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Original
 
[AZA 7]
I 421/01 Bh
I. Kammer
Präsident Schön, Bundesrichter Borella, Bundesrichterin
Widmer, Bundesrichter Meyer und Kernen; Gerichtsschreiber
Ackermann
Urteil vom 15. Juli 2002
in Sachen
IV-Stelle des Kantons St. Gallen, Brauerstrasse 54, 9016 St. Gallen, Beschwerdeführerin,
gegen
F.________, 1956, Beschwerdegegner, vertreten durch Rechtsanwalt Dr. Thomas Bürgi, Haus "Zur alten Dorfbank", 9313 Muolen,
und
Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, St. Gallen
A.- F.________, geboren 1956, arbeitete von 1994 bis Ende August 1998 als Mitarbeiter im Schichtbetrieb der X.________ AG; seither ist er arbeitslos. Am 23. April 1999 meldete er sich bei der Invalidenversicherung zu Berufsberatung, Umschulung und Arbeitsvermittlung an. Die IV-Stelle des Kantons St. Gallen holte in der Folge einen Arbeitgeberbericht vom 5. Mai 1999 sowie einen Bericht des Dr. med. H.________, Arzt für Allgemeine Medizin FMH, vom 28. Mai 1999 (mit medizinischen Vorakten) ein. Mit Verfügung vom 18. August 1999 lehnte sie die Leistungsansprüche des F.________ ab, weil er eine leichtere, wechselbelastende Tätigkeit ausüben könne.
B.- Die dagegen erhobene Beschwerde des F.________ hiess das Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen mit Entscheid vom 18. Juni 2001 insoweit gut, als es den Anspruch auf Arbeitsvermittlung bejahte; betreffend der weiteren Eingliederungsmassnahmen wurde die Beschwerde abgewiesen.
C.- Die IV-Stelle führt Verwaltungsgerichtsbeschwerde mit dem Antrag, den vorinstanzlichen Entscheid aufzuheben.
F.________ schliesst auf Abweisung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde und verlangt die Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung, während das Bundesamt für Sozialversicherung (BSV) Gutheissung beantragt.
Das Eidg. Versicherungsgericht zieht in Erwägung:
1.- Die Vorinstanz hat die Voraussetzungen und Grundsätze für den Anspruch eines Invaliden auf Arbeitsvermittlung zutreffend dargestellt (Art. 18 Abs. 1 IVG; BGE 116 V 80). Darauf wird verwiesen.
2.- Streitgegenstand ist einzig der Anspruch auf Arbeitsvermittlung; weitere Eingliederungsmassnahmen oder ein Rentenanspruch sind nicht mehr Gegenstand des Verfahrens.
a) Das kantonale Gericht hat den Anspruch auf Arbeitsvermittlung bejaht, da die Chancen des Beschwerdegegners, auf dem realen Arbeitsmarkt eine Stelle zu finden, infolge seines Gesundheitsschadens spürbar gesunken seien. Dieser Auffassung stimmt der Beschwerdegegner bei. Die IV-Stelle wendet dagegen ein, dass der Versicherte für leichte Arbeiten vollständig arbeitsfähig sei und dass auf dem tatsächlich vorhandenen Arbeitsmarkt genügend zumutbare Stellen existierten. Auch das BSV geht in seiner Vernehmlassung davon aus, dass dem Beschwerdegegner auf dem gesamten Arbeitsmarkt genügend zumutbare Stellen offen stünden und keine fachspezifischen Kenntnisse der mit der Vermittlungsaufgabe betrauten Behörde notwendig seien.
b) Der Anspruch auf Arbeitsvermittlung durch die Invalidenversicherung nach Art. 18 Abs. 1 IVG ist von der Arbeitsvermittlung Behinderter durch die Arbeitslosenversicherung (Art. 15 Abs. 2 in Verbindung mit Art. 17 Abs. 2 AVIG) zu unterscheiden. Die Invalidenversicherung ist für invalide Versicherte hinsichtlich der Arbeitsvermittlung vorrangig zuständig (Thomas Nussbaumer, Arbeitslosenversicherung, in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 12). Nach der Rechtsprechung wird die Arbeitsvermittlung in der Arbeitslosenversicherung unabhängig von jener durch die Invalidenversicherung beurteilt (BGE 116 V 85).
c) Notwendig für die Bejahung des Anspruchs auf Arbeitsvermittlung sind die allgemeinen Voraussetzungen für Leistungen der Invalidenversicherung gemäss Art. 4 ff. und Art. 8 IVG, d.h. insbesondere eine leistungsspezifische Invalidität (Art. 4 Abs. 2 IVG), welche im Rahmen von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG schon bei relativ geringen gesundheitlich bedingten Schwierigkeiten in der Suche nach einer Arbeitsstelle erfüllt ist (BGE 116 V 81 Erw. 6a; AHI 2000 S. 70 Erw. 1a). Eine für die Arbeitsvermittlung massgebende Invalidität liegt daher vor, wenn der Versicherte bei der Suche nach einer geeigneten Arbeitsstelle aus gesundheitlichen Gründen Schwierigkeiten hat (BGE 116 V 81 Erw. 6a mit Hinweis; AHI 2000 S. 69 Erw. 2b), d.h. es muss für die Bejahung einer Invalidität im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG zwischen dem Gesundheitsschaden und der Notwendigkeit der Arbeitsvermittlung ein Kausalzusammenhang bestehen (vgl. Art. 4 Abs. 1 IVG; in diesem Sinne Jean-Louis Duc, L'assurance-invalidité, in Schweizerisches Bundesverwaltungsrecht [SBVR], Soziale Sicherheit, Rz 85).
Gesundheitliche Schwierigkeiten bei der Suche einer neuen Arbeitsstelle (BGE 116 V 81 Erw. 6a; AHI 2000 S. 69 Erw. 2b) erfüllen den leistungsspezifischen Invaliditätsbegriff, wenn die Behinderung bleibend oder während voraussichtlich längerer Zeit (Art. 4 Abs. 1 IVG) Probleme bei der - in einem umfassenden Sinn verstandenen - Stellensuche selber verursacht. Das trifft beispielsweise zu, wenn wegen Stummheit oder mangelnder Mobilität kein Bewerbungsgespräch möglich ist oder dem potentiellen Arbeitgeber die besonderen Möglichkeiten und Grenzen des Versicherten erläutert werden müssen (z.B. welche Tätigkeiten trotz Sehbehinderung erledigt werden können), damit der Behinderte überhaupt eine Chance hat, den gewünschten Arbeitsplatz zu erhalten.
Zur Arbeitsvermittlung nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG ist im Weiteren berechtigt, wer aus invaliditätsbedingten Gründen spezielle Anforderungen an den Arbeitsplatz (z.B. Sehhilfen) oder den Arbeitgeber (z.B. Toleranz gegenüber invaliditätsbedingt notwendigen Ruhepausen) stellen muss und demzufolge aus invaliditätsbedingten Gründen für das Finden einer Stelle auf das Fachwissen und entsprechende Hilfe der Vermittlungsbehörden angewiesen ist. Bei der Frage der Anspruchsberechtigung nicht zu berücksichtigen sind demgegenüber invaliditätsfremde Probleme bei der Stellensuche, z.B.
Sprachschwierigkeiten (im Sinne fehlender Kenntnisse der Landessprache, anders wiederum bei medizinisch diagnostizierten, somit gesundheitsbedingten, Sprachstörungen).
Unter Beachtung dieser Voraussetzungen ist bei voller Arbeitsfähigkeit für leichte Tätigkeiten der Invaliditätsbegriff im Sinne von Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG nicht erfüllt.
Denn die Suche einer Anstellung, in deren Rahmen leichte Tätigkeiten vollzeitig verrichtet werden können, unterliegt keinen solchen Anforderungen und Einschränkungen im eben umschriebenen Sinne. Es braucht diesfalls für die Bejahung einer Invalidität nach Art. 18 Abs. 1 Satz 1 IVG zusätzlich eine gesundheitlich bedingte spezifische Einschränkung in der Stellensuche. Denn die invalidenversicherungsrechtliche Arbeitsvermittlung bezweckt, konkrete eingetretene oder unmittelbar drohende (Art. 8 Abs. 1 IVG) invaliditätsbedingte Einschränkungen bei der Stellensuche durch die Inanspruchnahme spezieller Fachkenntnisse der Versicherungsorgane (oder der von ihr beigezogenen Stellen; vgl. Art. 59 IVG) auszugleichen. Sind diese Voraussetzungen nicht erfüllt, fällt der Anspruch auf Arbeitsvermittlung gegenüber der Invalidenversicherung ausser Betracht.
d) Das Eidgenössische Versicherungsgericht hatte sich wiederholt mit Fragen der invalidenversicherungsrechtlichen Arbeitsvermittlung bei einer vollständigen Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit zu befassen:
- In AHI 2000 S. 69 Erw. 2b wurden behinderungsbedingte Schwierigkeiten bei der Stellensuche verneint beim Vorliegen einer vollständigen Arbeitsfähigkeit für leichte(re) Arbeiten ohne Heben von Lasten über 20 kg, allenfalls mit der Möglichkeit zu körperlicher Wechselhaltung.
- Im nicht veröffentlichten Urteil S. vom 15. Januar 1999, I 403/98, wurde der Anspruch auf Arbeitsvermittlung durch die Invalidenversicherung abgelehnt, da eine vollständige Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit bestand.
- Im Urteil E. vom 12. Oktober 2001, I 547/99, wurde über den Anspruch abschlägig entschieden, als eine Arbeitsunfähigkeit von 15 % in der angestammten Tätigkeit als Hilfskoch und einer leidensangepassten Tätigkeit erwiesen war.
- In BGE 116 V 82 Erw. 6b wurde der Anspruch dagegen bejaht, da nebst körperlichen Einschränkungen (weder schwere Gewichte heben noch dauernd in stereotyper Haltung arbeiten) zusätzlich Auffälligkeiten in der Persönlichkeit vorlagen.
- Das Urteil K. vom 6. Juli 2000, I 681/99, sprach dem Versicherten einen Anspruch auf Arbeitsvermittlung zu, als in einer leidensangepassten Tätigkeit zusätzlich eine bloss hälftige Arbeitsunfähigkeit vorlag.
- Im Urteil S. vom 8. Mai 2000, I 483/99, wurde die Arbeitsvermittlung durch die Invalidenversicherung bejaht, da zur leichten körperlichen Einschränkung die Notwendigkeit einer möglichst staub- und geruchsfreien Arbeitsumgebung hinzukam.
- Im Urteil V. vom 5. Juni 2001, I 324/00, wurde dagegen einer Haushälterin mit voller Arbeitsfähigkeit in einer leichten Tätigkeit die Arbeitsvermittlung ohne Vorliegen eines zusätzlichen Kriteriums gewährt.
- In einem obiter dictum des Urteils V. vom 27. April 2001, I 259/00, wurde bei einer vollständigen Arbeitsfähigkeit in einer leidensangepassten Tätigkeit ebenfalls auf die invalidenversicherungsrechtliche Arbeitsvermittlung hingewiesen, ohne dass die Thematik jedoch vertieft dargestellt worden wäre.
Soweit einzelne dieser Urteile den Anspruch auf Arbeitsvermittlung als Naturalleistung der Invalidenversicherung bei voller Arbeitsfähigkeit bejahten, ohne dass ein diesfalls notwendiges, den Versicherten zusätzlich in seiner Stellensuche einschränkendes Kriterium im Sinne der obigen Erwägungen ausgewiesen war, kann daran in Bestätigung von BGE 116 V 80 nicht festgehalten werden.
3.- Es fragt sich, ob der Beschwerdegegner wegen seiner Leiden Probleme bei der Stellensuche hat.
Gemäss Bericht des Dr. med. H.________ vom 28. Mai 1999 sind dem Versicherten leichtere Arbeiten zumutbar, wenn er keine schweren Lasten heben und nicht längere Zeit am gleichen Ort stehen muss. Damit liegt eine vollständige Arbeitsfähigkeit für leichte Tätigkeiten vor, ohne dass weitere Einschränkungen ersichtlich wären. Dem Versicherten stehen deshalb auf dem - für alle erwerblich orientierten Leistungen der Invalidenversicherung massgebenden (Ulrich Meyer-Blaser, Bundesgesetz über die Invalidenversicherung, Zürich 1997, S. 8 unten) - ausgeglichenen hypothetischen Arbeitsmarkt genügend zumutbare Stellen offen (zu denken ist insbesondere an leichtere Kontroll- und Überwachungstätigkeiten), zu deren Finden die spezifischen Fachkenntnisse der mit der Invalidenversicherung betrauten Behörden nicht notwendig sind. Damit besteht nach dem Gesagten kein Anspruch auf Arbeitsvermittlung durch die Invalidenversicherung.
4.- Das Verfahren ist kostenlos (Art. 134 OG). Die IV-Stelle als obsiegende Behörde hat keinen Anspruch auf Parteientschädigung (Art. 135 in Verbindung mit Art. 159 Abs. 2 OG).
Die vom Beschwerdegegner beantragte unentgeltliche Verbeiständung kann gewährt werden (Art. 152 in Verbindung mit Art. 135 OG), da die Bedürftigkeit aktenkundig ist und die anwaltliche Verbeiständung geboten war. Es wird indessen ausdrücklich auf Art. 152 Abs. 3 OG aufmerksam gemacht, wonach die begünstigte Partei der Gerichtskasse Ersatz zu leisten haben wird, wenn sie später dazu im Stande ist.
Demnach erkennt das Eidg. Versicherungsgericht:
I. In Gutheissung der Verwaltungsgerichtsbeschwerde wird
der Entscheid des Versicherungsgerichts des Kantons
St. Gallen vom 18. Juni 2001 aufgehoben.
II. Es werden keine Gerichtskosten erhoben.
III. Zufolge Gewährung der unentgeltlichen Verbeiständung wird Rechtsanwalt Dr. iur. Thomas Bürgi, Muolen, für das Verfahren vor dem Eidgenössischen Versicherungsgericht
aus der Gerichtskasse eine Entschädigung (einschliesslich
Mehrwertsteuer) von Fr. 1500.- ausgerichtet.
IV. Dieses Urteil wird den Parteien, dem Versicherungsgericht des Kantons St. Gallen, der Ausgleichskasse Grosshandel und Transithandel, Reinach/BL, und dem
Bundesamt für Sozialversicherung zugestellt.
Luzern, 15. Juli 2002
Im Namen des
Eidgenössischen Versicherungsgerichts
Der Präsident der I. Kammer:
Der Gerichtsschreiber: