BGer I 60/2002
 
BGer I 60/2002 vom 05.07.2002
[AZA 7]
I 60/02 Vr
IV. Kammer
Präsidentin Leuzinger, Bundesrichter Rüedi und Ferrari;
Gerichtsschreiber Grunder
Urteil vom 5. Juli 2002
in Sachen
S.________, 1942, Beschwerdeführerin, vertreten durch den Rechtsdienst für Behinderte, Schützenweg 10, 3014 Bern,
gegen
IV-Stelle Bern, Chutzenstrasse 10, 3007 Bern, Beschwerdegegnerin,
und
Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Bern
A.- Die 1942 geborene S.________ arbeitete seit dem Jahre 1990 als Reinigungsangestellte im zeitlichen Umfang von 66 % im Restaurant der Genossenschaft X.________. Zusätzlich führte sie den Haushalt ihrer aus vier Mitgliedern bestehenden Familie. Am 19. Dezember 1997 rutschte sie auf nassem Boden aus und zog sich eine Distorsion des rechten Knies zu, die zwei arthroskopische Eingriffe notwendig machte. Die Schweizerische Unfallversicherungsanstalt sprach S.________ mit Verfügung vom 29. März 2000 eine Invalidenrente bei einem Invaliditätsgrad von 20 % zu. Seit diesem Unfall arbeitete die Versicherte nicht mehr.
Am 9. März 1999 meldete sie sich zum Bezug von Leistungen der Invalidenversicherung an. Die IV-Stelle Bern zog die Akten der Schweizerischen Unfallversicherungsanstalt (SUVA) bei, holte die Berichte des Dr. med. R.________, Spezialarzt für Chirurgie FMH, vom 9. Juni 1999, des Dr.
med. C.________, Innere Medizin FMH, vom 24. Juli 2000, sowie den Arbeitgeberbericht vom 24. Juni 1999 ein, liess den Haushalt abklären (Abklärungsbericht Haushalt vom 27. Januar 2000) und beauftragte die Herren Dres. med.
R.________, Spezialarzt FMH für Rheumatologie, und H.________, FMH Psychiatrie, mit der Erstellung eines interdisziplinären Gutachtens (Gutachten vom 31. Januar 2001). Die beiden Ärzte diagnostizierten eine Adipositas permagna, eine Valgusgonarthrose rechts, eine Panalgie, ein thorako-lumbales Schmerzsyndrom, beginnende Fingerarthrosen, eine medikamentös substituierte Hypothyreose und eine Hypertonie sowie eine kurze depressive Reaktion (ICD-10:
F43. 20). Mit Verfügung vom 8. Mai 2001 lehnte die IV-Stelle nach durchgeführtem Vorbescheidverfahren einen Anspruch auf eine Invalidenrente bei einem nach der gemischten Methode ermittelten Invaliditätsgrad von 12 % ab.
B.- Die hiegegen eingereichte Beschwerde, mit welcher S.________ beantragen liess, unter Aufhebung der Verfügung sei die Sache zur weiteren medizinischen Abklärung und neuer Verfügung an die Verwaltung zurückzuweisen, wies das Verwaltungsgericht des Kantons Bern mit Entscheid vom 30. November 2001 ab.
C.- Mit Verwaltungsgerichtsbeschwerde lässt S.________ die vorinstanzlich gestellten Rechtsbegehren erneuern.
Die IV-Stelle schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde, das Bundesamt für Sozialversicherung verzichtet auf eine Stellungnahme.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Das kantonale Gericht hat die gesetzlichen Bestimmungen und Grundsätze über den Invaliditätsbegriff bei Erwerbs- und Nichterwerbstätigen (Art. 4 Abs. 1 und Art. 5 Abs. 1 IVG), den Umfang des Rentenanspruchs (Art. 28 Abs. 1 IVG) und die Ermittlung des Invaliditätsgrades nach der gemischten Methode (Art. 27 und 27bis IVV) zutreffend dargelegt.
Darauf wird verwiesen.
Richtig sind auch die Ausführungen zur Einheitlichkeit des Invaliditätsbegriffs und zur Aufgabe des Arztes oder der Ärztin bei der Invaliditätsbemessung.
2.- a) Unbestritten sind die Gewichtung des Erwerbs- und des Nichterwerbsbereichs im Verhältnis 66 zu 34 und die Beeinträchtigung von 18 % bezüglich der Besorgung des Haushalts.
Zu prüfen ist, in welchem Ausmass die Versicherte im Erwerbsbereich invalid ist.
b) Verwaltung und Vorinstanz stützen sich bei der Beurteilung der Arbeitsfähigkeit auf die Angaben der Dres.
med. R.________ und H.________, gemäss welchen die Beschwerdeführerin als Raumpflegerin bezogen auf ein volles zeitliches Pensum zu 60 % arbeitsfähig ist, in einer den Leiden angepassten, vorwiegend sitzenden Beschäftigung mit Tätigkeiten auf Tischhöhe und der Möglichkeit gelegentlicher Positionswechsel, zu 100 %.
Dagegen bringt die Beschwerdeführerin vor, der behandelnde Arzt Dr. med. C.________ habe die Arbeitsfähigkeit in seinem Bericht vom 24. Juli 2000 auf lediglich 20 % bis 30 % in einer zumutbaren Tätigkeit eingeschätzt. Er bestätige in seinem nach Erlass der Verwaltungsverfügung verfassten Schreiben vom 9. Mai 2001, dass entgegen der Auffassung der Dres. med. R.________ und H.________ psychosomatische Beschwerden im Sinne eines beginnenden Fibromyalgiesyndroms und eine von diesen nicht beachtete Anstrengungsdyspnoe mit Auswirkungen auf die Arbeitsfähigkeit vorlägen.
3.- a) Entgegen den Vorbringen der Beschwerdeführerin ist das Gutachten der Dres. med. R.________ und H.________ vom 31. Januar 2001 nicht zu beanstanden. Ihre Beurteilung beruht auf Kenntnis sämtlicher medizinischer Unterlagen, eigenen Untersuchungen und einem fachärztlichen Konsilium.
b) Der Psychiater, Dr. med. H.________, schloss psychosomatische Zusammenhänge bezüglich der von der Beschwerdeführerin geklagten Schmerzzustände aus, weil die bei Somatisierungsstörungen typischen Verstimmungen und Ängste weitgehend fehlten. Zudem konnte er keine psychopathologischen Befunde erheben. Die von Dr. med. C.________ angegebene Diagnose eines beginnenden Fibromyalgiesyndroms ist damit fachärztlich widerlegt.
Die Anstrengungsdyspnoe hatte gemäss Bericht der Klinik X.________ keine Auswirkungen auf die körperliche Leistungsfähigkeit der Versicherten in einer zumutbaren Arbeit. Nachdem Dres. med. R.________ und H.________ in Kenntnis dieser Beurteilung und aufgrund eigener Untersuchungen keine Einschränkung der Herz- und Lungenfunktion feststellen konnten, ist die bei der Einschätzung der Arbeitsfähigkeit nicht berücksichtigte Anstrengungsdyspnoe nicht zu beanstanden.
c) Zu den Auswirkungen der gesundheitlichen Beeinträchtigungen auf die Arbeitsfähigkeit hält Dr. med.
R.________ fest, dass das massive Übergewicht in erster Linie für die eingeschränkte Leistungsfähigkeit der Beschwerdeführerin verantwortlich sei und zwar selbst dann, wenn man die negativen Auswirkungen des Gewichts auf die Wirbelsäule und die Gelenke der unteren Extremitäten nicht berücksichtige. Dementsprechend beurteilte er die Versicherte als Raumpflegerin zu 60 %, in einer den Leiden angepassten Tätigkeit vollumfänglich arbeitsfähig. Dr. med.
H.________ führte aus, dass entscheidend für die nicht realisierte Erwerbstätigkeit soziokulturelle Gründe (Emigration, mässige Assimilation, geringe Sprachkenntnisse, fehlende Ausbildung, familiäre Schwierigkeiten, Rückkehrwunsch nach Italien) seien.
Die Einschätzungen der Gutachter zur Arbeitsfähigkeit in einer Verweisungstätigkeit sind einlässlich und überzeugend begründet.
4.- Der von der Vorinstanz vorgenomme Einkommensvergleich im Erwerbsbereich und der gestützt darauf ermittelte Invaliditätsgrad von 18 % ist nicht zu beanstanden. Bezüglich des Einwandes der Beschwerdeführerin, der von der SUVA ermittelte Invaliditätsgrad betrage 20 %, weshalb die Einschätzung der Invalidenversicherung nicht geringer ausfallen dürfe, wird auf die zutreffenden Erwägungen der Vorinstanz verwiesen, wonach in casu die Koordinationsregel nicht eingreifen kann.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I.Die Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird abgewiesen.
II.Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Verwaltungsgericht des Kantons Bern, Sozialversicherungsrechtliche Abteilung, der Ausgleichskasse des Kantons Bern und
dem Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 5. Juli 2002
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Die Präsidentin der IV. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: