[AZA 0/2]
6S.522/2001/kra
KASSATIONSHOF
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21. Mai 2002
Es wirken mit: Bundesrichter Schubarth, Präsident des
Kassationshofes, Bundesrichter Schneider, Wiprächtiger und
Gerichtsschreiberin Krauskopf.
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In Sachen
Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich,
gegen
F.________, Beschwerdegegnerin, vertreten durch Herrn Kurt Balmer, Rechtsanwalt, Glockenstrasse 18, Postfach 7275, Zürich
betreffend
Strafzumessung(eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde gegen das Urteil vom 14. Mai 2001 der I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich [S1/U/O/SB010080/ah])
hat sich ergeben:
A.- F.________ wurde am 10. Januar 2001 vom Bezirksgericht Zürich der Widerhandlung gegen Art. 19 Ziff. 1 Abs. 5 in Verbindung mit Ziff. 2 lit. a BetmG schuldig gesprochen und mit einem Jahr Gefängnis bedingt abzüglich der erstandenen Untersuchungshaft bestraft.
B.-Am 14. Mai 2001 hat die I. Strafkammer des Obergerichts des Kantons Zürich auf Berufung der Angeklagten den erstinstanzlichen Schuldspruch bestätigt, die Strafe jedoch in Anwendung von Art. 64 StGB (Strafmilderung auf Grund schwerer Bedrängnis) auf vier Monate Gefängnis abzüglich der erstandenen Untersuchungshaft herabgesetzt.
Der Ehemann der Angeklagten hatte am 20. November 1999 53 Fingerlinge von rund 500 Gramm Kokain mit einem Reinheitsgehalt von 70 % erworben und in der Toilette der ehelichen Wohnung versteckt. Als die Angeklagte erfuhr, dass ihr Ehemann verhaftet worden war, hiess sie ihre Schwester, die auf Besuch war, sowie die anwesende E.________, die Cousine ihres Ehemanns, die Wohnung zu verlassen. Sie ging davon aus, dass die Verhaftung ihres Gatten einmal mehr auf ein Betäubungsmitteldelikt zurückzuführen war. Sie durchsuchte ihre Wohnung, fand den Sack mit den Fingerlingen und übergab ihn mit Schmuck, schriftlichen Unterlagen und einem mobilen Telefon an E.________ mit dem Auftrag, den Sack und die Gegenstände mitzunehmen, in der Nähe einer Apotheke auf sie zu warten und ihr die Drogen und Gegenstände dort zurückzugeben.
C.- Gegen dieses Urteil hat die Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich kantonale sowie eidgenössische Nichtigkeitsbeschwerde geführt. Die kantonale Nichtigkeitsbeschwerde wurde vom Kassationsgericht des Kantons Zürich am 20. Februar 2002 abgewiesen. Die Beschwerdeführerin beantragt die Aufhebung des Urteils des Obergerichts und die Rückweisung des Falles zur Neubeurteilung. Die Beschwerdegegnerin beantragt in ihrer Vernehmlassung, die Nichtigkeitsbeschwerde sei abzuweisen, soweit darauf eingetreten werden könne, dies unter Kosten- und Entschädigungsfolgen zulasten der Staatsanwaltschaft des Kantons Zürich; eventualiter sei ihr die unentgeltliche Rechtspflege und -vertretung zu gewähren.
Das Bundesgericht zieht in Erwägung:
1.- a) Die Nichtigkeitsbeschwerde kann nur damit begründet werden, dass die angefochtene Entscheidung eidgenössisches Recht verletze (Art. 269 Abs. 1 BStP).
Ausführungen, die sich gegen die tatsächlichen Feststellungen des Entscheides richten sowie das Vorbringen neuer Tatsachen sind unzulässig (Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Der Kassationshof ist im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde an den von der kantonalen Behörde festgestellten Sachverhalt gebunden (Art. 277bis Abs. 1 BStP).
Auf eine Beschwerde kann deshalb insofern nicht eingetreten werden, als darin von einem abweichenden Sachverhalt ausgegangen oder der Sachverhalt angefochten wird (BGE 119 IV 309 E. 7b S. 312).
2.- a) Die Beschwerdeführerin führt an, die Beschwerdegegnerin hätte die Drogen gar nicht suchen müssen und hätte im Falle einer Sicherstellung der Ware durch die Polizei ihrem Ehemann sagen können, sie habe den Stoff nicht gefunden. Sie habe von diesem keinen Auftrag erhalten, die Drogen im Falle seiner Verhaftung fortzuschaffen. Ihr seien daher andere Wege offen gestanden als der gewählte.
Eine schwere Bedrängnis im Sinne von Art. 64 Abs. 1 al. 2 StGB liege somit nicht vor.
b) Gemäss der Beschwerdegegnerin hat das Obergericht die schwere Bedrängnis zu Recht angenommen, da es vorliegend um einen Grenzfall zum Notstand gehe. Es sei klar, dass es in der heiklen Situation, in der sie sich befunden habe, nicht einfach gewesen sei, berechtigten Familieninteressen zu entsprechen, ohne die Schwelle der Strafbarkeit zu übertreten. Sie hätte ferner die konkrete Menge Drogen gar nicht messen können, und ein rationales Denken sei in ihrer Lage und wegen ihrer grossen Nervosität nicht mehr möglich gewesen.
c) Schwere Bedrängnis im Sinne von Art. 64 Abs. 1 al. 2 StGB liegt vor, wenn eine notstandsähnliche Lage den Täter zur Begehung der strafbaren Handlung treibt, d.h.
wenn die Bedrängnis einen besonders hohen Grad erreicht und den Täter so beeindruckt, dass er einen Ausweg nur in der strafbaren Handlung zu finden glaubt (BGE 110 IV 9 E. 2 S. 10; 83 IV 188). Der Täter muss also die Tat als einzigen Ausweg betrachtet haben (BGE 107 IV 94 E. 4a S. 96; Jörg Rehberg, Strafrecht II, Zürich 2001, S. 56).
Die Bedrängnis kann materieller wie psychischer Art sein (BGE 107 IV 94 E. 4a S. 95). Es ist unerheblich, ob der Täter die Notlage selber verschuldet hat oder nicht (BGE 83 IV 187 S. 188; Hans Schultz, Einführung in den allgemeinen Teil des Strafrechts, zweiter Band, Bern 1982, S. 87, so auch Günter Stratenwerth, Allgemeiner Teil II, Bern 1989, § 7 N 90; Stefan Trechsel, Kurzkommentar, Zürich 1997, 64 N 9). Genauso wie in einer Notstandslage hat der Bedrängte eine gewisse Verhältnismässigkeit zwischen den Gründen, die ihn zur Tat veranlassen, und der Bedeutung des Rechtsguts, in das er eingreift, zu beachten.
Das verfolgte Ziel und die begangene Straftat dürfen nicht in einem derartigen Missverhältnis stehen, dass die Tat als moralisch verwerflich erscheint (BGE 110 IV 9 E. 2 S. 10; 107 IV 94 E. 4c S. 98).
d) Die Vorinstanz hat verbindlich festgehalten, dass die Beschwerdegegnerin aufgrund der Verhaftung ihres Ehemanns davon ausgehen musste, dass sich Drogen in ihrer Wohnung befanden und sie somit selber in Gefahr war. Auch habe sie sich veranlasst gesehen, die Drogen aus der Wohnung zu schaffen, weil sie befürchtet habe, dass ihr Ehemann ihr gegenüber erneut gewalttätig würde, falls sie ihn nicht unterstütze. Sie sei sehr nervös gewesen und habe keinen anderen Ausweg gesehen, als die Drogen zu suchen und aus der Wohnung zu schaffen.
Insoweit die Beschwerdeführerin die Feststellung der Vorinstanz hinterfragt, wonach die Beschwerdegegnerin keinen anderen Ausweg gesehen habe, kann auf die Rüge nicht eingetreten werden (vgl. E. 1 und Art. 273 Abs. 1 lit. b BStP). Die Frage, ob aufgrund der tatsächlichen Feststellungen zu Recht auf schwere Bedrängnis erkannt wurde, ist hingegen eine Rechtsfrage, die im Verfahren der Nichtigkeitsbeschwerde frei überprüft werden kann. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin geht es nicht darum, ob der Beschwerdegegnerin auch andere Handlungsmöglichkeiten offen standen. Zu beurteilen ist vielmehr, ob die Notlage, in der sich die Beschwerdegegnerin befand, eine schwere Bedrängnis im Sinne von Art. 64 Abs. 1 al. 2 StGB darstellt. Die Beschwerdegegnerin hat aus Angst vor der Gewalttätigkeit ihres Ehemannes und aus Nervosität gehandelt. Sie sah keinen anderen Ausweg aus ihrer Lage als die Drogen aus der Wohnung zu schaffen. Das von der Beschwerdegegnerin verfolgte Ziel, sich nicht der erneuten Gewalttätigkeit ihres Ehemanns auszusetzen, und die begangene Straftat stehen ferner nicht in einem derartigen Missverhältnis, dass das Verhalten der Beschwerdegegnerin als moralisch verwerflich bezeichnet werden könnte. Die Annahme der schweren Bedrängnis im Sinne von Art. 64 Abs. 1 al. 2 StGB verletzt daher kein Bundesrecht.
3.- Die Beschwerdeführerin macht geltend, die vorgenommene Strafmilderung sei unverhältnismässig und verletze somit Art. 63 StGB.
a) Der Richter misst die Strafe nach dem Verschulden des Täters zu; er berücksichtigt die Beweggründe, das Vorleben und die persönlichen Verhältnisse des Schuldigen (Art. 63 StGB). Dem Sachrichter ist vorgeschrieben, welche massgeblichen Gesichtspunkte für die Zumessung der Strafe zu berücksichtigen sind (vgl. hierzu BGE 127 IV 101 E. 2 S. 103). Es steht ihm innerhalb des Strafrahmens bei der Gewichtung der einzelnen zu berücksichtigenden Komponenten ein erheblicher Ermessensspielraum zu. Der Kassationshof des Bundesgerichts greift daher in dieses Ermessen nur ein, wenn das kantonale Gericht den gesetzlichen Strafrahmen über- oder unterschritten hat, wenn es von rechtlich nicht massgebenden Gesichtspunkten ausgegangen ist oder wenn es wesentliche Gesichtspunkte ausser Acht gelassen, bzw. in Überschreitung oder Missbrauch seines Ermessens falsch gewichtet hat. Das Sachgericht muss in seinem Entscheid die wesentlichen Tat- und Täterkomponenten so erörtern, dass festgestellt werden kann, ob alle rechtlich massgebenden Gesichtspunkte berücksichtigt und wie sie gewichtet wurden. Dies gilt ebenfalls für Strafmilderungsgründe (BGE 127 IV 101 E. 2 S. 103; 122 IV 49 E. 2 S. 55).
b) Das Obergericht verweist bei der Strafzumessung auf die Ausführungen des Bezirksgerichts, befasst sich danach mit der Frage der Anwendung von Art. 64 Abs. 1 al. 2 StGB, die es bejaht, und reduziert die vom Bezirksgericht ausgefällte Strafe ohne weitere Begründung auf vier Monate Gefängnis. Da das Mass der Strafreduktion nicht erklärt wird, ist es nicht nachvollziehbar. Es kann daher nicht geprüft werden, ob die Strafzumessung bundesrechtskonform ist. Eine hinreichende Begründung drängt sich vorliegend umso mehr auf, als die Strafmilderung erheblich ist.
Die Beschwerde ist somit in diesem Punkt gutzuheissen.
4.- Die Beschwerdegegnerin stellt ein Gesuch um Bewilligung der unentgeltlichen Rechtspflege. Da ihre Mittellosigkeit hinreichend ausgewiesen ist und ihr Antrag auf Abweisung der Nichtigkeitsbeschwerde nicht von vornherein aussichtslos war, wird ihrem Gesuch entsprochen (vgl. Art. 150 OG). Daher werden keine Kosten erhoben und ihrem Vertreter ein Betrag von Fr. 1'000.- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.
Demnach erkennt das Bundesgericht:
1.- Die Nichtigkeitsbeschwerde wird, soweit darauf einzutreten ist, teilweise gutgeheissen, das Urteil des Obergerichts des Kantons Zürich aufgehoben und die Sache zu neuer Entscheidung an die Vorinstanz zurückgewiesen.
2.- Das Gesuch der Beschwerdegegnerin um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege wird gutgeheissen.
3.- Es werden keine Kosten erhoben.
4.- Dem Vertreter der Beschwerdegegnerin wird für das bundesgerichtliche Verfahren eine Entschädigung von Fr. 1'000.- aus der Bundesgerichtskasse ausgerichtet.
5.- Dieses Urteil wird den Parteien und dem Obergericht (I. Strafkammer) des Kantons Zürich schriftlich mitgeteilt.
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Lausanne, 21. Mai 2002
Im Namen des Kassationshofes
des SCHWEIZERISCHEN BUNDESGERICHTS
Der Präsident:
Die Gerichtsschreiberin: