Einschränkung in Art. 24 Abs. 2 PatG (Befristung und Beschränkung auf einmalige Änderung) gilt indes allein für einen Teilverzicht nach Art. 24 Abs. 1 lit. c PatG, woran bei der Revision im Jahre 1976 ausdrücklich festgehalten wurde.
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e) Die europäische Patenterteilung ist im vorliegenden Fall am 22. Januar 1992 erfolgt. Die vierjährige Verwirkungsfrist von Art. 24 Abs. 2 PatG war somit abgelaufen, als die Beschwerdeführerin am 26. November 1999 beim IGE den Antrag auf Einschränkung des Patents stellte. Da die Frist entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin auch nicht erst mit dem Abschluss eines Einspruchs- oder Beschwerdeverfahrens vor dem Europäischen Patentamt beginnt, haben die Vorinstanzen zutreffend den Entscheid der Beschwerdeabteilung des EPA vom 24. Oktober 1996, der am 25. Juni 1997 im Europäischen Patentblatt veröffentlicht wurde, nicht als fristauslösend anerkannt.
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3.- Aus den vorangehenden Erwägungen ergibt sich, dass die Vorinstanzen Art. 24 Abs. 2 PatG bundesrechtskonform ausgelegt haben, indem sie die Verwirkungsfrist von vier Jahren seit der Patenterteilung auch auf europäische Patente mit Wirkung für die Schweiz angewandt haben. Die Frist beginnt mit der Patenterteilung im Sinne von Art. 97 Abs. 4 EPÜ zu laufen unbesehen darum, ob vor dem Europäischen Patentamt ein Einspruch- oder Beschwerdeverfahren durchgeführt wird. Für eine Gesetzeslücke, wie sie die Beschwerdeführerin eventualiter befürwortet, besteht kein Raum. Entgegen ihrer Ansicht sind die praktischen Folgen der Verwirkungsfrist für europäische Patente schon aus der gesetzlichen Regelung selbst klar ersichtlich und verbietet sich die Annahme, der Gesetzgeber habe sie nicht gesehen und gewollt. Dies erlaubt es auch nicht, von einer unvollständigen Regelung auszugehen, zu deren Ergänzung das Bundesgericht als rechtsanwendende Behörde zuständig wäre. Einzuräumen ist freilich, dass die gesetzliche Regelung zu unbefriedigenden Ergebnissen führt, wie der vorliegende Fall zeigt. Dem kann aber - wie bereits die Rekurskommission zutreffend festgehalten hat - nicht durch Gesetzesauslegung abgeholfen werden. Es wäre vielmehr Sache des Gesetzgebers, das Problem durch eine Gesetzesänderung zu lösen.
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4.- Aus diesen Gründen ist die Verwaltungsgerichtsbeschwerde abzuweisen. Die Gerichtsgebühr ist der im bundesgerichtlichen Verfahren unterliegenden Beschwerdeführerin aufzuerlegen (Art. 156 Abs. 1 OG).
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Demnach erkennt das Bundesgericht:
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1.- Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
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2.- Die Gerichtsgebühr von Fr. 3'000.-- wird der Beschwerdeführerin auferlegt.
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3.- Dieses Urteil wird der Beschwerdeführerin, dem Eidgenössischen Institut für Geistiges Eigentum und der Eidgenössischen Rekurskommission für Geistiges Eigentum schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 29. April 2002
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Im Namen der I. Zivilabteilung
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des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
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Der Präsident:
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Der Gerichtsschreiber:
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